Was ist neu

Männer und Frauen

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29.11.2005
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Männer und Frauen

Prolog

Wann immer Janina zu plappern beginnt, bekommt es Jürgen mit der Angst zu tun. Zu weit entfernt sich ihr Mund in diesen Momenten von den Gedanken. Auf dem Weg zur U-Bahn sind sie zufällig Alex und Tanja begegnet, neuerdings Familie Glücklich, eng umschlungen, dauerlächelnd, und vermutlich nur unterwegs, um das allen zu zeigen. Seit einiger Zeit sind sie stolze Besitzer einer Eigentumswohnung, seit kurzem auch noch stolzere Besitzer eines Babys.
„Laura Maria.“ Tanjas Blick strahlt in den Kinderwagen. Janina beugt sich begeistert über das Baby und weiß nicht, wohin mit ihren Händen und Emotionen. Jürgen befürchtet, seine Freundin könnte das hilflose Wesen ins Koma plappern und legt mahnend die Hand auf ihre Schulter. Janina richtet sich nur ungern wieder auf und plappert einfach weiter: „Jay und ich versuchen es ja jetzt schon seit über einem Jahr, aber ich werde einfach nicht schwanger, obwohl wir wirklich ständig und immer wieder ...“
„Wer, zum Teufel, ist dieser Jay?“, fragt Jürgen gutmütig und alle lachen sich aus der peinlichen Situation heraus.
Janina knufft ihn. „Also wirklich, Jay!“
„So ein Baby ist einfach die mit Abstand größte Erfahrung im Leben“, schwärmt Tanja. „Du trägst es neun Monate direkt unter deinem Herzen, fühlst es in dir heranwachsen, ein kleines von dir geschaffenes Wesen ...“
„Und ein bisschen war ich auch daran beteiligt“, wirft Alex ein, um dann theatralisch auf die Uhr zu blicken. „Wir müssen jetzt weiter, Schatz!“

„Ich will endlich ein, Baby“, murrt Janina, während sie kurze Zeit später Richtung U-Bahn streben. „Alle haben ein Baby!“
„Und alle haben ein iPad“, entgegnet Jürgen.
„Okay. Dann kaufe ich dir heute ein iPad“, beschließt Janina und Jürgen legt besänftigend seinen Arm um sie.

„Das war echt schräg vorhin. Janina ist immer so ...“
„... gewöhnlich?“, schlägt Alex vor.
„Emotional“, entgegnet Tanja.
Alex ist hinter seine Frau getreten, und noch während sie ihre Jacke abstreift, schiebt er bereits voller Verlangen seine Hände auf ihre prallen Mutterbrüste. Seit ihre Oberweite deutlich an Volumen gewonnen hat, kann er einfach nicht mehr die Finger davon lassen. Aber Tanja sind seine plumpen Berührungen unangenehm. Ungeduldige Hände, die jegliche Sensibilität verloren haben, zerren ihren Pullover hoch. Ärgerlich zieht sie ihn wieder runter.
„Ich muss die Kleine stillen“, sagt sie vorwurfsvoll. „Was ist los mit dir?“
„Was soll schon sein?“, brummt Alex. „Ich will auch mal wieder ...“
„Du willst gestillt werden?“
„Von mir aus auch das.“
„Also wirklich! Bei mir sind es die Hormone. Und was ist dein Problem?“
„Wir haben jetzt schon über Wochen nicht mehr ...“
„Sag mal, Jay war vorhin irgendwie komisch, findest du nicht?“
„Jay! Jay! Wieso sagt ihr immer Jay? Der Typ heißt Jürgen. Und wie dein Ex-Freund vorhin drauf war, interessiert mich nicht. Der soll seiner polnischen Schlampe endlich ein Baby machen, bevor sie noch irgendwann eins entführt.“
Tanja schüttelt den Kopf. „Jay kann gar keine Babys machen. Der ist unfruchtbar. Deshalb haben wir uns auch … nein, nicht nur deshalb. Da gab es schon noch andere Gründe … komisch, er scheint Janina nichts davon gesagt zu haben. Blöd, wenn Sie es eines Tages auf anderen Wegen erfährt. Mir hat er es ja auch lange verschwiegen.“
Alex sind Jürgens und Janinas Probleme egal. Er beobachtet mit wachsender Erregung, wie seine Frau es sich mit Laura Marie auf dem Sofa bequem macht, endlich den Busen entblößt, um das Baby anzulegen.
„Fantastisch“, seufzt er.
„Ich hoffe, du meinst unseren kleinen Schatz“, sagt Tanja und genießt den winzigen, kräftig saugenden Mund, dieses einzigartige Gefühl der Verbundenheit.
Alex springt auf.
„Wo willst du jetzt schon wieder hin?“, fragt Tanja genervt.
„Ich hole die Kamera“, entgegnet er. „Ich wollten doch jeden wichtigen Moment festhalten!“

***​

Jürgen verabschiedet sich nach der U-Bahnfahrt in die City von Janina mit einem flüchtigen Kuss. „Bis heute Abend ...“, haucht sie ihm ins Ohr und leckt ihm kurz über das Ohrläppchen. „Ich gehe dir jetzt ein iPad kaufen, okay?“
„Soll ich Simon von dir grüßen?“, fragt er - und freut sich über ihr entschiedenes Nein.
Dann trennen sich ihre Wege. Janina will ein paar wichtige Besorgungen machen. Jürgen überquert in entgegengesetzter Richtung die Straße, betritt auf der andern Seite eine Kneipe und schaut sich vom Eingangsbereich aus suchend um. Simon ist schon da, winkt ihm kurz von einem Fenstertisch zu. Die Brüder umarmen sich - fast ein wenig widerwillig.
„Alles gut?“, will der jüngere Bruder wissen.
„Nix ist gut“, brummt Jürgen. „Was gibt’s? Brauchst du wieder Kohle?“
„Toller Empfang!“ Simon grinst trotzdem. „Aber um mich geht es heute nicht.“
„Worum dann? Meine Zeit ist knapp.“
„Ich hab einen Job für Janina.“
„Sie hat einen Job.“
„Hausfrauen in Pilates unterrichten? Na, super!“
„Sie arbeitet gern im Fitness-Studio!“
„Hör zu, Victor will einen neuen Film drehen. Er braucht noch heiße Muschis.“
Die Bedienung, alles andere als eine heiße Muschi, kommt an den Tisch und mustert die Brüder gelangweilt über eine Halbbrille hinweg. Die beiden geben ihre Bestellung auf, die Bedienung verschwindet wortlos.
Jürgen nimmt den Gesprächsfaden wieder auf. „Ein neuer Film also. Und wie lange wird Janina ihre Klamotten anbehalten?“
„Nun bleib mal locker. Als ich sie damals kennenlernte, war sie ...“
„Das ist Vergangenheit.“
„Aber ...“
„Dass du nach Janina fragst, ist eine Beleidigung. Du kennst doch bestimmt genug andere Frauen, die sich gern vor der Kamera vögeln lassen.“
„Die machen schon alle mit. Uns fehlt nur noch eine Hauptdarstellerin mit Klasse. Victor hat ein cooles Drehbuch verfasst, es gibt 'ne richtig gute Handlung.“
Die Bedienung bringt die Getränke. Jürgen steht auf, leert sein Glas im Stehen und sagt zur überraschten Kellnerin mit Kopfnicken in Richtung seines Bruders: „Er zahlt.“ Und zu Simon: „War nett, dich mal wieder getroffen zu haben. Das mit dem Drehbuch ist lustig. Viel Erfolg mit dem Film. Und grüß den Alten von mir.“

Simon gönnt sich noch eine Weile Ruhe und einen weiteren Gin Tonic, bevor auch er die Kneipe verlässt. Der bevorstehende Besuch beim Alten liegt ihm schwer im Magen. Einmal pro Woche wechseln sich die Brüder ab. Heute ist er dran. Simon ärgert sich, dass Jürgen ihn so überstürzt verlassen hat. Er hätte gern noch etwas länger mit ihm geredet. Vor allen Dingen über den Vater! Und über die Zeiten, als der alte Herr noch das Sagen hatte und sie noch echte Brüder waren, vereint im Kampf und in der Auflehnung gegen die unerbittliche Herrschaft des Patriarchen, die Herzen schwer vom frühen Tod der Mutter, die Köpfe voller Träume von einer besseren Zukunft.

Die Schwester im Pflegeheim scheint neu zu sein, jedenfalls er hat sie hier noch nie gesehen. Sie telefoniert gerade, als Simon sich anmelden will. Sie nickt ihm kurz zu, lässt dann noch einen leicht irritierten Blick folgen, während sie sich auf das Telefongespräch zu konzentrieren versucht, und lächelt. Dieses Lächeln wirkt so vertraut, dass Simon die Frau etwas genauer betrachtet. Als sie auflegt, fällt es ihm ein.
„Kristina?“, sagt er erfreut. „Kristina!“
Sie wirkt ebenfalls angenehm überrascht. „Simon!“
Ja, es ist Simon, der gute alte Simon aus ihrer gemeinsamen Schulzeit, der Simon, in den sie unsterblich verliebt war, der cool war, der Coolste von allen, witzig, selbstbewusst und attraktiv, mit dem sie auf der letzten Klassenreise zum ersten Mal schlief, der ihr ewige Treue schwor und nach dem Ende der Schulzeit von einem Tag auf den anderen abtauchte und sich nie wieder bei ihr meldete.
„Kristina, wow, du siehst einfach toll aus!“ Sie war früher schon eine Schönheit, aber immer etwas zu brav, mit artiger Frisur, langweiligen Klamotten und dazu passenden Ansichten. Genau das war es gewesen, was Simon zunächst an ihr reizte, und was ihn am Ende wieder von ihr forttrieb, dieses Stewardessen Image, auf jede Lebenssituation mit gleichbleibender Tonlage und einer übermenschlichen Geduld zu reagieren, getragen von einer zermürbend positiven Grundstimmung, während sie jedes Problem und jeden Konflikt von sich wegzulächeln versuchte.
„Schwesterntrachten wirken auf manche Männer besonders anziehend.“ Kristina zwinkert ihm zu. „Was machst du hier?“
„Mein Vater ist hier untergebracht. Alzheimer.“
„Ich hab erst diese Woche angefangen“, erklärt sie ihm. „Ich wusste nicht, dass dein Vater hier bei uns ist.“ Sie schaut eher beruflich verständnisvoll als betroffen drein. Simons Vater hatte sie damals ohnehin nie besonders freundlich behandelt. Aber Simons Vater hatte zuletzt keinen mehr freundlich behandelt. Nach dem Tod seiner Frau hatte sich der alte Freese hinter Verbitterung und Argwohn verschanzt, ein kettenrauchender Grübler, der jeden Menschen in seinem Haus als störend empfand und entsprechend schroff behandelt – einschließlich der Söhne.
„Und du bist jetzt verheiratet?“ Simon sieht es auf ihrem Namensschild. Hinze.
Sie nickt errötend. „Seit einigen Jahren.“
„Super. Vielleicht könnten wir uns ja trotzdem mal auf einen Kaffee irgendwann ...“
Sie schaut ihn zweifelnd an, schüttelt den Kopf. „Das wäre keine so gute Idee, Simon.“
„Ohne Hintergedanken," sagt er schnell. „Als alte Freunde gewissermaßen, verstehst du?“ Liebend gern bliebe er länger hier bei ihr, um ein wenig mit ihr zu flirten, ihr Komplimente zu machen, sie vielleicht nach Dienstschluss zum Essen einzuladen und mit ihr über alte Zeiten zu plaudern, statt die unerträgliche Pflichtstunde mit dem Alten verbringen zu müssen. Der schaut seinen Sohn sowieso immer öfter ratlos an und fragt: „Wer bist du?“
Manchmal antwortet Simon spöttisch: „Das fragst du jetzt? Es hat dich doch dein ganzes verdammtes Leben lang nicht interessiert!“ In der Regel liest er seinem Vater - dem im bewussten Leben überzeugten Atheisten - aus der Bibel vor. Das ist seine Form von Rache.
Mit Kristina verbindet Simon viele schöne Erinnerungen. Aber das Telefon stört schon wieder. Sie nickt ihm noch einmal zu und kümmert sich dann sehr freundlich um den Anrufer. Simon wendet sich nur zögernd ab, schlendert gemächlich in Richtung Fahrstuhl, hofft, dass sie in einer Stunde immer noch am Empfang sein wird. Als er sich, auf den Fahrstuhl wartend, noch einmal zu ihr umdreht, hat sie den Telefonhörer immer noch am Ohr, den Blick gesenkt und wirkt konzentriert und geschäftig. Die Schwesterntracht steht ihr wirklich ausgezeichnet.

„Was ist los mit dir?“ Skeptisch mustert Patrick Hinze am Abend seine Frau. Kristina ist müde und still nach Hause gekommen, und direkt zum Duschen gegangen. Jetzt kauert sie im Fernsehsessel, weit weg von ihm und knabbert Reiswaffeln. Gelegentlich wirft sie ihm einen unsicheren Blick zu.
„Nichts“, murmelt sie.
Patrick scheint bereits wieder einige Entspannungsdrinks intus zu haben. Er schaut seine Frau nicht an, er starrt sie an, belauert sie, wirkt angespannt und angriffslustig.
Nichts“, wiederholt er. „So, so. Und warum ziehst du dann wieder so eine Fresse? Ich hab auch hart gearbeitet. Bestimmt härter als du. Trotzdem versuche ich, mich nicht so hängen zu lassen.“
„Es tut mir leid.“ sagt sie. „Vielleicht sollte ich lieber ins Bett gehen.“
„Du bleibst“, entscheidet er und hebt sein leeres Glas in die Höhe. „Mach mir noch einen. Eine Männermischung. Ich hoffe sehr, du kriegst das endlich mal hin. Aber ich will dich auf keinen Fall überfordern, nach so einem harten Tag. Wenn es dir lieber ist, dass ich aufstehe ...“
„Patrick, bitte ...“
„Bitte was?“
„Wollen wir nicht lieber zusammen ins Bett gehen? Wir sind beide ziemlich fertig.“
Du bist fertig! Ich bin entspannt.“ Er hält unnachgiebig das leere Glas hoch, schwenkt es fordernd hin und her und bringt dadurch einen kleinen Rest Eis zum Klingen. Um dieses zarte Geräusch herum wächst die Stille wie ein Ungeheuer.
Trotzdem macht Kristina zunächst noch keine Anstalten, aufstehen zu wollen. „Rate mal, wen ich heute im Pflegeheim getroffen habe“, sagt sie statt dessen, um Normalität bemüht, als liefe zwischen ihr und ihrem Mann nur eine nette kleine Feierabendplauderei.
„Rate mal, wer gleich was auf die Fresse kriegt“, entgegnet Patrick. Jetzt springt Kristina auf und kümmert sich - schnell und beflissen. Sie ist eine Spezialistin im Kümmern geworden, ausgebildet im Dauerbeschuss von Patricks Launen, seiner Trunksucht, seiner Unberechenbarkeit, und all der brutalen Aussetzer, die oft aus heiteren Himmel wie Granaten in ihrem Alltag einschlagen. Zu Anfang ihrer Ehe war ihr Verhältnis gut gewesen. Da hatte sich Patrick noch ganz anders verhalten, freundlich und aufmerksam und nur gelegentlich etwas jähzornig. Doch im Lauf der Zeit hatte er Karriere gemacht, zerfressen vom Ehrgeiz, hatte zu trinken und zu koksen begonnen, und sich schleichend in einen anderen Menschen verwandelt. Mittlerweile geht es für Kristina in seiner Nähe ums Überleben, darum, seine düsteren Phasen möglichst unbeschadet zu überstehen, Schläge, Tritte und Bestrafungen zu vermeiden und Vergewaltigungen zu ertragen, bis er endlich von ihr ablässt und erschöpft einschläft. Kommt er wieder zur Einsicht, entschuldigt er sich wortreich, bettelt sie mürbe, beteuert, sich ändern, eine Entziehungskur machen zu wollen, schwört, sie nie wieder zu verprügeln, verwandelt sich kurzzeitig in den alten Patrick, den sie so mochte und den sie gern geheiratet hat. Aber manchmal droht er auch. Dann treibt er sie in die Enge, fremd und bedrohlich, starrt sie aus bösen Augen an, drückt ihr die Kehle zu und haucht ihr alkoholtriefenden Irrsinn ins Ohr. Dass er sie überall fände, sollte sie ihn jemals verlassen, egal, wo, und dann ...
„Wen hast du noch gleich getroffen, Liebling?“, fragt Patrick nun beiläufig, nachdem sie ihm mit einem neuen Drink versorgt und sich lautlos wieder in den Sessel verzogen hat, weit weg von ihm.
Sie überlegt, ob das jetzt noch das richtige Thema ist, bezweifelt es und sitzt dennoch in der Falle. „Simon.“, sagt sie zögernd und hält dabei fast den Atem an.
„Simon wer?“
„Simon Freese.“
Er starrt auf das tonlos laufende Fernsehgerät und sagt erst einmal nichts weiter, beobachtet aus geschulten Augen einen Boxer, der seinen deutlich unterlegenen Gegner erbarmungslos durch den Ring prügelt, ohne dass die Pfeife von Ringrichter dazwischen geht, nimmt einen Schluck von seinem Drink, wiegt unzufrieden den Kopf hin und her und verkneift sich jedoch eine kritische Bemerkung, obwohl sie durchaus angebracht wäre. Kristina muss halt noch viel lernen, aber sie gibt sich immerhin Mühe. Nur manchmal ...
„Hast du mit dem nicht mal Fußball gespielt?“, fragt Kristina vorsichtig, weil sie weiß, dass sein Schweigen viel zu schnell in Wut umschlägt. Wenn seine Gedanken in bestimmten Momenten ungestört bleiben, verrennen sie sich oft in hässlichen Ideen. Deshalb hofft Kristina, ihn mit interessanten Themen ablenken und milde stimmen zu können.
„Mit dem? Niemals. Mit seinem Bruder. Jürgen. Das war ein geiler Keeper. Ein Wahnsinnstyp! Ein echter Brocken. Hat uns so manchen verdammten Punkt gerettet. Wie geht’s dem denn so? Was wollte der überhaupt von dir?“
„Jürgen war nicht bei uns. Sein Bruder war da, wegen seines kranken Vaters. Simon ging mal in meine Klasse.“
„Aha. Einer deiner Lover von damals, nehme ich mal an. Einer, der es dir immer so richtig besorgt hat, hab ich Recht?“
„Patrick!“
Patrick!“, äffte er sie nach. „Ich will wissen, ob du für den damals auch die Beine breit gemacht hast, du Schlampe!“ Seine Aufmerksamkeit richtet sich jetzt wie ein Suchscheinwerfer auf sie. Der Boxkampf im Fernsehen ist aus. Goliath hat David vernichtet, weil das richtige Leben eben nach solchen klaren Regeln funktioniert, und das bedeutet, dass die Starken die Schwachen dominieren. Jetzt steht das Schwache wieder voll im Zentrum von Patricks Interesse. „Hast es wohl damals mit jedem verdammten Wichser getrieben, oder? Vermutlich war ich der letzte aus der Stadt, der bei dir mal ran durfte!“
Sie schrumpft in ihrem Sessel zusammen. An seinen Augen kann sie erkennen, dass es wieder so weit ist. Dass er wieder so weit ist.
Missmutig leert er sein Glas, knallt es auf den Tisch und stemmt sich hoch. „Verdammte Fotze“, knurrt er. „Jetzt lässt du dich sogar schon auf der Arbeit von deinen ehemaligen Stechern besuchen. Meinst du, ich merk nicht, was du hinter meinem Rücken treibst? Und zuhause bist du nicht mal in der Lage, mir einen vernünftigen Drink zu machen. Ich glaub, es geht los. Was spielt da eigentlich ab, in deiner hohlen Birne? Vermutlich kaum mehr als bei deinen Patienten.“

Kristinas Art macht Patrick rasend. Wie sie ihn anschaut, mit ihren furchtsamen Rehaugen, dann den Kopf senkt, die Schultern hoch zieht und stumm und devot auf ihre Bestrafung wartet! Sie könnte doch mal etwas dagegen sagen, sich verteidigen. Statt dessen sitzt sie einfach nur da. Ihr Prinzessinnen-Gehabe hat ihm die erste Zeit noch ganz gut gefallen, sogar ein wenig scharf gemacht, doch irgendwann ist dieses Gefühl in Verachtung umgeschlagen. Sie ist ein Püppchen. Sie redet wie ein Püppchen, kleidet sich wie ein Püppchen und fickt wie ein Püppchen. Er ist ein Macher, ein Entscheider, und fühlt sich für Kristinas Weiterentwicklung verantwortlich. So packt er sie an den Haaren, schlägt ihr die verdammte Reiswaffel aus der Hand, würgt sie und bearbeitet sie systematisch mit Hieben. Neben dem Fußball hat er auch noch eine Zeit lang geboxt, er kennt genau die Stellen, wo Schläge Wirkung zeigen. „Schmerz erhöht die Aufmerksamkeit“, hat sein Vater früher immer gesagt. „Und macht lernwillig.“
„Ich will es jetzt hören, Püppchen“, flüstert er. „Je schneller du es mir sagst, um so einfacher wird es für uns beide. Du kannst mir glauben, dass mir das kein Spaß macht, dir immer wieder auf die Sprünge helfen zu müssen.“
Püppchen weint. Wie hässlich sie aussieht, wenn sie weint. Schon allein dafür könnte er ihr links und rechts eine reinhauen. Diese Heulerei, dieses jämmerliche Verletzlichkeit, all das duldet er nicht an seiner Seite.
Er zieht noch fester an ihren Haaren, zerrt den Kopf weit nach hinten, die andere Hand zum nächsten Schlag erhoben, spürt, wie sich die ersten Haare von der Kopfhaut lösen, ihre geliebten Haare, die sie in stillen Momenten geheimnisvoll summend vor dem Spiegel bürstet, als wäre sie verhaltensgestört. Er hätte große Lust, ihr heute zur Strafe mal den Kopf zu rasieren, und die verdammten Haare in den Müll zu schmeißen.
„Hast du mir denn so gar nichts zu sagen?“, fragt Patrick mit ruhiger Stimme und bewundert sich selbst für seine Geduld.
„Ich bin eine Nutte“, stößt sie endlich hervor. „Du musst mich … bestrafen!“
Er nickt zufrieden. „Das ist nicht weiter schlimm“, versichert er ihr und lässt von ihr ab. „So ist das halt, wenn man sich von jedem Idioten ficken lässt. Ich finde nur, dass es für mich eine echte Zumutung ist, deine Nuttenmöse bumsen zu müssen, in der schon so viele verdammte Schwänze steckten. Was können wir da bloß machen? Was meinst du?“
Sie beginnt erneut zu heulen. Sofort reisst er ihr wieder den Kopf nach hinten und versetzt ihr ein paar ansatzlose Ohrfeigen, nur damit sie dieses blöde Geflenne endlich sein lässt. „Ich höre nichts! Wo kann ich denn nun meinen Schwanz bei dir reinstecken, ohne mir was einzufangen?“
„In meinen Po!“, flüstert sie verzweifelt.
Er zeigt sich erstaunt. „Du willst von mir in den Arsch gefickt zu werden, hab ich das so richtig verstanden?“
Sie nickt heftig, versucht ihre zerzausten Haare zu glätten und die Tränen zu beseitigen, damit sie wieder attraktiv für ihn aussieht. Er soll nur schnell damit beginnen. Sie hofft, dass es vielleicht nicht so lange dauern wird wie sonst, und dass er es vielleicht dabei belässt.
Er zeigt auf sein Glas: „Versuch es doch noch mal mit der richtigen Mischung. Und dann mach dich mal etwas zurecht. So wie du im Moment aussiehst, will ich dich nicht ficken. Nicht mal von hinten.“
Kristina springt auf. Mit gesenktem Blick holt sie das leere Glas von ihm ab. „Beil dich ein wenig“, bittet Patrick sie sanft. „Mein Hals ist ganz trocken vom vielen Reden.“

Als er am nächsten Morgen in die Firma kommt, fühlt er sich unbesiegbar. Er hat sich in der Nacht richtig ausgepowert und danach fantastisch geschlafen. Als er wach wurde, war Kristina schon weg. Frühdienst. Sonst hätte er sie sicher in seine Arme genommen, ihr erklärt, dass es ihm leid täte, sie vielleicht doch etwas zu hart rangenommen zu haben. Er hätte sie geküsst und ihr einen ausufernden Shoppingtag versprochen, sobald es sein Terminkalender zuließe. Er hat nur noch verschwommene Erinnerungen an die zurückliegende Nacht, aber der perfekt gedeckte Frühstückstisch ist auf jeden Fall das richtige Signal von Kristina gewesen.
Zufrieden schüttelt Patrick die letzten Erinnerungsfetzen ab. In seinem Büro trifft er auf Mathilde, die ein paar Unterlagen auf seinem Schreibtisch ordnet. Ein hübsches Mädchen, wenn auch etwas phlegmatisch und für seinem Geschmack einen Tick zu groß. Mathilde vertritt Tanja, die seit über einem halben Jahr in Mutterschaft ist. Tanja - als Mutter schwer vorstellbar. Dieses Luder! Das Baby wäre vermutlich von ihm, hat sie ihm anvertraut, aber sie ist sich nicht wirklich sicher und will auch nicht weiter daran rühren. Ihm ist das egal, wenn sie nur bald wieder da ist. Von allen Weibern, mit denen er es bisher getrieben hat, ist Tanja die einzige, die wirklich versteht, worauf es ankommt. Er weiß sehr wohl, dass er ein Schwein sein kann, aber bei Tanja passt das, weil sie darauf steht und damit umzugehen weiß. Und sie hat Ideen, auf die nicht einmal er käme.
„Verlass doch endlich deinen Mann“, hat er immer wieder zu ihr gesagt. „Diesen verdammten Loser!“
Aber noch ist sie nicht bereit dafür. „Das Baby!“, pflegt sie dann immer zu sagen, als würde das alles erklären.
„Wenn es sowieso von mir ist, dann passt es doch. Wir brechen hier alle Brücken ab und verdrücken uns zu dritt … was weiß ich wohin.“
„Und deine Frau?“
„Mein Gott, die! Das wäre das lächerlichste Problem. Ein Wink von dir, und ich buche die Flüge. Der liebe Patrick und die liebe Tanja zusammen mit der lieben kleinen Annabelle.“
„Laura Marie.“
„Entzückender Name.“
„Chef?“
„Tanja?“
„Ähm, ich bin Mathilde.“
Patrick erwacht aus seinen Gedanken. „Mathilde“, wiederholt er. „Was gibt's?“
„Die Konferenz hat schon begonnen. Sie sind mittlerweile etwas zu spät dran.“
„Warum erfahre ich das erst jetzt?“
„Ich habe es Ihnen gleich bei Ihrer Ankunft gesagt. Sie haben bloß gar nicht … ich meine, Sie waren vielleicht mit Ihren Gedanken woanders.“
„Ach, jetzt ist das auch noch meine Schuld, dass Sie Ihren Job nicht beherrschen? Mein Gott, langsam müssten Sie aber mal wissen, worauf es hier ankommt!“ Patrick mustert die junge Frau kopfschüttelnd.
Sie reicht ihm schweigend die vorbereiteten Unterlagen für das Meeting. Er reißt sie ihr aus der Hand.
„Ich möchte Sie bitten, noch heute Vormittag an meine Frau den üblichen Blumenstrauß schicken zu lassen. Vielleicht kriegen Sie wenigstens das nach einem Jahr in meiner Abteilung fehlerfrei hin.“
„Sieben Monate“, murmelt Mathilde dem hektisch davon eilenden Chef hinterher. „Sieben Monate bin ich erst hier, du Arschloch!“

„Ich bin echt froh, wenn ich das hinter mir habe“, sagt Mathilde zu dem Glas Orangensaft in ihrer Hand. Ihre Freundin Ines löffelt ihr gegenüber stoisch Eis und beobachtet das Treiben auf der Straße.
„Das ist so ein verdammter Macho-Arsch, dieser Patrick Hinze,“, klagt Mathilde weiter. „ Ich verstehe nicht, warum den noch niemand ...“
„Was?“, will Ines wissen, nachdem Mathilde den Satz unvollendet lässt.
„Erschlagen, erschießen oder wenigstens in die Eier treten sollte man dem, ihm mal so richtig weh tun. Dieser kranke Psychopath. Aber einige finden den ja so cool. Ich kenne zig Frauen, die sofort mit ihm in die Kiste springen würden.“
„Und du bist keine davon?“
„Bestimmt nicht. Und wenn das der letzte Mann auf der Welt wäre, dann würde ich lieber ...“ Sie bricht ab und errötet.
Ines mustert ihre hübsche Freundin und hat das Pech, ihr eigenes Aussehen dahinter in einem verschnörkelten Spiegel vergleichsweise mitgeliefert zu bekommen: Extrem mieser body mass index, rundes Gesicht und Doppelkinn, das einzige Dünne an ihr sind die Haare. Während Mathilde ihren Makel einer extremen Kurzsichtigkeit wenigstens seit einigen Jahren mit Kontaktlinsen verbergen kann, muss Ines ihren Makel für jeden sichtbar mit sich herumschleppen. Wenn dieses verdammte Übergewicht wenigstens zur einer sichtbaren Oberweite geführt hätte, aber die ist trotz der kontinuierlichen wachsenden Körperfülle in den letzten Jahren fast unverändert flach geblieben.
„Dann geh doch da weg, wenn dir der Typ so zuwider ist“, empfiehlt Ines über den erhobenen Eislöffel hinweg. „Man muss sich ja nicht alles gefallen lassen, oder?“
Mathilde mustert ihre Freundin, als hätte die etwas besonders Dummes gesagt. Hat sie ja auch. Im Gegensatz zu ihren Mitmenschen, braucht sich Ines keine materiellen Sorgen zu machen. Sie hat vor einigen Jahren durch ein Flugzeugunglück ihre vermögenden Eltern verloren und viel Geld geerbt; verdammt viel Geld! Seit dem bewohnt sie ein luxuriöses Apartment, beschäftigt sich bevorzugt mit Nahrungsaufnahme, Kommunikationsmedien und Reisen, besitzt einige Häuser und verlebt unbekümmert ihr Erbe, das vermutlich bis ans Ende ihrer Tage reichen wird.
„Ich brauche die Kohle, Fräulein Sorglos!“ fährt Mathilde Ines genervt an. „Mein Leben will bezahlt werden, obwohl ich keine großen Ansprüche stelle. Solche Gedanken brauchst du dir ja nie mehr zu machen! Da fällt es sicher leicht, kluge Ratschläge zu erteilen.“
„Tja dann ...“ Ines führt schwungvoll den nächsten Löffel Eis zum Mund. „Bleibt eben alles so, wie es ist. Die reiche, fette Ines lässt es sich weiterhin gut gehen, und die arme, hübsche Mathilde muss weiterhin unter ihrem blöden Macho-Boss leiden. Wie lange läuft diese Mutterschaftsvertretung überhaupt?“
„Ein Jahr vermutlich.“
„Kennst du eigentlich die, die du da vertrittst?“
„Flüchtig. Hauptsächlich vom Sehen und ein paar Meetings. Tanja soundso, arrogante Zicke und besonderer Darling vom Chef. Der redet von der, wie von einer Heiligen. Na, da weiß man doch gleich, wie der Hase läuft.“

Ines steht nackt vor dem Spiegel, als es an der Tür klingelt. Sie zuckt zusammen, streift sich hektisch den Bademantel über und eilt zur Tür. Durch den Spion erkennt sie ihren Nachbarn und öffnet ihm.
„Hi.“ Er grinst sie wie immer auf diese Art an, die sie ganz wuschig macht.
„Hallo Jacob.“ Sie lächelt zurück. Jacob ist ein Riese, athletisch, muskellös und wirkt stets irgendwie gutmütig und entspannt. „Was gibt’s?“
„Der nächste Film steht an. Können wir auch wieder einige Szenen in deinem Apartment drehen? Dein Badezimmer ist sensationell.“
Sie überlegt. „Wird das wieder ein …?“
Er nickt.
„Erotik, richtig?“
Er grinst ein wenig breiter. „Porno.“ Dazu macht er eine eindeutige Geste.
„Porno“, murmelt Ines erstaunt. „Ach so. Du hast mir ja noch nie einen deiner Filme gezeigt, und bei den Dreharbeiten habe ich auch noch nie zugeschaut.“
„Ich mach dir wieder einen guten Preis“, verspricht Jacob. „Wenn du zuschauen, willst, bleibst du einfach mal da. Und wenn du mitmachen willst, leg ich noch was drauf. Gage, verstehst du?“
„Mitmachen? Ich?!“ Sie schaut ihn entgeistert an.
„Ja, klar. Warum nicht?“
„Hast du mich schon mal … ich meine, du siehst doch ...“
Er nickt. „Ja, ja!“
Sie spürt, wie Hitze in ihre Wangen steigt. „Was soll das heißen, ja, ja?“
„Du bist halt ganz viel Frau“, entgegnet er. „ Das ist doch völlig in Ordnung! Du würdest dich gut in meinem Film machen.“
„Nein“, sagt sie entschieden. „Mein Apartment könnt ihr wieder mieten, zum selben Preis wie immer, aber mich bekommt ihr nicht. Nicht in einem solchen … Film.“
„Schade“, sagt Jacob. „Wegen den Terminen melde ich mich dann rechtzeitig.“
„Ja, mach das.“
Ines kehrt aufgekratzt in ihre Wohnung zurück. Vor dem Spiegel im Schlafzimmer streift sie wieder ihren Bademantel ab, zwingt sich zur Ruhe und starrt sich weiter an. Sie versucht sich zu erinnern, wie sie damals ausgesehen hat, als sie noch einigermaßen in Form war, in der Zeit, als Mathilde ihre dicke Brille trug und die beiden sich nach einer Feier sehr nahe gekommen waren, weinselig, des Lebens ein wenig überdrüssig, von den anderen Klassenkameraden als Mauerblümchen ausgegrenzt; und als Mathilde schließlich zu Weinen begann, hatte Ines sie sehr, sehr fest in die Arme geschlossen; bis das schlichte Verlangen nach Nähe plötzlich in verzweifelte Leidenschaft umschlug. Noch nachhaltiger aber, als die Zungenspitze ihrer Freundin, blieb Ines der nächste Morgen in Erinnerung, kaum, dass sie wieder nüchtern waren; als sie Mathilde liebevoll wach küsste, die ihr darauf hin mit einem Schlag fast das Nasenbein brach, aus dem Bett sprang und sich über eine Stunde im Badezimmer einschloss, um sich leer zu kotzen und sich zu säubern, als wäre sie vergewaltigt worden.
„Wenn du das jemals weitererzählst, dann bringe ich mich um. Oder besser noch dich!“ Mit diesen Worten hatte Mathilde sich damals von Ines verabschiedet, ihr nicht mal zum Abschied die Hand gegeben.
„Ich hab dich ja wohl zu nichts gezwungen?“, hatte Ines ihr ärgerlich geantwortet. „Aber es war wohl das mit Abstand Blödeste, was wir jemals gemacht haben.“
Mathilde war einfach gegangen, aber immerhin hatte ihre Freundschaft diese Nacht einigermaßen unbeschadet überstanden. Doch selbst heute noch versteifte sich Mathilde bei jedem Begrüßungskuss auf die Wange und bei jeder Abschiedsumarmung.
„In Wahrheit war es das Beste, was wir jemals gemacht haben“, verrät Ines heute ihrem Spiegelbild. Das Spiegelbild weint. Sie nicht. Wenn sie heute die Wahl zwischen Mathilde und Jacob hätte – sie würde beide nehmen.

„Und was sagt die Elefantenfrau?“ Simon steht am Regal neben dem überdimensionalen Fernseher und sichtet Jacobs beeindruckende Filmsammlung. Er muss sich immer irgendwie beschäftigen, kann nicht einfach nur still sitzen und entspannen.
„Ines lässt uns wieder bei sich drehen. Aber mitmachen will sie nicht.“
„So eine schwere Lady wäre mal was anderes“, meint Simon. „Die Zielgruppe für solche Bräute ist verdammt groß. Stell dir mal den Arsch vor, in Großaufnahme!“ Er macht eine weit ausholende Geste mit beiden Händen, wie ein Angler, der seinen letzten Fang zeigt.
„Sie wird es nicht tun“, entgegnet Jacob lasch. „Ich habe alles versucht. Sonst rede du noch mal mit ihr. Du bist der Frauenheld.“
„Erst einmal muss ich Janinas Interesse wecken.“
„Janina“, wiederholt Jacob, als spräche er eine verbotene Zauberformel aus. „Warum gerade die?“
„Das fragt halt einer, der sie noch nie gesehen hat. Die Frau hat eine unfassbare Präsenz! Die sieht aus, wie eine Göttin. Und an der ist alles natur.“
„Eine Göttin, die mit deinem Bruder zusammen ist.“
„Na und?“
„Der wird wohl auch eine Meinung dazu haben.“
„Wen interessiert die? Wenn Janina den Film machen will, dann wird er das nicht verhindern können. Informiert habe ich ihn jedenfalls. Außerdem sind die beiden im Moment extrem knapp bei Kasse.“
„Das wird sich durch den Film nicht wirklich ändern“, gibt Jacob zu bedenken.
Simon winkt ab. „Das ist doch alles scheißegal!“
Jacob zuckt mit den Achseln, beginnt, sich einen Joint zu bauen. Als chronischer Kiffer benötigt er Joints wie Mahlzeiten. Simon arbeitet sich immer noch durch die Filmsammlung, bis er stockt und ehrfürchtig eine DVD hochhält. „The Big Lebowski!“ Er strahlt. „Der Film, Alter.“
Jacob nickt mit Nachdruck und leckt behutsam das Blättchen an.
„Hast du nie Lust gehabt, mal einen richtig geilen Film zu machen?“, will Simon wissen. „Ich meine, du hast es doch alles drauf, das ganze Technische, Kameraführung, Beleuchtung, Schnitt und all den Kram, und wenn du dann mal ein gutes Drehbuch hättest ...“
Jacob befeuchtet das Mundstück des Joints und zündet die Tüte an. Er nimmt einen tiefen Zug und lässt ihn lange in der Lunge, bevor er den Rauch fast unwillig wieder entweichen lässt. Eine warme, friedliche Stimmung breitet sich in ihm aus.
„Scheiße, Alter“, sagt er tief aus seinem Inneren heraus. „Ich mache doch richtig geile Filme!“
„Ja, klar, aber ich meine ...“
„Ich weiß was du meinst. Seriöses Zeug.“
„Ja, lebowskimäßig.“
„Tatsächlich habe ich sogar schon ein Drehbuch geschrieben.“
Simon wird hellhörig, während Jacob mehrere kurze Züge hintereinander einsaugt. „Und?“
Jacob stößt grinsend Rauch aus. „Eine Lovestory zwischen einem fetten Mädchen und einem coolen Pornofilmer. Aber seriös. Viele anspruchsvolle Dialoge und nur ein echter Fick. Reine Kunst, verstehst du?“
Simon streckt die Hand aus und greift sich den Joint für ein paar Züge. „Sag bloß, du hast ein Auge auf den Fettarsch geworfen.“
Jacob zuckt mit den Achseln. „Ja, irgendwie könnte das so sein. Der gute, alte Jacob hat seine Vorliebe für die dicke Braut von gegenüber entdeckt. Keine Ahnung, wie das geschehen konnte. Ich werde immer ganz … wuschig, wenn ich die sehe.“
„Dann sag es ihr doch einfach.“
„Dass ich wuschig werde, wenn ich sie sehe?“
„Dass du auf ihren erdteilgroßen Arsch stehst, Alter!“
„Bist du irre?“ Entspannt beobachtet Jacob, wie Simon den Joint mit mehreren Zügen sichtbar kleiner raucht und nimmt ihn dann wieder liebvoll zurück. Er streckt sich seufzend auf dem Sofa aus und starrt verträumt zur Decke.
„Ines ist stinkreich“, murmelt er und nimmt den nächsten Zug. „Ich sag dir, eines Tages..., aber nicht grad heute oder morgen.“
Simon beginnt zu Kichern, und das leitet das Ende der ernsten Unterhaltung ein.

Janina ist im Gespräch mit einer Kollegin, als sie Simon am Ausgang des Fitness-Centers bemerkt. Er sieht – wie immer – fantastisch aus. Am liebsten würde sie sich durch den Hinterausgang verdrücken, um seiner gefährlichen Anziehungskraft zu entkommen. Aber der Bruder ihres Freundes hat sie längst entdeckt und winkt. Sie verabschiedet sich von ihrer Kollegin und strebt zum Ausgang, den Blick misstrauisch auf Simon gerichtet, bis sie ihn schließlich erreicht hat.
„Was willst du hier?“
„Begrüßt man so den kleinen Bruder seines Lebensgefährten?“ Er küsst sie auf beide Wangen und umarmt sie dabei mit viel Körperkontakt. „Hat Jürgen schon mit dir gesprochen?“
„Worüber?“
„Über das Projekt.“
„Ich weiß nichts von einem Projekt. Und Jürgen ist ein paar Tage verreist.“
„Es geht um ein Filmprojekt, in dem du die Hauptrolle spielen sollst. Kohle gibt es auch. Ich bin auf die Idee gekommen, weil du mich letztens nach einem iPad gefragt hast. Wegen der Kosten und so. Hast du eins gekauft?“
Sie nickt.
„Aber ihr seid im Moment etwas klamm, oder nicht?“
Sie kramt aus ihrer Sporttasche ihre Sonnenbrille heraus und setzt sie auf, als müsste sie sich irgendwie vor Simon schützen. „Du willst mit mir hier auf der Straße über solche Dinge reden? Findest du das nicht etwas ...“
Simon breitet unschuldig die Arme aus. „Scheiße, wo kann man denn hier in der Nähe mal einen Kaffee trinken gehen?“
„Da drüben“, sie nickt mit dem Kopf in Richtung eines Cafes gegenüber dem Fitnesszentrum. Dort erörtert ihr Simon dann die Einzelheiten des Filmprojekts, spricht allerdings von einem niveauvollen Erotikfilm und übertreibt die finanziellen Möglichkeiten.
Die ganze Zeit über schüttelt Janina immer wieder den Kopf.
„Ich weiß, was ihr für Filme dreht. Und du denkst, ich mache da einfach so mit? Du bietest mir ernsthaft diesen … Schmutz an?“
„Warum nicht? Es ist nur ein Geschäft. So dicke habt ihr das doch im Moment nun wirklich nicht. Ihr musstet doch gerade kürzlich sogar euren Wagen verticken. Da wäre so ein kleiner Geldregen zwischendurch nicht schlecht, oder?“
„Ein vorübergehender Engpass bei Jürgens Geschäften.“
„Ach so. Vorübergehend. Na dann ...“
„Ich lasse mich auf keinen Fall von irgendwelchen Männern ...“
„Ich kann mich da aber noch an ganz andere Zeiten erinnern.“
„Du weisst genau, dass die für immer vorbei sind. An wen verkauft ihr solche Filme eigentlich? Wo landen die. Wer braucht so was noch?“
„Da mach dir mal keinen Kopf.“
„Und was denkst du, was Jürgen sagt, wenn er davon erfährt?“
„Baby, er weiß es doch längst. Jetzt hängt alles nur noch von dir ab. Du kannst ja wohl für dich selbst entscheiden.“
„Genau! Und ich mach das nicht. Für mich gibt es nur noch Jürgen, verstehst du?“
„Und was ist mit mir? Ich weiß bis heute nicht, warum du von einem Tag auf den anderen einfach von mir abgehauen bist. Doch nicht wegen Jürgen! Okay, er ist mein Bruder, aber ich bin die Luxusausführung von uns beiden.“
„Ich habe dich deinetwegen verlassen. Und das war genau richtig!“
„Erzähl keinen Quatsch! Du hast Jürgen nie geliebt. Jetzt hat er nicht mal mehr Kohle. Eine wie du ohne Geld, wie soll das funktionieren?“
Sie mustert ihn nachdenklich. „Und du bist plötzlich mal wieder obenauf. Wie machst du das nur?“
Simon ergreift entschlossen ihre Hand und sie lässt ihn gewähren. Er zieht sie näher an sich heran, und sie lässt ihn immer noch gewähren. Seine Lippen dicht an ihrem Ohr, seine Worte leise und eindringlich. Sie lässt ihn gewähren, gewähren, gewähren, atmet ihn, fühlt ihn, spürt wie seine Nähe ihre Sinne benebelt, erschauert innerlich, sehnt sich nach ihm, und möchte doch am liebsten aufspringen und davon laufen.
„Wir gehören zusammen“, sagt er leise. „Wir sind aus demselben Holz geschnitzt. Eines Tages wirst du Jürgen das Herz brechen, so wie mir. Aber ich werde mit so was fertig. Jürgen geht daran kaputt, verstehst du? Mit mir kannst du Spielchen spielen. Aber Jürgen meint es ernst. Der hängt dir ein Leben lang am Hals.“
„Vielleicht will ich genau das“, sagt sie und ihre Stimme zittert leicht.
Simon schaut sie eindringlich an, als versuche er, ihre Gedanken zu manipulieren. Ihre Augen schwimmen in Tränen weil sie spürt, wie leicht er sie immer noch verwirren kann. „Bitte lass mich frei“, flüstert sie. „Ich bin so glücklich mit Jay.“
„So glücklich, wie du es damals mit mir warst?“
„Simon ...“ Aber sie weicht seinen Worten nicht mehr aus, lässt sich endgültig in seine Arme ziehen, sich küssen, gibt jeden Widerstand auf. „Lass uns zu dir gehen“, flüstert sie und schiebt ihn wieder von sich weg. „Ich will nicht, dass man uns hier so zusammen sieht.“
„Jetzt gleich?“, fragt er und zwinkert ihr zu. „Ich wollte eigentlich noch meinen Kaffee austrinken.“

Janina ist lange nicht mehr in Simons Wohnung gewesen. Alles hier scheint nur auf ihre Rückkehr gewartet zu haben. Hier haben sie eine herrliche Weile unbeschwerte und kindische Pläne geschmiedet - bis Simons altes, schmutziges Leben die Träume zunehmend begrub. Heute führt nach langer Zeit wieder einmal ihre Kleiderspur ins Schlafzimmer.
„Ich werde jedenfalls in keinem Pornofilm mitspielen“, sagt Janina entschieden. Da hockt sie auf Simon, seinen vertrauten Schwanz tief in sich drin, genießt mit zurückgelegtem Kopf seine Hände auf ihren Brüsten und steigert nur ganz langsam Rhythmus. Simon grinst träge und blinzelt unauffällig in eine der versteckt positionierten Kameras, die Victor und er hier vor einiger Zeit installiert hat.
„Fick mich, Baby“, fordert er Janina auf. „Und lass uns nicht mehr über den blöden Film reden!“

Epilog

Jürgen starrt in die Zeitung, traut seinen Augen nicht, ist fassungslos. Der Name. Das Foto. Das Gesicht. Eindeutig. Es gibt keine Zweifel. Es ist Patrick Hinze. Sein ehemaliger Mannschaftskamerad aus glorreichen Fußballzeiten, der begnadete Mittelfeld-Stratege, der Kopf der Mannschaft, aber auch gefürchtet für seine Aussetzer und Tobsuchtsanfälle, die so manche rote Karte zur Folge hatten. Patrick ist tot. Sein Schicksal platziert auf Seite eins, ermordet von seiner Frau Kristina. Nachts, während er schlief, hat sie ihm erst mit einem Hammer den Schädel eingeschlagen, und dann ein Messer so lange in seinen Leichnam gerammt, bis sie nicht mehr konnte. Todesengel im Blutrausch textet die Boulevard-Presse. Geschäftsmann von Ehefrau zerfleischt! Das Gesicht der Ehefrau kommt Jürgen trotz Balken irgendwie vertraut vor, ohne dass er es wirklich einer ihm bekannten Person zuordnen kann. Er ist noch immer wegen des Schicksal seines alten Weggefährten aufgewühlt, als Janina den Raum betritt, ihren im Sessel sitzenden Freund umschlingt und liebevoll küsst. Sie ist gerade nach Haus gekommen, duftet nach einem herrlichen Sommertag und strahlt selbst wie die Sonne.
„Rate Mal“, sagt sie zärtlich und lässt ihre Lippen an seinem Ohr entlang gleiten.
„Du hast neue Schuhe zu Schnäppchenpreisen ergattert“, rät er.
„Viel besser“, sagt sie. „Ich bin endlich schwanger.“

 
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Ich hab meinen Kommentar geloescht. Also nochmal von vorn :sick:

Hey Rick,

so ein aehnliches Erzaehlarrangement, bei dem sich die Figuren die Perspektive so wie einen Staffelstab uebergeben, hatte ich auch schon mal angedacht. Allerdings wuerden die Figuren sich bei mir nicht kennen und es ergaebe wohl eine Reihe huebscher Szenen, aber keine [/I]Geschichte[/I]

Bei Dir ist das eher wie bei love actually, wenn ich den noch richtig in Erinnerung habe, nur mit invertiertem Grundtenor gewissermassen.

Die Anlage finde ich also durchaus spannend. Es besteht natuerlich die Gefahr, dass bei so vielen Hauptfiguren in einer Kurzgeschichte einige auf der Strecke bleiben. Hier sind mir leider irgendwie alle durch die Finger geflutscht. Keiner bin ich da ansatzweise nahe gekommen. Das liegt auch daran, dass ich sie zum Teil ueberzeichnet und psychologisch inkohaerent finde. Diesen Schlaegertypen zum Beispiel. Einerseits baust Du da so super klischeehafte Versatzstuecke ein: am andern Tag bereut er es bitter; er trinkt. Andererseits passt dieser typische, besoffene Choleriker, der aus Ohnmacht und Kleinschwaenzigkeit ausser Kontrolle geraet nicht zu diesem sehr kuehl berechnenden Psycho-Monster, der sich nach dem Folterexzess super fuehlt. Und sein huendisches Frauchen: wie soll ich der bitte den Ausbruch am Ende abnehmen? Sowas muss man doch in der Figurenzeichnung vorbereiten. Sonst ist das literarisch unredlich :P
Und dann noch Porno und diese wirklich un-saegliche Lesbengeschichte. Ja, sehr glaubhaft, wie die beiden nach so einer Nacht und vor allem so einem Morgen, voll ueberzogener Kotzerei noch eng befreundet sind. Und ach ja, Kukuckskind war ja auch noch. Ist mir aber eigentlich auch egal, weil ich den Gehoernten ja eh kaum kenne ...

Nee, nee, also nee. Das tut mir auch wirklich weh, Dir sowas zu schreiben, weil ich Dir sowas gar nicht schreiben will. Andererseits muss ich Dir schreiben, weil Du eben Rick bist und mit dieser Geschichte sowas von hinter Deinen Moeglichkeiten zurueckbleibst. Ich find die Geschichte mit ihrer Vielzahl an Skandaelchen und auf Krawall gebuersteten Pappfiguren echt son bisschen trashig, muss ich sagen. Schon wie der Koerper dieses dicken, reichen Maedchens da genuesslich, effekthascherisch vor dem Spiegel gewendet wird. Das ist Verrat des Autors an seinen Figuren.

Also wie gesagt: Hab ich nicht gerne geschrieben, diesen Kommentar. Du kannst Dich aber damit troesten, dass ich 1.) fuer so eine Krawallstory bekanntermassen und ganz grundsaetzlich ein undankbarer Leser bin, und dass Du 2.) fuer Leser, wie mich, die lieber weniger Figuren und Konflike, die dann aber richtig und in die Tiefe haben moechten, mind. Skizzen fuer 4 Kurzgeschichten da stehen hast.

Also ich halte eine solche Form mit vielen Hauptfiguren als Kurzgeschichte gar nicht mal fuer unmoeglich, aber man kann jetzt auch nicht in jeder Winzszene ne neue Sat 1 Gerichtsshow drehen. Ich wuerd das etwas leiser und atmosphaerischer angehen.

Ja, sorry. Mein Versuch eines Sandwich-Feedbacks. ;)

lg und gute Nacht,

fiz

 

Hallo Rick

Vom Titel her hatte ich ein Gender-Thema erwartet, war daher etwas überrascht, in welch eigen fokussiertes Männer- und Frauenbild deine Geschichte mich da einführte. Aber natürlich ist es unter Alltag gesetzt, nicht als Gesellschaftskritik, sondern zur Unterhaltung. Dies scheint mir soweit gelungen, wenn ich auch denke, es sind etwas klischeehafte Figurenzeichnungen, doch unterhaltsam die Verstrickungen, die sich da offenbaren.

Ein paar Stellen, bei denen ich hängen blieb:

Wann immer Janina zu plappern beginnt, bekommt es Jürgen mit der Angst zu tun.

Mit diesem Satz hast du es geschafft, mich zu verwirren. Ich dachte ernsthaft, Janina sei ein Baby. Im nächsten Absatz wurde dies widerlegt.

Tanjas Blick strahlt in den Kinderwagen.

Realitätsnäher schiene mir, wenn vom strahlenden Blick Tanjas die Rede wäre, mit einer Strahlung hat das ja nichts gemeinsam.

Jürgen befürchtet, seine Freundin könnte das hilflose Wesen ins Koma plappern und legt mahnend die Hand auf ihre Schulter.

Es ist mir jetzt klar, wie der einleitende Satz zu deuten ist. Diese Momente, wenn Erwachsene in eine vermeintlich kindliche Artikulation verfallen. Nur das Koma wirkt mir etwas überzeichnend.

Aber Tanja sind seine plumpen Berührung unangenehm. Ungeduldigen Hände, die jegliche Sensibilität verloren haben, zerren ihren Pullover hoch.

BerührungenUngeduldige

Uns fehlt nur noch [eine] Hauptdarstellerin mit Klasse.

Und zuhause bist du nicht mal in der Lage, mir einen vernünftigen Drink zu machen. Ich glaub, es geht los. Was spielt da eigentlich ab, in deiner hohlen Birne? Vermutlich kaum mehr als bei deinen Patienten.“

Trotz mehrfachem Lesen konnte ich den Sinn des Fettgedruckten in dem Satz nicht zuordnen.

Seit dem bewohnt [sie] ein luxuriöses Apartment, beschäftigt sich bevorzugt mit Nahrungsaufnahme, Kommunikationsmedien und Reisen, besitzt einige Häuser und verlebt unbekümmert ihr Erbe, das vermutlich bis ans Ende ihrer Tage reichen wird.

„Tatsächlich habe [ich] sogar schon ein Drehbuch geschrieben.“

„Ich bin endlich schwanger.“

Den Schlusssatz hatte ich ehrlich gesagt, längst erwartet. :D

Es war mir ein unterhaltsames Lesen, auch wenn mir manches zu stark überzeichnend schien.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo,

Alex ist hinter seine Frau getreten, und noch während sie ihre Jacke abstreift, schiebt er bereits voller Verlangen seine Hände auf ihre prallen Mutterbrüste. Seit ihre Oberweite deutlich an Volumen gewonnen hat, kann er einfach nicht mehr die Finger davon lassen. Aber Tanja sind seine plumpen Berührung unangenehm. Ungeduldigen Hände, die jegliche Sensibilität verloren haben, zerren ihren Pullover hoch. Ärgerlich zieht sie ihn wieder runter.
Bis dahin fand ich es frisch und locker, 2,3 gute Sprüche, ab hier bis zum Ende des Absatzes ist es schon verbrannter Boden so ein bisschen. Wie das auch sprachlich gemacht ist "sagt sie hoffnungslos", ""wachsende Erregung", "seufzt er", "winziger, kräftig saugender Muind", "einzigartige Gefühl der Verbundenheit" - und die Leute verhalten sich auch eindimensional.
Eine Frau wird doch wissen, dass ihr Mann weiter Sex möchte. Und ein Mann wird wissen, dass es nach der Geburt da Probleme gibt. Könnte man in einer modernen Geschichte nicht davon ausgehen, dass der Konflikt beiden Parteien bekannt ist, weil das nun auch wirklich häufig behandelt wurde.
Ich mochte auch nicht diesen Perspektivklumpatsch. Fängt mit dem Mann an, geht auf die Frau, und dann werden beide so gezeigt ... also ich hab Fiz' Kommentar auch gelesen - vielleicht hätte ich das nicht machen sollen.

vereint im Kampf und in der Auflehnung gegen die unerbittliche Herrschaft des Patriarchen, die Herzen schwer vom frühen Tod der Mutter, die Köpfe voller Träume von einer besseren Zukunft.
Es würde der Geschichte enorm helfen, wenn sie aus einer Froschperspektive erzählt wäre.
Aber das ist halt - ich mein, feirefiz und ich sind da echt nicht das Publikum, denke ich. Also ich bin ein großer Verfechter einer einheitlichen Sprachebene, von einem organischen Text. Und ein Erzähler, der sowas schreibt wie hier, nachdem ein Gespräch stattfand, in dem es darum ging, ob eine Frau jetzt wieder bei einem Porno mitmacht, da dann mit Patriarch und vollem Herzen anzufangen - pff.

Ja, es ist Simon, der gute alte Simon aus ihrer gemeinsamen Schulzeit, der Simon, in den sie unsterblich verliebt war, der cool war, der Coolste von allen, witzig, selbstbewusst und attraktiv, mit dem sie auf der letzten Klassenreise zum ersten Mal schlief, der ihr ewige Treue schwor und nach dem Ende der Schulzeit von einem Tag auf den anderen abtauchte und sich nie wieder bei ihr meldete.
Also tut mir leid, aber das ist so ein bisschen McSchicksal für mich. Vita für Nebenfiguren aus dem Regal so.
Kann man nicht wenigstens beschreiben, wie sie auf der "letzten Klassenfahrt" miteinander gevögelt haben, allein das würde dem ganzen schon Mal einen Schliff geben. Die Klassenfahrt - das ist ja so ein gesamtdeutscher Topos in der Vita, so Stationen eben. Landbauernhof, Konfirmationsunterricht, Tanzschule, Wandertage, erste Klassenfeier, Feier ohne Eltern, Abschlussball, Bundeswehr usw. - je nach Geschlecht und Bildungsweg teilt man sich das irgendwie, da wäre es einfach gut, so etwas zu präzisieren.
Es würde doch schon eien Figur draus, wenn man aus dieser Aufzählung hier eine bildhafte Anekdote machte. Die der Figur Fleisch und der Beziehung Leben gibt.
Wenn dafür kein Platz ist oder so, dann denke ich: Einfach die Figur streichen.

„Du bleibst“, entscheidet er und hebt sein leeres Glas in die Höhe. „Mach mir noch einen. Eine Männermischung. Ich hoffe sehr, du kriegst das endlich mal hin. Aber ich will dich auf keinen Fall überfordern, nach so einem harten Tag. Wenn es dir lieber ist, dass ich aufstehe ...“
Ja, Waisen in den Romanen von Dickens macht Platz. An eure Stelle tritt die geknechtete, moderne Frau.
Ich weiß, du hasst den Klischee-Vorwurf. Klischees verwendet jeder. An ihnen ist oft was Wahres dran.
Aber ein bisschen feiner, bitte. Eine subtilere Form der Unterdrückung.
Ich hab gestern abend Hangover gesehen, da sind die Figuren auch Klischees. Aber was für schöne Figuren! Die verstopfte Hexe, die den Zahnarzt unterjocht. Und jeder sieht es und keiner sagt was. Großartig. Wodurch kriegt die den Dreh? Dadurch, dass sie selbst fremdgegangen ist und dass jeder es weiß.

Also ... für mich springt der Funke einfach nicht über. Ich will sowas nicht lesen, auch nicht, wenn es von dir ist. Als der Typ ins Büro kommt und auf eine der Frauen trifft, von der ich schon vergessen hatte, dass die auch in der Geschichte war - da war ich endgültig raus.
Es ist nicht nur, dass die Figuren so krass sind, sondern dass sie auch so derbe grob gezeichnet werden.
Also ein dominant-sadistischer Mann und seine Frau, die in einem Abhängigkeitsverhältnis von dem lebt - das ist, wenn man es aus dem Klischee befreien will, doch wirklich gernug Stoff für eine Geschichte. Und hier wird das in einem Kapitel durchgehechelt. Ich verstehe nicht, was das soll. Wem bringen solche Figuren was? Die werden doch erst unter der Lupe spannend. Warum bleibt die Frau bei dem? Und dann ist halt so eine Schublade "ist so" - die Dynamik, die dahinter ist, und die sicher andernorts durchgehechelt wurde, interessiert den Text hier nicht. Warum ist es dann drin?
Das sind solche Reiztehmen, die hier als Accesoire an die Wand gehängt werden, als gäbe es eine Top-5-Liste, die man abarbeiten müsste.
Tyrannischer Vater - check, Saufender, schlagender Macho - check, verdorrte Abiballprinzessin - check, Frau, die sich irgendwie nach oben vögeln will - check; Mann, der unfruchtbar ist, und Frau mit Kinderwunsch usw.

Mal davon ab, dass sowas sicher vorkommt - das will ich gar nicht in Abrede stellen - aber ich hab nur ein Abbilden dieser Motive gesehen, keinerlei Variation davon.
Versteh ich nicht.
Schließe mich dem Kommentar von feirefiz voll an, soweit ich den Text gelesen hab.

Gruß
Quinn

 
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Hi Rick,

ich habe deine Geschichte gestern gelesen. Und heute die Kommentare.
Ist sehr interessant: ich hatte überhaupt nicht vor rumzumeckern, dass du Klischees verwendest. Das ist so konsequent gemacht, ich war mir gestern sicher, es geschah mit voller Absicht. Und es hat den Vorteil, dass man jede Figur sofort in eine bestimmte Schublade stecken kann (hier ist es ein Vorteil, weil du für diese Menge Texte wirklich eine Menge Figuren im Rennen hast, ich hab jeder Figur einen bestimmten Stereotyp zugeordnet und kam deswegen gut mit den vielen Figuren zurecht - wobei mich Victor und Jakob verunsichert hatten :D).
Die Verwendung von Klischees hat mich nur an einer Stelle gestört (prügelnder Ehemann mit rehäugiger Frau, dazu später noch).
Was ich kritisieren wollte, war eher die Figurenkonstellation. Das sind ausschließlich negativ besetzte Stereotypen. So ein Haufen Figuren in einer KG, und kein einziger Sympath dabei. Kann man machen, erschien mir auch gewollt, finde ich aber undankbar für den Leser (man kann sich zu leicht mit einem Achselzucken abwenden).
Ich hatte den Eindruck, der Text wollte mir die Botschaft aufdrücken "Die Liebe ist schal. Die Menschen sind fies. Die Welt ist schlecht." Das darf ein Text natürlich aussagen, und ein Text darf natürlich deprimierend sein ... aber der Text hier ist zu schlicht, als dass mir die Botschaft irgendwie nahegehen könnte. Wenn es in dem Wust eine wichtige Figur gäbe, die für ihre Liebe kämpft und daran grandios scheitert oder so, das wäre was, worüber man nachdenken könnte. Die Prämisse könnte im Laufe des Textes mal in Frage gestellt werden, im Moment gibt es nur einen Haufen Szenen, die alle dasselbe sagen (Die Liebe ist schal, die Menschen sind fies, die Welt ...).

Die Szenen mit Patrick und Kristina fand ich ziemlich ärgerlich. Wenn du bei anderen Themen so oberflächlich bleibst (die Unerträglichkeit junger Elternpaare, das Seelenleben von "Erotikfilm"stars und deren Partner, ...), ok, das kann ich leicht abnicken. An vielen Stellen, zB der Porno, wo das Drehbuch so toll ist, weil es eine super Handlung gibt ;) hab ich gegrinst.
Aber häusliche Gewalt ist eins der Themen, die ich nicht gern so platt abgehandelt sehe, dafür finde ich das inhaltlich zu schwierig. Und es ist doch klar, dass sich jeder Leser hier fragen wird, warum bleibt die Frau bei dem? Das fragt man sich im wirklichen Leben doch jedesmal. Und der Text bietet mir da nichts zum Nachdenken, der Text steht genauso ratlos davor wie ich. Ein prügelnder Vater wird angedeutet. Aber was das in der Figur Kristinas genau ausgelöst haben soll, das seh ich nicht (ist sie der Meinung, sie verdient Patricks "Strafen"? ist sie an allem schuld?). Die Psychologie, die hinter sowas steht, ist komplex, aber im Text hier wird das Thema so behandelt, wie Klein-Fritzchen sich einen prügelnden Mann und seine Frau vorstellt. Damit konnte ich nichts anfangen.
Dieses Motiv der geprügelten Frau (selbstverständlich ist sie rehäugig und eine porzellane Schönheit) wird so romantisiert, das finde ich wirklich unangenehm. (Nicht nur bei dir jetzt, ich hab das zum ersten Mal in Grishams Regenmacher* gelesen, seitdem begegnet mir das immer wieder und es wird immer gleich beschrieben ...)
Ich schließ mich auch feirefiz an, dass man dem rehäuigen Über-Opfer von Frau nicht abnehmen kann, dass die ihren Gatten ermordet. Kannst du da nicht irgendwelche Vorzeichen einbauen?

Uuuund ... den episodenhaften Aufbau find ich super. Mir hat das beim Lesen großen Spaß gemacht, die Querverbindungen zu finden, ich fand die Perspektivwechsel interessant und hätte mir sogar gewünscht, dass sich die unterschiedlichen Episoden sprachlich noch mehr voneinander unterscheiden würden. (Ich frag mich gerade, ob es irgendwie möglich wäre, so einen Text mit lauter ich-Erzählern zu bauen, ohne, dass den Lesern das Hirn platzt.)

Also von meiner Seite thumbsup für die Form und Achselzucken/Stirnrunzeln für den Inhalt ;)

LG,
MG

* edit: Ich will John Grisham nicht als Maßstab für irgendwas erheben, nur sagen, ich persönlich kenne Patrick und Kristina seit den Neunzigern, und ich traue Grisham nicht zu, literarisch besonders innovativ zu sein - vermutlich gibt's diese Szenen also schon in älteren Büchern. (Wie es im Film zum Regenmacher umgesetzt wurde, kann ich nicht sagen, die Buchszenen waren aber hollywood-kompatibel, soweit ich mich erinnere.)

 

He Rick,

ich habe die Geschichte noch vor den ersten Kommentaren gelesen, aber leider nicht die Zeit gehabt, einen Kom zu hinterlassen. Das sei jetzt nachgeholt.
Als ich die eingetrudelten Koms dann las, musste ich feststellen, dass die Kritik an sich stimmt. Was die Clichés angeht. Aber das ist mir erst im nachhinein aufgefallen und das ist für mich deshalb ein absoluter Pluspunkt für die Geschichte. Ich bin beim Lesen reingesaugt worde, habe mich an nix gestört, wollte wissen, wie es weitergeht, wie du weiterknüpfst (das fand ich saustark, wie du da von der einen Person in die nächste gegangen bist und im Grunde ein Bild nach dem anderen zerstört hast, also den Schein ausgeprügelt und das Sein in den Fokus genommen hast), wie alles sein "Ende" findet. Da war bei mir nichts mit Enttäuschung oder ein Aufstoßen wegen der Clichés, auch die Figuren waren mir nicht zu grob, ich habe da wirklich mitgelitten. Vll hast du da jetzt auch Themen von mir berührt, sodass es da nicht viel braucht, um mich zum mitleiden zu bewegen, wasweißich, so oder so bleibt es bei meiner Meinung: Mich hast du gebannt. Danach, okay, dann so nüchtern betrachtet, da stimmt das schon, was fiz und quinn sagen, aber das blieb bei mir, wie gesagt, beim Lesen außen vor.
Soviel zu meinem Lanzenbruch ;)

grüßlichst
weltenläufer

 

Hej Rick,

kennst Du "Der grössere Teil der Welt" von Jennifer Egan? Von der Form her hat es mich daran erinnert, diese verschlungene Geschichte, der Zusammenhang der verschiedenen Figuren. Das hat mir gefallen und mich durch die Geschichte geführt.

Die Figuren haben dazu weniger beigetragen, sie kommen mir vor wie Leute, die ihre Sache besonders gut machen wollen und deswegen komisch wirken oder immer ein bisschen daneben liegen.

Und ich bin öfters über komische Formulierungen oder Tonfälle gestolpert, die mir unpassend vorkamen (nur mal als Beispiele):

„Hör zu, Victor will einen neuen Film drehen. Er braucht noch heiße Muschis.“
Die Bedienung, alles andere als eine heiße Muschi
Das find ich merkwürdig: Hier übernimmt die Erzähl-Stimme die Formulierung von Simon, als wollte sie auch mal witzig sein.
Beschrieben hat sie die Bedienung aber kaum.

sie noch echte Brüder waren, vereint im Kampf und in der Auflehnung gegen die unerbittliche Herrschaft des Patriarchen, die Herzen schwer vom frühen Tod der Mutter, die Köpfe voller Träume von einer besseren Zukunft.
Das klingt leicht ironisch, was irgendwie unangemessen wäre oder aber zu schwülstig, was auch nicht passt. Das ist so ein komischer Tonfall ...

ch hab auch hart gearbeitet. Bestimmt härter als du. Dennoch versuche ich, mich nicht so hängen zu lassen.
Dieses "dennoch", das passt für mich nicht zu diesem Typen. Eigentlich auch zu sonst keinem, es sei denn man gehört zum Bildungsbürgertum des 19. Jahrhunderts und hält gerade einen kleinen Vortrag.

Am Ende bin ich einen verschlungenen Weg gegangen, auf dem es letztendlich nur wenig zu sehen gab.

LG
Ane

 

Hallo Rick,

bevor ich jetzt gleich ins Schwafeln komme vorab, ich habe mich bestens unterhalten.
Und jetzt schwafel ich :).

Hätte ich die Geschichte geschrieben, mit den Figuren und den häufigen Perspektivwechseln, ich hätte vor dem Einstellen ziemlich genau geahnt, in welche Richtungen die Kritiken gehen würden. Zu viele Personen, daher sehr oberflächlich, zu viel Klischee, zu viel Drama. Vielleicht ging Dir ja ähnliches durch den Kopf. Und jetzt überlege ich schon die ganze Zeit, an welcher Stelle man hätte die Geschichte packen müssen, um dem aus dem Weg zu gehen. Denn eine Geschichte, in der es mehrere Perspektiven gibt, Figuren die "irgendwie" untereinander in Bezug stehen und so, also ich mag solche Sachen gern. Und ich hab mich auch hier gut unterhalten gefühlt und das ist schon ziemlich viel, was eine Geschichte dann zu leisten vermag.

Aber fange ich mal an das aufzudröseln.
"Klischeefiguren" - ich habe überlegt, ob die Figuren eine Bruch nötig hätten. Eine schwarz-weiß Darstellung, wie man es sonst auch so anpackt und hab das mal für den Schlägertyp durchgespielt. Wenn er also zu Hause das harte Arschloch ist und in der Firma so ein Duckmäuschen und hab festgestellt, dass das überhaupt nix gegen den Klischeevorwurf abtun würde, weil das ja auch wieder irgendwie typisch ist. Insofern fand ich die geradlienige Zeichnung der Figur dann doch besser. Und Du hast diese Brüche ja drin. Der Pornotyp, der sich in seine häßliche Nachbarin verknallt. Und dann hab ich so überlegt, ob dieser Klischeevorwurf nicht immer automatisch da lauert, wo das ganz große Drama herangezogen wird. Drogenmißbrauch, Pornotyp, Macho-Schlägertyp vs. eingeschüchterte Frau, unerfüllter Kinderwunsch etc. Man muss den Figuren was Neues abgewinnen, denkt man ja so, und ich frage mich, was denn das Neue da sein soll?
Andrea H. hat es bei den Schmetterlingen so gelöst, dass sie ihren Psychomörder ziemlich genau beobachtet hat, der hatte Raum und Platz. Aber letztendlich ist er so verkorkst, weil er eine tyrannische Mutter hatte. Das ist jetzt auch nicht neu und trotzdem blieb der Vorwurf aus. Also liegt es wirklich an der Tiefe, die wir einer Figur beifügen, damit sie sich vom Vorwurf freisprechen kann? Oder sollte man es grundsätzlich vermeiden solche Themen anzufassen, weil das Klischee wie Blei über den Figuren hängt? Ich weiß es nicht. Klar machen Figuren Geschichten heute spannend, und es ist eben schwer, in einer KG mit soviel Personal den Figuren auf den Zahn zu fühlen, wenn man nicht doch einen Roman schreiben will. Aber sollte man deshalb solche Geschichten nicht mehr schreiben? Sollte man wirklich nur noch Geschichten schreiben, die mit wenig Personal auskommen? Ich fänd das sehr schade, denn wie gesagt, habe ich die Geschichte recht gern gelesen. Vielleicht fehlt den Figuren, gerade solchen, aber auch eine Wendung, eine Entwicklung. Etwas, dass sie einmal ausbrechen lässt, ins schwanken kommen lässt. Das ist glaub ich ein guter Punkt, der macht gerade Sinn für mich.

Das ganz große Drama. Noch so ein Punkt, der mir heute im Kopf rumging. Aber wenn es jetzt alles so Alltagsdramen wären, stiller und leiser, wäre die Geschichte dann noch spannend? Auch darauf weiß ich nicht so recht eine Antwort. Und es ist ja nun mal so, dass auch diese Geschichten um uns geschehen. Naja, bis auf das abknallen am Ende. Da hat die Frau eine Wendung gemacht, an der Du mich hast nicht teilhaben lassen, dass mach ich Dir tatsächlich zum Vorwurf :).

Mit den Perspektivwechseln hatte ich überhaupt keine Probleme und ich habe eine Vorliebe dafür. Ich denk jetzt schon den ganzen Tag über die Geschichte nach. Und auch über die Kritiken. Und letztendlich scheint sich eine Schreibart von Geschichten durchzusetzen, die so was wie einen allgemeingültigen Anspruch hat. Ich will das nicht werten. Ich will nicht sagen, dass das schlecht ist. Im Gegenteil, ich mag Geschichten dieser Art ja auch sehr gern und schwierig sind sie obendrein. Ich frage mich nur, ob man damit nicht anderen Spielarten das Wasser abgräbt. Ob man als Autor dann irgendwann nur noch in die eine Richtung "schreibt". Also wie gesagt, konstruktiv ist das alles nicht. Es sind eher so meine Gedanken.

Schön hätte ich es gefunden (und auch trickiger im Aufbau), wenn eine Figur in einer Entscheidung beeinflusst worden wäre. Wenn also ein "Schicksal" von all den anderen und ihren Erlebnissen abhängig gewesen wäre, ohne, dass die Figur eigentlich Einfluss darauf hatte. Also, so ein Rahmenproblem, in dem sich dann die Probleme der anderen abspielen und letztendlich deren Handeln am Ende für ihn entscheidet. Du hast das ja, dass die Figuren untereinander agieren und das Leben der anderen beeinflussen. Wenn die Frau da ein Kind vom Bruder bekommt, z.B. - aber in die Richtung hätte ich mir mehr gewünscht. Aber das ist jetzt auch nur ein Weg von anderen möglichen.

Aber was ich mir wirklich wünsche von Deinen zukünftigen Texten: ich hätte gern wieder mehr von diesen wunderschönen Bildern. Die Frau, die nicht wirklich dazu gehört und man ihr deshalb den wackligen Stuhl anbietet oder ... oder ... Das vermisse ich irgendwie ein bisschen. Mir kommen Deine letzten Geschichten irgendwie direkter vor. Und dabei waren diese zarten Beobachtungen sehr schön. Bau das mal wieder mit ein :).

Also, es gab Stellen im Text, da hab ich wirklich "aua" gedacht und andere, wo ich schmunzeln musste. Und lesen mag ich Deine Schreibe ohnehin gern. Und langweilig fand ich es auch nicht. Aber ich bin nur ich.

Liebe Grüße Fliege

 
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Hallo Rick,

das mit dem Perspektivwechsel mochte ich, find ich auch grundsätzlich interessant. Die Geschichte finde ich nicht unbedingt schlecht … also manchmal beschwere ich mich, dass jede Geschichte so still und subtil sein möchte … und hier ist das … ja, ein bisschen trashig. Wie fiz sagt. Mir fällt kein besseres Wort dafür ein. Also "normalerweise", wenn man solch Konflikte darstellen möchte, Macho-Mann, der seine Frau schlägt, Porno-Frau, die mit dem Bruder fickt ... Kinderwunsch und was weiß ich noch alles … das sind so Themen, an die man sich langsam rantastet ... und bei dir, das sind so take-no-prisoner-Dialoge.

„Genau! Und ich mach das nicht. Für mich gibt es nur noch Jürgen, verstehst du?“
„Und was ist mit mir? Ich weiß bis heute nicht, warum du von einem Tag auf den anderen einfach von mir abgehauen bist. Doch nicht wegen Jürgen! Okay, er ist mein Bruder, aber ich bin die Luxusausführung von uns beiden.“
„Ich habe dich deinetwegen verlassen. Und das war genau richtig!“
„Erzähl keinen Quatsch! Du hast Jürgen nie geliebt. Jetzt hat er nicht mal mehr Kohle. Eine wie du ohne Geld, wie soll das funktionieren?“
Sie mustert ihn nachdenklich. „Und du bist plötzlich mal wieder obenauf. Wie machst du das nur?“

Und dann fickt sie halt mit ihm …

Und dann hast immer diese schnellen Zusammenfassungen drin, du machst es dir einfach:

Janina ist lange nicht mehr in Simons Wohnung gewesen. Alles hier scheint nur auf ihre Rückkehr gewartet zu haben. Hier haben sie eine herrliche Weile unbeschwerte und kindische Pläne geschmiedet - bis Simons altes, schmutziges Leben die Träume zunehmend begrub. Heute führt nach langer Zeit wieder einmal ihre Kleiderspur ins Schlafzimmer.

Das sind so Stellen, wo du erklärst: warum, wieso, die schnelle Lebensgeschichte dahinter, die Motivation dahinter, da gibt es viele von … und eigentlich sind das Stellen, wo man sich mehr Mühe geben müsste, wenn man es subtiler haben will, wenn man es anspruchsvoller haben will.

Simon ärgert sich, dass Jürgen ihn so überstürzt verlassen hat. Er hätte gern noch etwas länger mit ihm geredet. Vor allen Dingen über den Vater! Und über die Zeiten, als der alte Herr noch das Sagen hatte und sie noch echte Brüder waren, vereint im Kampf und in der Auflehnung gegen die unerbittliche Herrschaft des Patriarchen, die Herzen schwer vom frühen Tod der Mutter, die Köpfe voller Träume von einer besseren Zukunft.

Also wie gesagt ... es ist sehr trashig. Du gibst Gas, kümmerst dich nicht um Nuancen, hauptsache es kracht, ganz egal, was dabei an Anspruch auf der Strecke bleibt. Wo ein anderer sich vielleicht denkt, okay, wie mach ich das jetzt, jetzt schläft sie mit dem Bruder ihres Freundes, den sie ja eigentlich liebt, wie ist das mt ihrem bisherigem Denken zu vereinbaren? Was geht ihr da eigentlich durch den Kopf? Hat sie da Gewissensbisse, und was ist mit dem Bruder, wie kommt er zu so was? Wie kann man das glaubhaft darstellen? Und bei dir ist das halt: die Frau ist eine Schlampe und möchte ficken – logisch. Und Simon ist ein Arsch – logisch.
Das ist echt wie in einem Porno.


An sich hab ich nichts gegen Trash, es gibt auch guten Trash ... ich mochte diesen Film vor kurzem, Attack the Block, handelt von Gangster-Teenager in South London, die ihr Block vor einem Alienangriff schützen wollen – fand ich echt witzig. Ich denke fast, das Ganze könnte noch ein bisschen trashiger sein, ein Tick abgedrehter, am Anfang gleich, da weiß man zumindest, wo man dran ist. Oder man muss es anders angehen …
Also ich meine, dass da auch gute Überlegungen und Beschreibungen drin sind ... es ist nicht alles trash, nur weil es laut ist, weil es richtig kracht, sind auch manchmal gute Gedanken dabei, aber der Rahmen halt, dadurch, dass es so wirkt, also wolltest du einfach möglichst viel Konflikt in einer möglichst kurzen Zeitspanne dem Leser irgendwie runterwürgen … als würde man immer das nehmen, was einem zuerst einleuchtet, ohne Rücksicht auf Klischees, ohne Originalitätsanspruch, Hauptsache schnellen Konflikt, und dann mit den wechselnden Perspektiven, sprich das gleiche vier, fünf Mal hintereinander ... das verstärkt den Effekt ja nur … da hat man schnell das Gefühl, einen total trashigen Film anzuschauen, und ich mein, und es handelt hier auch von Pornos und so ... also komm. Ich frag mich gerade, was du damit erreichen wolltest. Wie du dir das vorgestellt hast. Du bist das schon mit einem gewissen Ernst angegangen, aber dir wird doch klar gewesen sein, dass das trashig wirkt?
Du postest es unter Alltag und nennst die Geschichte "Männer und Frauen". Wie viel Ironie steckt dahinter?

Diese Lesben, ich weiß jetzt gar nicht, wie das reinpasst überhaupt … du kannst doch nicht in jeder Geschichte irgendwann einfach eine Lesbe einbauen. :)
Insgesamt hab ichs nicht ungern gelese, würde mir aber auch eher was Subtileres wünschen, etwas, was mit das Gefühl gibt, was "Echtes" zu lesen, wo die Figuren echt sind, wo ich das Gefühl hab, dass ich sie als Leser ernst nehmen muss, weil die mich sonst überraschen werden oder wehtun werden … weil die differenzierter sind auch, ist auch immer die Frage, kann ich mich mit den Leuten hier irgendwie indetifizieren? Ist hier irgendwer, der mir nicht total egal ist? Muss auch nicht immer sein, aber ich denk nein. Da muss man mehr in die Tiefe gehen, glaub ich, das ich bestimmt nicht schlecht gemacht hier, im Grunde mag ich, wie wenig du dich um Klischees kümmerst, aber ich hab trotzdem das Gefühl, man kratzt nur an der Oberfläche rum, hier mit sieben Figuren oder so … so insgesamt stimmt hier die Form einfach nicht, finde ich. Ich denk fast, das müsste insgesamt entweder trashiger sein oder weniger trashig.
So weit meine Gedanken.


MfG,

JuJu

 

Moin Rick,
ich musste an mehreren Stellen herzlich lachen und fühlte mich ein wenig wie in einem Slapstick-Film mit Sahnetorten, riesen Balken die gegen Köpfe fliegen (und nichts schlimmes passiert) und Unmengen von Schmierseife. Schon klar, in diesen Filmen wird nicht viel geredet und mehr mit Körpereinsatz dargestellt, aber das haben für mich deine Dialoge der grobgezeichneten Figuren ersetzt.

Somit hast du mich schon einmal gut unterhalten, nur weiß ich nicht, ob das so in dieser Form deine Absicht war, sprich, wenn dies eine ernsthafte Auseinandersetzung mit: Gewalt in der Ehe, Beziehungskrisen, Alzheimer-Erkrankung, unerfüllten Kinderwunsch, Frauenfreundschaft, Pornografie und andere Dummheiten, zu dem wir Menschen nun mal fähig sind, sein soll, dann ist der Text an mir als Leser regelrecht vorbeigeschossen. Das ist alles zu viel, zu knapp, du derb, zu einfach (was ich gerade beim schlagendem Mann ziemlich daneben finde). Mal ganz davon abgesehen, dass du die goldene Grundregel „Show, don’t tell.“ ziemlich ignorierst, bekomme ich einfach null Bezug zu den Protagonisten. Das liegt sicher an der fehlenden Tiefe und den vielen Personen in diesem Stück und an der Handlung selbst, die ich wenig ernst nehmen konnte (wie gesagt, bis auf die Frau, die von ihrem Mann verprügelt und vergewaltigt wird, was aufgrund der schwere des Konfliktes zu banal gestrickt ist).

Soweit der kurze Kommentar von mir.

Herzlichst Heiner

 
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Hallo zusammen,

blöd, dass ich mich erst jetzt zu den Kommentaren melden kann. Ich musste mich leider vergangene Woche ausschließlich der Tätigkeit widmen, mit der ich meine Brötchen verdiene und meine Chefin hat mir keine Minute Freizeit gegönnt. Erst einmal hat es mich überrascht, schon so viele Kommentare zu dem Text vorzufinden, dafür vielen Dank. Bevor ich zu jeder einzelnen Kritik Stellung beziehe, ein paar allgemeine Anmerkungen.

Die Idee, eine solche Geschichte zu schreiben, trage ich schon sehr lange mit mir rum. Das liegt auch an meiner Vorliebe für Filme mit solchen Konzepten, egal ob kitschig (Tatsächlich Liebe) oder anspruchsvoll (Babel).

Der Film ist für ein derartiges Konzept sehr gut geeignet. Ein Roman sicher auch. Aber eine Kurzgeschichte? Warum nicht wenigstens mal versuchen? Im ersten Schritt habe ich mir dafür das dankbarste Thema der Welt ausgesucht: Männer und Frauen. Dann habe ich beschlossen, meine erste echte Humor-Geschichte für kg.de zu schreiben und mit der Umsetzung begonnen.

Nach wenigen Seiten merkte ich, dass ich auf dem besten Weg war, das neue Bühnenprogramm für Mario Barth zu schreiben. Und nach einer entsprechenden Analyse stellte ich fest, dass man - will man das Thema humorvoll angehen - eine Zote auf die andere türmt, nach dem Motto, der kürzeste Witz der Welt: Geht 'ne Frau an einem Schuhladen vorbei ...". usw. usw.


Ich habe die Humorschiene verlassen und mir zunächst eine Übersicht gemacht, welche Themen ich unbedingt verbraten wollten. Daraus habe ich dann mit einem dicken Pinsel und viel Farbe das Konzept erstellt. Basis bildeten Personen aus verschiedenen Kurzgeschichten, die ich nie beendet habe, weil ich irgendwann in einer Sackgasse landete. Diese Figuren habe ich dann in einer etwas längeren Kurzgeschichte aufeinander losgelassen.

Warum?

Nun, ich wollte einen Text mit mehreren Schicksalen und Schicksalsüberschneidungen, Menschen, die untereinander teilweise in irgendeiner Beziehung stehen, die ihre Lebenssituationen gegenseitig beeinflussen, die sich im Erzählstrang gewissermaßen die Klinke in die Hand geben. Spannend an dieser Idee fand ich vor allen Dingen, dass man als Autor ständig die Perspektive wechseln muss, während der Erzählverlauf einen guten Rhythmus und ein möglichst stimmiges und nachvollziehbares Ineinandergreifen der Geschichten bietet. Und bei all dem sind sehr viele Figuren, die ja alle irgendwie Hauptpersonen sind, so einzubauen, dass der Leser mit ihnen klar kommt und sie einen kleinen Ausschnitt der menschlichen Gesellschaft repräsentieren. Dabei wollte ich bewusst keine Sympathieträger, so nach dem Motto "Welches der Paare ist das netteste?"

Mit meinem Ergebnis war ich - als erster Versuch in dieser Richtung - sehr zufrieden, ohne jetzt gleich mit dem Nobelpreis für Literatur zu rechnen.

KEINE der Reaktionen hat mich letztendlich überrascht.

Der Vorwurf, zu viel Klischee, zu wenig Tiefe ist nicht verwunderlich, wenn das Konzept ganz bewusst auf Klischees aufbaut (die Ironie dieser Entscheidung greift leider nicht so, wie ich es beabsichtigt habe) und auf Tiefe verzichtet.

Dieses gebetsmühlenartige Anmahnen von Tiefe in den Geschichten halte ich hier gelegentlich für übertrieben, weil Tiefe nicht zwingend ein Merkmal der klassischen Kurzgeschichte ist (jedenfalls nicht nach meinem Verständnis). Das ist hier so ein bibelartiges kg-Kriterium, genau so wie dieses ewige (langweilige) Verweisen auf "Show, don't tell". Ich habe manchmal das Gefühl, dass man hier im Forum in Kurzgeschichten Romanfiguren erwartet. Da kreiseln Texte seitenweise um die großen Lieben, als würde man ein Denkmal mit einem feinen Pinsel säubern, und als Leser denkt man irgendwann: Ja, und wann geht's denn mal in die Kiste? Nicht, dass ich solche Texte schlecht finde, es gibt hier wirklich ganz tolle Arbeiten zu diesem Thema. Aber immer, und immer wieder, und immer noch mal, ist dann irgendwie auch mal gut, und dann wird dieses Thema an sich langsam ein einziges, riesiges Klischee, wo man irgendwann denkt, es gibt keinen Gedanken mehr, in diese Richtung, den ich hier nicht schon dutzendmal gelesen habe. Und erstaunlicherweise greinen viel öfter Männer literarisch ihrer großen Liebe/Traumfrau hinterher, als Frauen ihrem Traummann - zumindest inhaltlich bei kg.de! Und die Traumfrauen sehen immer gut aus (warum nicht mal hässlich, mit Pickeln und Körpergeruch), sind immer klug und sagen unheimlich tolle Sachen (warum nicht mal strohdumm und peinlich) und, und, und. Und die besten Freunde sind immer lustige Stichwortgeber und was weiß ich noch alles. Soweit das Auge reicht finde ich hier Klischees, sie werden geliebt, gelobt und empfohlen ;-)

Egal, das Konzept für diese Story waren Figuren, Verwicklungen, Action, Geschwindigkeit und schnelle Szenenwechsel. So was mag man, oder man mag es nicht. Ich schreibe eigentlich immer das, was ich selbst gern lesen würde, und so habe ich das halt mal ausprobiert. Bei dem Film snatch habe ich mir z. B. auch keine Gedanken über die Tiefe der einzelnen Figuren gemacht, so was muss doch in schriftlicher Form auch funktionieren (ja, ich weiß, Vergleiche hinken!).

Beim prügelnden Ehemann in meiner Story aber bin ich meinem Konzept untreu geworden, hatte vorm Posten der Story plötzlich Bedenken, das (ernste, oho!!!) Thema zu flapsig/ironisch "verwustet" zu haben und habe es kurzfristig umgeschrieben. Mit war klar, dass dieser Teil die größte Angriffsfläche bietet, egal wie er gestaltet wird.

Im meinem Ur-Konzept bricht sich Patrick beim Verprügeln seiner Frau das Handgelenk. Sie ruft daraufhin den Notarzt. Der Notarzt kommt, und schaut dann zwischen Kristina und ihrem Mann hin und her und fragt: "Mit wem solch ich anfangen?" und Kristina antwortet: "Mit ihm, der ist Schmerzen nicht gewöhnt."

In der ursprünglichen Geschichte erschlägt sie auch nicht am Ende ihren Mann. Ich glaube, das baue ich wieder um.

Nun denn, das Schreiben dieser Geschichte hat jedenfalls tierisch Laune gemacht, und wer bei dem Titel und dem Konzept etwas Klischeefreies und Tiefsinniges erwartet hat, für den muss das schon enttäuschend gewesen sein.

Was ich erreichen wollte, war reine Unterhaltung und Spaß beim Lesen. Ich habe meiner Ansicht nach einige lustige/ironische Stellen im Text, die vielleicht nicht immer als solche empfunden wurden. das ist blöd, das hätte ich wohl etwas konsequenter gestalten müssen.

Nun könnte ich mich auch gemütlich in der Perspektive eines Ich-Erzählers ausruhen, der analytisch, witzig, wortgewandt und mit cooler Perspektive sich und die Welt betrachtet, aber mir ist das auf Dauer zu langweilig. Es muss auch mal krachten, mal richtig Farbe gegen die Leinwand klatschen. Scheiß auf Grautöne!

Ich habe mich über die vielen (unterschiedlichen) Meinungen zu dem Text gefreut und finde sie alle sehr hilfreich. In vielen Kritiken steckt deutlich mehr Tiefe als in meiner Story, das finde ich bemerkenswert ;-)

Zu den einzelnen Meinungen werde ich mich auf jeden Fall noch zeitnah melden, jetzt aber wartet meine Frau auf, um mit mir Schoppen zu gehen.

Das heißt, wieder stundenlang in Boutiquen und Schuhläden herumhängen, mit schweren Tüten und schmerzenden Schultern, und am eigenen Leib zu erfahren, was es heißt, so ein verdammtes Klischee zu sein ;-)

Bis demnächst.

Rick

 
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Hallo, du tütenbepacktes Mannsbildklischee :)
Da kann ich ja nur sagen, Glück gehabt, dass ich mich so spät zu deiner Geschichte gemeldet habe.
Ich muss sagen, du hattest mich derartig verunsichert mit deiner Geschichte, dass ich mich mal ordentlich zurückgehalten habe.
Ich dachte, was wohl viele dachten: Das kann nicht sein, dass dem Rick das aus Versehen passiert ist, dass er so losgeballert hat, dazu schreibt er viel zu gut. Das muss er extra gemacht haben. Und jetzt kann ich mich elegant neben die Fettnäpfchen setzen, die du hier mit deiner Geschichte aufgestellt hast.

Aber jetzt mal im Ernst.
Für mich ist deine Idee,

eine Geschichte zu schreiben mit
mehreren Schicksalen und Schicksalsüberschneidungen, Menschen, die untereinander teilweise in irgendeiner Beziehung stehen, die ihre Lebenssituationen gegenseitig beeinflussen, die sich im Erzählstrang gewissermaßen die Klinke in die Hand geben.
zu einem Teil positiv aufgegangen. Was der Perspektivwechsel betrifft, was das Ineinandergreifen betrifft, das ist auf jeden Fall alles gelungen. Man erkennt die Figuren sofort, ordnet sie ein. Rafft, welchen Bereich sie abdecken sollen. Es hat Spaß gemacht, das zu verfolgen und zu gucken, wie du das hinkriegst.
Dir ist auch geglückt, dass da kein Sympathlinger dabei ist.
Von daher von deiner Intention her alles geglückt. Und bei mir zumindest auch mit Spaß und Interesse beim Lesen.

Dennoch gibt es zwei Stellen, die ich sprachlich nicht als passend empfand.
Sind schon hundertmal genannt worden, deswegen nur knapp benannt
die eine Stelle mitden heißen Muschis,

„Hör zu, Victor will einen neuen Film drehen. Er braucht noch heiße Muschis.“
Die Bedienung, alles andere als eine heiße Muschi, kommt

und die Stelle mit den beiden Brüdern
m Kampf und in der Auflehnung gegen die unerbittliche Herrschaft des Patriarchen, die Herzen schwer vom frühen Tod der Mutter, die Köpfe voller Träume von einer besseren Zukunft
Soll in beiden Fällen ja wohl eine Ironisierung des Klischees sein, aber hmmm, das weiß ich so wirklich erst nach deiner Erklärung. Geht also für mich nicht so ganz auf.
Und der Hauptpunkt:
Wenn ich dich richtig verstehe, hat ja der Unterhaltungscharakter im Vordergrund gestanden. Also nicht Tiefe der Figur, sondern Geschwindigkeit, Abrufen und Ironisierung von Klischees. Das heißt: Du wolltest wohl extra mit diesen Klischees spielen, sie ironisieren, sie sogar ins Absurde verzerren.
So ähnlich verstehe ich zumindest die folgende Stelle:

Was ich erreichen wollte, war reine Unterhaltung und Spaß beim Lesen. Ich habe meiner Ansicht nach einige lustige/ironische Stellen im Text, die vielleicht nicht immer als solche empfunden wurden. das ist blöd, das hätte ich wohl etwas konsequenter gestalten müssen.

Wenn dir das auf ganzer Ebene geglückt wäre, das ist jetzt einfach mal eine These, dann hätten sich aber viele (so wie auch ich) nicht gefragt, ob du das
denn nun ernst meinst. Das heißt, vielleicht bist du da mit deiner Idee nicht weit genug gegangen? Kannst du ja mal überlegen.

Einfach mal als Beispiel: Wenn ich vergleiche, welche Gesch.-Ende ich für deine Schreibintention denn nun passender finde, dann auf jeden Fall das aus deiner Urversion

... bricht sich Patrick beim Verprügeln seiner Frau das Handgelenk. Sie ruft daraufhin den Notarzt. Der Notarzt kommt, und schaut dann zwischen Kristina und ihrem Mann hin und her und fragt: "Mit wem solch ich anfangen?" und Kristina antwortet: "Mit ihm, der ist Schmerzen nicht gewöhnt."

Das bricht nämlich mit der Vorstellung der hilflosen rehäugigen Frau, dieses Rehauge hat dann ja ganz schön viel Chuzpe. Aber es bricht anders als beim Ende mit dem Totschlagen. Es bricht witziger, unerwarteter.

Generell denke ich, dass so eine Vielperspektivengeschichte mit lauter Unsympathlingern dann gut ist, wenn ein deutliches Ironisieren stattfindet, eines, das, man dann auch deutlich merkt. Deutlicher eben noch als hier. Aber was auch nicht ins Mario Barth Revier abrutscht. Also wenn ich mir das so überlege - ich finde das richtig schwer. Großes Lob, dass du dich da rangetraut hast. Vor allem, weil du ja schon wusstest, dass du so ein bisschen Forumsschimpfe kriegst.

Generell finde ich es also gut, dass du was ganz anderes schreibst und dich auch deutlich abheben möchtest von eher üblichen Liebesgeschichten, auch wenn mein persönlicher Geschmack, wo ich dann halt nicht nur handwerklich abgehe, sondern auch inhaltlich, identifikationsmäßig, nicht ganz getroffen ist. Ich finde es einfach gut, dass du was Neues riskierst, und dabei auch riskioerst, dass deine Geschichte nicht durchweg gut ankommt. Ich kann mir vorstellen, dass man sich dadurch schreiberisch entwickelt, auch wenn man dann wieder zu Geschichten mit tiefer geschichteten Figuren zurückkehrt wie dem Schwarz aus dem "Herzversagen".

Für mich stehen bei dieser Frage halt zwei Sachen ganz generell im Vordergrund:
Der Geschmack des Lesers. Was mag er gerne lesen. Und da wirst du natürlich Lesern, die gerne einer Figur nachspüren, keinen vollständigen Genuss bieten. Aber das weißt du glaube ich selbst.
Eine zweite Frage ist natürlich auch, was man glaubt, dass literarische Texte generell bieten sollten. Pure Unterhaltung? Oder soll es mehr sein.
Also da geht es dann schon ganz schön ins Grundsätzliche.

Ja, eine sehr interessante Sache.

Und PS:
Ich hätt ja gern mal deine Mario Barth Version gelesen. :D

Ich wünsch dir ein schönes Wochenende und keine zu müden shoppingärmchen.
Viele Grüße von mir

 

Hallo Rick,

ich habe mich lange vor deiner Geschichte gedrückt. Irgendwie wirkte der Titel abschreckend auf mich, ich kann es dir nicht ganz erklären.

Jetzt habe ich sie gelesen, und ich muss sagen: Hat mir gut gefallen.
Das Gefühl, das du mir vermittelst, ist das eines Kleidungsstücks in der Waschmaschine - wenn der Schleudergang langsam einsetzt. :)
Und gerade, als die Trommel am Herumwirbeln ist, schmeißt du mich raus. Da war ich erst kurz enttäuscht. Aber dann dachte ich mir Wie soll er es sonst machen?

Die von dir gewählte Form finde ich klasse, hast du toll gemacht, so episodenhaft. Dass die einzelnen Figuren eigentlich alle leicht konturlos bleiben, muss deine Absicht gewesen sein. Ich glaube nicht, dass es deine Absicht war, tiefgründige Charakterstudien zu präsentieren. Du lieferst ein skizzenhaftes Bild einer Gemengelage, und diese Skizzenhaftigkeit gibt dem ganzen ein streckenweises atemloses Tempo, finde ich. Da ist niemand wirklich bei dem Anderen, Beziehungen existieren irgendwie nur nach außen etc. Das gefällt mir.
Es erinnert mich ein wenig an die Einführung aus L-Word, wo Shane vor einer zeichnerischen Darstellung der Verzwickungen und Verzweigungen unter all ihren Freundinnen steht und erklärt, wer mit wem wann und wo weshalb was hatte und jede mit jeder irgendwie, und die weiß aber davon nichts und deshalb gibt es dort Probleme ... usw. usf.
Das fand ich toll, weil sehr realistisch.

Allerdings kaufe ich dir das Ende irgendwie nicht ab. Also dass Rehauge ihren Mann tatsächlich in die ewigen Jagdgründe schickt. Das passt so gar nicht, es hat mich richtig erschlagen.

Jetzt, nachdem ich deine Geschichte gelesen habe, frage ich mich natürlich umso mehr, weshalb ich so lange gezögert hatte. Die Geschichte gefällt mir nämlich, wahrscheinlich auch deshalb, weil du mich am Ende mit dem Schleuderwaschgang alleine läßt.
Wie im richtigen Leben!
:lol:

Gerne gelesen,
PSS

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo feirefiz,

danke für das Lesen der Geschichte und deine hohe Meinung über meine Möglichkeiten, hinter denen ich deiner Ansicht nach mit dieser Arbeit weit zurück bleibe. Vieles habe ich schon in meiner grundsätzlichen Antwort zuvor ausgesagt. Wäre ich hier nur im Forum, um Empfehlungen zu sammeln, hätte ich die KG bestimmt nicht gepostet. Die meisten Kritikpunkte hätte ich mir natürlich selbst schreiben können. Mir geht es aber auch darum, neue Wege auszuloten (ich schrieb das schon mal bei einer anderen Geschichte), um z. B. Techniken (Perspektiven, Übergänge) zu erlernen, die für mich relativ neu sind. Dafür brauche ich dann natürlich wieder Resonanz, um erkennen zu können, was mir wie gelungen ist und ob überhaupt. Die Ich-Perspektive kann ich, die habe ich hier mehrere Jahre ausgelebt ;-)

Knackpunkt in meinem aktuellen Text sind sicherlich die vielen Figuren, das war mir schon vor dem Schreiben der Story klar, hat sich während des Schreibens bestätigt, und wurde nach dem Schreiben von nahezu allen Kritikern bemängelt.

Dennoch bleibe ich bei meiner Meinung, dass es nicht in JEDER KG auf Tiefe der Figuren ankommt. Den entscheidenden Fehler sehe ich trotzdem in meinem Konzept. Wenn man die Story so aufbauen will, dass der Tiefe der Figuren nicht so viel Bedeutung beigemessen werden soll, dann muss die Story an sich das tragende Element sein, der rote Faden derart interessant und spannend gestaltet werden, dass sich die Frage nach den Figuren nicht wirklich stellt. Diesen Aspekt habe ich vernachlässigt/unterschätzt. Das ist eine ganz wichtige Erkenntnis aus dem Projekt. Und: Ohne Sympathieträger haut das ganze wohl nicht hin (obwohl ich als Autor meine Sympathien natürlich ganz eindeutig auf das einzige echte Liebespaar in der Story fokussiert habe: Ines und Jacob!).

Dein Kommentar hat mir sehr geholfen!

Hallo Anakreon,

als zweiter Kommentar unter diesem Text gleich ein weitgehend positiver - das hat mich echt gefreut, weil es mir bestätigt, dass Text und Konzept auch Vorzüge zu haben scheinen, wenn man bereit ist, sich auf den reinen Unterhaltungswert einzulassen, so, wie ich es beabsichtigt hatte. Dass du das getan und mir diese Wirkung auch noch bestätigt hast, dafür herzlichen Dank!

Um die angemerkten Fehler kümmere ich mich.

Zu Klischees und einer starken Überzeichnungen habe ich in meiner grundsätzlichen Antwort schon Einiges gesagt. Es freut mich, dass ich dich soweit gut unterhalten konnte.

Zum Ausspruch "Ich glaub, es geht los!": Das sagt man (vielleicht nur hier im Norden?) im Sinne von: "Jetzt reicht's hier aber mal!" oder "Jetzt ist aber mal Schluss hier!".

Hallo Quinn,

auch über deine Rückmeldung habe ich mich natürlich gefreut, obwohl ich mir bei dir schon mehr als sicher war, einen Verriss zu ernten, und deinen Kommentar mit einem Schutzhelm gelesen habe.

Perspektivenklumpatsch, na ja ...

Ich hatte anfangs in Erwägung gezogen, jede einzelne Episode mit einem Ich-Erzähler bzw. einer Ich-Erzählerin aufzubauen.

In der ersten Episode ist Jürgen der Erzähler, in der zweiten Simon, in der dritten Kristina, in der vierten Patrick usw.

Das hätte mehr Möglichkeiten zur Tiefe geboten, wäre noch eine deutlich höhere Herausforderung beim Schreiben gewesen (z. B. jede Figur mit passender Stimme) und hätte den von dir angemerkten Klumpatsch geordnet und strukturiert. Aber genau das wollte ich nicht. Hornby hat das in A Long Way Down gemacht, mich hat das tierisch genervt. Der einzige Buch von ihm, das ich nicht mag (und ich habe sogar 31 Songs gelesen! Außerdem habe ich Probleme, aus der Sicht einer Frau zu schreiben, weil ich ungefähr noch 100 Jahre brauche, um auch nur ansatzweise verstehen zu können, wie eine Frau denkt, obwohl ich mit zwei Schwestern groß geworden bin - oder vielleicht gerade deshalb :-)

Dass du bei dem Text irgendwann ausgestiegen bist ist okay. Wenn das nicht deinen Qualitätsansprüchen gerecht werden konnte, wäre s Zeitverschwendung, sich bis zum Ende durchzuquälen.

Die von die bemängelten komprimierten "Tell-Elemente" waren notwendig, um zu vermeiden, die Kurzgeschichte in Romanform ausufern zu lassen. Ob es da elegantere Möglichkeiten gegeben hätte, ohne den Text noch weiter zu verlängern, werde ich noch mal ausloten.

Du stellst die Frage "Wem bringen solche Figuren was?"

Nun, ich habe mal gelernt, die drei wichtigsten Regeln für eine Kurzgeschichte sind Handlung! Handlung! Handlung! Darin sehe ich in meiner Geschichte den wichtigsten Ansatz zur Verbesserung, wobei es natürlich auch nicht kurzgeschichtengerecht ist, derart viele Figuren zu verbraten. Aber egal, dieses ganz tief in die Köpfe der Figuren zu schauen und ihre Motive für dieses oder jenes und möglichst alles nachvollziehbar zu machen - ich finde nicht, dass es (immer) die Hauptaufgabe einer Kurzgeschichte ist, das ist schon sehr romanhaft gedacht. Es gibt hier im Forum viele Geschichten, die sich (mit guten Formulierungen und auf hohen Niveau) intensiv mit dem Innenleben ihren Hauptfigur beschäftigen, während die Handlung stark vernachlässigt wird - das kann man mal machen, aber dieser Anspruch sollte kein zentrales und ausschließliches Beurteilungskriterium sein, weil dass die Möglichkeiten, eine "richtige" Story zu schreiben, deutlich einengt. Finde ich jedenfalls. Eine Kurzgeschichte sollte und müsste (auch) auf Aktion basieren dürfen, Figuren müssen was tun, handeln, reden, vorankommen, und um sie herum muss etwas passieren. Das sind Dinge, die ich in meinem Text deutlich verbessern kann. Aber ich muss z. B. nicht detailliert die psychischen Hintergründe ausloten, warum ein Mann seine Frau schlägt und warum sie sich das gefallen lässt.

Danke auf alle Fälle, für das Lesen der Geschichte - so weit, wie deine Geduld reichte!

Hangover? Ja, den werde ich mir noch anschauen, vielleicht lerne ich da was in Sachen Figurenzeichnung ;-)

Rick

(wird fortgesetzt)

 

Hey Rick,

gleich vorweg: so Unrecht haben meine Vorredner nicht. Trotzdem gehöre ich zu jenen Lesern, die deine Geschichte mögen. Wie du von einer zur anderen Personen springst, einer hat es Staffel genannt, hat mir ausgesprochen gut gefallen, auch wie sich der Kreis schließt, wie eine Runde. Der Titel - tut mir leid - ist fürchterlich. Männer und Frauen. Aber er betitelt genau das, was du uns offenbarst. Ein Reise an durch Männer- und Frauenwelten, ziemlich abgefahrene sogar. Klischee beladen ist das Ganze schon, an manchen Stellen mehr an anderen weniger. Da fand ich Flieges Kommentar Klasse! Das in eine Kurzgeschichte zu packen, ist nicht einfach, weil man irgendwo ja exemplarisch bleiben will. Deine Erzählung liest sich für mich wie die Grundlage eines Drehbuches für einen richtig lustigen Hollywoodfilm. Unterhaltsam, aber eben nicht besonders besonders. Was mich gestört hat: Gleich zu Beginn sind da so viele Personen und eigentlich malst du ihnen nichts ins Gesicht. Sicher weiß man, wer spricht und so, aber wenn du sie nicht nur über die Sprache charakterisieren würdest, wäre das ein feiner Zug dem Leser gegenüber. Im Laufe des Textes tust du das auch, aber am Anfang wäre es schon wichtig.

Ein paar Anmerkungen:
(Ich habe versucht, chronologisch vorzugehen.)

[QUTOTE]Auf dem Weg zur U-Bahn sind sie zufällig Alex und Tanja begegnet, neuerdings Familie Glücklich, eng umschlungen, dauerlächelnd, und vermutlich nur unterwegs, um das allen zu zeigen.[/QUOTE]
Da sage ich dir gleich, dass viel Schönes dabei ist, was die Sprache betrifft.

Die Bedienung, alles andere als eine heiße Muschi, kommt an den Tisch und mustert die Brüder gelangweilt über eine Halbbrille hinweg.
Hier fände ich lustig: "Er braucht noch heiße Muschis." Die Bedienung - für die Rolle denkbar ungeeignet - kommt an den Tisch und mustert die Brüder gelangweilt über eine Halbbrille hinweg. Und damit beschreibst du eine absolute Nebenrolle mehr als die Protagonisten!

Victor hat ein cooles Drehbuch verfasst, es gibt 'ne richtig gute Handlung.
Da habe ich mir ein kleines Detail gewünscht. Geht es um eine Frau, die sich ein Kind wünscht und deswegen mit allen möglichen Männern schläft???

Jürgen steht auf, leert sein Glas im Stehen und sagt zur überraschten Kellnerin mit Kopfnicken in Richtung seines Bruders: „Er zahlt."
Das ist ziemlich cool!

Und über die Zeiten, als der alte Herr noch das Sagen hatte und sie noch echte Brüder waren, vereint im Kampf und in der Auflehnung gegen die unerbittliche Herrschaft des Patriarchen, die Herzen schwer vom frühen Tod der Mutter, die Köpfe voller Träume von einer besseren Zukunft.
Das wirkt ein bisschen überladen. Vielleicht den Teil "vereint im Kampf und in der Auflehnung gegen die unerbittliche Herrschaft des Patriarchen" kürzen oder anders formulieren. Jedenfalls stolpert das aus dem restliche Erzählstil.

Die Schwester im Pflegeheim scheint neu zu sein, jedenfalls er hat sie hier noch nie gesehen. Sie telefoniert gerade, als Simon sich anmelden will. Sie nickt ihm kurz zu, lässt dann noch einen leicht irritierten Blick folgen, während sie sich auf das Telefongespräch zu konzentrieren versucht, und lächelt. Dieses Lächeln wirkt so vertraut, dass Simon die Frau etwas genauer betrachtet. Als sie auflegt, fällt es ihm ein.
Wenn sie sich kennen, macht das den ersten Satz etwas unwahrscheinlich. Wenn man jemanden kennt, diesen Jemand an einen untypischen Ort trifft, kommt ein das komisch vor, man ist irritiert. Aber "sie scheint neu zu sein" ... Ich weiß nicht.

Ja, es ist Simon, der gute alte Simon aus ihrer gemeinsamen Schulzeit, der Simon, in den sie unsterblich verliebt war, der cool war, der Coolste von allen, witzig, selbstbewusst und attraktiv, mit dem sie auf der letzten Klassenreise zum ersten Mal schlief, der ihr ewige Treue schwor und nach dem Ende der Schulzeit von einem Tag auf den anderen abtauchte und sich nie wieder bei ihr meldete.
=)
Vielleicht "nach dem Ende der Schulzeit" "nach dem Abi" oder "nach dem Abschluss" schreiben, um das zweite Schulzeit zu vermeiden.

Sie war früher schon eine Schönheit, aber immer etwas zu brav, mit artiger Frisur, langweiligen Klamotten und dazu passenden Ansichten. Genau das war es gewesen, was Simon zunächst an ihr reizte, und was ihn am Ende wieder von ihr forttrieb, dieses Stewardessen Image, auf jede Lebenssituation mit gleichbleibender Tonlage und einer übermenschlichen Geduld zu reagieren, getragen von einer zermürbend positiven Grundstimmung, während sie jedes Problem und jeden Konflikt von sich wegzulächeln versuchte.
Das ist die erste richtige Personenbeschreibung und die fetzt richtig!

In der Regel liest er seinem Vater - dem im bewussten Leben überzeugten Atheisten - aus der Bibel vor. Das ist seine Form von Rache.
Eine sehr sonderbare, aber unterhaltsame Form der Rache!

Simon wendet sich nur zögernd ab, schlendert gemächlich in Richtung Fahrstuhl, hofft, dass sie in einer Stunde immer noch am Empfang sein wird.
Schwestern stehen eigentlich nicht am Empfang.

Trotzdem macht Kristina zunächst noch keine Anstalten, aufstehen zu wollen. „Rate mal, wen ich heute im Pflegeheim getroffen habe“, sagt sie statt dessen
sagt sie stattdessen

„Simon.“, sagt sie zögernd und hält dabei fast den Atem an.
Punkt weg. "Simon", sagt sie zögernd ...

Wenn seine Gedanken in bestimmten Momenten ungestört bleiben, verrennen sie sich oft in hässlichen Ideen.
Das ist so gut, da brauchst du die hässlichen Ideen eigentlich gar nicht. Der Satz funktioniert auch so.

Was spielt da eigentlich ab, in deiner hohlen Birne?
Was spielt sich da eigentlich ab, ...

Kristinas Art macht Patrick rasend. Wie sie ihn anschaut, mit ihren furchtsamen Rehaugen, dann den Kopf senkt, die Schultern hoch zieht und stumm und devot auf ihre Bestrafung wartet! Sie könnte doch mal etwas dagegen sagen, sich verteidigen. Statt dessen sitzt sie einfach nur da.
Letzter Satz: Stattdessen ...

Er zieht noch fester an ihren Haaren, zerrt den Kopf weit nach hinten, die andere Hand zum nächsten Schlag erhoben, spürt, wie sich die ersten Haare von der Kopfhaut lösen, ihre geliebten Haare, die sie in stillen Momenten geheimnisvoll summend vor dem Spiegel bürstet, als wäre sie verhaltensgestört. Er hätte große Lust, ihr heute zur Strafe mal den Kopf zu rasieren, und die verdammten Haare in den Müll zu schmeißen.
Wow, ziemlich heftig. Sehr gut dargestellt!

Ich finde nur, dass es für mich eine echte Zumutung ist, deine Nuttenmöse bumsen zu müssen, in der schon so viele verdammte Schwänze steckten.
Den letzten Teil weglassen.

*„Beil dich ein wenig“, bittet Patrick sie sanft. „Mein Hals ist ganz trocken vom vielen Reden."
"Beeil dich ein wenig."

„Verlass doch endlich deinen Mann“, hat er immer wieder zu ihr gesagt. „Diesen verdammten Loser!“
Ob es da noch ein zweites O braucht, weiß ich nicht.

„Ich bin echt froh, wenn ich das hinter mir habe“, sagt Mathilde zu dem Glas Orangensaft in ihrer Hand.
Sehr geil!

„Das fragt halt einer, der sie noch nie gesehen hat. Die Frau hat eine unfassbare Präsenz! Die sieht aus, wie eine Göttin. Und an der ist alles natur.“
Natur

„Dass du auf ihren erdteilgroßen Arsch stehst, Alter!"
Wortschatz + erdteilgroß =)

„Du weisst genau, dass die für immer vorbei sind. An wen verkauft ihr solche Filme eigentlich? Wo landen die. Wer braucht so was noch?“
Wer braucht so was noch?

„Lass uns zu dir gehen“, flüstert sie und schiebt ihn wieder von sich weg. „Ich will nicht, dass man uns hier so zusammen sieht.“
„Jetzt gleich?“, fragt er und zwinkert ihr zu. „Ich wollte eigentlich noch meinen Kaffee austrinken.“
Das fetzt! Die Dialoge sind echt gut!

Möchtegern schrieb:
Also von meiner Seite thumbsup für die Form und Achselzucken/Stirnrunzeln für den Inhalt
Ich glaube, es hat dir sehr viel Spaß gemacht, MÄNNER UND FRAUEN zu schreiben. Das liest man irgendwie und mir hat das Lesen auch Spaß gemacht. Das Rollenspiel und dein Erzählstil (mit einigen Ausnahmen) sind wohl der Grund dafür; die Handlung ist an vielen Stellen wahrlich fragwürdig, aber trotzdem so geschrieben, dass es nicht langweilig klingt, sondern durchaus lesenswert.

Beste Grüße
M. Glass

 

Hallo Möchtegern,

danke, dass dir meine Geschichte einen Kommentar wert war. Es freut mich, dass du die dicken Pinselstriche bei der Figurenzeichnung als hilfreich für den Nachvollzug der Geschichtenstruktur empfunden hast. In der Tat hatte ich nicht den Mut, die eher selten verwendete Idee für den Aufbau der Geschichte auch noch mit komplexen Figuren und einer komplizierten Handlung zu verweben. Das mache ich vielleicht beim nächsten Anlauf. Deinen Zeilen entnehme ich, dass du mein Experiment als nicht gänzlich gescheitert bewertest, was mehr ist, als man von einer kritischen Stimme erhoffen kann. Dich hat allerdings die Episode "Häusliche Gewalt" gestört. Ja, ob nun Klein Fritzchen sich so die Gewalt in der Ehe vorstellt, oder John Grisham bereits bei dem Versuch scheiterte, dies in einer literarisch akzeptablen Form aufzuarbeiten, ich weiß ohne viel Recherche, dass die Wirklichkeit nicht allzu weit von dem Klischee entfernt liegt, das sich Klein Fritzchen und John Grisham zu diesem Thema vorstellen. Gerade prügelnde Männer und Frauen, die in solchen Horrorbeziehungen stecken, ohne Hinauszufinden, bieten wenig Möglichkeiten, der Variation. Ob Klischee oder nicht, meines Erachtens gibt es einen relativ starren Typ Mann, der schlägt, und einen relativ unveränderbaren Frauentypus, der geschlagen wird. Auch wenn das sich wegduckende und scheue Rehauge nervt und klischeebeladen sein mag, es ist das stimmigste und vermutlich häufigste Opferbild. Das wirft weniger Fragen auf, als wenn ich eine Amateurboxerin von einem Ballett-Tänzer hätte verprügeln lassen. Warum ich diese Episode überhaupt eingebaut habe, ist die eigentliche Schlüsselfrage, denke ich. Ich wollte versuchen, neben (aus meiner Sicht) eher amüsant-ironisch beschriebenen Geschehnissen auch etwas Dramatisches zu platzieren, weil das in den von mir erwähnten Episodenfilmen auch oft der Fall ist. Und ich wollte dieses Strickmuster auf eine Kurzgeschichte übertragen.

Du sprichst von einer Botschaft in der KG? Die Welt, die Menschen, die Liebe, alles schlecht, fies und schal?

Nee, also wenn das so rüberkäme, dann war das nicht von mir beabsichtigt. Ich habe - ohne mir überhaupt eine Botschaft vorzunehmen - einfach ein paar Geschichten vermischt, die aus meiner Ideenschublade stammten. Das war eher wahllos und der rote Faden war nur, wie das irgendwie zusammenpasst und ob ich von A bis Z komme.

Aber ehrlich, würde ich mich jetzt mal in meinem unmittelbaren Umfeld umschauen, und mir das Thema "Zwischenmenschliche Beziehungen und schicksalhafte Verwicklungen" vornehmen ... also viel Positiveres käme da als Inhalt auch nicht rum. Gescheiterte Ehen, verkorkste Kinder, verpasste Lebensziele, Lug und Betrug, Seitensprünge so weit das Auge reicht. Wenn es untypisch für das "wirkliche" Leben sein sollte, dann ist das aus meiner Sicht nur wünschenswert. Aber ich erlebe das halt anders.
Nun weiß ich nicht, in welchem Umfeld du dich bewegst, meins empfinde ich rotz allem als relativ normal, und da ist leider eher selten eine wirklich heile Welt zu entdecken.

Dein Fazit zur Story ist okay, damit kann ich gut leben. Vielleicht kriege ich es insgesamt noch mal besser hin, ich habe den Ehrgeiz, so etwas noch einmal zu versuchen.

Na ja, und Victor/Jacob war natürlich ein peinlicher Schnitzer. Zuerst hieß die Figur Victor. Ich habe mir weiter nix dabei gedacht, aber beim lauten Lesen fand ich den Namen Victor für einen Pornofilmer unfreiwillig komisch und änderte den Namen auf Jacob - leider im ersten Schritt nicht durchgehend - aber jetzt!

Hallo weltenläufer,

dass du dich auf die Handlung einlassen konntest, ohne gleich über die Klischees zu stolpern, ist erfreulich. Dieser Sog war schon beabsichtigt, wobei ich von Anfang an befürchten musste, es nicht wirklich gut hingekriegt zu haben. Freut mich aber, dass bei dir so etwas wie Leselust entstand.

Dein Lanzenbruch hatte angesichts der vorausgegangenen Kritiken ein gutes Timing. Ich erkenne aus deinem Kommentar, dass der Stoff bei dir so ankam, wie ich es mir im idealen Fall hätte erhoffen dürfen. Das zeigt mir, dass man tatsächlich jeden Leser anders erreicht. Das ist besonders faszinierend am Schreiben. Man kann ja schon zufrieden sein, wenn man von 10 Meinungen zwei positive erhält. Darauf kann man schon stolz sein. Und ich bin's jetzt auch :-)

Danke für deinen ermutigenden Kommentar.

Hallo Ane,

"Der grössere Teil der Welt" von Jennifer Egan kenne ich nur vom "Sehenlesen", aber ich weiß darüber zumindest so viel, dass ich mir - wenn meine KG dich darin erinnere - darauf eigentlich etwas einbilden könnte. Es bestätigt aber auf jeden Fall meine Meinung, dass dieses Konzept wohl eher romantauglich (auf jeden Fall filmtauglich) aber vermutlich nur sehr bedingt kurzgeschichtentauglich ist.

Deine Anmerkungen zu den "komischen" Stellen im Text sind hilfreich, da schaue ich, ob ich noch etwas verbessern kann, damit die ungewollt komischen Stellen verschwinden, und vielleicht am Ende nur noch die gewollt komischen Stellen bleiben. Fange ich mal mit dem "Dennoch" an ;-)

Dein Schlussfazit gefällt mir. Ich finde speziell in deinen Kritiken oft mehr literarisch ansprechend formulierte Sätze, als in den Geschichten, die du kritisierst. Das gilt natürlich auch für meine Texte ;-)

Außerdem gehörst du zu den Kritikern, bei denen ich über manche trocken-witzge Formulierungen im Kommentaren schon lachen musste, und ich wünschte mir, du würdest mit dieser Fähigkeit, Dinge humorvoll auf den Punkt zu bringen, mal eine Story für die Humor-Rubrik schreiben.

Danke für deinen Kommentar.

Rick

Wird fortgesetzt!

 

Hallo Fliege,

du formulierst so viele Gedanken in deiner Kritik, die genau so oder ähnlich in meinem Kopf waren, als ich die KG postete. Ja, es war eine Gratwanderung, einen Story mit so vielen Personen und Klischees zu schreiben, da kann man sich manche Kommentare schon vorher denken.

Da freut es mich, dass ich trotzdem zu deiner guten Unterhaltung beitragen konnte.

Du hast dir sehr vielschichtige und hilfreiche Gedanken zum Klischeevorwurf gemacht, und deine Erkenntnisse kann ich nur bestätigen und unterschreiben. Ich bin auch davon überzeugt, dass man dem Klischeevorwurf dadurch entgegenwirken kann, indem man einer Figur sehr viel Tiefe gibt, und den Leser in diese Tiefe mitnimmt. Der Hinweis auf Andrea H. Meisterwerk (es ist in der Tat eins!) halte ich in diesem Zusammenhang für ein sehr gutes Beispiel. Denn auf das Wesentliche reduziert ist auch diese Story klischeehaft, weil Täter und Motiv und überhaupt fast alles schon was weiß ich wie oft durch Bücher und Filme plattgenudelt wurde, aber die Art, wie Andrea diese klischeehafte Situation zu ihrer eigenen und dann doch ungewöhnlichen Geschichte gemacht hat, ist ein schlagender Beweis dafür, dass sich Klischees hochwertig verarbeiten/veredeln lassen. Meiner Meinung nach gibt es eh kaum noch Inhalte, die klischeefrei sind.

Okay, einen künstlerischen Ansatz habe ich bei meiner reinen Unterhaltungsstory natürlich nicht gewählt, dann hätte ich mir maximal zwei Figuren herausgreifen und denen viel Raum und Entfaltungsmöglichkeit geben müssen. Aber: das ist meiner Meinung nach ein eher romanhafter Ansatz. In Shortstories, darf, sollte und muss es sogar knallen und rund gehen ;-)

Zitat: Ich denk jetzt schon den ganzen Tag über die Geschichte nach. Und auch über die Kritiken. Und letztendlich scheint sich eine Schreibart von Geschichten durchzusetzen, die so was wie einen allgemeingültigen Anspruch hat. Ich will das nicht werten. Ich will nicht sagen, dass das schlecht ist. Im Gegenteil, ich mag Geschichten dieser Art ja auch sehr gern und schwierig sind sie obendrein. Ich frage mich nur, ob man damit nicht anderen Spielarten das Wasser abgräbt. Ob man als Autor dann irgendwann nur noch in die eine Richtung "schreibt".

Diese Gedanken hatte ich auch, nahezu 1:1! Ich habe auch ab und zu das Empfinden, dass hier so eine Grundströmung für Inhalte entstanden ist, was hier gern und bevorzugt gelesen wird. Und auch was nicht. Aber auf der anderen Seite motiviert gerade das mich irgendwie, immer und immer wieder dagegen anzuschreiben, bis man vielleicht eines Tages mit einem Text doch mal den Durchbruch schafft, für einen neuen Weg. Insofern ist das okay so.

Ich habe mich sehr über deinen Kommentar und deine spannenden Gedanken zu der KG gefreut. Ob ich mal wieder Geschichten wie früher schreibe, mit diesen Bildern die du angesprochen hast? Wenn überhaupt, dann nur für dich! ;-)

Danke!

Hallo JuJu,

ich finde es nett und freue mich, dich auch hier wieder als Leser und Kritiker gewonnen zu haben. Tja, Trash ist auch so ein Modewort, das alles und nichts bedeuten kann, und immer die Frage beinhaltet, ob der Autor diesen Trashcharakter und speziell die daraus resultierende Komik freiwillig oder eher unfreiwillig erzeugt. Z. B. die Frage, ob das Lustige an einem Film wie Der Kalamris-Wrestler nicht die Tatstache ist, dass die Handlung total ernsthaft wirkt, was stellenweise unfassbar witzig ist. Das Grundkonzept meiner Story war ja ursprünglich lustig, beim Schreiben hat sich dann alles vermischt. Der Plot sollte auf alle Fälle dynamisch wirken, die Personen sollten sich - wie schon ein anderer Kritiker anmerkte - von Situation zur Situation das Staffelholz übergeben, bis sich dann der Kreis am Ende schließt. Die Personen wollte ich einfach haben und die Handlungsklischees fand ich in der Gesamtkomposition stimmig, weil konsequent, mit einigen kleinen unerwarteten Schlenkern (hoffe ich).

Was du kritisierst, stimmt alles irgendwie, und es freut mich, dass du trotzdem Unterhaltungswerte in dem Text entdecken konntest. Schlimm ist es immer wenn ein (in diesem Fall auch noch langer) Text dem Kritiker am Ende nur die kostbare Zeit geraubt hat.

Danke für deine Meinung!

Hallo heiner,

dass du an manchen Stellen herzlich lachen konntest, freut mich. Ob es dann immer die Stellen waren, an denen ich mir als Autor ein herzliches Lachen erhoffte, weiß ich natürlich nicht. Das weiß man halt nie. Aber jede Form von Kunst erzeugt ja im Auge des Betrachters ein völlig eigenständiges Empfinden, das, egal wie es vom Urheber konzipiert wurde, auf diese Weise eine neue Bedeutung gewinnt. Und dann zählt nicht mehr die Absicht des Absenders sondern nur noch das, was der Empfänger darin sieht :-)

Was dun in deiner kritischen Zusammenfassung bemerkst, geschah jedenfalls weitgehend in voller Absicht, dazu habe ich schon ausführlich geschrieben. Wenn es zu deiner Unterhaltung beitrug, ist es okay und gewollt und dann spielen die Stellen, die das bewirkten, für mich nur eine untergeordnete Rolle.

Handlungstiefe, ausgefeilte Charaktere und was weiß ich, dass mache ich mal wieder im nächsten Text. Bei einem Bond Film hat da glaub ich auch noch nie jemand ernsthaft nach gefragt. Und trotzdem funktionieren die Dinger. Ich hab mir noch nie eine tiefere Charakterzeichnung von M gewünscht, oder fand Goldfinger als zu eindimensionalen Bösewicht. Oder hab gedacht. "Ach, Bond soll mal wieder die Welt retten. Was für ein Klischee!"

Ob man Gewalt in der Ehe so grob strukturiert abhandeln darf, weiß ich nicht. Ich hab's einfach mal gemacht. Und "Show, don't tell" ... Gähn! Ich sehe in Regeln immer mehr die Aufforderung, sich darüber hinweg zu setzen. Wirklich gute Dinge (dazu zähle ich jetzt nicht gerade diese KG) entstehen oft aus Regelverletzungen.

Ich danke dir für deine Kritik!

Hallo Novak,

wer zu spät kommt (oder eine Kritik schreibt), den bestraft nicht immer das Leben ;-)

Ja, ich versuch halt immer mal wieder neue Sachen, oder besser gesagt, mit alten Sachen (= Klischees) lustvoll und lustig herumzuspielen. Vielen Dank, dass du die Geschichte gelesen und mir dazu eine Kritik geschrieben hast. Schön, dass auch du am ständigen Perspektivenwechsel Spaß hattest, das war ja eine ganz wesentliche Technik, die ich unbedingt mal ausprobieren wollte. Operation gelungen - Patient na ja ....

Deine beiden sprachlichen Kritikpunkte werde ich mir noch mal zu Herzen nehmen, und an den Stellen etwas nacharbeiten, versprochen! Und ich überlege auch mal, ob ich mit meiner Idee weiter hätten gehen müssen (deutlich schriller und ironischer) um meine Intention für die KG besser rüberzubringen. Ich hatte Angst, wenn ich noch merh auf den Putz haue, geht der Schuss erst Recht nach hinten los, da weiß man nie so genau, wie weit man im Sinne der Story überdrehen sollte.

Deine grundsätzlichen Fragen zum Ende der Kritik sind auch sehr treffend! DIE LESER verstehe ich immer als eine sehr breit aufgestellte Empfängergruppe mit sehr vielen unterschiedlichen Meinungen und Empfindungen. DIE LESER hier im Forum haben allerdings eine sicher etwas strengere Herangehensweise, um Geschichten zu beurteilen. Aber: Wenn ich mit dem Konzept, mal eine reine Unterhaltungsgeschichte schreiben zu wollen (vielleicht sogar mit einer Schlusspointe, was zu einer KG eigentlich dazu gehört), hier schon grundsätzlich auf verlorenem Posten stünde, weil wir alle nur noch tiefschürfenden ICH-Erzählern in die klugen Köpfe blicken wollen, dann wird's hier auf Dauer ziemlich langweilig ;-)

Danke für deine interessanten Gedanken zum Text!

Hallo Purersternenstaub,

dich hat der Titel abgeschreckt? Das ist ja eigentlich nur eine präzise Inhaltsangabe ;-)

Ich freue mich sehr, dass dich die Geschichte und vor allen Dingen das gewählte Konzept dann doch noch angesprochen haben, und das es dir offensichtlich gefallen hat. Wenn es als Unterhaltung angesehen und angenommen wird, funktioniert es wohl doch ganz gut. Danke!

Über das Ende denke ich noch einmal nach, vielleicht wird das kleine Rehauge doch nicht zur Mörderin. Wenn ich - wie zuvor irgendwo bereits beschrieben - die Urfassung wieder verwende, ändert sich das. Das werde ich bei nächster Gelegenheit in Angriff nehmen. Danke für deine freundliche Kritik, die hat mich echt gefreut.


Hallo M. Glass,

auch dir herzlichen Dank für deine ausführliche Kritik und die intensive Textarbeit. Ich werde mich mit deinen ganzen Vorschlägen und Anmerkungen noch eingehend beschäftigen.

Das du die KG magst und ihr Konzept dich gut unterhielt, freut mich sehr. Der Titel - na ja, ich bin hier als wenig begabt für gute Titel bekannt und denke darüber schon lange nicht mehr nach.

Wie ich schon zu Anfang schrieb, werde ich mich bei nächster Gelegenheit um sämtliche deiner Anmerkungen kümmern. Da ist viel Hilfreiches dabei, dass dem Text nach Umsetzung deutlich verbessern kann.

Ja, das Schreiben der KG hat echt viel Spaß gemacht, und wenn es dann am Ende u. a. zu solchen Kritiken wie von dir führt, war es nicht für die Katz. Danke also für das Lob und die Hilfe.

Ich hoffe, niemanden und nichts vergessen zu haben und bitte für meine verspätete Reaktion um Entschuldigung!

Rick

 

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