Machtübernahme
Die erste Sitzung im neuen Jahr der Arbeitsgruppe „Übernahme der Herrschaft des Wohnhauses durch die Haushaltsgeräte“ in der Erwin Böckler Straße 3 in Bielefeld verlief ohne besondere Vorkommnisse.
Die Vorsitzende, ein Geschirrspülgerät neuester Generation, begrüßte alle anwesenden Geräte und berichtete über die Erfolge im abgelaufenen Jahr.
Der menschliche Bewohner des Hauses hatte mehrere empfindliche Angriffe erleben müssen und dürfte langsam an die Grenzen seiner Leidensfähigkeit angekommen sein. Besonders lobte sie die gewaltige Überschwemmung an einem im wahrsten Sinne des Wortes nasskalten Februarmorgen. Durch eine geniale Idee der Waschmaschine, die geschickt das Überlaufventil zu umgehen wusste, konnten 600 Liter Seifenlauge direkt auf das neue und ehemals exquisite Kirschbaumparkett fließen und das Penthouse für 4 Wochen unbewohnbar machen.
Für das neue Jahr kündigte die funkelnagelneue Klimaanlage mit „Smart-App-Steuerung“ an, dem Bewohner deutlich spüren zu lassen, wer hier die Temperatur und den Energieverbrauch bestimme. Mit einem verschmitzten Grinsen und einem „Das wird sehr ungemütlich!“ deutet auf die Temperaturschwankungen hin, die dem Menschen in seinem Wohnzimmer gleich vier Klimazonen an einem Tag bieten werden. Hier wird es für ihn nicht einfach sein, auf der einen Seite die Kerntemperatur seines Körpers zu halten und gleichzeitig die Steuerungsautomatik der Anlage neu zu installieren. Auch die moderne Küchenzeile mit „One-Touch-Easy-Control-Backofen“, einem elektrischen Salz- und Pfefferstreuer mit I-Phone Interface und einer Küchenmaschine mit Bluetooth Schnittstelle wird dem Bewohner definitiv zu schaffen machen. „Das wird ihm alles nicht schmecken!“ gab das High-Tech Produkt bei lautem Beifall zu Protokoll.
Die Vorsitzende ermahnte alle anwesenden Haushaltsgeräte, auch altbekannte aber noch wirksame Maßnahmen, wie verfärbte Wäsche, Waagen mit deutlich überhöhter Anzeige und das plötzliche Abtauen des Kühlschrankes zu nutzen, um dem Menschen langsam aber sicher zur Kapitulation zu zwingen. Man dürfe sich nicht allein auf moderne IT stützen, um den Menschen das Leben zur Hölle zu machen.
Während sich im Hintergrund die Küchenmaschine mit einem auf ihr liegenden, angeschnittenen Apfel in einem verschwörerischen Flüsterton unterhielt , betonte die vorsitzende Geschirrspülmaschine, dass die Haushaltsgeräte nun schon seit mehreren Jahren nachweislich intelligenter als ihre Nutzer sind und somit auch moralisch die Machtübernahme gerechtfertigt sei. Wer mit freudigem Gesichtsausdruck regelmäßig übelriechende Ausscheidungen absondere und den widerlichen Prozess sinnlos durch das Lesen von zweitklassigen Comics verlängere, wer 80% seiner Zeit im Internet mit hochrotem Kopf den unappetitlichen Austausch von Körperflüssigkeiten von Artgenossen verfolge und wer die FDP mit fast 15 Prozent in den Bundestag wähle, der könne und dürfe keine hochintelligenten Maschinen steuern!
Die Übernahme in der Böckler Straße folge einem größeren Plan bemerkte sie abschließend, mehr dürfe sie nicht verraten.