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Mücke oder doch Frauen ?

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24.11.2003
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Mücke oder doch Frauen ?

Als die Augustsonne sich träumerisch zum Untergang anschickte, starteten einige Millionen Mücken in der Flussniederung zum Abendfluge, und als ich vom Baden zurückkam, stöberte mein Fuß bei jeden Schritt neue Wolken dieser unbeschwerten Surrgeister aus den breitgelagerten Huflattichstauden empor. Genießer wie sie waren, schienen sie gar nicht zu merken, dass meine Gedanken ganz wo anders weilten; sie bedeckten mich kurzerhand und bohrten sich rudelweise in meine Haut ein.
Ich zückte die kurze Pfeife, hüllte mich wie Alberich in wogende Nebel und kratzte mich wütend an zwanzig Stellen. Das half ein wenig.
Da kam eine Mücke mitten durch den Pfeifenqualm auf mich zu und lähmte meine Hand durch die Hemmungslosigkeit ihres Begehrens.

„Was willst du eigentlich?“

fragte ich väterlich.

„Alberne Frage!“

sang sie.

„Trinken natürlich!“

„Frechheit!“

rief ich, über den eigenen Langmut erstaunt.

„Sei doch vernünftig,“

wisperte sie.

„Kriech du doch mal den ganzen Tag im staubigen Lehm herum!“

und dabei versuchte sie, ihren lächerlich dünnen Rüssel in eine Pore meines Armes zu senken.

„Lass das gefälligst!“

schrie ich und wedelte sie mit dem Pfeifenstiel weg.

„Und überhaupt, Blutdurst ist etwas ganz Gemeines, zumal in der heutigen Zeit! Pfui Teufel!“

„Kleiner Schäker! Immer moralisieren!“

säuselte die Mücke, vor meiner Nase auf und abtänzelnd.

„Du gehst wohl nie auf ein Bier, was?“

In diesem Augenblick entsann ich mich, dass Knud Hamsun sich einmal sehr eingehend mit einer Stubenfliege unterhalten hatte.

„Es war eine kleine gewöhnliche Fliege mit grauen Flügeln. Gut gebaut.“

Diese Erinnerung berührte mich peinlich, und schon wollte ich das Gespräch abbrechen aus Sorge, von meiner Ursprünglichkeit etwas einzubüßen; aber dann sagte ich mir: Erstens ist diese Mücke keine Fliege; zweitens hat sie ja mit der ganzen Sache angefangen, und schließlich ist sie alles eher als „ gut gebaut „; sie scheint sogar schwindsüchtig zu sein. Vielleicht waren ihre armen Eltern schon schwindsüchtig! Ich fühlte ein förmliches Mitleid mit der Mücke in mir aufsteigen.
Da stach sie mich in den Arm. Sie stand förmlich Kopf, und ihre tausend Augen ruhten auf meiner Haut, so tief hatte sie den Rüssel eingebohrt.

„Es ist erreicht,“

sagte ich friedlich und schaute ihr zu.

„Zeit wurd`s,“

hauchte sie zwischen zwei langen Zügen.

„Ich hasse die langen Einleitungen und den Austausch von vorbereiteten Höflichkeiten. Erst das Vergnügen, dann die Arbeit. Jetzt stör` mich nicht weiter!“

„Gut,“ sagte ich „trink dich voll; nachher reden wir weiter!“

Und ich betrachtete mit stoischer Anteilnahme, wie mein Blut unsichtbar durch die zierlichen Kanäle dieses lebenden Stückchens Spinnweb in das zarte, wirklich geschmackvoll geringelte Leibchen strömte, dort zu einem dunkelroten Tropfen anschwoll und die hauchdünne Hülle fast zu sprengen drohte. Ich wollte gerade ausrechnen, wie viele Mücken ich wohl einladen müsste, wenn ich meinen Lebenssaft los werden wollte, als meine Mücke mit einem wohligen Seufzer vom Trinken abließ.

„Na hat`s geschmeckt?“

fragte ich höflich.

„Lecker!“ hauchte sie. „Du scheinst ein gut genährter Jüngling!“

Ich lachte geschmeichelt und machte ihr eine halbe Verbeugung.

„Schafblut ist schon prima und dabei rar; aber Menschenblut – einzig!“

stöhnte die Mücke, indem sie sich mit den winzigen Händchen über den Mund wischte und den Rüssel in lässigem Behagen halb aus meiner Armpore zog.

„Die Geschwister werden vor Neid ergrünen, wenn ich heimkomme!“

„Wie viele Geschwister hast du, mit Verlaub?“

„Fünfhundert Brüder und zwölfhundert Schwestern,“ wisperte die Mücke.
„Wir verstehen uns ausgezeichnet, besonders im Quadrilletanzen. Aber das Leben ist kein Kinderspiel; man muss sehen, wie man durchkommt!“

„Richtig; das wollte ich dich schon immer fragen,“ sagte ich, „wovon lebt ihr eigentlich? Milliarden deiner Sippe schwirren hier umher, und wie selten kommt einmal ein gutblütiger Mensch in eure Bezirke. Man meidet euch in unserm Kreise, man schätzt euch gar nicht; man vernachlässigt eure Ernährung menschlicherseits, wenn ich mich so ausdrücken darf, ostentativ und systematisch.“

Mich überkam plötzlich das soziale Problem der Mückenwirtschaft mit großer Deut- und Dringlichkeit.

„Leider,“

antwortete die Mücke, indem sie ihr blutrotes Bäuchlein schwerfällig auf und nieder wippen ließ, offenbar um zu verdauen.

„Siehst du,“ fuhr sie fort, „nicht nur das Denken ist Glücksache, sondern auch das Blutfinden. Und erst recht das Bluttrinken. Unter tausend Mücken kommt vielleicht eine in die Lage, sich einmal in ihrem Leben an Blut zu sättigen. Diese eine ist es, die die Entwicklung der Mückenheit weiter führt. Millionen schauen zu ihr empor. Milliarden fristen ihr Dasein mit Lehm, Wasser und allerhand, damit diese eine glücklich, berühmt und Ururgrossmutter blühender Enkelschwärme werden kann!“

„Genau wie bei uns,“ sagte ich. „Ein Mann unter Millionen hat eine wirkliche Idee; nur dass die Millionen anderer Menschen diese Idee höchst selten würdigen. Aber im Grunde ist es überall das gleiche. Allerdings mit dem Unterschied, dass meine Idee tatsächlich mir gehört, während dein Blut bei mir gestohlen wurde.“

„Tu doch bloß nicht so dicke!“

sumselte die Mücke.

„Als ob du deine lächerliche Idee nicht auch irgend woher gestohlen oder geerbt hättest, du Blutsack!“

Ich wurde ärgerlich auf die Mücke. Sie, gegen die selbst ein Däumling noch ein Turm war, sie, die der Windschlag eines Schmetterlingsflügels wegschleudern konnte, wagte es, menschliche Anschauungen zu glossieren! Hatte sie denn nie davon gehört, dass der Mensch die Krone der Schöpfung sei?

„Ich werde dich totschlagen!“ sagte ich. „So satt und glücklich wie in dieser Minute wirst du nie wieder in deinem Leben sein. Gefüllt mit dem Bewusstsein, das Mückenmöglichste erreicht zu haben, wirst du in die ewigen Jagdgründe deines Stammes einschweben. Neapel sehen und dann sterben!“

„Das Wort ist stark übertrieben,“ spöttelte die Mücke. „Es bringt die Mückenmentalität nicht annähernd richtig zum Ausdruck! Hol`auch deine Geschwister zum Schmause, hättest du sagen müssen! Damit hättest du deine vornehme Gesinnung bewiesen! So aber muss ich es unaufgefordert tun!“

Und der minimale Frechling wetzte tatsächlich schon seine Flügel.

„Untersteh dich!“

rief ich und holte zum Schlage nach ihr aus.
Aber da war sie bereits aufgeflogen und glitt als rotes Pünktchen durch die stille Abendluft dahin.
Mir aber war die Pfeife Ausgegangen, und ich machte, dass ich nach Hause kam.

 

Hallo poopsy! (lustiger Name übrigens :) )
Nette, kleine Geschichte mit guten Ideen.
Schmunzeln musste ich-war für mich wie ein kleiner Snack :)

LG und guten Rutsch!

Joker

 

Hi Joker !
Danke für positive Kritik, und lesen meiner Kurzgeschichte.
Wünsch Dir ebenfalls guten Rutsch
L.G.Poopsy

 

hey poopsy

hat mir gut gefallen, die story .. lustige Idee
aber das mit der stubenfliege... vielleicht bin ich zu blöd.. aber ich verstehs nicht so ganz *g*

mfg Januley

 

Hi Januley!

Danke fürs lesen und positive Kritik.

Knud Hamsun eigentlich Knud Pedersen von 1859 - 1952 war Norweger. Erhielt 1920 den Literaturnobelpreis für seinen Roman "Segen der Erde", schrieb wunderschöne Lyrik und Romane und ebenso eine kleine Geschichte, die mit der Stubenfliege, hat mich dazu inspiriert diese kleine Geschichte zu schreiben.
lg.poopsy

 

ah danke... ja jetzt gefällt mir das ganze noch besser

mfg Januley

 

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