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Mädchen, du hast doch keine Ahnung
Montags, habe ich mich morgens aus dem Bett gequält. Mein erster Unterrichtstag in diesem Jahr und ich habe noch weniger Lust als im letzten. Ich setze mich in mein Auto und will losfahren. Ich habe wirklich alles versucht, aber das Auto sprang nicht an. Heimliche Freude hatte sich breit gemacht, ich gebe es zu. Aber pflichtbewußt, wie ich nun mal bin, rief ich meine Mutter an und sie schickte sofort jemanden vorbei, "der sicher Ahnung von Autos hat".
Ich mußte 10 Minuten auf ihn in der klirrenden Kälte warten. Meiner Fantasie war keine Grenze mehr gesetzt - bei solchen Temperaturen. Ich stellte mir vor, wie gleich der Superheld im chiquen Cape ums Haus flog, vorne ein kleiner Schriftzug "ich habe sicher Ahnung von Autos" und einer Maske, die ihn vor Reklamationen schützte, wenn er denn keine Ahnung hätte.
Er kam mit einem Minischneeschieber um die Ecke gebogen. Ich weiß nicht wo es her kam, aber ich hatte so ein breites Grinsen auf dem Gesicht, als ich diesem Typ dabei zusah, wie er aus dem Ding kletterte. Ich kannte ihn vom Sehen und er duzte mich gleich. Duze ich zurück! Ich erklärte ihm kurz, was passiert ist und was hätte passieren sollen. Er versuchte, den Motor zu starten. Nach 10 Anläufen hatte er es endlich geschafft. Ich bin gerade hocherfreut über den Klang meines Motors, da säuft er wieder ab. Ich habe keine Ahnung von Autos, weder von möglichen Fehlerquellen noch von der Funktionalität und das Zusammenwirken irgendwelcher Bestandteile eines solchen Gefährts. Deswegen schien seine Diagnose plausibel. "Du, das ist der Vergaser, der ist sicher feucht geworden. Da ist Benzin drin". Ein klitzekleiner Gedanke kam auf, dass dort sicher auch Benzin reingehört, aber den verwarf ich auch in der selben Sekunde, denn auf meinem Cape steht nicht "ich habe sicher Ahnung von Autos". Er startete das Auto nochmals, machte die Motorhaube auf und sagte:
"Mädchen!" Mädchen?? Seh ich wirklich noch so jung aus? Darf ich schon einen Führerschein haben? "Mit dem Auto kannst du heute nicht mehr so weit fahren, der hört sich ja an wie ein Trecker"
"Echt? hm... und nu?"
Er zuckte mit den Schultern. Was für ein Superheld!
Ich setzte mich in mein Auto, der Motor lief ja wieder und fuhr zu meiner Mutter, um mich zu beratschlagen. Ich berichtete von der tötlichen Diagnose des Tages. Wir kamen zu dem Schluß, ein Fachmann sollte sich das Objekt des Ärgers ansehen.
Einen Tag später stellte ich mein Auto beim Fachmann ab und er wollte sich im Laufe des Tages, einen Überblick verschaffen. Am nächsten Tag bekam ich dann den Anruf.
"Mädchen!" Der auch noch. "Ich glaube dein Motor ist kaputt, ich habe den Ventildeckel abgenommen und schon gesehen, dass die Nockenwelle eingelaufen ist und das eigentliche Geräusch kommt von noch tiefer. Es lohnt sich allerdings nicht, den Motor ganz auseinanderzunehmen, das ist zuviel Aufwand. Am günstigsten kommst du, wenn du dir gleich nen neuen Motor kaufst."
Ich schluckte. Wie schon erwähnt, ich habe keine Ahnung von Autos. Für mich war der letzte auch der entscheidende Satz.
"Wie teuer ist denn so ein Motor?" fragte ich in weiser Voraussicht, dass ich mir davon ein Auto kaufen könnte.
"Naja also wenn du dir einen neuen holst, kannst du dir auch gleich ein Auto kaufen, ansonsten kannst Du dir auch einen günstiger beim Schrott holen".
"Beim Schrott?" mein süsses kleines Auto mit Teilen vom Schrott?
Er erklärte mir noch lang und breit, wie das auf Verwertungen funktioniert und dass ich mich doch umhören sollte. Das tat ich dann auch. Vielleicht hätte ich nur etwas besser zuhören sollen. Ich rief mehrere Verwertungen an und fragte nach einem Motor für mein Auto.
Bei der ersten:
"tut...tut.... Autoverwertung, Müller am Apparat."
"Guten Tag Herr Müller, ich brauch einen Motor"
Man glaubt gar nicht, wie kundenfreundlich solche Menschen von der Verwertung sind.
"Was fahrense denn fürn Auto?"
"Einen Corsa"
"A oder B"
Stille auf meiner Seite der Leitung, dann ein zögerliches: "Wo steht das?"
"Habense ihren Fahrzeuchschein vor sisch"
Er nuschelte so, dass es echt anstrengend war, ihm zuzuhören
"Ja liegt vor mir"
"da müssense nur ma druff gucken, wird doch nich so schwer sinn"
Oh da wurde jemand ungeduldig, ich überhörte das mal kurz.
Ich suchte nach einem A oder B auf diesem Schein. Huch da steht es.
" B " die Höflichkeiten ersparte ich mir.
"habnse auch das Motorkennzeichen?"
"steht das auch im Fahrzeugschein?"
"Nee das steht nur uffm Motor. Aber ehe isch ihnen das erklärt hab, solltense lieber eenen fragen, der n bisschen mehr Ahnung hat als wie sie, was ja nisch schwer is, um es mal höflisch auszudrücken."
Er war ja so sprachgewandt.
"Ja wirklich eine nette Umschreibung für 'Sie sind zu blöd' "
Er lachte, worüber auch immer!
Ich legte schnell auf. Also so wird das nichts.
Bei den nächsten Telefonaten stellte ich mich cleverer an. Und von 8 Angerufenen, hatte einer tatsächlich das passende Modell. Ich notierte mir alles und sagte einfach nur, ich würde mich nochmal melden. Ich rief dann noch einen Freund an und klagte mein Leid. Dieser hatte dann die blendende Idee "Hol dir doch lieber noch eine zweite Meinung ein". Das klang einleuchtend. Was wäre ich an diesem Tag ohne Telefon gewesen.
Ich habe mir Werkstätten aus dem Telefonbuch gesucht und gleich mit einer Passenden einen Termin ausgemacht. Am nächsten Tag fuhr ich hin. Er schaute in den Motorraum, hielt sein Ohr rein und sagte: "Mädchen" So langsam wirds unheimlich, die haben sich abgesprochen. "Das ist auf keinen Fall der Motor, das muß die Lichtmaschine sein." Er knallte die Motorhaube zu und erzählte weiter: "Wenn sie nächste Woche herkommen, kann ich ihnen die Lichtmaschine wechseln."
Hatte ich schon gesagt, dass ich keine Ahnung von Autos habe? Ich fuhr vom Hof und war fast froh über dieses Ergebnis und gleichzeitig ärgerte ich mich. Denn entweder haben beiden recht, nur eine von beiden oder keiner. Was mach ich nun? Ich sprach wieder mit einem Freund. Er hatte gute Argumente und ich entschied mich, noch eine 3. Meinung einzuholen.
Ich fuhr in die nächste Werkstatt, stellte mein Auto kurz vor, mit seinen Symptomen und bisherigen Diagnosen und sagte explizit: "Ich möchte gern wissen was von beiden nun stimmt. Könnten sie mir einen Kostenvoranschlag erstellen?"
"Ich schau mir das an, und dann rufen sie mich gegen 14 Uhr an".
Ich liess mein Auto in der Obhut des kompetentwirkenden Mechanikers, der mich nicht "Mädchen" genannt hat. Na wenn das kein gutes Zeichen ist.
Ich rief ihn, wie verabredet, an.
"Ja junge Frau" Nagut, es ist immerhin schon eine Steigerung, zu erkennen "Ihre Wasserpumpe ist kaputt."
Ich mußte mich erstmal setzen. Denn ich habe ja nun mit allem gerechnet, nur nicht damit. Nun sass ich da, holte Luft und fragte ihn:
"Und was ist mit der Lichtmaschine?"
"Die ist in Ordnung"
"Achja?! Jemand meinte, er hätte gesehen, dass die Nocken..äh welle? oder so defekt wäre."
"Ok, da kann ich auch gern nochmal reinschauen, rufen sie mich um 16 Uhr nochmal an."
Es schlug 4 Uhr am nachmittag. Ich drückte die Wahlwiederholungstaste und erreichte den Chef.
"Der Kollege ist gleich fertig, jetzt ist wieder alles ganz."
"ES IST WIEDER ALLES GANZ??"
"Ja er hat die Wasserpumpe ausgewechselt und hat eben noch nach der Nockenwelle geschaut, dafür mußten wir den Ventildeckel abnehmen und neue Dichtungen draufsetzen."
"ER HAT DIE WASSERPUMPE GEWECHSELT???"
"Ja!?"
"Ich komme SOFORT!!"
Sofort? Das war unüberlegt!! Denn mein Auto stand nicht wie gedacht, vor der Tür. Laufen? Oh nein, nicht bei dieser Kälte. Aber mein Bruder stand wie gerufen vor der Haustür und ich stieg einfach zu und forderte ihn wie einen Taxifahrer auf, zur Werkstatt zu fahren. Er war zwar nur halb so freundlich wie ein Taxifahrer, aber dafür schneller.
Ich kam in der Werkstatt an und mußte 15 Minuten warten, bis die anderen Kunden den Raum verliessen und ich an der Reihe war. Meine Aufregung hatte sich natürlich schon gelegt. Und es folgte ein sehr geschickter Schachzug des Chefs. "War das vorhin ihr Vater an ihrer Seite?"
"Ja?!"
"Richten Sie ihm doch bitte Grüsse aus, wir haben uns ja ewig nicht gesehen."
"Danke schön, werde ich ausrichten."
Zweiter Zug des Mechanikers: "Es war Ihnen doch recht, dass wir das gleich gewechselt haben?" ohne Luft zu holen sprach er weiter: "Es wäre jetzt völlig unsinnig gewesen, wenn ich ihnen das alles abgebaut und dann kaputt wieder drangebaut hätte, um es dann später zu wechseln." Erschlagen vom Wortschwall des Mechanikers stand ich wortlos vor ihm. Mir ging nur durch den Kopf, wehe es war doch der Motor. Ich war viel zu neugierig, ob mein Auto nun wieder ohne Geräusche lief, als dass ich mich noch rumzanken wollte. Ich zahlte einen, wie man mir später mitteilte, fairen Preis und setzte mich in mein Auto. 3... 2... 1... Zündung! Er sprang sofort an. Und das soll an der Wasserpumpe gelegen haben? Ok, ok! Ich hab ja kein Cape. Ich fuhr los und hörte nur einen ganz leisen Motor. YES!! Dieser Typ hat Cape und Maske verdient!