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Müllbeseitigung
Isabellas Gesicht war von Angst gezeichnet, als die Faust des Jungen in das Gesicht des älteren Mannes wie ein Hammer einschlug. Sichtlich angeschlagen rang der ältere Mann, Thomas nach Luft. Warum macht man so etwas? Was passiert als Nächstes? Was soll ich bloß tun? In Anbetracht der Situation überlappten sich ihre Gedanken in einer rekordverdächtigen Geschwindigkeit. Thomas wollte ihr helfen, als er sah, dass sie von den drei Typen belästigt wurde.
„Schaut’s euch mal den Lappen an! Der geht schon bei einem Schlag in die Knie.“, brüstete sich der Größte der drei Jungen.
„Bitte, ich wol...“, setzte Thomas an, bevor das Schienbein des Kleinsten dessen Gesicht küsste. Knack. Die Nase brach. Ihre Hoffnung auf Rettung versackte.
Die U-Bahn quietschte und fuhr in die nächste Haltestelle ein. Niemand stieg ein, nicht um diese Uhrzeit. „Der bewegt sich gar nicht mehr, alter. Ist der Tod?“. Der Kleinste drehte sich um und zog seine Mundwinkel zu einer Grimasse, die manch einer als ein verschmitztes Grinsen bezeichnen würde.
„Dann können wir uns ja wieder um die Schlampe kümmern.“, sagte der Anführer und wand sich auch zu der jungen Dame. Mit leerem Blick schaut sie durch die Jungen hindurch. Die aufkommende Angst schnürte ihr den Kragen ab.
Der Größte der Dreien machte einen Satz auf sie zu und packte sie am Hals.
„Diggah, lass uns auch was übrig“, motzte einer seiner Kameraden. Völlig selbstverständlich griff er ihr an die Brüste und knetete sie nicht unsanft. Den Zweiten spürte sie auch schon an ihren Beininnenseiten, wie er langsam an ihrem Rock zu ihrer Scheide hochfuhr.
„Bitte nicht.“, flüstert sie kaum hörbar. Ich will das nicht noch einmal durchleben müssen.
„Isabella, Schatz“, rief ihre Mutter nach ihr.
„Ja, Mama?“, entgegnete Isabelle, während sie aus ihrem Zimmer in die Küche kam.
„Hast du deine Hausaufgaben gemacht?“
„Wir hatten heute nichts auf“, sagte Isabella.
„Wie ist Biologie heute gelaufen? Hattest du genügend gelernt?“
„Mathe war ganz in Ordnung. Ich hatte die wichtigsten Themen noch mal mit Simon besprochen.“
„Simon? Wer ist Simon?“
„Ein Schulfreund. Was gibt es heute zu essen?“
„Das Lieblingsessen deines Papa’s“
„Nudeln.“, vermutete Isabella, während sie das Gesicht verzog.
„Was ist? Du magst doch Nudeln?“
„Mama, ich …“
Die Klingel des Hauses durchschnitt die Unterhaltung. Sabine, Isabellas Mutter wusch ihre Hände.
„Isabella, Schatz! Sei so gut und mach deinem Papa die Tür auf.“ Mit einem unguten Gefühl schritt das Mädchen in den Gang und betätigte den Türöffner. Über die Türschwelle trat ein Mann wie ein Bär. Sein Körper ist gezeichnet von körperlicher Arbeit. Die Haare am Kopf abrasiert und das Gesicht von einem Vollbart halb verdeckt.
„Isabella“, begrüßte der Bär seine Tochter und hob sie hoch, „wie war’s in der Schule, mein kleiner Engel“
„Schule war in Ordnung.“
„Mathe schon rausbekommen?“
„Nein, die Krankgeschriebenen müssen die Stegreifaufgabe erst noch nachschreiben“
Sabine steckte ihren Kopf durch die Tür in den Gang: „Kommt ihr nun endlich, Essen ist fertig.“
„Prima, ich habe einen Bärenhunger“, antwortete der Vater während er seine Tochter absetzte.
Die Sonne ließ nur noch letzte Sonnenstrahlen durch das Fenster scheinen, als Isabella ihr Zimmer abdunkelte. Sie zog sich aus, legte ihre Kleidung fein säuberlich über ihren Bürostuhl und streifte ihren Schlafanzug über. Bitte lass ihn bereits eingeschlafen sein, dachte sie, als sie sich in ihr kaltes Bett legte. Kurz bevor sich die Gedanken in Traumbilder verwandelten und sich ihr Kopf von der Realität abschnitt, spürte sie eine riesige Pranke auf ihrer Stirn. Isabella war wieder wach. Absolut hellwach.
„Schläfst du schon?“, flüsterte ihr Papa. Ein kalter Schauer lief ihr den Rücken hinab, ähnlich dem, wenn sie am Abend etwas aus dem Keller holen soll.
„Wollen wir noch ein wenig spielen“, fuhr er fort, ohne auf eine Antwort zu warten.
„Wo ist Mama?“, entgegnete sie kaum hörbar.
„Mama ist doch heut bei Freunden, Mädels Abend, wie jeden Dienstag“, flüsterte er ihr in das Ohr und legte sich neben sie, die Hand mittlerweile auf ihrem Oberschenkel.
Stimmt, wie jeden Dienstag, dachte sie sich mit Tränen in den Augen.
Da kam er schon. Der Schmerz. Die dreckigen Finger fühlten sich an, als würden sie ihren kompletten Unterleib aufreißen.
„Die Alte stöhnt ja nich mal. Los stöhn, du Fotze“, sagte Ali.
„Yo Ali, wir müssen los“, drängelte Tim.
„Lass mich noch etwas, die ist geil.“
„Wir sollte echt abhauen“, mischte sich nun auch Sebi ein.
„Wow, halten die zwei Arschlöcher jetzt zusammen, oder was? Wir gehen, wenn ich das sage!“
„Selbst Arschloch, seit wann gibst du denn jetzt den Ton an?“, ging Tim seinen großen Bruder an.
„Ich bin der Älteste, also …“
Er konnte seinen Satz nicht vollenden, da lag er auch schon am Boden. Abwesend saß Isabella auf dem Sitz der U-Bahn. Der Blick abgedriftet und ohne Fokus. Ihre Schultern wurden warm, umhüllt von einer fremden Jacke.
Die Polizistin sah sie bemitleidend an: „Wie heißen Sie?“ Eine kurze Pause. „Hören Sie mich? Was ist passiert?“ Isabella hörte die Polizistin, wollte auch antworten, konnte aber nicht.