Mach die Augen zu...
Sie wollte mehr. Ich wusste es, ich konnte es in jedem ihrer Blicke sehen, in ihren Berührungen spüren. Sie wollte viel mehr von mir als das was ich ihr gab. Doch das was sie wollte konnte ich ihr nicht geben. Nicht dass ich es nicht gewollt hätte, ich konnte einfach nicht. Etwas in mir sagte mir dass es falsch war ihr nachzugeben, dass es falsch war sich dem hinzugeben was ich so sehr wollte. Dass es falsch war sich ihr hinzugeben. Und so blieb es bei unserer platonischen Freundschaft. Ich sah ihre Blicke, sah wie sie mich jedes Mal in Gedanken auszog. Ich spürte ihre Berührungen, wie Seide auf meiner Haut, leicht wie eine Feder. Sie ließ keine Gelegenheit aus um meine Arme zu berühren, über meine Wange zu streichen oder mich zu umarmen. Ich wusste genau was sie wollte, und sie wusste dass ich ihre Gedanken kannte. Sie wusste dass ich sie mindestens genauso wollte wie sie mich. Und sie wusste dass ich meine Gründe hatte es nicht zu tun. Sie verstand diese Gründe nicht, erfüllte mir aber meine unausgesprochene Bitte mir Zeit zu geben. Sie war erst seit kurzem Teil meiner Welt, kannte sich nicht aus in den starren Regeln in denen ich aufgewachsen war. Sie wusste nichts von den Vorstellungen meiner Eltern wie mein Leben zu verlaufen hatte. Sie sah nur mich, und sie sah das Verlangen in meinen Augen und sie wusste dass sie es erwiderte. Mehr musste sie nicht wissen, mehr zählte für sie nicht. Für mich hätte auch nicht mehr zählen dürfen, doch die jahrelange Gehirnwäsche durch meine Eltern hatte mir Flausen in den Kopf gesetzt. Dass es wichtig wäre was andere von einem halten. Dass es wichtig war die Pläne die andere für einen hatten auszuführen und zu erfüllen. Dass es wichtig war seinen Eltern in allem zu gehorchen, sie nicht zu enttäuschen, immer das Beste zu geben. Das Beste war das was meine Eltern als das Beste definierten. Nicht mehr und nicht weniger. Ich hatte seit meiner Geburt die Aufgabe gehabt die Tochter meines Vaters zu sein, und diese Aufgabe über Bord zu werden war nicht so einfach. Ich wollte mich eigentlich nicht widersetzen, wollte meine Eltern nicht enttäuschen. Schließlich liebten sie mich, sie hatten mir meine Karriere ermöglicht, sie waren schließlich meine Eltern. Andererseits wollte ich auch mich selbst nicht enttäuschen, der Wunsch ihr einfach die Kleider vom Leib zu reißen wurde immer größer.
Wir waren wieder einmal miteinander im Kino gewesen. Wir gingen oft ins Kino, weniger um die Filme zu sehen als einfach in der Dunkelheit nebeneinander zu sitzen und unsere Arme auf der Lehne aneinander zu schmiegen. Das sah unschuldig aus, mehr brachte ich nicht über mich. Dabei war es halb so unschuldig wie es für einen Außenstehenden vielleicht schien. Die Haut an ihrem Arm war so weich und warm, wenn sie sich bewegte strich sie meinen Arm entlang und mir stockte der Atem. Sie wusste genau was sie tat, und das war auch der Grund warum sie es tat.
Sie brachte mich nach Hause, wie immer. Meine Eltern waren ihr dankbar dafür, denn sie sahen es nicht gerne wenn ich nachts allein unterwegs war. Ich war ihr auch dankbar dafür, denn so konnte ich mehr Zeit mit ihr verbringen, und vor allem konnte ich mich für ihren Geleitschutz mit einer Umarmung bedanken. Und vor allem konnte ich während dieser Umarmung spüren wie sich ihr ganzer Körper an meinen presste…ich spürte Rundungen die man sonst unter ihren Klamotten nicht sehen konnte, fühlte Haut die so wohl noch kein Mensch vor mir gefühlt hatte…am liebsten würde ich sie für immer umarmen, doch irgendwann löste sie sich von mir und schickte mich ins Haus. „Gute Nacht, schlaf gut.“ Sagte sie, jedes Mal. Und ich schlief gut. Träumte von ihr und freute mich auf den nächsten Tag an dem ich sie in der Schule wieder sehen würde. Eines Tages bekamen wir jedoch keine Karten mehr für den Film den wir sehen wollten. Da nichts anderes lief, lud sie mich ein einen Kaffee zu trinken. Wir gingen in ein Cafe in der Nähe, bestellten uns etwas zu trinken und warteten stumm auf die Kellnerin die uns unsere Getränke brachte. Da saß ich nun, zum ersten Mal in meinem Leben kam ich mir unkontrolliert vor. Meine Eltern meinten dass ich im Kino war. Sie wussten nichts von dem ausverkauften Film, ich hatte zweieinhalb Stunden von denen niemand erfahren würde was ich mit ihnen angefangen hatte. Ich sah sie an. „Komm.“ Sagte ich, sie lächelte und stand auf.
Eine halbe Stunde später saßen wir in ihrem Schlafzimmer auf dem Bett. Ich zitterte, vor Angst, vor Aufregung, vor Erregung. Ich wusste nicht was passieren würde, ich wusste nur DASS etwas passieren würde. Sie sah mich an. In ihren Augen schimmerte es, die Kerzen die sie angezündet hatte reflektierten sich. Das Licht legte sich über uns, machte alles weich. Sie sah mich an, streichelte mit einem Finger meine Wange, lehnte sich vor – und ich zuckte zurück. Ich wusste nicht warum ich es tat, es war einfach eine Reaktion die mein Körper von sich aus machte. Sie erschrak und zuckte ebenfalls zurück. Verwirrt sah sie mich an. Sie sagte nichts, und auch ich schwieg. Mein Blick muss wohl Bände gesprochen haben, denn sie lächelte mich an, kniete sich vor mich auf das Bett und sagte:“Mach die Augen zu.“ Ich tat was sie sagte, und plötzlich vergaß ich alles um mich herum. Ich vergaß wo ich war, ich vergaß wer ich war, ich vergaß meine Eltern, meine Bedenken, meine Skrupel. Ich bestand nurnoch aus Gefühl, fühlte ihr Verlangen als sie mein Gesicht streichelte, als sie meine Arme berührte. Ich fühlte dass sie sich bewegte, wusste nicht was sie vorhatte. Normalerweise hätte ich spätestens in diesem Augenblick meine Augen geöffnet, doch dieses Mal nicht. Ich vertraute ihr, ließ mich ein auf das was sie tat. Ich spürte ihre Wärme als sie mich in den Arm nahm, fühlte ihren Atem auf meiner Haut. Ich zitterte immernoch, doch meine Angst war wie weggeblasen. Und dann, ohne Vorwarnung, küsste sie mich. Ihre Lippen berührten meine, so weich wie Engelsflüge sein mussten strich sie mit ihrer Zunge über meine Lippen, küsste mich so zärtlich dass mir der Atem stockte. Ihre Zunge glitt in meinem Mund, sie hielt mich fest in ihren Armen, streichelte meinen Hals, hielt meinen Kopf fest und küsste mich immernoch. Meine Zunge berührte ihre, ich küsste sie wieder, meine Hände fuhren durch ihre Haare. Ich spürte jeden Zentimeter ihres Körpers auf meinem, wie elektrisiert prickelten die Stellen an denen sie mich berührte. Nichts war mehr wichtig, nicht meine Eltern, nicht ihre Pläne für mich, nicht die Meinung meiner Eltern über sie, nurnoch eins war wichtig: Sie, und dieser Moment.
An diesem Abend passierte nichts weiter. Das einzige was geschah war dieser eine Kuss, der erste von Millionen weiteren Küssen. Und noch etwas geschah: Ich warf meine Prinzipien über Board, für sie. Denn ich begriff dass ausser ihr nichts wichtig war auf dieser Welt.
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So, das wäre also mein Debüt hier, ich bitte um eure Kritik.