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Lisa im Land der Träume
Es war einmal vor gar nicht allzu langer Zeit ein kleines Mädchen. Ihr Name war Lisa und sie hatte vier Brüder. Sie liebte es, mit ihren Puppen zu spielen, auch wenn sie immer allein spielen musste. Ihre Brüder waren älter und größer; sie verspotteten Lisa, wenn sie in einer Ecke saß und allein spielte.
Früher hatten sie sie gefragt, ob sie mit ihnen mitspielen wollte, aber Lisa hatte immer abgelehnt. Sie blieb lieber bei ihren Puppen, denen sie allen Namen gegeben hatte und mit denen sie sprach.
Eines Tages erzählte die kleine Lisa ihrer Mutter: „Du, Mami, ich habe heute Nacht von meinen Puppen geträumt!“ „Das ist doch schön!“, antwortete die Mutter. „Sie haben mir gesagt, dass sie es schön finden, dass ich lieber mit ihnen spiele, als mit meinen Brüdern!“
Seit diesem Tag träumte Lisa nur noch von ihren Puppen. Im Gegensatz zu ihren Brüdern freute sich Lisa jedes Mal darauf, denn dann hatte sie endlich Ruhe vor ihren Brüdern. Da sich ihre Brüder darüber wunderten, fragten sie ihre Mutter, was der Grund dafür sei, dass Lisa so gerne schlief. Sie erklärte ihnen das mit Lisas Träumen und als die Mutter und Lisa schliefen, schlossen die Brüder einen Pakt.
Lisa schlief indessen immer länger und ging immer früher ins Bett. Die Mutter war davon zwar nicht begeistert, ließ Lisa jedoch schlafen, wenn es ihr dadurch besser ging. Die Brüder wollten den festen Schlaf der kleinen Schwester ausnutzen und ihr eine Puppe stehlen. Der älteste, Frederick, machte den Anfang, während die anderen durch den Türspalt alles beobachteten. Er griff nach einer Puppe vor dem Bett, hob sie hoch und schaute sie an. „Dein letztes Stündlein hat geschlagen!“, sagte er und zeigte sie dann triumphierend seinen Brüdern. Doch statt zu gratulieren, rannten sie weg. Frederick drehte sich um. Auf dem Bett stand Lisa, aber sie kam ihm auf einmal so viel größer vor und ihre Augen leuchteten rot. „Gib mir meine Puppe wieder!“ Ihre Stimme klang kaum noch wie die seiner Schwester. Er ließ vor Schreck die Puppe fallen und rannte aus dem Zimmer.
Am nächsten Morgen spielte Lisa wie gewohnt mit ihren Puppen, so als ob nichts gewesen wäre. Die Brüder redeten sich ein, dass da nichts gewesen war und beschlossen den Plan nicht aufzugeben. Also versuchten sie es in der nächsten Nacht noch einmal. Diesmal ging Thomas hinein. „Du gehst hinein, holst die Puppe und kommst wieder raus!“, befahl Frederick. Diesmal klappte es. „Los, vergraben wir sie!“ Die vier schlichen sich aus dem Haus, rannten auf die Wiese und vergruben die Puppe.
Nachdem Lisa am nächsten Morgen aufgestanden war, erwarteten die vier schon sehnsüchtig die Reaktion ihrer kleinen Schwester. Doch nichts passierte! Als sie die Puppen, mit denen Lisa spielte genauer betrachteten, bemerkten sie unter ihnen auch die Puppe, die sie in der Nacht zuvor vergraben hatten. Verblüfft gingen sie zurück auf die Wiese und fanden ein leeres Loch vor. Im Haus erklärte Lisa inzwischen ihrer Mutter: „Meine Brüder haben heute Nacht eine meiner Puppen auf der Wiese vergraben.“ Die Mutter schaute sich alle Puppen an. „Es sind doch noch alle da! Und es hat auch keine ein schmutziges Kleidchen an!“ „Sie werden mir heute Nacht wieder eine Puppe stehlen! Und in meinem Traum haben die Puppen mir gesagt, dass sie es nicht immer schaffen werden zurückzukommen!“ „Das war nur ein Traum, Kleines!“, versuchte die Mutter ihre Tochter zu beruhigen und kümmerte sich weiter um den Haushalt.
Die Nacht darauf holten die Brüder wieder eine Puppe. Sie hackten ihr Arme, Beine und den Kopf ab und vergruben jedes Teil einzeln. Diesmal kam die Puppe nicht zurück und Lisa weinte den ganzen Tag bitterlich. Am Abend vor dem Ins-Bett-gehen, sagte Lisa zu ihrer Mutter: „Die Puppen haben mir gesagt, dass meine Brüder nicht aufhören werden, sie mir wegzunehmen. Aber sie haben mich lieb und wollen, dass ich bei ihnen bleibe.“ Die Mutter wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Also legte sie Lisa schlafen und ging selbst auch ins Bett.
Die Brüder zerteilten eine weitere Puppe und vergruben die Teile. Diese Puppe sollte die letzte sein, die sie zerstückelten. Lisa weinte nicht mehr um ihre Puppen. Sie lag schlafend in ihrem Bett und lächelte. Die Mutter kniete neben dem Bett und weinte. Lisa ist an diesem Morgen nicht mehr aufgewacht. Sie lebt jetzt im Land der Träume bei ihren Puppen...