Was ist neu

Lindenblüte-Rhabarber

Mitglied
Beitritt
11.06.2014
Beiträge
2

Lindenblüte-Rhabarber

Eine viel zu lange Weile hing mein Blick an seinem Lächeln. Es war schwer sich davon zu lösen und es war ansteckend. So standen wir also eine Zeit lang da: stumm und lächelnd, und ich vergaß für einen Moment den Lärm und die Menschenmassen um uns herum.
Er nahm meine Hand und wir schlenderten über den überfüllten Platz, durch die engen Gassen, vorbei an den kleinen, alten Häusern.
Immer wieder hielten wir inne und bewunderten die liebevoll mit Blumen geschmückten Balkone und die bunten Innenhöfe. Kinder spielten auf den Straßen. Sie wirkten dabei so unbesorgt und furchtlos, dass ich mich an meine eigene Kindheit zurück erinnerte. Alles wirkte so vertraut aber auch so unwirklich, in diesem fremden Dorf. Es schien wie in einem Film oder Roman, in dem wir die Hauptrollen spielten.
Plötzlich zog mir ein Gemisch von verschiedensten Düften in die Nase. Am Ende der Straße, an der Ecke, fanden wir einen winzigen Öl- und Seifenladen. Wir traten ein. Das Geschäft war leer. Ich griff in das Körbchen, das auf der Theke stand und hielt ihm ein Stück von der violetten Seife unter die Nase. Er verzog das Gesicht und wendete sich von mir ab. Ich las das Etikett: Lindenblüte-Rhabarber. Was hatte er an Lindenblüte und Rhabarber auszusetzen? Ich kam nicht dazu, ihn zu fragen. Er wartete draußen auf mich.
Auf dem Boden kniend hielt er einer streunenden Katze, die auf einer Treppenstufe saß, seine Hand hin. Das Tier ließ sich von ihm streicheln. Ich konnte erkennen, dass er das Gefühl, durch das weiche Katzenfell zu streichen, genoss. Dann kniete ich mich auch hin, worauf das Kätzchen erschrak und weg rannte, bis es schließlich auf die schon etwas zerfallene Stadtmauer sprang und verschwand. Sein vorwurfsvoller Blick machte mich ein wenig verlegen...

Nach einem langen Spaziergang durch den Park entdeckte ich eine Eisdiele. Ich schaute ihn an und zeigte auf das Café. Er nickte. Ich machte mich also auf den Weg und bestellte für mich eine Kugel Erdbeere und für ihn eine Kugel Stracciatella. Im Laden redeten die Leute laut und aufgebracht durcheinander. Ich hätte gern gewusst weshalb sie stritten, doch mein Spanisch war nicht gut genug.
Als ich ihm sein Eis brachte, stand er an einem Aussichtspunkt. Der Ausblick war wunderschön. Man konnte über die ziegelroten Dächer, bis hinten zu den Bergen schauen. Er hatte die Augen geschlossen und ein leichter Windzug fuhr ihm durch die Haare. Ich konnte ihm die innere Ruhe ansehen.
Er lächelte zufrieden, als er sein Eis entgegen nahm. Es schmeckte ihm.
Ich wusste, dass ich die richtige Sorte ausgewählt hatte. Ich wusste auch von seiner Schwäche für Liebesfilme, allerdings konnte er dies bisher noch nie wirklich zugegeben. Ich wusste so gut wie alles über ihn, obwohl wir uns zu diesem Zeitpunkt erst seit zwei Monaten kannten.
Aber eine Sache, die mich komischerweise schon die ganze Zeit beschäftigte, war mir noch unklar: „Wieso nicht Lindenblüte-Rhabarber?“, fragte ich. „Ich dachte, ich liege richtig, aber du hast das Gesicht verzogen..“
Begriff er, was ich meinte? Konnte er mir folgen?
Meine Hände taten mir weh. Es war so ungewohnt und ich kam mir wie immer ein wenig lächerlich vor.
Er schaute mich amüsiert an und legte sein typisches Grinsen auf.
Mit einer Mischung aus hektischen Handbewegungen und seiner sich verändernden Mimik versuchte er zu erklären. Ich schaute ihn verwirrt an, worauf er seine hastigen Bewegungen diesmal etwas langsamer wiederholte. Mehrmals.
Am Ende lachten wir beide.

Ich weiß bis heute nicht, ob wir uns damals richtig verstanden hatten.
Ich beherrschte die Gebärdensprache noch nicht so gut.

 

Hi Tashmetum,

Du hast recht, mit dem Aufbau habe ich mich noch gar nicht so richtig beschäftigt. Sollte ich mal machen. :)
Das ist auch meine erste richtige Geschichte, die ich geschrieben habe. Ich wollte mich mal ein bisschen ausprobieren. :)
Danke für die Kritik und die Tipps, ich nehme sie mir zu Herzen!

Liebe Grüße
Coco

 

Hallo Coco96,
mir hat die Geschichte insgesamt gefallen, ist anschaulich und lebendig geschrieben, vielleicht kannst Du sprachlich noch an der einen oder anderen Ecke etwas nachbessern (siehe Tashmetum). Allerdings finde ich Dein Ende etwas unter Wert "verschenkt": Die Pointe, dass der Mann taubstumm ist, ist wirklich super - aber das mit dem Lindenblüte-Rhabarber habe ich nicht ganz kapiert! Hat das irgendwo Verweisfunktion - und wenn: auf was? (Wieso tun plötzlich die Hände weh, warum wird er hektisch...?) Wäre sicherlich spannend, da etwas noch deutlicher herauswachsen zu lassen...

 
Zuletzt bearbeitet:

Servus Coco96, willkommen hier.
Der Kater meiner Söhne ist siebzehn Jahre alt und heißt Coco, kein Witz, aber das ist nicht der Grund dafür, dass ich deinen Text so ausgesprochen wohlwollend gelesen habe. Vielmehr ist es der Stil der Geschichte, weil mir der für dein Alter ungemein reif und sicher erscheint. Die Erwähnung deines Alters – immerhin gibst du es ja auch in deinem Profil an - soll jetzt nicht relativierend klingen, auch einen Erwachsenen hätte ich für diese sprachliche Souveränität gelobt.
Sprachlich stimmt in dem Text nämlich schon sehr viel, ob du dich nun über die Theorie des Schreibens schlau gemacht hast oder rein intuitiv so schreibst, sei mal dahingestellt, ein gutes Gefühl für den Umgang mit der Sprache scheinst du jedenfalls zu haben. Du bedienst dich einer abwechslungsreichen Syntax und hast offenbar ein Gespür für Satz- und Wortrhythmik, obendrein schreibst du nahezu fehlerfrei.
Nicht ganz so zufrieden bin ich mit der Geschichte an sich, also mit dem, was du mir hier erzählst. Auch wenn du einen einigermaßen unerwarteten Schluss bietest, der einen die Geschichte plötzlich mit anderen Augen sehen lässt, wirkt es bis dahin für mich nicht viel mehr als ein Tagebucheintrag, die sehr gefühlvolle Beschreibung eines Urlaubstages halt. Sehr schön und originell geschrieben, wie gesagt, aber mir, der ich ja nicht gerade deine beste Freundin bin, erscheint es einfach als zu wenig erzählenswert.

Die folgenden Beanstandungen mögen dir jetzt vielleicht kleinlich erscheinen, aber weil du für mein Gefühl schon auf einem beachtlichen Niveau schreibst, kannst du vielleicht was anfangen damit:

Eine viel zu lange Weile hing mein Blick an seinem Lächeln.
So gefiele es mir besser: Viel zu lange hing mein Blick an seinem Lächeln.

Es war schwer [Komma] sich davon zu lösen [Komma] und es war ansteckend.

und ich vergaß für einen Moment den Lärm und die Menschenmassen um uns herum.
Lies den Satz dreimal, und beim vierten Mal wirst du draufkommen, dass er ohne herum besser klingt.

dass ich mich an meine eigene Kindheit zurück erinnerte.
Siehe oben

Auf dem Boden kniend hielt er einer streunenden Katze, die auf einer Treppenstufe saß, seine Hand hin.
Streunen und sitzen schließen sich eigentlich aus. Überhaupt solltest du dir die Verwendung jedes Adjektivs bzw. Adverbs dreimal überlegen. Für die Situation hier ist es vollkommen irrelevant, ob das nun eine streunende oder eine sesshafte(?) Katze ist.

Man konnte über die ziegelroten Dächer, [kein Komma] bis hinten [schöner: bis hin] zu den Bergen schauen.

Er hatte die Augen geschlossen und ein leichter Windzug fuhr ihm durch die Haare. Ich konnte ihm die innere Ruhe ansehen.
Er lächelte zufrieden, als er sein Eis entgegen nahm. Es schmeckte ihm.
Dieses dreifache ihm könntest du durch nur geringfügig andere Wortwahl vermeiden.

Ich wusste auch von seiner Schwäche für Liebesfilme, allerdings konnte er dies bisher noch nie wirklich zugegeben.
Fast hab ich das Gefühl, du wolltest hier: … hatte er dies bisher noch nie wirklich zugegeben schreiben, was ja viel plausibler klänge.

Aber eine Sache, die mich komischerweise schon die ganze Zeit beschäftigte, war mir noch unklar: „Wieso nicht Lindenblüte-Rhabarber?“
Das verstand ich nicht recht. Meint die Erzählerin die ganze Zeit seit dem Besuch im Seifengschäft, oder die ganzen zwei Monate, die sie ihn kennt?

Er schaute mich amüsiert an und legte sein typisches Grinsen auf
Besser: setzte sein Grinsen auf. (Eine Gurkenmaske legt man sich auf.)

…und seiner sich verändernden Mimik versuchte er [Komma] zu erklären.

Also wenn das wirklich deine erste Geschichte ist, Coco, bin ich echt neugierig auf die zweite.

offshore

 

Hallo,

alles läuft auf diese eine Idee hinaus. Die Frage ist, was ist er denn? Taub? Stumm? Taubstumm? Gehörlos? Oder nur hochgradig schwerhörig? Das spielt eine Rolle in der Kommunikation, denn es gibt Taube oder Gehörlose, denen merkst du es nicht an, und die sprechen auch. Die pressen die Konsonanten oft, weil sie mal hochkomprimierende Hörsysteme getragen haben (oder CI), aber die sprechen. Und die lesen dir alles von den Lippen ab. Da dürfte es dann keine Schwierigkeiten in der Kommunikation geben. Du kannst natürlich sagen: Alles spielt im Ausland. (Es gibt auch internationale Gebärdensprache.) Dann fällt das mit dem Lippenlesen jedenfalls weg. Fände ich eventuell sogar interessanter. Jedenfalls würde ich es nicht ans Ende stellen, sondern dies als Detail verwenden. Wenn dies deine erste Geschichte ist, dann hast du hier ein Gerüst, auf dem du aufbauen kannst. Du kannst sie überarbeiten, denn schreiben kannst du sicherlich. Aber diese eine Idee so als Pointe am Ende, das ist oft schwierig, finde ich, das gibt mir als Leser wenig. Ich finde, man sollte da auch vorsichtig sein, denn du nimmst hier im Prinzip eine auditive Behinderung als Aufhänger für eine Romanze - warum sollte zwischen den beiden denn nicht als wie bei normalen Verliebten oder einem normalen Flirt laufen? Man könnte hier die Barrierefreiheit des Verliebtseins einfangen, jetzt nur so ein Beispiel.

Gruss, Jimmy

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom