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.. little Samurai ..
.. little Samurai ..
(v. Daigoro)
Ich gehe meinen eigenen Weg, schwimme aber letztendlich innerhalb einer riesigen Masse mit. Mein Leben führe ich nach einem Ehrenkodex, den selbst ich nicht genau kenne, weil ich ihn nur innerlich fühlen kann. Es ist ein gewisser Stolz und die furchtlose Aufopferung gegenüber meinem Herrn. Die Treue, mit welcher ich ihm bis in den Tod folge. Niemals darf ich von seiner Seite weichen oder mich ihm respektlos entgegen stellen. Gehorchen und Befehle ausführen. Selbst wenn der Weggefährte nicht besonders intelligent ist, aber dafür in treuester Form das Leben des Herrn und Gebieters mit seinem eigenem Tod schützt, kann er von höherem Wert sein als ein Schützling, der nur mit Kopf und nicht mit Herz dient.
Wir wandern durch die von Menschen mühevoll gebauten Städte, welche strahlend mit Lichtern und Reichtum protzen. Doch wir erleben darin nichts anderes als die endgültige Zerstörung von Pracht und Pathos. Ganz nah am Rande, wo wir liegen, sieht man es sehr deutlich. Wie Rost an alten Eisen, wie Schimmel in meinem Essen, wie Dosen mit Zerfallsdatum und der Müll, der stinkend von seiner Größe erzählt. So sieht man das Fressen der Zerstörung. Und vielleicht dauert es nicht mehr lange, bis auch die reichen Leute sich zu uns gesellen und um Schimmel und weggeworfenes kämpfen. „Ich bereue so vieles, was ich uns beiden angetan habe.“, waren die Worte meines Herrn, die er oft mit trauriger Stimme zu mir sagte. „Wir haben uns das alles erbaut, damit wir eines Tages darin begraben werden.“, sprach er immer wieder. Dabei lächelte er mich jedes Mal an, denn er war sich nicht sicher, ob ich es verstehen würde.
Nachts schlafe ich unruhig, weil ich die Gefahren nur all zu deutlich riechen kann. Das Fressen der Zerstörung nährt seine Kinder mit Gewalt, Zorn und Frust. Bekommen sie nicht das, was sie zum Leben brauchen, holen sie es sich auf eine andere Weise. Sie wollen dir nur all das nehmen, was du schon lange verloren hast. Ein Leben. Von Leuten bespuckt, vom Gesetz immer wieder belästigt, von dem eigenem Kummer zerfressen, von der Erinnerung entseelt, vom tragischen Schicksal geschändet,... was bleibt uns noch. Was wollt ihr noch haben? Den Stolz, den wir tragen und den Traum, den wir verdrängen, haben wir in der dunkelsten Ecke unseres Herzens versteckt. Nehmt ihr uns all das, dann lebt ihr mit der gleichen Trauer wie wir.
So kommt und holt es euch. Peiniger, Räuber, Dämonen, Verdammte. Versucht es nur und ihr werdet mit mir sterben. Sie beschimpfen meinen alten Herrn und schieben ihn immer gegen die dreckige kalte Wand. Prügeln auf ihn ein und lachen über die Freude, die sie an einer Zerstörung haben. Ich kämpfe wild und entschlossen. Beiße und zerre an ihren Schenkeln. In meinem Maul schmecke ich endlich wieder frisches Blut und fange an, gefallen daran zu finden. Je lauter dieser Peiniger schreit und um sein Leben winselt, umso fester ziehe ich an seiner Wunde.
Die Schüsse leiten diese lauten Schreie und dieses wirre Chaos in eine endlose Stille.
Sie rennen davon, während ich nutzlos am Boden liege. In Ungnade winsele ich um Vergebung, da ich versagt habe, und ich würde so gern die Verletzungen tauschen, die mein Gebieter erleiden muss. Mit Ehrfurcht lecke ich an seiner Hand und bitte ihn inständig darum, am Leben zu bleiben. Doch er bemitleidet mich stattdessen und meint, dass alles gut wäre. „Du hast mutig gekämpft,... mein kleiner Samurai.“, sagt er. In seinen Augen verschwindet Leben, das kann ich sehen. Und an seinem Lächeln weiß ich, diesmal war er sich sicher, dass ich ihn verstanden habe.