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Märchenhafter Strand

Joh

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28.07.2003
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Märchenhafter Strand

Märchenhafter Strand

Am frühen Morgen war Rumpelstilzchen der erste, der zum Strand eilte. Nur mit einer langen Badehose bekleidet, das Handtuch elegant um den kurzen Hals gelegt, schaute er verzückt auf die am Strand liegenden Sonnenanbeterinnen.
„Sieh mal einer an“, sprach er und zupfte aufgeregt an seinem Bart, „da wird sich doch wohl eine finden lassen, der ich ihr Stroh zu Gold spinnen kann!“ Er schritt langsam durch die Reihen der Bikini-Schönheiten, die sich auf den Liegen in den ersten warmen Strahlen rekelten. Mit Kennermiene begutachtete er die üppigen weiblichen Formen. Schnalzte anerkennend bei der einen mit der Zunge, schüttelte bei einer anderen missmutig den Kopf, die ihm zu rundlich schien. Nachdem er einige Male auf und ab gegangen war, blieb er vor einer Dame stehen, die der besseren Bräunung wegen auf ihr Oberteil verzichtet hatte.
„Schöne Maid“, sagte er, „ich darf Euch leider meinen Namen nicht nennen. Aber wenn ihr gerne möchtet, dass ich Euer Stroh in Gold verwandle, so kann ich wohl behilflich sein.“ Die Frau erhob sich langsam von ihrer Liege und musterte ihn argwöhnisch, die Hand zum Schutz vor den Sonnenstrahlen über ihre Augen haltend.
„Hey, Du alter Wichser“, rief sie erbost, „wenn Du eine Blöde für einen Porno suchst, kannst Du gleich abdampfen! Und jetzt geh mir aus der Sonne.“ Rumpelstilzchen war nicht wenig irritiert von dieser Antwort, da fühlte er plötzlich eine Hand auf seiner Schulter. Er drehte sich um und erblickte König Drosselbart, der mit einem Surfbrett unter dem Arm zu ihm herab schaute.
„Ich fürchte, Deine Anmache ist ein wenig überholt, alter Waldschrat“, sagte er gutmütig, „ich zeige Dir mal, wie man das heutzutage macht.“
Er schob seine Sonnenbrille nach oben, schaute der Frau fest in ihre braunen Augen und sprach: „Entschuldige bitte den kleinen Giftzwerg neben mir, aber er weiß einfach nicht, wie man mit einer Dame umgeht. Dürfte ich Dich vielleicht als Entschädigung zu einem Glas Sangria einladen?“
Die Frau kicherte leise vor sich hin, dann erhob sie sich, reichte dem König ihren Arm und beide schritten zur nächsten Bar. „Ich habe diesen blöden Alternativi noch nie gemocht“ grummelte Rumpelstilzchen erbost, stampfte einmal fest auf den weichen Sand und war im nächsten Moment verschwunden.

Die sieben Zwerge, die mit Zipfelmütze und Arbeitsgerät gerade in Reih und Glied auf den Strand marschierten, sahen erstaunt nur noch eine staubige Wolke. „Los Männer“ befahl der Älteste, „wir wollen diesen Touristen mal zeigen, wie man eine richtige Sandburg baut. Laaaampen an!“
Die Zwerge griffen zu den kleinen Gaslampen, die vorn an ihren Mützen herab hingen und entzündeten sie. Sie bildeten einen kleinen Kreis um die freie Stelle, auf der sie gerade standen und huben rasch mit Spitzhacke und Schaufel ein tiefes Loch aus. Die herbei eilende Strandaufsicht in Form eines außerordentlich muskulös gebauten Mannes gab sich reichlich Mühe, die sieben Zwerge von ihrem Vorhaben abzubringen. Doch als die Strandaufsicht dem ersten der Zwerge die Spitzhacke entreißen wollte, kamen ihm die anderen mit ihren Werkzeugen zu Hilfe.

Währenddessen hatte Schneewittchen ihren Schönheitsschlaf beendet und ebenfalls den Strand erreicht. Verwundert sah sie ihre sieben Freunde, die eiligst einem recht attraktiven Mann hinterher liefen und dabei aufgeregt ihre Spitzhacken schwangen. „Na, so was“, murmelte sie leise, dann zog sie ihren Handspiegel aus der Tasche und fragte: „Spieglein, Spieglein in der Hand, wer ist die Schönste hier am Strand?“
Das Spieglein antwortete:

Ihr seid die Schönste dann und wann,
doch habt ihr zu viel Kleidung an.
Die Frau, die in den Dünen liegt
und sich in Drossel` s Armen wiegt
ist tausendmal schöner, dummes Kind,
weil wir unter Halbnackten sind!

Da blickte sich Schneewittchen um und errötete. Rasch hob sie ihr langes perlmutt besetztes Winterkleid und lief zur Umkleidekabine.

Zwischenzeitlich hatte die alte Hexe auf der Suche nach Hänsel und Gretel den Strand betreten und schüttelte entsetzt ob so viel Schamlosigkeit den Kopf.
„Nee, nee“, sprach sie erbost, „solche Sitten hat es bei uns nicht gegeben, obwohl wir damals in der Hexenschule auch keine Waisenknaben waren.“
Schon wollte sie zu den Kindern eilen, die sich gerade am Imbiss die fünfte Portion Pommes rot-weiß bestellten, als ein braun gebrannter Italiener auf sie zuging.
„Hallo, schö.. äh, liebe Frau aus Allemania, Du haben Zeit für Amore?“
„Nun ja“ zierte sich die Hexe, „wenn ich vorher Dein Knöchlein sehen darf?“
„Knöch..., wie bitte?“
„Ach, was soll`s!“ antwortete die Hexe und nahm ihn bei der Hand, „ich werde Dir schon zeigen, was ich damit meine!“

Als die Zwerge endlich zurückkehrten, war es bereits Mittag geworden. Schwer rollten die Wellen gegen den Strand und die Sonne brannte auf der Haut. Schweißgebadet rannte Drosselbart an der Wasserlinie entlang und rief: „Rumpelstilzchen, Rumpelstilzchen!“ Ihm folgte eine barbusige Frau, die fortwährend „Ich liebe Dich“ schrie.
Es mag Zufall gewesen sein oder auch nicht, dass plötzlich die Frau ins Straucheln geriet und genau in jene Grube fiel, in der die sieben Zwerge arbeiteten. Verwundert blickten sie zu der halbnackten Frau, die plötzlich vor ihnen lag. Die Zwerge stutzten für einen kurzen Moment und stellten den Docht ihres Lichtes höher, um sie genauer anzuschauen. Dann erschien auf sieben Gesichtern gleichzeitig ein boshaftes Grinsen.

Schneewittchen lag derweil auf ihrer Liege und sonnte sich im schmalen, khakifarbenem Tanga, als sie den König Drosselbart entdeckte. Rasch erinnerte sie sich an die Worte des Spiegels, stand auf und lief dem König entgegen.
„Mein König“ rief sie laut, „was eilt ihr davon, wenn das Glück Euch so hold ist?“
Drosselbart schaute sich erschrocken um, konnte aber seine Verfolgerin nicht mehr erblicken.
„Welches Glück ist mir hold?“ fragte der König atemlos.
„Meines!“ sprach Schneewittchen und überschüttete Drosselbart mit tausend Küssen.

Es war Abend geworden. Die Sonne stand blutrot über dem Strand. Der Wind pfiff durch die zusammengeklappten Liegen und wehte verlorene Worte mit sich fort. „Lasst mich hier raus, ich kann nicht mehr!“, erklang es aus weiter Ferne.

Im Bus trat langsam Ruhe ein. Die alte Hexe blickte aus dem Fenster, warf müde ein Kusshändchen zu den verdunkelten Gassen und fiel schläfrig auf ihr Sitzkissen. Schneewittchen ruhte zufrieden in einer der hinteren Reihen und streichelte sanft das Knie Drosselbarts, der schnarchend neben ihr saß.
Die Königin des Märchenwaldes ergriff das Mikrofon und fragte: „Fehlt noch jemand ?“
Zögernd rief einer: „Die sieben Zwerge!“
„Ach, die werden den rechten Weg schon alleine finden“, antwortete die Königin. „Und sonst?“
Plötzlich gab es einen lauten Knall und das Rumpelstilzchen erschien mit Blitz und Donner auf einem der ersten Plätze.
„Ich bin auch hier“ rief es mürrisch, „aber das nächste Mal wünsche ich mir einen Betriebsausflug ins Gebirge!“

 

Hallo Joh!
Deine Geschichte finde ich toll! Eine gut gelungene Geschichte, die mich des öfteren zum lachen brachte (vor allem das Gedicht ist köstlich!)

LG Joker

 

Hello

Wie schon Joker gesagt hatte, ist die Geschichte toll... Musste mich aber zusammenreissen, damit ich nicht laut loslache, da ich bei der Arbeit bin...

Mach weiter so...

Cu simi

 

Also ich fand die Geschichte eher mäßig lustig. Einige Passagen fand ich recht amüsant, aber im großen und ganzen empfand ich den Sprachstil zu flach, insbesondere die Übergänge zur nächsten Handlungsebene (durchweg Zeitwörter, die ein paralleles Geschehen beschreiben: "Währenddessen", "gerade", "Zwischenzeitlich", "derweil"). Besser hätte mir gefallen, wenn sie locker ineinander übergehen. Das ist zB an der Stelle mit der Grube mMn gut umgesetzt worden.
Die Charaktere sind zu zweidimensional. Jeder hat so einen evtl. zwei Punkt/e seiner Klischeeeigenschaft erhalten. Da hättest du ausführen können und mE auch sollen.
Weiterhin frage ich mich, wo genau die Satire in der Geschichte steckt. Ich finde weitaus mehr rein humoristische Elemente, zumindest kann ich einigen Scherzen nichts konkretes zuordnen.
Ich nehme an, dass du mit dieser Satire das deutsche Urlaubswesen, bzw. das Klischee des deutschen Urlaubers (was eignet sich dazu besser als Klischeefiguren wie die der Märchen) persiflieren willst. Ist dies der Fall, hast du es eigentlich recht gut geschafft. Ansonsten ist dies wohl eher ein fall für den Humorsektor. Aber vielleicht kannst du ja nochmal was zu deiner Kategoriesierung sagen.

Liebe Grüße, Frederik

P.S.:Die Stelle, an der ich am lautesten gelacht habe, war übrigens ebenfalls das Lied.

 

Also ich denke, die Satire liegt nicht an dem Klischee deutscher Urlauber, sonder ist darin enthalten, das auch Märchenwesen ihren Kurzurlaub brauchen.
Doch anstatt richtig Urlaub zu machen, machen sie ähnliche Sachen, die sie "zu Hause" auch machen.
Ich persönlich finde es ja gerade eine witzige Idee, typische Märchenwesen mal einen Ausflug machen zu lassen und dabei nicht vergessen zu lassen, was ihre eigentliche Bestimmung ist.

LG Joker

 

Ja, das mag eine lustige Idee sein, aber da ist dann die Definition von Satire nicht zutreffend, oder sehe ich das falsch?

 

Zunächst möchte ich mich für die Kritik bedanken.
@Frederik, Danke für den Hinweis der Gleichförmigkeit der Übergänge, dies ist mir leider bei der Überarbeitung nicht aufgefallen. Ich werde dies in meinem Text ändern.
Zur Satire: ich arbeite vorrangig mit Märchenfiguren und sehe meine Texte eher als Satire auf die üblichen Märchentexte bzw. als satirische Darstellung Grimm`scher Märchenfiguren. Die Frage, inwieweit dies auch eine Satire auf gesellschaftliche Zusammenhänge ist, liegt eher "im Auge des Betrachters" (wie im übrigen auch die Frage des "Spaßfaktors"). Ich denke, es gehört auch in die Rubrik "Satire", wenn man solche Texte über "klassische Literaturfiguren" schreibt. Daher würde ich meine Texte der Rubrik "Humor" eher nicht zuordnen, weil es nicht meine vorrangige Intention ist, "humorvolle Texte" zu schreiben.
Ist vielleicht auch eine Definitionsfrage, ob man Satire begrifflich enger fasst oder nicht.

Liebe Grüße

Joh

 

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