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Mächtige - Elagabalus
Da vorne sehe ich ihn wieder. Einen meiner kaiserlichen Sklaven, angekettet an Hals und Tor. Er kündigt Besucher oder Palastbewohner mit einem lauten Ruf und ein paar Worten an. Billiger und besser als ein Hund. Er wird wohl aus Afrika kommen. Tief schwarze, glänzende Haut. Ein Riese, der mich um zwei Köpfe überragt. Nicht besonders hübsch: Gekringelte Haare, wulstige Nase und eine Haut mit sichtbaren Poren. Und viel zu viele Muskeln, wenngleich sie gefällig geformt sind. Normalerweise interessieren mich für Wesen wie er nicht, aber auch einem Mosaikbild oder einer kunstvoll bemalten Amphore schenke ich ja gelegentlich Aufmerksamkeit. Außerdem spiele ich lieber mit Dingen, die sich bewegen.
Neulich, an einem Sommertag, habe ich ihn zum ersten Mal bemerkt. Am Tag zuvor war ein Gewitter. Laut prasselnder Regen, Blitz und Donner. Es roch nach einer Mischung aus Kräutern und Früchten. Die faulige Hitze war gewichen und ich atmete tief die gereinigte Luft ein. Ich kam von einer Senatssitzung zurück, stieg von der Trage und wollte ein paar Stunden in den Gärten verbringen. Am Eingang bemerkte ich den Riesen. Als er mich sah, rief er sofort andere Diener herbei. Aber neben ihm standen drei Mädchen, mit denen er sprach. Jung, mit langen Haaren und festen Brüstchen unter ihren Gewändern. Ihre Blicke waren auf ihn gerichtet und sie eilten nach meiner Ankunft gleich weg. Wie sie ihn angeschaut haben, lächelnd, begehrlich, obszön fast. Er ist noch jung und hat noch etwas Sanftes, Rundes. Das Weiß in seinen Augen ist überhaupt nicht blutunterlaufen. Weiche Männlichkeit. Nichts von der Brutalität ausgewachsener Männer. Er gefällt den Mädchen. Das habe ich deutlich gesehen. Eine von ihnen war Julia. Ich habe sie sofort erkannt. An den Sommersprossen, die mir immer schon so gefallen haben. Sie ist die Tochter meines Thesaurarius. Gaius heißt er. Er ist auch Sklave, aber wir besitzen ihn schon seit ich denken kann. Als Kind sind Julia und ich zusammen durch die Gärten gerannt, haben gelacht und getanzt. Fangspiele. Kindertänze. Irgendwann hörte das dann auf. Mein Erzieher hat es verboten. Wegen des Unterschieds.
Seit ich den Afrikaner mit Julia gesehen habe, lasse ich ihn beobachten. Vorsichtig, er soll ja nichts bemerken. Wäre auch peinlich als Kaiser und Gott. Julia stolzierte täglich an ihm vorbei, erzählen mir die Wächter, die ich darum gebeten habe, ein wenig zu spionieren. Sie muss mittlerweile dreizehn oder vierzehn Jahre alt sein. Sie ist eine Frau geworden. Volle Lippen, große Augen, grün und blau wie Edelsteine. Augäpfel, die wie Perlmutt glänzen, eine gerade, schmale Nase. Lange, sehnige Beine. Der Ansatz runder Brüste und feine, hellblonde Haare bis weit den Rücken herab. Kein stumpfes Blond, so ein warmes, leuchtendes. Wie ihre Haare und ihre Haut wohl riechen. Früher war es der Duft von Milch und Kräutern. Vielleicht sollte ich Gaius in seiner Unterkunft besuchen und mir Julia zeigen lassen, damit ich ihren Geruch aufschnappe.
Heute Morgen habe ich sogar selbst gesehen, wie sie wieder zu ihm gegangen ist und mit ihm geplaudert hat. Zuckende Muskeln. Blitzende Augen. Sogar die erstaunlich feingliedrigen Finger streckte er nach ihr aus. Eine Berührung, vor der sie nicht zurückschreckte. Es wird nicht lange dauern, bis sie sich in irgendeinem Winkel meines Gartens treffen.
Bis zum Sonnenuntergang bleibt der Afrikaner ja angekettet. In der Nacht übernimmt ein alter Mann. Ich spreche ab und zu mit ihm und muss ihn zu mir rufen lassen. Wegen Julia und dem Afrikaner. Er hat ein völlig zerzaustes Gesicht, wirre Haare und einen langen Bart. Ein Grieche. Hält sich für einen Philosophen und beherrscht alle bekannten Sprachen. Sogar von bedürfnislosem Leben erzählt er. Was für ein Blödsinn.
Ich muss jedenfalls nicht lange überlegen, bis mir meine Bedürfnisse einfallen und ich weiß, worauf ich gerade Lust habe. Das fängt gleich morgens an. Wenn ich aufwache, muss ich einfach etwas Schönes sehen. Je nach Laune befehle ich mal einer jungen Sklavin oder meiner eigenen Frau, nackt und einparfümiert vor mir zu posieren. Wie ich das süßliche Duftwasser liebe, das aus den Blumen der Provincia Narbonensis gewonnen wird. Manchmal auch ein wohlproportionierter Mann. Es gefällt mir, wenn sie ängstlich und erregt auf meinen Blick warten.
Auch ein Pärchen habe ich schon da gehabt. Sklaven natürlich. Für sie habe ich mir etwas Besonderes ausgedacht. Beide lebten mit einem anderen Sklaven zusammen. Eine Verbindung aus Liebe und Treue. Sie waren noch recht jung und kannten sich nicht, bevor ich sie zu mir bestellte. Die Frau mit kurzen, blondgelockten Haaren, kleinen Brüsten und etwas stämmigen Beinen. Sie bedient sonst mich und meine Gäste beim Essen. Mein Major Domus gab ihr den Befehl, morgens bei mir zu erscheinen und sich nackt bereit zu halten. Der Mann bekam dieselbe Anweisung. Ihre Aufgabe war es dann, dem Unbekannten einen aufgerichtetem Schwanz zu bescheren, bis ich aufwache. Gelänge ihr das nicht, müsse ihr Lebensgefährte dafür büßen. Zum Beispiel durch Auspeitschen. Ähnliches habe ich zu dem Mann mit dem Zopf gesagt. Er stammt aus dem Norden und soll vor seiner Versklavung etwas wie ein germanischer Häuptling gewesen sein. Die ganze Familie ist nach unserem Sieg über seinen Stamm verkauft worden. Die Kinder nach Sizilien. Sein Weib wurde Zofe bei meiner Mutter, er Gartensklave. Ein Jahr sind sie jetzt bei mir. Im Grunde gefällt mir sein Blick. So eine Mischung aus Wut und Verwirrung. Seine Frau werde ich in ein Bordell verkaufen, wenn er mit der anderen versagt, habe ich ihm ausrichten lassen. Er braucht den Spaß ja bloß mitmachen. Ein kostenfreies Abenteuer mit einer gutaussehenden Frau bekommt er ja obendrauf. Er sollte mir dankbar sein. Ich habe dann richtig lange gewartet, bevor ich die Augen aufgemacht habe. Nur durch die Lider gelinst. Das Weib hat sich wirklich angestrengt, ihn gestreichelt und seine Männlichkeit in den Mund genommen. Hat mir gut gefallen, sein Schwanz. Ein bisschen gebogen. Sieht man selten. Hätte vielleicht selbst dran saugen sollen. Ziemlich dick war er auch.
Dann war es so weit. Ich machte die Augen auf, rieb mir die Hände, streckte mich und klatschte in die Hände. Die Blonde beugte sich nach vorne, ging auf die Knie und stützte ihre angewinkelten Arme auf den Boden. Er schaute mit seinen blauen Augen kurz nach mir, setzte an und stieß den Schwanz in sie. Schmatzende Geräusche. Es dauerte nicht lange, bis er fertig war. Die milchige Flüssigkeit floss aus ihr heraus. Danach wieder sein Blick. Darin ein Überbleibsel der Lust, aber Hass vor allem. Ich musste laut lachen. So was Lustiges.
Lange Zeit nichts dergleichen. Ich muss mir was ausdenken. Gestern habe ich wieder mit dem Philosophen gesprochen. Vom Glück. Wie flüchtig es ist. Kommt unerwartet und verschwindet wieder. Und meistens unwiederbringlich, ohne Ewigkeit. Das fängt schon bei der Geburt an. Dann das erste Wort, das wir aus uns heraus pressen. Die erste Liebe. All die Ersten-Male.
Dann gibt es die kleinen Momente, in denen es völlig unerwartet aus dem Nichts herauskriecht. An einem grauen Tag, der zum vergessen neigt. Der Suchende findet ja doch nichts. Nur Glücksmomente einsammeln ist möglich. Sie aufzubewahren in mir selbst. Einer Schmuckschatulle gleich. An ein paar solcher Momente erinnere ich mich. Viele sind es nicht.
Da war dieser Regentag, als mein Vater mich zu sich rief. Er lag bequem auf der Lecta. Zwei Männer seines Rates standen neben ihm. Es roch nach Zedern. (in seiner Nähe roch es immer nach Zedern) und er schaute mich erwartungsvoll mit seinen wässrigen Augen an, ohne etwas zu sagen.
„Bist du bereit?“
„Zu allem, was mein Kaiser mir befiehlt.“
„Heute gebe ich dir keinen Befehl. Ich will dich zum Kaiser und Gott machen neben mir.“
Sicher habe ich damit gerechnet, irgendwann diese Worte zu hören. Formelle Worte, kalt, als wäre ich nicht immer schon bereit gewesen. Das Herz stockte mir dennoch. Und es war aus Glück. Fackeln erhellten den Palast und ich hörte das Rauschen des Windes und des Regens. Sein Blick flackerte in mir. Sein Zederngeruch vermischte sich mit dem der Früchte, die vor ihm in Schalen angerichtet waren. Orangen, Feigen, Granatäpfel. Und alles verband sich mit mir und dem Glück des Augenblicks.
„Ich bin bereit“, sagte ich zu ihm (und was hätte ich auch anderes sagen können?).
Seither bin ich ein Gott. Es gefällt mir. Ich glaube, dass sogar meine Körpertemperatur ein wenig gestiegen ist. Als flösse mein Blut schneller. Dennoch blieb selbst dieses Glück nur kurz. Dann flüchtete es wieder. Jetzt habe ich mich daran gewöhnt zu sein, der ich bin.
Auf der Suche nach Dauer habe ich es danach auch mit der Liebe und der Lust versucht. Ein schönes Mädchen, ein hübscher Knabe. Körper und Gerüche, die ich an ihnen mochte. Ich überschüttete sie mit Geschenken, lachte und plauderte. Küsse, Berührungen. In sie eindringen, mich mit ihnen vermengen. Ich habe mich stets nur auf eine Person konzentriert. Ein ungeteiltes Herz. Dennoch haben sie mich irgendwann gelangweilt. Satt von ihrem Geschwätz und ihren Körpern. Mit der Wiederholung starb das Glück. Manchmal erschrak ich an der Gier, ihrem Keuchen, Jaulen und Betteln, manchmal an den erwartungsvollen Blicken oder dem sauren Geruch.
Schließlich habe ich es mit dem Ruhm probiert, Kriege geplant und mich an den Menschen erfreut, die mich verehren und vor mir auf die Knie fallen. Aber das ist nichts, was mir gilt. Sie sehen in mir den Kaiser und Gott. Den Heilsbringer. Sie wissen ja nicht, wie es um mich steht.
Mittlerweile sind einige Wochen vergangen, seit sich die Tochter des Thesaurarius mit dem Türsklaven beschäftigt. Es wird bald soweit sein. Ein paar Worte im Vorbeigehen werden ihnen nicht mehr reichen. Sie werden sich verabreden. In der Nacht wahrscheinlich. Der Philosoph späht sie aus. Als Lohn habe ich ihm eine Reise nach Griechenland versprochen. Die alten Städte dieses schwachen, geschwätzigen Volkes besichtigen. Meine Diener wundern sich schon, warum ich mich so oft mit dem alten Mann beschäftige.
Es ist Spätsommer geworden und die Bäume sind voller Pfirsiche und Zitronen. Jedes Jahr lasse ich mir aus dem Norden Äpfel schicken, saftig und knackig, nicht so weich und süßlich wie die Früchte des Südens. Ich befehle, mir den Griechen zu bringen. Als er da ist, werfe ich einen Blick auf ihn. In seinen langen Haaren kriechen bestimmt Tierchen herum. Meine Haare sind kurz und ich lasse mir die Bartstoppeln rasieren. So bleibt das Gesicht glatt und glänzend. Die Leibwächter schauen mich fragend an und zeigen auf den Philosophen. Ich schüttle den Kopf. Sie werden ihn nicht zu Boden drücken, damit er vor seinem Kaiser kniet. Er schaut mich mit seinen schwarzen Augen ruhig und unverwandt an.
„Welche Früchte machen uns glücklich?“, frage ich unvermittelt und halte ihm einen der Äpfel hin.
„Das sind gleich zwei Fragen, Herr. Je nachdem, ob Ihr über den Geschmack der Früchte oder über das Glück sprechen wollt. Nehmen wir eine Feige oder ein Erdbeere. Die eine schmeckt süß und aromatisch, die andere nach Wasser. Aber von außen sehen wir es den Früchten nicht an. Ihr seht, die Frage nach dem Glück lässt sich nicht so einfach beantworten. Viele Dinge können uns glücklich machen“, doziert er.
„Was ist mit der Liebe? “
„Kann man nicht genau sagen. Sie geht vorbei. Der Höhepunkt ist schnell erreicht. Eine erste Berührung, aber was kommt danach? Das ist sogar bei deinen Äpfeln so. Der Geschmack wiederholt sich.“
„Das erste Mal. Das meinst du also.“
Ich schweige eine Weile und überlege mir, wie ich die nächste Frage stelle.
„Was ist eigentlich mit dem schwarzen Riesen, der tagsüber das Eingangstor bewacht?“
„Er ist noch ziemlich jung, Herr.“
„Der Kerl bekommt ab und zu Besuch, habe ich gesehen.“
„Ach, ja.“
„Ne kleine Schönheit, die Tochter meines Major Domus.“
„So.“
„Sie haben sich schon alleine getroffen, oder nicht?“
„Gestern Abend.“
„Ja?“
„Er hat davon erzählt.“
„Was hat er erzählt?“
„Im Garten. Aber nur kurz. Sie musste wieder nach Hause.“
„Und wo?“
„Bei den Johannisbrotbäumen.“
„Wann trifft er sie wieder??“
„Weiß ich nicht. Vielleicht ja heute Nacht.“
„Vielleicht?“
„Er will baden und die Nacht im Garten verbringen. So was hat er heute gesagt. Ist ja auch Vollmond.“
Heute Nacht also. Mein Herz schlägt schneller, die Müdigkeit fällt von mir ab. Die nächsten Stunden denke ich nach. Ich kenne den Platz, den der Grieche meint. Sehr geeignet für ein heimliches Treffen in der Nacht. Nicht weit vom Palast entfernt zwischen Johannisbrotbäumen, die im Halbkreis stehen. In der Mitte Gras und davor dichte Sträucher. Geschützt vor neugierigen Blicken. Andere Stellen im Garten sind viel besser einsehbar. Der Hügel mit Blick über die Stadt. Die Pavillons. Alles zu sehr im Blickfeld.
Ich werde den Philosophen mitnehmen und wir werden uns in den Büschen verstecken. Ein Abenteuer wie in der Kindheit. Um es bequem zu haben, ein weiches Kissen, eine Decke, Wein, ein paar Früchte. Kann zwar schiefgehen und sie kommen nicht, aber das ist auch egal, wird auf jeden Fall Spaß machen. Also lasse ich den Busch von meinem verschwiegenen Leibsklaven Gaius vorbereiten.
Es wird dunkel und wir nehmen den Weg über die Ahnenstatuen, die am Wegesrand aufgestellt sind. Am Busch angekommen, finde ich einen perfekt Beobachtungsposten. Bis jetzt keine Spur der jungen Leute. Der Philosoph und ich schlüpfen in unseren Verschlag. Auch ein Kurzschwert und einen Dolch habe ich mitgenommen. Ich will mich von der Eingebung leiten lassen. Es ist angenehm hier. Ich glaube, uns steht ein vergnüglicher Abend bevor. Die Waffen lege ich neben mich und trinke Wein aus dem Pokal, den schon mein Vater benutzt hat. Pures Gold, mit Schlangen und Fabeltieren verziert. Aus einem Goldbecher schmeckt der Wein einfach besser. Vielleicht Einbildung, aber das ist nicht wichtig. Der Pokal wandert zwischen mir und dem Griechen hin und her. Jetzt bloß nicht mehr philosophieren. Ich befehle dem alten Mann, mir Geschichten aus seiner Heimat zu erzählen. Obwohl wir alleine sind, flüstert er. Er ist mir so nahe, dass seine Worte in meinem Ohr kitzeln. Die Sagen, die ich schon so oft gehört habe. Ikarus, Pyramus und Thisbe, Narciss. Von Zeus und den anderen Göttern, die sich in Gestalten verwandelten. In Tiere oder Menschen, ganz wie sie es wollten. Ich stelle mir jedes Mal vor, wie ich zum Schwan und zum Löwen, zur Eule und zum Adler werde.
Die Geschichten machen mich müde und ich will schon die Augen schließen, als sie endlich kommen. Ich höre sie von weitem. Wie ein Vögelchen zwitschert die kleine Julia. So fröhlich klingt das. Und die Antworten ihres Begleiters tönen dunkel und gelassen. Er braucht nur wenige Worte, während sie weiter in hoher Tonlage singt. Wir beobachten sie durch die Zweige hindurch. Ein schmaler Schlitz. Die Stimmen kommen näher und ich beginne zu verstehen, was sie sagen.
„Du bist schön.“
„Du bist stark.“
So was. Sie sind da und setzen sich nebeneinander ins Gras. Sogar ein Fell hat er dabei, auf dem sie es sich bequem machen. Ihre Beine berühren sich. Wieder ihr Gezwitscher, wieder sein Bass. Bald nimmt er ihre Hand und streicht über sie.
„Gehen wir zusammen weg von hier?“
Sie kichert, sie flüstert ihm ins Ohr.
„Ich weiß nicht.“
Küsse. Auf den Mund und den Hals. Seine Hände auf ihrem Körper. Sich öffnende Münder. Kein Kichern mehr. Schneller Atem. Seufzen.
Der Grieche ist mittlerweile eingeschlafen. Ich bin allein mit ihnen. Das Mondlicht erhellt den Anblick. Haut presst sich an Haut. Ich sehe ihre zarten, schmalen Hände auf den Muskeln verharren.
„Ich will dich“, höre ich ihn leise.
„Ja, oh ja“, seufzt sie.
Was gäbe es auch sonst zu sagen. Entschlossen löst sie die Spange, die ihr Gewandt zusammenhält und zeigt sich ihm nackt. Runde Apfelbrüste. Er schaut sie nur an und wirft selbst alles ab, was er noch trägt. Bald umarmen sie sich, pressen sich aneinander. Ihr Kopf in seinen Händen. Sein Schwanz ragt waagrecht zu seinem Körper empor. Dann sinken sie ins Gras. Er hält sie dabei, legt sie, wie eine Kostbarkeit, vorsichtig auf das Fell. Sein dunkler Körper glänzt, als er sich über sie beugt. Das Küssen geht weiter, das Umschlingen. Mehr sehe ich nicht. Ein Jaulen und das muss es gewesen sein. Er wird in ihr sein. Danach Bewegungen wie ein Tanz. Das Mädchen schlingt die Beine um seine Hüften. Die beiden kosten ihr Glück bis zur Neige aus. Der Gipfel ihre jungen Lebens. Mehr ist nicht möglich. Ein Moment für die Ewigkeit.
Kein Ton mehr vom Philosophen. Entweder ist er eingeschlafen oder reglos von dem Anblick. Das junge Paar bewegt sich kaum noch. Eine einzige Haut. Die Körper fest aneinander gepresst. Wie gern möchte sie beide küssen und schmecken.
Einen Moment zögere ich. Es wird Zeit. Ich muss handeln, sonst verweht alles. Ich bin ihr Vater, ihr Kaiser, ihr Gott. Also taste ich nach Kurzschwert und Messer. Stehe auf. Leise und entschlossen. Auch der Philosoph ist aus seiner Starre erwacht, schaut mich an und hebt die Hand, als wolle er mich zurückhalten. Das Gebüsch raschelt ein wenig beim Aufstehen. Ich trete aus dem Busch heraus und gehe mit schnellen Schritten auf sie zu. Ein schwerer süßlicher Geruch liegt in der Luft. Sie bemerken mich erst, als ich vor ihnen stehe und die verschlungenen Leiber aus der Nähe betrachte. Ich zögere nicht. Entsetzen und Furcht darf ihren Blick jetzt nicht trüben. Ich hebe das Schwert mit beiden Händen. Es dringt durch den Rücken des jungen Mannes in ihn und schließlich auch in sie. Sein Körper erschlafft sofort. Nur sie atmet noch. Ich muss das Messer nehmen und es ihr in die Kehle stechen. Blut spritzte hervor. Ein See bildet sich auf dem Gras und der Erde. Ich schaue mir ihre Augen an. Da ist es noch, das Glück.
Der Grieche kommt mir entgegengestürzt.
„All das Blut. Sie waren so jung.“
„Ich habe ihnen Ewigkeit geschenkt. Mehr können sie ihr ganzes Leben nicht erreichen.“
Der Philosoph richtet seinen Blick zu mir, zu dem blutüberströmten Paar, dreht sich um, wendet sich ab und läuft weg.
Ich bleibe noch lange dort. Erst als die ersten Vogelstimmen des frühen Morgens zu hören sind und der Mond hinter dem Horizont verschwindet, gehe auch ich.