Was ist neu

Lukas

Mitglied
Beitritt
15.10.2002
Beiträge
44

Lukas

Am sechzehnten Dezember um siebzehn Uhr vierunddreißig machte ich etwas, das mein Leben vollkommen veränderte. Natürlich war es nur eine Kleinigkeit, aber wegen genau dieser Kleinigkeit wurde mein Leben durchgeschüttelt, gezuckert und mit Vanillesoße verfeinert.
An diesem Nachmittag saß ich auf meinem Stockbett, dass ich mit Lilli teilte, und der ich nach einem langen Gefecht die obere Etage weggenommen hatte, und schrieb Tagebuch. Ich weiß noch genau, was ich geschrieben hatte:

Liebes Tagebuch, heute ist der dritte Tag meines zweiten Schikurses. Bald sollten Silvie, Nanni und Marie zurückkommen. Manchmal ist es schon blöd, dass ich in der Anfängergruppe bin. Wir sind heute nämlich früher ins Jugendgasthaus zurückgekehrt, und jetzt ist außer mir nur Caro, die sich gerade schminkt, und Lukas, der heute nicht Schifahren konnte, weil er so Kopfweh hatte, im Haus. Mir ist fad. Weil ich allein bin! Caro mag ich nicht besonders, sie ist einfach nicht mein Typ und gehört in eher in den VDSP (=Verein Der Schachspielenden Pensionisten) als dass sie mit mir anstatt mit ihrem Lippenstift den Nachmittag verbringen will. Und Lukas ... er ist ein Junge und gehört zu den Coolen, und damit wäre alles gesagt. Bei uns in der Klasse – wie fast in allen zweiten bis fünften lassen eines Gymnasiums – gelten folgende Grundregeln (bitte hinzunehmen dass es unter M Tussis und brave und unter J Coole und Streber gibt):
1) Mädchen und Jungen mögen sich grundsätzlich NUR, wenn sie miteinander gehen wollen (jegliche Art von Gespräch o.ä. ohne Verdacht auf Verliebtheit seitens anderer Mitschüler ausgeschlossen)
2) Aber falls das der Fall ist, versuchen die beiden, so gut wie möglich diese Tatsache vor anderen zu verbergen
3) Es gehen nur Mädels aus dem Tussenclub mit Jungen
4) Die Coolen finden nur M aus dem Tussenclub gut
usw.
Echt hart, das Ganze! Aber ich verrate dir ein Geheimnis. Marie, die Bravste aller Braven, ist in den Lukas verliebt und ich

Was ich dann schreiben wollte, weiß ich nicht mehr, denn dann ging die Tür auf. Aber anstatt dem fröhlichen Geschnatter von Antonia, Lilli und Marie hörte ich nur ein „Darf ich rein?“. Als ich aufschaute, sah ich Lukas in der Tür stehen. „Komm ruhig rein“, sagte ich und begann mich schrecklich zu wundern. Er setzte sich auf einen Hocker, der in der Mitte des Raumes stand, und schaute meinen Bettpfosten an. „Suchst du wen, oder kommst du zu mir?“, fragte ich, wobei ich das „Zu dir“ völlig ausschloss.
„Zu dir“, sagte er.
„Ist es was `offizielles´, oder willst du einfach reden?“, wollte ich wissen, wobei ich die zweite Möglichkeit wieder ausschloss.
„Ich möchte reden“, sagte Lukas.
Ich wunderte mich noch viel mehr, denn Lukas und ich hatten in den drei Jahren, in denen wir in einer Klasse waren, kaum mehr als zehn Wörter gewechselt.
„Komm rauf“, bot ich an. Er kletterte auf das Bett hinauf und hockte sich einen halben Meter neben mich. Ich schaute ihn an und merkte, dass er geweint haben musste.
„Ist es wegen deinen Eltern? Den Freunden? Den Freundinnen?“
„Ach Scheiße, wegen allem.“
Wir schwiegen eine Weile. Ich wusste, dass er die richtigen Worte suchte, um zu beginnen. Schließlich sagte Lukas mit brüchiger, aber wie immer lieber Stimme: „Weißt du, meine Eltern ... - sie wollen sich scheiden lassen.“
„Ach Scheiße. Das Gefühl kenn ich. Man denkt, nichts wird so sein wie früher, alles wird nur schlimmer werden. Und man ist so schrecklich wütend auf die ganze Welt, weil der Vater die Mutter mit einer Studentin betrogen hat und man möchte brüllen, „he fuckin´ hates her“, und man hat das Gefühl, man kann nicht gut darüber reden ... weil es bei jedem anders ist. Und man möchte irgendetwas schlimmes machen, die Studentin umbringen oder den Vater bloßstellen vor allen und schreien, seht her, was er getan hat. Und dann wieder tun einem Vater und Mutter so schrecklich Leid, weil sie jetzt ganz allein leben werden, ohne irgendwen, der sie liebt ...“
Er schaute mich an, und ich sah, wie ein Lächeln über sein Gesicht huschte und von unendlicher Trauer wieder vertrieben wurde.
„Genauso ist es bei mir“, sagte er so leise, dass ich ihn kaum verstand, und aus seiner Stimme hörte ich heraus, dass er glücklich darüber war, dass er mit jemandem darüber reden konnte. Ich rückte etwas näher zu ihm.
„Bei mir war es auch so. Aber es dauert nicht lange, und nach diesem schrecklichen Gefühl von Trauer kommt die Sonne, und es ist, als ob man nach stundenlangem Wandern im Nebel auf einmal sieht, dass man den Bergwipfel erreicht hat, und genau in diesem Moment sieht man, wie die Sonne erscheint ...“
„Danke“, sagte er mit einer unendlich warmen Stimme.
„Weißt du, alle meine Freunde sind solche Arschlöcher. Sie verraten mich, und wenn ich etwas falsches oder uncooles mache, dann bin ich out, und über mich wir gelästert, und ich habe wieder niemanden. Ich habe niemandem, mit dem ich reden kann, niemanden, verstehst du? Du bist die Einzige, mit der ...“ Er vergrub sein Gesicht in den Knien. Und da, um siebzehn Uhr vierunddreißig, legte ich meinen Arm um ihn. Er machte es mir nach. Die Neonröhren tauchten uns in ein grelles, beißendes Licht, und ich verstand, dass ich einen wunderbaren Freund gefunden hatte.

 

Hallo Avril!

Eine nette kleine Geschichte über eine zarte Freundschaft zwischen Teenagern.
Ich hatte zu Beginn befürchtet, dass es eine große Portion kitschigen Sex geben könnte, aber den hast Du uns zum Glück erspart.
Teilweise noch etweas holprig geschrieben, aber insgesamt gar nicht so schlecht!
Ac ja: Den Tagebucherintrag finde ich sprachlich etwas zu kindlich...

Lieben Gruß

chaosqueen :queen:

 

hi Chaosqueen, erst einmal danke für deine kritik. ich werde den stil noch etwas verbssern, du hast schon recht.
zum tagebucheintrag: sollte er auch sein (dan ists mir gut gelungen!):-) das schreibt nämlich ein 12jähriges mädchen.
cu, avril

 

Hallo Avril!
War auch von einem so ca 12 jährigen Mädchen ausgegangen, aber dazu passten dan wieder andere passagen nicht so gut (wiederum zu erwachsen). Wie dem auch sei, mir hat deine Geschichte gefallen. War einfach so nett und irgendwie einfach.
liebe Grüße MadameJack

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom