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luxussterben
Es steht ein wuchtiger Terrakotta Blumentopf in unserem Garten. Leer ist der. Bis heute habe ich kein passendes Grüngewächs für den Topf gefunden, aber ehrlich gesagt, auch nie richtig nach einem gesucht. Damals, vor ich weiß nicht wie vielen Jahren, habe ich ihn unbedingt kaufen müssen. Erblickt und geliebt. Er hatte seinen Preis, weil optisch ansprechend, winterfest und gute Qualität.
Ein Angeber Topf für den Garten eben. Aber so ganz ohne Nutzen, wird er zunehmend peinlich. Ich könnte ihn jetzt halb verbuddeln, damit es im Garten bisschen nach archäologischer Ausgrabungsstätte aussieht. Das ist gerade schwer in Mode, habe ich bei meinen Streifzügen durch den Ort herausgefunden.
Statt Grün, könnte ich mir auch ein Kunstwerk gut darin vorstellen, denn Künsler will ich schon lange einer werden. Klingt einfach gut. Aber Kunst braucht Zeit und die habe ich nicht. "Die muss man sich halt nehmen", sagst du? "Ach Gewissen, kannst du nicht einmal die Klappe halten, musst du immer deinen Senf...?"
Ich habe ja schon eine bedrohliche Sammlung von Tüten in meinem Schrank. Voll mit bunten Stoffen, Nähkram und Wolle, für die Umsetzung irgendwelcher Ideen, die ich irgendwann einmal hatte. Heute sind zwar die Materialien noch da, aber die Ideen längst verschollen.
Vielleicht sollte ich den Topf mit einem kurzweilig höllischen Gewissen einfach endlich wegschmeißen? Bald schon werde ich ihn vergessen haben und wäre eine unnötig platzraubende Sorge los? Oder ich verschenke ihn zum Geburtstag. Vielleicht der Heidrun, die auch immer ihren alten Krempel zu meinem Geburtstag verpackt. Ja genau, soll die sich mit dem Topf rumquälen und jedesmal ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich meinen Besuch ankündige. Und je nach Stimmung, prämenstrueller Phase, Winterdepression, oder am Vorabend zu lange gelesen oder so, kann ich dann auch mal genauer nachhaken.
Dann aber haben meine Tochter und deren Freundin nach jahrelanger, unerträglicher Einsatzlosigkeit des Topfes, noch eine ganz andere und sehr besondere Art der Topfnutzung gefunden. Die beiden Mädchen bauen ihn sorgfältig zu einem Luxus Appartement aus. Den Boden legen sie sorgfältig mit Gras aus und mit bunten, selbstgemalten Kunstwerken dekorieren sie die Innenwand. Auf dem Tisch, einem Bauklotz mit Bauklotzstühlen drum herum, steht ein Flaschendeckel, der zur Blumenvase umfunktioniert wurde. Aus Karton falten sie drei schöne, kleine Betten.
An der Außenwand bringen sie zuletzt noch Türschilder an. Rosalie, Lilli, Blümchen und Nina stehen darauf. Das sind die glücklichen Bewohnerinnen dieses Luxus Appartements.
Eine insgesamt traumhafte Wohnatmosphäre!
Auch das Wellnessangebot hat die fünf Sterne auf jeden Fall verdient. Den ganzen Tag werden die Vier umsorgt, hübsch gebettet, besungen, bekommen sorgfältig kleingerupften Salat bei Tisch und werden mehrmals mit Leinen ausgeführt. Dabei lernen sie mehrere Spielplätze und weitere nette Kinder kennen und es entstehen eine Menge romantischer Fotos.
Trotz der ganzen wunderbaren Pflege aber, geht es den Bewohnerinnen über den Tag immer schlechter. Die beiden fürsorglichen Mädchen bemerken besorgt den Zustand der vier Damen und beratschlagen sich eifrig. Sie holen ihre Arztkoffer, hören Herzen ab, notieren alles sorgfältig, versorgen sie mit Flüssig- und Festnahrung und massieren ihnen die Bäuche. Trotzdem sind Rosalie, Lilli, Blümchen und Nina am Abend tot. Soviel Luxus und Pflege hat sie am Ende umgehauen, dass sind sie einfach nicht gewöhnt.
Aber noch nie sind Nacktschnecken so luxuriös gestorben wie diese vier. Beschweren können sie sich also wirklich nicht!