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Luchsaugen

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03.08.2003
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Luchsaugen

Das Schaf blökte noch einmal auf, als der graue Schatten wie ein Blitz auf es zuraste, dann röchelte es und verstummte für immer.
Der Wolf leckte sich nach dem ausgiebigen Mal die Lefzen. Endlich mal wieder satt. Blieb sogar noch was übrig. Na schön. Und in der Nacht, unter sternklarem Himmel, begrub er die Reste des Schafes beim Hollerbusch. Später würde er wieder kommen, nahm er sich vor und trabte mit vollem Bauch davon.
Vier Augen beobachteten den Vorgang. Gelbe Luchsaugen zwinkerten im Dunkeln. Eine Schlange bewegte den Kopf hin und her. Da kam schnüffelnd ein verwilderter Hund vorbei. Hier gab es etwas Leckeres, das konnte er deutlich riechen. Die Schlange zischelte vor sich hin und schlängelte sich so schnell sie konnte zum Bären ...

„Hohes Gericht.“ Die Schlange zischelte zwiespältig. „Ich habe es deutlich gesehen, der schändliche Mord an dem Schaf, der entgegen dem ausdrücklichen Gebot des Hohen Rates der Tiere in frechem Übermut begangen worden ist und der die Menschen wahrscheinlich zu einer grausamen Vergeltungsaktion verleiten wird, wurde von diesem ... diesem ...Subjekt begangen, welches das Wort „Tier“ nicht verdient!“
Ihr Kopf schnellte in Richtung Anklagebank, wo winselnd der Hund hockte und bei den Worten der Schlange den Schwanz einzog.
Der Richter, eine betagte Eule, sagte: „Ihr Zeuge, Herr Verteidiger.“
Der Dachs zuckte die Achseln. Die Beweislage war aber auch zu eindeutig. Vom Bären beim Auffressen des Opfers ertappt und gestellt. Außerdem die Blutspuren an seiner Schnauze und jetzt noch ein Tatzeuge.
„Keine weiteren Fragen, Euer Ehren.“
Die Schlange verließ den Zeugenstand, nicht ohne noch einmal einen schrägen Blick auf den Hund zu werfen. Der würde keines ihrer Eier mehr stehlen. Mochte er in der Hölle schmoren.
Gelbe Luchsaugen zwinkerten.
Der Graue lehnte sich zurück. Nun konnte eigentlich nichts mehr passieren.
Tatsächlich war der Rest der Verhandlung nur noch Formsache. Die Elster, welche den Hund sowieso noch nie hatte leiden können, legte sich als Anklägerin mächtig ins Zeug, flatterte mit den Flügeln und listete in unwiderlegbarer Logik noch einmal die Beweiskette auf. Danach mühte sich der Dachs zwar redlich, aber was konnte er schon tun.
Gelbe Luchsaugen zwinkerten.
Die Eule verkündete das Urteil.
Tod durch den Strang.
„Gnade“, jaulte der Hund, als ihn die Schergen wegschleppten, „ich bin unschuldig.“
Doch seine Worte beeindruckten niemanden.
Niemanden?
Gelbe Luchsaugen zwinkerten. Der Luchs wollte rufen, nein schreien: Haltet ein! Er ist unschuldig. Er hat recht.
Er öffnete den Mund, doch nur ein leises Schnurren entrang sich seiner Kehle. Er konnte es nicht.
Dazu war die uralte Feindschaft zwischen Katze und Hund einfach zu stark.

 

Hi sturek,

interessante schöne geschichte, die du da geschrieben hast. besonders schön die situation - das ende. ich sehe die geschichte als manifestation der gesellschaftlichen schwierigkeiten.
es beruhigt mich sehr, zu wissen, dass der luchs hinterher kein schlechtes gewissen haben wird. immerhin sind katzen altruistisch...
aber warum hast du eigentlich keine wildkatze genommen, sondern einen luchs? weil wildkatzen kleiner sind, koennen hunde sie herumscheuchen. ich glaube, ein luchs zeigt einem hund ziemlich schnell, wo der hammer haengt, die sind etwa gleich groß.
ich faende eine wildkatze an der stelle besser, die kann dann ja immer noch luchsaugen haben.

das ende kommt mir ein wenig komisch vor - wie der innere zwiespalt zwischen uralter feindschaft und... ja, was? gerechtigkeit? wenn ich mir meine katze so angucke, wird ihr das relativ egal sein.

trotzdem habe ich die geschichte genossen.

glg, vita

 

Hallo Sturek,

ich habe mich ehrlich gesagt an dem Wort "blinkerten" ein wenig gestört. Sagt man das wirklich? Nicht vielleicht "zwinkerten" oder "blinkten"?

Viele Grüße,
Barana

 

@ Vita:
Ob Katzen bereuen können? Ich kenn mich da nicht aus. Ich bin Hundebesitzer.;)

Du hast Recht. Eine Wildkatze zu verwenden ist eine gute Alternative. Das hat aber den Nachteil, dass der Leser evtl. zu früh auf die Problematik Hund-Katze aufmerksam wird. Die Erklärung für das Schweigen des Luchses soll aber der Leser erst ganz zum Schluss bekommen.
Der Schluss hat natürlich eine gewisse Komik für den Außenstehenden. Aber nicht für den Luchs und auch nicht für den armen Hund.:rolleyes:
Die Moral, das Gerechtigkeitsempfinden des Luchses schreien danach, sich zu äußern. Dem steht sein uralter Hass entgegen, der den Sieg davonträgt.

Ist es nicht auch oft bei uns Menschen so, dass nicht anerzogene Werte sondern tief verwurzelte Gefühle unser Leben mehr bestimmen, als wir denken?

@ Barana:
Du bist nun schon der 2.Leser, den "Blinkern" stört.
Wenn ich an die großen Katzenaugen denke, die sich regelmäßig schließen, fand ich das Wort ganz angemessen.
Aber vielleicht werd ich das doch ändern.
Eine Alternative ist auch "blinzeln".

 

Gugux!!!

Eine wirklich gelungene Parabel, mit einigen interessanten, umgekehrten Vorzeichen: Eine 'verschlagene' Schlange als Zeuge der Anklage , keine Eule sondern ein Bär als Richter und ein desinteressierter Dachs als Pflichtverteidiger. Das ist gut und entlockte mir nicht nur ein Schmunzeln ...

Da kam schnüffelnderweise ein verwilderter Hund vorbei.

schnüffelnd reicht völlig aus ...

Hier und dort gibt es noch Probleme mit der Zeichensetzung, lies es doch einfach noch Mal selbst durch. Hatte gerade leider nicht so super viel Zeit ... :kaffee: Ansonsten - wie schon gesagt - supergut. Eventuell könnte ja der Luchs dem Wolf im Gerichtssaal noch einen Blick zuwerfen oder der Wolf den Luchs 'ironischerweise' einladen, da es ja noch Reste unter dem Hollerbusch gibt ... ;)

shade & sweet water
x

 

Hallo Xadhoom,

Danke auch für deine Hinweise. "Schnüffelnd" habe ich gleich eingebaut und auch noch mal die Zeichensetzung leicht verändert. Hoffe, das ist jetzt richtig so. Seit der Neuen Deutschen Schlechtschreibung :mad: kenne ich mich da nicht mehr so aus.

Auf die Idee, eine Eule als Richter einzusetzen, wäre ich gar nicht gekommen. Würd auch gut passen.
Natürlich könnte man auch noch was mit dem Wolf machen, aber das wird für eine Fabel sicher zu lang.

@ Barana:
Bei der Überarbeitung habe ich jetzt auch "blinkerten" raus genommen und durch "zwinkerten" ersetzt.

Viele Grüße von Sturek

 

hi sturek nochmal,

ich finde die idee von xhadhoom supercool *g*
ich denke, die tatsache, dass der luchs gewissensbisse hat, ist sehr un-kätzisch. wie gesagt, es gab einmal einen vergleich: "stefan raab ist so niveauvoll wie eine katze altrusitisch". katzen sind echte schweine, aber sie sind reizende, liebe schweine, die weich sind, schnurren und den menschen versklaven, ohne dass er es merkt *g*
in dem sinne faende ich es eigentlich auch von der aussage der fabel her noch besser, wenn der luchs ohne jede gewissensbisse sich zusammen mit dem wolf den bauch vollschlaegt...

verkauf deinen hund und hol dir eine katze, es lohnt sich wirklich :P

glg, vita

 

Hey Sturek,

wir Fleischfresser sollen uns wohl auf Tofu umstellen, wie???? Nette Geschichte! Gute Idee, das Ende mit dem Schnurren! Ich glaube aber, aus den typischen Eigenschaften der Tiere ließe sich mehr herausholen.
Ein bisschen sträubt sich mir das Fell bei dem Gedanken, zweifelhafte Moralbegriffe auf die Welt der Tiere zu übertragen. Gibt es nicht in der Welt der Menschen schon zuviel davon?
Die Sprache wäre noch besser, wenn Du weniger Adjektive und Adverbien verwenden würdest. Außerdem gebe ich vita in allen Punkten Recht.

Liebe Grüße,

Der Gute Fritz

 

@ vita:
Ich soll mir freiwillig einen Haustyrannen zulegen, der die Gardinen von den Fenstern fetzt, die Couchgarnitur als Kratzbaum benutzt und hinerher noch nicht mal ein schlechtes Gewissen hat? Niemals! :D

Offenbar passt der Luchs leider nicht so richtig zu dem von mir gedachten Ende. Mal sehen, was ich da noch machen kann. Dass Luchs und Wolf gemeinsam die Reste des Schafes verspeisen, würde aus meiner Sicht die Aussage der Fabel leider zerstören. Das wäre eben schon wieder eine andere Geschichte, aber sicher auch nicht schlecht.

@ Der Gute Fritz
Mit den Adjektiven hast du bestimmt recht. Ich werde demnächst noch ein Streichkonzert aufführen.
Das mit der Moral in den Tierfabeln ist eben Geschmackssache ;)

 

Hi Sturek,

ich denke den Luchs kannst Du schon lassen. Der Schluß wirkt so etwas überraschender und die Geschichte insgesamt auch spannender. Du hast schon recht, dass Du mit einer Wildkatze vieleicht zu früh auf die Hund-Katze Problematik aufmerksam machst. Die Idee mit der Eule als Richter, fände ich besser.

Ansonsten schließe ich mich den lobenden Worten meiner Vorredner an. Auch mir hat die Geschichte gut gefallen.

Gruß
Jörg

 

So, auf vielfachen Wunsch wurde jetzt der Eule das Richteramt übertragen.
Außerdem habe ich den Text noch nach überflüssigen Adjektiven durchforstet und diese gelöscht.

Das Ende soll vorerst so bleiben. Sagen wir einfach, der Luchs ist mit einem rudimentären Gerechtigkeitsempfinden ausgestattet. Ob er hinterher Gewissensbisse hat, bleibt offen. :rolleyes:

 

Hi,
eine Eule als Richter ist schon fast klassisch. Die Eule ist immerhin das heilige Tier der Göttin Athene, die Personifikation der Weisheit.

Beim ersten Lesen deiner Fabel war mir die Aussage klar. Da du ja Luchs und nicht gleich Wildkatze schreibst, habe ich das Ende so auch nicht vorhergesehen.

Nur im Nachhinein bin ich auf einen Gedanken gekommen, der mich beschäftigt. Vielleicht denke ich einfach viel zu kompliziert ... aber ich sags trotzdem, es könnte hilfreich sein:

Dein Text läuft auf die Feindschaft Katze - Hund hinaus. Wenn wir davon sprechen, meinen wir die Rivalität zwischen Hauskatze und Haushund. Ein Luchs ist aber keine domestizierte Katze. Also frage ich mich, wieso der Luchs die Verurteilung eines Hundes zulässt, wenn ein Wolf der wahre Schuldige ist.

Ich muss einräumen, dass der Hund ein "wilder Hund" ist. Nur bleibt ein Hund trotzdem ein gezähmter Wolf.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich hätte bestimmt nicht den Hobbyzoologen markiert, wenn ein anderes Raubtier als ein Wolf das Schaf getötet hätte. Ich stelle mir vor, dass zwischen Luchs und Wolf genau die gleichen Animositäten bestehen wie zwischen Luchs und Hund.

 

Gugux!

Ich wusste, dass es irgendwann passieren musste: Markus hats gesagt und den Stammbaum des Hundes aufgerollt. :rolleyes: Naja, dann ist es halt so, dass der Wolf und der Luchs den Hund nicht leiden können. Der Wolf nicht, weil er die verweichlichte, 'minderwertige' Version eines Wolfes ist und der Luchs, weil Futterneid und andere Problemchen bestehen. Daraus ergibt sich eine hübsche Schnittmenge, auch wenn jeder aus anderen Motiven handelt.

Was nun das Richteramt betrifft: In der Phantastik gibts ja auch Eulenbären ... :lol: Ich fand den behäbigen Bär da besser, 'ne Eule (Wahrscheinlich namens Rhababera Kauzech oder so ...) hätte sicher genauer nachgeforscht.

shade & sweet water
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Jetzt bräuchten wir einen Psychoanalytiker, um die Ursachen der Feindschaft zwischen Katze und Hund aufzuklären. Viellleicht Langohr? :)

Zwar sind Katze und Hund domestiziert, doch gibt es da einen himmelweiten Unterschied:
Katzen dulden den Menschen nur - Hunde dagegen sind deren Sklaven.
Auch der Wolf hat seine Unabhängigkeit bewahrt.
Deshalb muss der Wolf dem Luchs viel sympathischer sein als der Hund, denke ich.

Außerdem gibt es ja auch Theorien, nach denen Wolf und Hund nur gemeinsame Vorfahren haben. :cool:

@ xadhoom:
Eulenbären gibts auch? Erstaunlich. Lese ich zum ersten Mal. Aber ich bin auch kein so großer Kenner der Phantastik. Wieder was dazu gelernt.

Viele Grüße von Sturek

 
Zuletzt bearbeitet:

Aloha nochmals ...

Ich versichere Dir, dass es immer mal wieder Ausnahmen gibt. Ich kenne mindestens zwei Mitwesen, die Sklaven ihrer Tölen sind. :D Zu Katzen gibt es nichts hinzu zu fügen.

Oh, wenn uns Theorien fehlen sollten, basteln wir einfach eine neue. Schließlich passt das zur Rubrik!

Jau, Eulenbären gibts auch ... Eulenkopf mit Bärenkörper, Eulenschwanz und mitunter auch in flugfähiger Version. Und sie stinken ... jedenfalls bei AD&D (Fantasy-Rollenspiel, soll ja Mitwes[inn]en geben, die dergleichen nicht kennen :p). Im vorliegenden Falle bin ich jedoch sehr dafür, nicht schon wieder 'ne Eule zu bemühen, sondern es bei dem Quotenbären zu belassen. Außerdem hast Du dann - falls Du den Luchs austauschen möchtest - gleich eine neue Überschrift: Der Quotenbär! :drool:

shade & sweet water
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Hallo xadhoom!

Schade, das der Kompromiss einen Eulenbären als Richter einzusetzen nicht geht. Sicher ist der bei der großen Masse der Leser nicht bekannt. Außerdem weiß ich nicht, ob der Charakter des Eulenbären zur Rolle des Richters passen würde. :)

Es spricht noch etwas gegen den Bären als Richter, was mir jetzt erst aufgefallen ist.
Ein Bär hat den Hund ja festgenommen, ist also der Polizist der Story. Schon wegen der Gewaltenteilung kann er deshalb nicht Richter sein.

Viele Grüße von Sturek

 

Die Eule als Richter, der Bär als Polizist und der Eulenbär als Protokollist? Das wird ja mindestens der Eule dann die Schamesröte ins Gesicht bringen ... Aber da sind ja Federn vor!!! :rotfl:

shade & sweet water
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Jetzt habe ich auch dem Eulenbären eine kleine Statistenrolle als Protokollant gegeben. Leider ist die Rolle ohne Text. Obendrein wurde sie hinterher auf Drängen des Produzenten wieder rausgeschnitten. So ein Pech! :D

Na ja, vielleicht beim nächsten Mal.

 

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