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Limetten

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17.01.2015
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Limetten

Limetten lassen mich an die Haut meiner Frau denken. An ihre grobporige, fettige Haut. Daran, wie ich sie mit einem Küchenmesser von ihrem Fleisch schäle, um zu sehen, ob sie sich darunter versteckt.
»Das gleiche wie immer?« Eddie drückt ein Limettenviertel hinein und stellt den Ginger Ale auf den Tresen.
»New Yorker«, sage ich, »mit Limetten.«
»Einen alkoholfreien?«
»Genau, Eddie. Einen alkoholfreien New Yorker mit Limetten und Bourbon.«
Ich frage ihn, ob er glaubt, Äußerlichkeiten seien entscheidend.
»Auf den zweiten Blick nicht«, sagt er auf Zehenspitzen zum Flaschenregal gestreckt.
»Auf den ersten?«
»Und auf den dritten.«
Meine Frau wurde heute entlassen. Sie redet von dieser Bar, wenn sie sagt: »Erinnerst du dich an den Tag, an dem du mich das erste mal gesehen hast?«
Dann nicke ich und sie sagt: »Ich war so schön.«
»Du verwechselst das mit dem Tag, an dem du mich das erste mal gesehen hast«, sollte ich sagen, doch sage: »Ja, das warst du.«
Sie strauchelte über das wundgetretene Parkett, wie eine Antilope über einen zugefrorenen See. Die Hälfte der Gäste verrenkte den Nacken. Die übrigen blickten bereits in ihre Richtung, blickten auf ihre leopardenfarbenen Beine, auf ihre Brüste, die das Hello Kitty Shirt bis über ihren Bauchnabel rafften. Sie setzte sich auf den Hocker, auf dem ich sitze. Ich stand dort, wo Eddie steht. Ihre Lippen wie Cocktailkirschen sagten: »Hi.«
Zwischen diesen Moment und den, in dem sie sagte, das mit der Pille war gelogen, passten keine vier Jahreszeiten. Der Gedanke von Glück war in beiden Momenten. Der Gedanke, dass unser Leben zu dritt keinen zweiten Herbst sehen würde, in keinem.
Ihre Lippen schwebten vor mir wie hypnotische Pendel. Ich sagte: »Was?«
»Hi.« Sie grinste mich an. Oder lächelte. Irgendetwas dazwischen.
»Hätte nicht erwartet, dass so eine Frau sich hier her verirrt.«
»Was für eine Frau?«
»So eine wie Sie es sind.« Mein Kinn deutete auf die laminierte Karte. »Haben Sie sich schon entschieden?«
»Die Entscheidung wird mir meistens abgenommen.«
»Dann empfehle ich Ihnen einen New Yorker mit Limette.«
»Nein, Danke. Heute entscheide ich selbst. Ich will etwas verändern.« Sie legte den Kopf schief und sagte: »Ich hätte gerne einen New Yorker mit Limette.«
Ihr Ohr senkte sich fast bis auf ihre Schulter, als sie beobachtete, wie Whiskey, Grenadine und Limettensaft auf die Eiswürfel plätscherten und ineinander flossen.
»Was für eine Frau bin ich denn?«, fragte sie.
»Eine andere als vermutet, vermute ich.«
»Ich vermute, ich bin keine Frau, die man siezt.«
Ich schüttelte den Drink, siebte ab und reichte ihn ihr.
»Sie sind eine Frau, die auf einen Mann wartet.«
»Da bin ich keine Ausnahme.«
Sie setzte an und ließ den Glasboden durch den Raum rotieren. Weil sie ohne Strohhalm trinkt, habe ich nach meinem Antrag jeden Tag gekaute Kaugummis in unseren Spülkasten gestopft und Plastikhandschuhe angezogen.
Ich sagte: »Er wird Sie schon erkennen, sobald er hier auftaucht.«
»Das wird schwer.«
»Warum?«
»Das was Werbung mit Models macht«, sagte sie und hielt mir ihr Handy unter die Nase, »das mache ich mit mir. In die andere Richtung.« Ich tat als überraschte mich, wen das Bild zeigte, dabei überraschte mich, wer mir das Bild zeigte.
Wenn man meinen richtigen Namen in die Suchleiste der Website auf dem Display tippte, erhielt man null Treffer. Bevor ich mich dort angemeldet habe, hatte ich es mit Speeddating versucht. Sobald ich ihnen gegenüber saß, waren die Frauen nicht traurig, dass es bis zum Tischwechsel nur fünf Minuten dauerte. Die Unterhaltungen endeten meistens mit: »Hallo. Mein Name ist soundso.«
Im Internet endeten sie mit: »Zwei Stunden hab ich in der abgefuckten Bar auf dich blödes Arschloch gewartet.«
Begonnen haben sie mit: »Hallo, Sie hören das bestimmt oft, aber Ihre Ähnlichkeit mit demunddem ist wirklich verblüffend.«
So dreist, für mein Profil Fotos von Oscarpreisträgern auf dem roten Teppich zu verwenden, war ich natürlich nicht. Ich beschränkte mich auf die Nominierten.
Als finanziell unabhängiger Geschäftsmann war ich bereit all meine Kraft in neue Liebe zu stecken. Meine Hobbys: Sport, Familie, Zuhören.
Ich wollte mehr als Nachrichtenverläufe, bei denen ich die Tastatur mit einer Hand bediente. Also mischte ich jeden Drink doppelt und prostete den Frauen zu, während sie auf mein Alter Ego warteten.
Man könnte meinen, die Realität hat mich eingeholt. Aber das hat sie nicht. Bevor ich loslief, hatte sie mich bereits überrundet.
Meine Frau schrieb ich an, nachdem ich das eingesehen habe. Niedrigere Ziele, niedrigere Frustration. Laut Profil war sie Model für Ernährungsprogramme. Aber nicht wie angegeben die Frau auf dem Vorher- sondern dem Nachherbild. Sie saß an der Bar und trank und trank und sagte, vielleicht könnten schöne Menschen nicht auf Oberflächlichkeit verzichten.
»Womit hab ich dich nur verdient?« Das hab ich sie früher oft gefragt, wenn sie auf meiner Brust lag und ich die Pfirsichhaut über ihren Wangenknochen streichelte. Die selben sechs Worte sagte ich noch bis zu ihrer Einweisung, aber die Frage war eine andere geworden.
Ich musste sie mir verdienen, indem ich mehr verdiente. Das dachte ich.
Dank meinem Alkoholismus verliefen die Vorstellungsgespräche in etwa wie das Speeddating. Mein Versuch, ihn als Berufskrankheit profitabel zu machen, wurde abgelehnt. Ich überlegte, was den Leuten fehlte, die sich an den Tresen setzten. Dann sicherte ich mir das Patent auf ein simples Authentifizierungssystem mittels Personalausweis, das Partnerbörsen vor Betrügern mit falschen Identitäten schützt. Eddie arbeitete von nun an sechs Abende die Woche.
Vom ersten Scheck kaufte ich mir einen Stepper. Vom zweiten ein Abonnement im Fitnessstudio. Vom zwölften gestrichelte Filzstiftlinien auf meinen Gesichtszügen.
Während der Kur legte sie mir die Hand auf meine schwitzende Stirn und sagte: »Bald bist du wieder der Alte.« »Hoffentlich nicht.«
Wir saßen in der Bar. Ich trank Ginger Ale, sie New Yorker mit Limette. Nach ihrem letzten Schluck suchten meine Augen zwischen den Eiswürfeln nach dem halben Monatsgehalt eines Barkeepers. Dass sie es nicht verschluckt hatte, erfuhr ich erst zwei Wochen später.
»Ja, ich will.«, sagte sie und präsentierte den 585er Weißgoldring auf ihrer Handfläche.
Ich steckte bis zu den Ellenbogen in der Kloschüssel.
Sie sagte: »Ich glaube, das bedeutet, du hast wirklich Gefühle für mich.«
Ich glaube, das bedeutet, ich hatte wirklich Gefühle für 483 Euro.
Sie küsste mich und schlang ihre Arme um meinen Körper wie um einen querschnittsgelähmten Teddybären. Dann seufzte sie zufrieden und sagte: »Beschmier die neue Bluse bloß nicht mit meiner eigenen Scheiße.«
Manchmal stand sie vor dem Spiegel und betrachtete, was unsere Tochter an ihrem Körper hinterlassen, was sie von ihr übrig gelassen hatte.
Wir ergänzten uns perfekt. Die Kilos, die ich verlor, sammelte sie wieder auf. Die Flaschen, die ich nicht mehr anrührte, trank sie leer. Das Geld, das ich verdiente, gab sie aus.
Wir wurden zu den Menschen, die wir vorgegeben haben zu sein.
Ich sagte: »Wenn du das Haus mal wieder verlassen würdest, würdest du merken, dass unsere Fassade abgebröckelt ist.«
»Männer im mittleren Alter können doch ein Telefonbuch benutzen«, sagte sie. »Versuchs mal unter M wie Maler.«
Als unsere Streits heftiger wurden, sagte sie, sie gehe Aspirin kaufen. Nicht, weil sie Kopfschmerzen hätte, sondern um ihnen vorzubeugen. Wenn sie zurückkam, fragte ich, welche Art von Aspirin Menschen in hysterische Zombies verwandelt.
Ich begann wieder Kaugummis zu kauen und Plastikhandschuhe anzuziehen. Nach der Analyse der vierten Urinprobe sagte man mir, sie mache ihre Besorgungen nun nicht mehr in Apotheken.
»Was gibt’s heute eigentlich zu feiern?«, fragt Eddie.
»Bin seit 103 Monaten trocken.«
Eddie halbiert, viertelt, achtelt eine Limette, die mit schwarzen Flecken überzogen ist.
»Willst du die wirklich noch verwenden?«
Er schält die Haut ab und sagt: »Limetten faulen von außen.«
Menschen nicht.
Wir haben die Kleine verbrennen lassen. Auch ein geschlossener Sarg hätte die Bisswunden nicht verschwinden lassen können. Nichts hört auf zu existieren, weil man es nicht mehr sieht.
Schuld, sagten die Ärzte, sei wahrscheinlich das Phencyclidin. Es sei schon vorgekommen, dass Konsumenten ihr Haustier mit einer Bastelschere zerfleischt hätten. Oder sich bei einer Fahrzeugkontrolle die Augen ausgekratzt und den Beamten anstelle des Führerscheins in die Hand gedrückt hätten.
Hässlichkeit. Nur zu, sagen Sie es. Selbst das Wort spricht sich, als würde die Zunge in das versiffte Ende einer Rolltreppe gezogen. Aber in einem Punkt überschneidet sie sich mit der Schönheit. Sie kommt von innen.
Ich klopfe mit der Faust auf den Tresen und bemühe mich gerade zu stehen.
Eddie sagt: »Bleib Sauber.«
»Mach ich.« Für 2,95 Euro bekam man die reduzierte Vorteilspackung mit 50 Plastikhandschuhen

 

Hallo oewis,

herzlich willkommen hier.

Limetten lassen mich an die Haut meiner Frau denken. An ihre grobporige, fettige Haut. Daran, wie ich sie mit einem Küchenmesser von ihrem Fleisch schäle, um zu sehen, ob sie sich darunter versteckt.

Du bietest hier einen interessanten Einstieg. Auch wenn ich Limetten jetzt nicht gerade abstoßend finde. Nach diesem Einstieg habe ich deine Geschichte zu Ende gelesen. Einmal. Zweimal. Und ein paar Stellen auch dreimal. Aber nicht, weil sie mir jetzt so gut gefallen hat - ich möchte aber gleich vorwegnehmen, irgendwas hat sie - sondern, weil ich sie einfach nicht verstehe. Früher hätte ich so etwas nie zugegeben, aber heute scheiß ich mir da nix mehr. Und wenn es am Ende vielleicht auch nur bedeutet, dass ich einfach zu blöd für deine Geschichte bin, aber du musst mir hier auf die Sprünge helfen. Ich check hier so vieles nicht. Was macht der Ich-Erzähler mit den Kaugummis und den Plastikhandschuhen? Warum fängt seine Frau dann plötzlich zu saufen an? Hat es damit zu tun, was mit der Tochter passiert ist? Und überhaupt: Was ist mit ihr passiert?

Trotzdem, wie vorhin schon erwähnt, irgendwas hat dein Text. An einigen Stellen musste ich schmunzeln. Du versuchst es mit einem etwas unterschwelligen Witz, der manchmal mehr und manchmal weniger offensichtlich ist. Wahrscheinlich steckt auch noch viel mehr Witz oder Sarkasmus, nenn es wie du willst, dahinter, der sich mir aber verschließt, weil ich der Handlung einfach nicht folgen konnte.

Also leider konnte ich deinem Text aus genanntem Grund nicht wirklich viel abgewinnen. Ich bin gespannt, wie es anderen Lesern hier geht. Oder ich lese ihn morgen nochmal, vielleicht stellt sich ja doch irgendwann ein Aha-Effekt ein.

Viel Spaß noch hier.

Gruß,
rehla

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo oewis,

und herzlich Willkommen hier bei den Wortkriegern.

Das ist ein sonderbarer Text, teilweise mit für mich unglaublich guten Sätzen, wo ich denke, klasse, wie der das sagt, aber im Gesamten möchte ich mal behaupten, dass du im Schreibfluss vergessen hast, an den Leser zu denken.

Genau wie rehla komme ich bei manchen Sachen einfach nicht mit.
Was ich herauslese:

Er sitzt in der Bar, in der das Paar sehr oft gesoffen hat. Wahrscheinlich beide Alkoholiker, sie hatte noch weitere Probleme. Sie wurde schwanger, bekam das Kind, war nach irgendwelchem Zeug süchtig, was ihr Hirn verrückt werden ließ, so, dass sie das gemeinsame Kind tot gebissen hat. Sie war aufgrund der Tat entweder in der Klapse oder im Knast und wird an dem Tag entlassen, an dem die Rückblenden erzählt werden.
Das zur groben Handlung.

Nun direkt zum Text, wo ich dir ein paar Dinge aufzählen möchte, damit du weißt, wo ich Probleme habe:

»Das gleiche wie immer?« Eddie drückt ein Limettenviertel hinein und stellt den Ginger Ale auf den Tresen.
»New Yorker«, sage ich, »mit Limetten.«
»Einen alkoholfreien?«
»Genau, Eddie. Einen alkoholfreien New Yorker mit Limetten und Bourbon.«

Hier hast du mit dem fettgedruckten Satz eine für den Leser verwirrende Information drin. Den Ginger Ale macht der Keeper für einen anderen Gast. So, wie es aber hier beschrieben wird, lese ich heraus, dass Eddie weiß, was der Protagonist trinken will und ihm den Ginger Ale vor die Nase stellt. Dann aber bestellt er erst den New Yorker.
Das sind Kleinigkeiten, aber solche Verwirrungen ziehen sich bei dir durch den ganzen Text, vermute ich, so, dass es dem Leser schwerfällt, alle Zusammenhänge zu verstehen.

Meine Frau wurde heute entlassen. Sie redet von dieser Bar, wenn sie sagt: »Erinnerst du dich an den Tag, an dem du mich das erste mal gesehen hast?«
Dann nicke ich und sie sagt: »Ich war so schön.«
»Du verwechselst das mit dem Tag, an dem du mich das erste mal gesehen hast«, sollte ich sagen, doch sage: »Ja, das warst du.«

Sehr schön.


Sie strauchelte über das wundgetretene Parkett, wie eine Antilope über einen zugefrorenen See.

Dieser Satz zeigt mir auch, dass es nicht an mir liegt, deinen Text nicht ganz zu verstehen :D.

Antilopen leben in Klimazonen über 0° C.


Zwischen diesen Moment und den, in dem sie sagte, das mit der Pille war gelogen, passten keine vier Jahreszeiten. Der Gedanke von Glück war in beiden Momenten. Der Gedanke, dass unser Leben zu dritt keinen zweiten Herbst sehen würde, in keinem.

Zwischen diesem Moment und dem,
Das sind zwei Sätze, die mir gefallen.


»Was für eine Frau bin ich denn?«, fragte sie.
»Eine andere als vermutet, vermute ich.«
»Ich vermute, ich bin keine Frau, die man siezt.«

Schön.

Ich schüttelte den Drink, siebte ab und reichte ihn ihr.

Das wiederum verstehe ich nicht. Da dachte ich: Hä, ist das nun auf einmal der Barkeeper?

Sie setzte an und ließ den Glasboden durch den Raum rotieren.
Schön.


Weil sie ohne Strohhalm trinkt, habe ich nach meinem Antrag jeden Tag gekaute Kaugummis in unseren Spülkasten gestopft und Plastikhandschuhe angezogen.
Hey, hier ist wohl auch einer der Dreh- und Angelpunkte in der Geschichte. Ich verstehe das mit den Kaugummis nicht, soviel ich auch überlege.
Das mit den Handschuhen wäre noch zu interpretieren, dass er Kotze oder Scheiße wegputzen muss - aber die Kaugummis?

Ich tat als überraschte mich, wen das Bild zeigte, dabei überraschte mich, wer mir das Bild zeigte.
Versteh ich auch nicht.


Meine Frau schrieb ich an, nachdem ich das eingesehen habe. Niedrigere Ziele, niedrigere Frustration. Laut Profil war sie Model für Ernährungsprogramme. Aber nicht wie angegeben die Frau auf dem Vorher- sondern dem Nachherbild.

Das ist für mich ungenau. Sie war ja noch nicht seine Frau, als er sie anschrieb. Weißt du, viele solche Ungenauigkeiten machen es dem Leser schwer, sich die Geschichte zusammenzustricken. Die wissen ja nicht soviel wie du als Autor.

»Womit hab ich dich nur verdient?« Das hab ich sie früher oft gefragt, wenn sie auf meiner Brust lag und ich die Pfirsichhaut über ihren Wangenknochen streichelte. Die selben sechs Worte sagte ich noch bis zu ihrer Einweisung, aber die Frage war eine andere geworden.

fehlt da nicht ein oft?

Vom ersten Scheck kaufte ich mir einen Stepper. Vom zweiten ein Abonnement im Fitnessstudio. Vom zwölften gestrichelte Filzstiftlinien auf meinen Gesichtszügen.
Klasse.


Wir saßen in der Bar. Ich trank Ginger Ale, sie New Yorker mit Limette. Nach ihrem letzten Schluck suchten meine Augen zwischen den Eiswürfeln nach dem halben Monatsgehalt eines Barkeepers. Dass sie es nicht verschluckt hatte, erfuhr ich erst zwei Wochen später.
Du hast gute Ideen, Handlungsabläufe zu beschreiben. Der Leser muss mitdenken. Aber hier ist wieder eine Stelle, wo ich nicht durchsteige, sorry.
Zwischen den Eiswürfeln - lutscht sie diese, als das Glas leer ist und er bezahlt in dem Augenblick?
Oder starrt er durch die Eiswürfel und überlegt, wie viel sie versoffen hat?
Oder hat sie ihn um eine Geldsumme gebeten, die ungefähr die Hälfte des Barkeeperlohnes ausmacht?

Ich steckte bis zu den Ellenbogen in der Kloschüssel.
?


Ich begann wieder Kaugummis zu kauen und Plastikhandschuhe anzuziehen. Nach der Analyse der vierten Urinprobe sagte man mir, sie mache ihre Besorgungen nun nicht mehr in Apotheken.

?

»Mach ich.« Für 2,95 Euro bekam man die reduzierte Vorteilspackung mit 50 Plastikhandschuhen
Oder hat der eine Putzphobie?


Du merkst: Fragen über Fragen.

Nun habe ich recht viel geschrieben, dafür, dass du hier deinen ersten Beitrag eingestellt hast. Ich kann ja nur hoffen, dass ich nicht ins Leere kommentiert habe ;).

Liebe Grüße
bernadette

 

Hallo ihr beiden,

Ein dickes Dankeschön für die Lektüre und offene Kritik meiner Geschichte, sowie die freundliche Aufnahme meiner (in digitale Form gepressten) Wenigkeit in dieses Forum.

Vorweg: Mein Schreibstil rührt wahrscheinlich daher, dass ich mich selbst beim Lesen schnell langweile. Ich finde eine Geschichte meist wirkungsvoller, wenn sich die Lücken auf dem Papier erst im Kopf schließen. Wenn die Lücken aber zu groß und uneinsichtig sind und das Lesen zu einer anstrengenden, unbefriedigenden Quälerei wird, ist das natürlich alles für die Tonne.
Eure Kommentare haben mir davon einige aufgezeigt, die als Autor anfangs schwer zu finden sind, wenn man die ganze Geschichte im Kopf und zu wenig Distanz dazu hat - sich so nicht sicher sein kann, welche Informationen ausreichen. Das werde ich bei der nächsten Überarbeitung beachten und versuchen ein bisschen mehr an den Leser zu denken, den ich vorher nicht hatte.

Zuerst einmal zu dir, rehla:

Ich tendiere dazu, mir eine zu unpräzise und -ausgereifte, alias schlechte, Schreibweise zu unterstellen, als dir irgendeine Form von Blödheit. :D
Vielleicht hilft es dir auf die Sprünge, die einzelnen Puzzlestücke, die in den Text eingestreut sind, anders angeordnet vor dir zu sehen. Wenn das so ist (oder auch nicht), hilft mir das bei der Schwachstellensuche ein ganzes Stück weiter.

Was macht der Ich-Erzähler mit den Kaugummis und den Plastikhandschuhen?

Wir saßen in der Bar. Ich trank Ginger Ale, sie New Yorker mit Limette. Nach ihrem letzten Schluck suchten meine Augen zwischen den Eiswürfeln nach dem halben Monatsgehalt eines Barkeepers.

Weil sie ohne Strohhalm trinkt, habe ich nach meinem Antrag jeden Tag gekaute Kaugummis in unseren Spülkasten gestopft und Plastikhandschuhe angezogen.

Dass sie es nicht verschluckt hatte, erfuhr ich erst zwei Wochen später.

»Ja, ich will.«, sagte sie und präsentierte den 585er Weißgoldring auf ihrer Handfläche.
Ich steckte bis zu den Ellenbogen in der Kloschüssel.
Sie sagte: »Ich glaube, das bedeutet, du hast wirklich Gefühle für mich.«
Ich glaube, das bedeutet, ich hatte wirklich Gefühle für 483 Euro.
Sie küsste mich und schlang ihre Arme um meinen Körper wie um einen querschnittsgelähmten Teddybären. Dann seufzte sie zufrieden und sagte: »Beschmier die neue Bluse bloß nicht mit meiner eigenen Scheiße.«


Wenn ich diesen Teil so vor mir sehe, fallen mir auch schon einige Stellen auf, die ich versuchen werde, eindeutiger zu schreiben, aber vielleicht kannst du den Handlungsverlauf rund um den Heiratsantrag, den verschluckt geglaubten Ehering und ihren darauffolgenden Test (Ist er so oberflächlich wie meine vorherigen Liebhaber oder meint er es ernst?) auf diese Weise ja nachvollziehen.
Vielleicht sollte ich besser schreiben, dass er den Spülkasten mit Kaugummis verstopft, anstatt sie nur hineinzustopfen.

Warum fängt seine Frau dann plötzlich zu saufen an?

Manchmal stand sie vor dem Spiegel und betrachtete, was unsere Tochter an ihrem Körper hinterlassen, was sie von ihr übrig gelassen hatte.

»Ich war so schön.«


Du hast Recht, diese Charakterentwicklung kommt zu plötzlich. Ich lasse mir etwas einfallen.

Hat es damit zu tun, was mit der Tochter passiert ist?

Das was mit der Tochter passiert, hat eher damit zu tun, was ihr durch die Tochter passiert ist, bzw. damit, dass sie dann anfing zu saufen und schließlich der Realität mit anderen Substanzen zu entfliehen.

Als unsere Streits heftiger wurden, sagte sie, sie gehe Aspirin kaufen. Nicht, weil sie Kopfschmerzen hätte, sondern um ihnen vorzubeugen. Wenn sie zurückkam, fragte ich, welche Art von Aspirin Menschen in hysterische Zombies verwandelt.
Ich begann wieder Kaugummis zu kauen und Plastikhandschuhe anzuziehen. Nach der Analyse der vierten Urinprobe sagte man mir, sie mache ihre Besorgungen nun nicht mehr in Apotheken.

Schuld, sagten die Ärzte, sei wahrscheinlich das Phencyclidin.


Und überhaupt: Was ist mit ihr passiert?

Schuld, sagten die Ärzte, sei wahrscheinlich das Phencyclidin. Es sei schon vorgekommen, dass Konsumenten ihr Haustier mit einer Bastelschere zerfleischt hätten. Oder sich bei einer Fahrzeugkontrolle die Augen ausgekratzt und den Beamten anstelle des Führerscheins in die Hand gedrückt hätten.

»Womit hab ich dich nur verdient?« Das hab ich sie früher oft gefragt, wenn sie auf meiner Brust lag und ich die Pfirsichhaut über ihren Wangenknochen streichelte. Die selben sechs Worte sagte ich noch bis zu ihrer Einweisung, aber die Frage war eine andere geworden.

Meine Frau wurde heute entlassen.

Wir haben die Kleine verbrennen lassen. Auch ein geschlossener Sarg hätte die Bisswunden nicht verschwinden lassen können.


Auch hier sollte ich mich vermutlich noch etwas präzisieren.

Trotzdem, wie vorhin schon erwähnt, irgendwas hat dein Text. An einigen Stellen musste ich schmunzeln. Du versuchst es mit einem etwas unterschwelligen Witz, der manchmal mehr und manchmal weniger offensichtlich ist. Wahrscheinlich steckt auch noch viel mehr Witz oder Sarkasmus, nenn es wie du willst, dahinter, der sich mir aber verschließt, weil ich der Handlung einfach nicht folgen konnte.

Danke hierfür. Mich würde wirklich interessieren, was dieses irgendwas sein könnte. Vielleicht könnte ich darauf aufbauen.
Auch wenn ich nicht genau weiß, was du an Witz und Sarkasmus aus dem Text mitgenommen hast, glaube ich, dich hier enttäuschen zu müssen. Das, was sich dir verschließt, ist der Abgrund, in den die Charaktere fallen, die Grausamkeit, die sich vielleicht noch zwei oder drei Schriftgrößen zu klein zwischen den Zeilen versteckt. Das, was man oft gar nicht so genau wissen will.

Nun zu dir, bernadette:

Das ist ein sonderbarer Text, teilweise mit für mich unglaublich guten Sätzen, wo ich denke, klasse, wie der das sagt, aber im Gesamten möchte ich mal behaupten, dass du im Schreibfluss vergessen hast, an den Leser zu denken.

Vielen Dank für das unerwartete Lob für meine Sätzchen, plus: Behauptung bestätigt. Zumindest konnte ich mich nicht ausreichend in ihn hineinversetzen.

Deine Einschätzung der groben Handlung ist richtig, bis auf diesen Punkt:

Wahrscheinlich beide Alkoholiker, sie hatte noch weitere Probleme. Sie wurde schwanger, bekam das Kind...

Ihre Alkohol und Drogenprobleme kamen erst nach der Geburt des Kindes. Ihre Verwandlung und die ihres Mannes sind wie zwei Grafen. Ihrer konstant fallend, seiner steigend.
„Wir wurden zu den Menschen, die wir vorgegeben haben zu sein.“
Der Verlust ihrer einstiegen Schönheit, der Aufstieg ihres Mannes.

Ihr Mann will sich für sie verändern. „ »Womit hab ich dich nur verdient?« “ (Ich hoffe, meine Faulheit, die Chevrons auszutauschen, wird mir verziehen.)

Während der Kur legte sie mir die Hand auf meine schwitzende Stirn und sagte: »Bald bist du wieder der Alte.« »Hoffentlich nicht.«
Wir saßen in der Bar. Ich trank Ginger Ale, sie New Yorker mit Limette.
[Quote/]
Er sagt sich vom Alkohol, seinem Lieblingsdrink, einem New Yorker mit Limetten, los und trinkt fortan Ginger Ale. Bis zu diesem Tag, an dem seine Frau entlassen wird.

Hiermit kommen wir auch zu deinem ersten Zitat.

»Das gleiche wie immer?« Eddie drückt ein Limettenviertel hinein und stellt den Ginger Ale auf den Tresen.
»New Yorker«, sage ich, »mit Limetten.«
»Einen alkoholfreien?«
»Genau, Eddie. Einen alkoholfreien New Yorker mit Limetten und Bourbon.«
[...]
»Was gibt’s heute eigentlich zu feiern?«, fragt Eddie.
»Bin seit 103 Monaten trocken.«
Den Dialogbeginn werde ich versuchen, unmissverständlicher zu formulieren.
Vielleicht sollte ich am Ende der Klarheit zuliebe noch etwas ergänzen, wie: „ »Was gibt’s heute eigentlich zu feiern?«, fragt Eddie und stellt mir noch einen Drink auf den Tresen. „
Habe mich anfangs dagegen entschieden, weil ich fand, dass es zu sehr auf einen Witz abzielt.

Sie strauchelte über das wundgetretene Parkett, wie eine Antilope über einen zugefrorenen See.
Dieser Satz zeigt mir auch, dass es nicht an mir liegt, deinen Text nicht ganz zu verstehen..

Antilopen leben in Klimazonen über 0° C.

...weshalb man sie wohl eher selten auf einen zugefrorenem See antreffen wird. :D
Genau wie man außergewöhnlich schöne Frauen selten in heruntergekommenen Bars antrifft. Und wenn doch, würden sie sich wohl etwas unsicher bewegen.

Aber du hast Recht. Wenn dieser Vergleich vom Leser als Bekenntnis meiner mangelnden Gemeinbildung interpretiert wird, sollte ich ihn besser präzisieren oder gleich ganz rausschmeißen.

Zwischen diesem Moment und dem,
Das sind zwei Sätze, die mir gefallen.
Vielleicht irre ich mich hier auch, aber: Zwischen meinem Ring- und meinem Zeigefinger, passt mein Mittelfinger?
Und den Finger jetzt bitte nicht persönlich nehmen, mir ist gerade kein besseres Beispiel eingefallen.

Dankeschön, das freut mich. Auch, wenn ich letzteren persönlich schon fast zu pathetisch finde.

Ich schüttelte den Drink, siebte ab und reichte ihn ihr.
Das wiederum verstehe ich nicht. Da dachte ich: Hä, ist das nun auf einmal der Barkeeper?
Da dachtest du genau richtig.
(»Du verwechselst das mit dem Tag, an dem du mich das erste mal gesehen hast«, sollte ich sagen, doch sage: »Ja, das warst du.«)
Sie strauchelte über das wundgetretene Parkett, wie eine Antilope über einen zugefrorenen See. Die Hälfte der Gäste verrenkte den Nacken. Die übrigen blickten bereits in ihre Richtung, blickten auf ihre leopardenfarbenen Beine, auf ihre Brüste, die das Hello Kitty Shirt bis über ihren Bauchnabel rafften. Sie setzte sich auf den Hocker, auf dem ich sitze. Ich stand dort, wo Eddie steht.
Wäre es verständlicher, wenn ich beispielsweise schreiben würde: „auf dem ich jetzt sitze/wo Eddie in diesem Moment steht“?

Hey, hier ist wohl auch einer der Dreh- und Angelpunkte in der Geschichte. Ich verstehe das mit den Kaugummis nicht, soviel ich auch überlege.
Das mit den Handschuhen wäre noch zu interpretieren, dass er Kotze oder Scheiße wegputzen muss - aber die Kaugummis?
Dürfte ich dich hierzu auf den Punkt „Was macht der Ich-Erzähler mit den Kaugummis und den Plastikhandschuhen?“ ein paar Mausscrolls weiter oben verweisen?

Ich tat als überraschte mich, wen das Bild zeigte, dabei überraschte mich, wer mir das Bild zeigte.
Versteh ich auch nicht.
Er ist überrascht, weil er die „Frau auf dem Nachherbild“ erwartet hat, aber nun diese wunderschöne Version von ihr vor ihm am Tresen steht und ihm das Handy mit dem Bild zeigt, das er von ihr kannte, da er sie ja selbst auf dieser Internetdatingplattform angeschrieben hat. „Meine Frau schrieb ich an, nachdem ich das eingesehen habe. Niedrigere Ziele, niedrigere Frustration. „
Vielleicht wird es hierdurch deutlicher?
Meine Frau wurde heute entlassen. Sie redet von dieser Bar, wenn sie sagt: »Erinnerst du dich an den Tag, an dem du mich das erste mal gesehen hast?«
Dann nicke ich und sie sagt: »Ich war so schön.«
»Du verwechselst das mit dem Tag, an dem du mich das erste mal gesehen hast«, sollte ich sagen, doch sage: »Ja, das warst du.«
Das ist für mich ungenau. Sie war ja noch nicht seine Frau, als er sie anschrieb. Weißt du, viele solche Ungenauigkeiten machen es dem Leser schwer, sich die Geschichte zusammenzustricken. Die wissen ja nicht soviel wie du als Autor.
Ich arbeite daran.
»Womit hab ich dich nur verdient?« Das hab ich sie früher oft gefragt, wenn sie auf meiner Brust lag und ich die Pfirsichhaut über ihren Wangenknochen streichelte. Die selben sechs Worte sagte ich noch bis zu ihrer Einweisung, aber die Frage war eine andere geworden.
fehlt da nicht ein oft?
Für mich klang es ohne die Dopplung runder, aber ich kann es einbauen.
Wir saßen in der Bar. Ich trank Ginger Ale, sie New Yorker mit Limette. Nach ihrem letzten Schluck suchten meine Augen zwischen den Eiswürfeln nach dem halben Monatsgehalt eines Barkeepers. Dass sie es nicht verschluckt hatte, erfuhr ich erst zwei Wochen später.
Du hast gute Ideen, Handlungsabläufe zu beschreiben. Der Leser muss mitdenken. Aber hier ist wieder eine Stelle, wo ich nicht durchsteige, sorry.
Zwischen den Eiswürfeln - lutscht sie diese, als das Glas leer ist und er bezahlt in dem Augenblick?
Oder starrt er durch die Eiswürfel und überlegt, wie viel sie versoffen hat?
Oder hat sie ihn um eine Geldsumme gebeten, die ungefähr die Hälfte des Barkeeperlohnes ausmacht?
Danke für das Lob und die vorherigen, die ich gerade übersprungen habe.
Vielleicht hat sich dir diese Szene ja erschlossen, als du „Was macht der Ich-Erzähler mit den Kaugummis und den Plastikhandschuhen?“ gelesen hast.

halbes Monatsgehalt eines Barkeepers – 483 Euro - 585er Weißgoldring
Danach sucht er zwischen den Eiswürfeln; danach sucht er mit den plastikbehandschuhten Händen bis zu den Ellenbogen in der Klobrille.

Ich begann wieder Kaugummis zu kauen und Plastikhandschuhe anzuziehen. Nach der Analyse der vierten Urinprobe sagte man mir, sie mache ihre Besorgungen nun nicht mehr in Apotheken.
Seine Frau kommt sichtlich berauscht nach Hause. Er verstopft die Toilette erneut und lässt ihren Urin analysieren, um herauszufinden von was. Anfangs berauscht sie sich noch mit Medikamenten aus der Apotheke, bei der vierten Probe finden sie illegale Substanzen, für die sie den Weg auf die Straße machen muss.

Seine Frau wird nach dem was sie getan hat an diesem Tag entlassen.

Eddie sagt: »Bleib sauber.«
»Mach ich.« Für 2,95 Euro bekam man die reduzierte Vorteilspackung mit 50 Plastikhandschuhen.
Anstatt »Bleib sauber.« sagte Eddie in meiner ersten Fassung »Mach dir die Hände nicht schmutzig.«, aber war für mich etwas über das Ziel hinaus. Was meint ihr?

Nun ist meine Erläuterung doppelt so lange wie meine Geschichte. Und ich bezweifle auch, dass hiermit alle Fragen geklärt sind.
Aber mit eurer Unterstützung wird daraus vielleicht letzten Endes ja doch noch ein lesbarer Text. Mich würde das zumindest freuen.

Grüße,
öwis

 
Zuletzt bearbeitet:

Boah, öwis, ich finde echt, du verlangst brutal viel vom Leser, jetzt auch noch nach deinen Erklärungen. Ich werde jetzt mal noch abwarten, was da andere - vielleicht noch intelligentere Leser als rehla und ich :D - dazu sagen. Danach melde ich mich sicher noch einmal.
Was mich natürlich sehr gefreut hat ist deine ausführliche Rückmeldung: Das ist ein Einstand, wie wir ihn lieben.

 

Hallo öwis,

Nun ist meine Erläuterung doppelt so lange wie meine Geschichte. Und ich bezweifle auch, dass hiermit alle Fragen geklärt sind.

damit triffst du genau ins Schwarze. Aber man kann dir zumindest nicht unterstellen, du wärst nicht bemüht. Natürlich ist es nie gut, wenn man dem Leser nachträglich so viel erklären muss. Und ich muss mich bernadette leider anschließen, ich blick immer noch nicht richtig durch.

Was macht der Ich-Erzähler mit den Kaugummis und den Plastikhandschuhen?

Wir saßen in der Bar. Ich trank Ginger Ale, sie New Yorker mit Limette. Nach ihrem letzten Schluck suchten meine Augen zwischen den Eiswürfeln nach dem halben Monatsgehalt eines Barkeepers.

Weil sie ohne Strohhalm trinkt, habe ich nach meinem Antrag jeden Tag gekaute Kaugummis in unseren Spülkasten gestopft und Plastikhandschuhe angezogen.

Dass sie es nicht verschluckt hatte, erfuhr ich erst zwei Wochen später.

»Ja, ich will.«, sagte sie und präsentierte den 585er Weißgoldring auf ihrer Handfläche.
Ich steckte bis zu den Ellenbogen in der Kloschüssel.
Sie sagte: »Ich glaube, das bedeutet, du hast wirklich Gefühle für mich.«
Ich glaube, das bedeutet, ich hatte wirklich Gefühle für 483 Euro.
Sie küsste mich und schlang ihre Arme um meinen Körper wie um einen querschnittsgelähmten Teddybären. Dann seufzte sie zufrieden und sagte: »Beschmier die neue Bluse bloß nicht mit meiner eigenen Scheiße.«


In dieser Reihenfolge versteht das sogar mein verrostetes Gehirn sofort. Ein Tipp wäre also, nicht zu viel zwischen verschiedenen Zeitebenen hin- und herzuschwenken, sondern gestraffter zu erzählen.

Warum fängt seine Frau dann plötzlich zu saufen an?

Manchmal stand sie vor dem Spiegel und betrachtete, was unsere Tochter an ihrem Körper hinterlassen, was sie von ihr übrig gelassen hatte.

»Ich war so schön.«

Du hast Recht, diese Charakterentwicklung kommt zu plötzlich. Ich lasse mir etwas einfallen.


Du sagst es selber schon: Das kann man dir so nicht abkaufen. So ziemlich jede Frau hat solche Gedanken nach der Geburt, aber nachdem du weißt, dass nicht jede Mutter automatisch zur Säuferin wird, kannst du es dir nicht so einfach machen. Du musst hier dem Leser schon nahebringen, wie sehr die Frau von ihrer Schönheit besessen ist oder von ihr gelebt hat.
Und nachdem sie ihre Tochter totbeißt (ich habe befürchtet, dass es so ist, wollte es aber nicht wahrhaben), muss die mit ihrem Schönheitswahn schon gewaltig einen an der Klatsche haben, egal ob letztendlich Drogen daran schuld sind. Das ist in dieser Form viel zu banal, absolut nicht nachvollziehbar. Du musst mir als Leser hier unbedingt mehr von dieser Frau erzählen.

Danke hierfür. Mich würde wirklich interessieren, was dieses irgendwas sein könnte. Vielleicht könnte ich darauf aufbauen.
Auch wenn ich nicht genau weiß, was du an Witz und Sarkasmus aus dem Text mitgenommen hast, glaube ich, dich hier enttäuschen zu müssen. Das, was sich dir verschließt, ist der Abgrund, in den die Charaktere fallen, die Grausamkeit, die sich vielleicht noch zwei oder drei Schriftgrößen zu klein zwischen den Zeilen versteckt. Das, was man oft gar nicht so genau wissen will.

Auch wenn du das nicht hören willst, aber dieses "irgendwas" an deinem Text ist für mich der Sarkasmus. Jetzt, nachdem mir bewusst ist, welche Abgründe sich mit deiner Geschichte auftun, war Witz vielleicht tatsächlich das falsche Wort, aber der Text lebt für mich von deiner sarkastischen, zynischen Ausdrucksweise. Zum Beispiel der Absatz, den ich vorhin zitiert habe, den du nun so zusammengefasst hast, das auch ich ihn verstehe, den finde ich boshaft gut. Nur muss man eben auch verstehen, worauf du hinaus willst.

Seine Frau wird nach dem was sie getan hat an diesem Tag entlassen.
Eddie sagt: »Bleib sauber.«
»Mach ich.« Für 2,95 Euro bekam man die reduzierte Vorteilspackung mit 50 Plastikhandschuhen.
Anstatt »Bleib sauber.« sagte Eddie in meiner ersten Fassung »Mach dir die Hände nicht schmutzig.«, aber war für mich etwas über das Ziel hinaus. Was meint ihr?

Da haperts bei mir immer noch. Ich verstehe jetzt, warum er bisher immer die Plastikhandschuhe und Kaugummis benötigt hat, einmal für die vermeintliche Ringsuche und ein zweites Mal für die Urinprobe, aber wofür braucht er die denn jetzt nach ihrer Entlassung wieder?

Ich tendiere dazu, mir eine zu unpräzise und -ausgereifte, alias schlechte, Schreibweise zu unterstellen, als dir irgendeine Form von Blödheit.

Dann hoffe ich mal, dass du das immer noch so siehst.

Also öwis, ich sehe, du machst dir echt große Mühe und ich würde dir wünschen, dass du durch diverse Entwirrungen noch viele Leser erreichst. Gespannt bin ich auf die Charakterisierung der Frau. Wird nicht einfach, dass ich dir das auch richtig abkaufen werde, warum man so etwas Krankes macht.
Der Inhalt entspricht nicht wirklich dem, was ich gern lese, aber ich mag deine Schreibweise. Mach auf jeden Fall weiter!

Viel Erfolg,
rehla

 

Hallo oewis

Ich bin etwas zwiespältig, dieser Geschichte allzu viel Bedeutung zuzurechnen. Sie ist zwar abstrakt verfasst, was sich hier nicht als ästhetisches Qualitätskriterium anbietet, verläuft jedoch im Grunde ohne bemerkenswerten Sinn. Zweifellos vermag sie den Betrachter einzubinden, mehr noch jedoch ihn zu verwirren, was ihn zwingt in kurzen Abständen innehalten und über Satzbildungen oder Hintergründigkeit nachzudenken. Nicht, dass dies illegitim wäre, vielleicht sogar gelungen, wenn sich ein tieferer Sinn dahinter verbergen würde, der letztlich das Dargelegte als Stilmittel zur Vollendung weist. Diesem flüchtigen Gedanken fehlte mir jedoch Elementares, das über eine blosse, verwackelte Nabelschau des Protagonisten hinausgeht.

Wie Du selbst anmerktest, ging es Dir darum Lücken zu bilden, die sich im Kopf des Lesers schliessen sollten. Dies ist ein bekannter, theoretischer Ansatz, der sich erfüllen mag, wenn die abgehandelte Materie dazu geeignet ist und sich einem darauf eingespielten Publikum erschliesst, dem eine (werkimmanente) Interpretation möglich wird. Solches war etwa in Werken gegeben, die in einer Kultur von Unterdrückung entstanden und deren Autoren zu verdeckten Ausdrucksformen zwangen, was eine komplementäre Hinwendung zum sprachlichen Kunstwerk als solchem führen konnte.
Ansonsten ziemt es sich schon in Kurzgeschichten auf eine Verdichtung der Sprache hinzuarbeiten, doch nicht weil der Leser sich langweilen könnte, sondern um Redundantes herauszuhalten und mit knapper, bildhafter Präzision das Geschehen einzufangen. Das Wesentlichste einer Kurzgeschichte scheint mir jedoch noch immer, dass der Inhalt die grundlegenden Kriterien einer Geschichte erfüllt.

Auch wenn ich aus meiner subjektiven Lesersicht mit Vorbehalten zurückblicke, sich es mir nicht recht als Geschichte runden will, zolle ich Dir Respekt für den Mut, es so vorzulegen. Es macht neugierig darauf, wie sich wohl eine Geschichte von Dir in mehr ausgewogener Abfassung lesen würde, bei der die Handlung sich ausdrucksstärker in der Wandlung zeigte.

Übrigens sind im Text noch vereinzelt Fehler vorhanden, die den Lesefluss von manchen hemmen könnten. So bei der Gross-/Kleinschreibung [das erste Mal … / Die Übrigen blickten …], fehlende Kommas, oder bei der direkten Rede immer ohne Punkt [»Ja, ich will.«, sagte sie …], wenn der Satz weiterführt, das dem Schlusszeichen folgende Komma genügt.

Soweit mein Eindruck zu Deinem Erstling hier. ;)

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hi Oewis,
ich sags mal klipp und klar, ich mochte deine Geschichte sehr.
Mir gefällt gerade das etwas Rätselhafte, wo man manchmal schauen muss, in welcher Zeiteben man sich denn gerade befindet. das betont in Bildern Erzählte, auch wenn du da manchmal zu unklar bleibst. Mir gefällt die hässliche, grausame Geschichte, die sich da zwischen den Getränken entblättert. Wobei die Geschichte als solche ja düster bleibt, aber die Charakterentwicklungen etwas holzschnittartig darstellt. Das gilt besonders für die Frau. Das bleibt mehr Geschichte im Hintergrund, und zwar eine fast comicartige Düsterkeit, die wie gesagt weniger Wert auf die feinsinnigen Entwicklungen der Figuren oder des plots legt als auf die Bilder, mit denen man die Düsterkeit von hinten her aufrollt. Ist ein bisschen, als hätte da jemand sin city mit Chandler kreuzen wollen. Also meinen Geschmack hast du damit auf jeden Fall getroffen.
Aber trotzdem hat die Geschichte dem Leser finde ich gegenüber Nachholbedarf, was das Erklären betrifft.
Gerade weil du Abläufe oder Situationen in einer Bildsprache erzählst, gehst du zwei Gefahren ein:
1. dass man dich manchmal nicht versteht.
2. dass du die Bilder übertreibst und sie fast ein bisschen thrashig werden. So wie wenn man Metaphern in einem noir Krimi (sowas im Chandlerstil) übertreiben würde. Beispiele dafür sind die strauchelnde Antilope und der querschnittsgelähmte Teddy.

Ich geh den Text mal einfach auf die Stellen durch, die ich persönlich echt nicht mehr gerafft habe:

Limetten lassen mich an die Haut meiner Frau denken. An ihre grobporige, fettige Haut. Daran, wie ich sie mit einem Küchenmesser von ihrem Fleisch schäle, um zu sehen, ob sie sich darunter versteckt.
Harter Anfang, der schon gleich so trashig auf mich wirkte, dass ich für einen Moment aufhören wollte. Zum Glück kam die Szene in der Bar direkt danach, so dass ich die Messerschneiderei als PHantasie erkennen konnte.

»Das gleiche wie immer?« Eddie drückt ein Limettenviertel hinein und stellt den Ginger Ale auf den Tresen.
»New Yorker«, sage ich, »mit Limetten.«
»Einen alkoholfreien?«
»Genau, Eddie. Einen alkoholfreien New Yorker mit Limetten und Bourbon.«
Okay, die Stelle hab ich zum Glück gerafft, da ist einer der normalerweise nicht mehr trinkt, der Barkeeper stellt ihm auch das hin, was er normal trinkt, also das Ginger Ale, aber heute säuft der Gast. Auwei, denkt man auch gleich, und auch, dass es mit seiner Frau zu tun hat.

Sie setzte sich auf den Hocker, auf dem ich sitze. Ich stand dort, wo Eddie steht. Ihre Lippen wie Cocktailkirschen sagten: »Hi.«
Hä, dachte ich einen Moment und dann, dass der gast aus der Jetztzeit dann früher wohl mal Barkeeper war. Da fand ich das Rätselhafte aber ein bisschen umständlich.

Zwischen diesen Moment und den, in dem sie sagte, das mit der Pille war gelogen, passten keine vier Jahreszeiten. Der Gedanke von Glück war in beiden Momenten. Der Gedanke, dass unser Leben zu dritt keinen zweiten Herbst sehen würde, in keinem.
Finde ich gut, sehr gut sogar, ist aber trotzdem echt schon hart an der Grenze zum Trashig-Pathetischen. Was mir aber ausgezeichnet gefiel, war die Info, dass sie ihn, was Pille betraf angelogen hat. Er hat sich dann zwar über das Baby gefreut, aber man kriget eben auch die Info, dass die Frau es mit der Wahrheit nicht genau nimmt, ihn eventuelle sogar instrumentalisiert.

Ihre Lippen schwebten vor mir wie hypnotische Pendel. Ich sagte: »Was?«
Naja, das kann jetzt mit mir zu tun haben. aber Pendel stell ich mir halt immer anders vor, du willst ja sagen, dass er an ihren Lippen klebt, und die dauernd anschaut. Und Pendel haben mehr so eine rundliche Form, die aber nach unten hängt. Also jetzt hab ich dann dauernd eine Frau im Kopf gehabt, deren Mund in die Vertikale gerutscht ist. Sah komisch aus. :D

Den Dialog dann fand ich spitze.

Oh Mist und jetzt drückt mich grad die Zeit:
Ich fass mich kurz, auf die Gefahr hin, was ungenau zu schreiben.
Ich hab kapiert, was der Frau passierte. Sie war enttäuscht über den Verlust ihrer Schönheit, deshalb hat sie gesoffen und dann später Drogen genommen. Im Drogenrausch hat sie ihr Kind getötet. Totgebissen. Mann. Echt.
In derselben Zeit ist er trocken geworden und zwar für lange ange Zeit. Die ganze Zeit, die sie im Knast oder so gesessen hat.

Was ich partout nicht verstanden habe war die Sache mit dem Ring. Da ging bei mir gar nichts.

Wir saßen in der Bar. Ich trank Ginger Ale, sie New Yorker mit Limette. Nach ihrem letzten Schluck suchten meine Augen zwischen den Eiswürfeln nach dem halben Monatsgehalt eines Barkeepers. Dass sie es nicht verschluckt hatte, erfuhr ich erst zwei Wochen später.
Okay, nach deiner Erklärung und Zusammenstellung war es dann klar. Er sucht den verschluckten Ring im Klo, findet ihn, sie nimmt den Antrag an. Also die ganze Szene fand ich gut. Aber hmm eben auch zu ungenau. Das Weißgold

Die Sache mit den Kaugummis und den Handschuhen hab ich nicht verstanden Überhaupt nicht.

Er schält die Haut ab und sagt: »Limetten faulen von außen.«
Menschen nicht.
Eigentlich hättest du deinem Motto getreu den Menschen-Satz weglassen müssen. Aber nee, ist schon okay, ich hätt die umgekehrte Analogie sonst nicht gemerkt.

Also soviel mal.
Ich hab wirklich gerne gelesen.
Viele Grüße von Novak

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Oewis,
ich bin natürlich keine intelligentere Leserin, das vorweg.
Aber vielleicht habe ich eine andere Art zu lesen. Für mich müssen Texte nicht zwingend schlüssig sein. Okay, kommt aufs Genre an. Ich stehe eben voll auf gute Stimmungsbilder. Und gelungene Metaphern. Wenn jedes Bild im Kontext zum Gesamtbild passt, kann ich eine Geschichte lesen, wie ich zum Beispiel Kunst anschaue. Ich versuche dann überhaupt nicht, einer Handlung zu folgen, sondern sehe mir die Bilder an und fühle, was Du (vielleicht) meinst.

Das ist ein Grund, warum ich zum Beispiel Steinfest liebe. Er schreibt vordergründig Krimis und bringt Krimiliebhaber um den Verstand, weil er nur überragende Charakterstudien zeichnet, Bilder malt, irrwitzige Wendungen nimmt, es aber niemals, niemals irgendwo hinführt. (Wenn Du ihn noch nie gelesen hast, solltest Du das unbedingt einmal tun, ich könnte mir vorstellen, dass Du ihn auch großartig findest, ließ „Gewitter über Pluto“, das ist besonders irre) Die meisten Menschen steigen aus, weil sie verwirrt sind. Ich habe nicht den Anspruch, dass irgendetwas schlüssig auf den Punkt kommt und erfreue mich einfach an seiner irren Art. Ich glaube, er langweilt sich auch schnell beim Schreiben, so wie Du.:D

Mir hat Dein Debüt unglaublich gefallen. Ich würde mich freuen, weiter Geschichten in dem Stil zu lesen. Denn ich kann das gut ab.
Sicherlich wirst Du damit nicht jeden Leser erreichen. Aber ist das nicht immer so?
Willkommen hier, es freut sich diebisch:
Die Gretha

 

Hallo oewis,

ich möchte gleich vorwegnehmen, dass ich außer der Geschichte nur den allerersten Kommentar gelesen habe, falls also eventuell Aspekte, die ich gleich anspreche, schon einmal thematisiert wurden, bzw. du schon etwas dazu erläutert hast, dann siehe mir das bitte nach. :)

Grundsätzlich finde ich Tempo und Stil der Geschichte gut. Einige Dinge erschließen sich mir zwar auch nicht, andere erst nach kurzem oder längerem Nachdenken, aber auch das mag ich als Struktur, Allerdings gibt es die ein oder andere Formulierung, die mich wirklich im Lesefluss gestört hat:

Die übrigen blickten bereits in ihre Richtung, blickten auf ihre leopardenfarbenen Beine, auf ihre Brüste, die das Hello Kitty Shirt bis über ihren Bauchnabel rafften

Hier bin ich über das "Hello Kitty-Shirt" gestolpert. In Bezug auf die restlichen Beschreibungen hätte es ein schlichtes "pinkes Shirt" oder von mir aus mit Herzen oder so auch getan. Das Einbringen dieser Kiddy-Figur wirkt auf mich irgendwie zu gewollt.

Sie küsste mich und schlang ihre Arme um meinen Körper wie um einen querschnittsgelähmten Teddybären.

An dieser Stelle war es der Teddybär. Vielleicht hängen beide Stellen auch zusammen: Eine Verkindlichung/Verniedlichung, die nach meinem Empfinden einen Aspekt mit einbringt, der so verkürzt wie er jetzt ist auch hätte weggelassen werden können oder eben noch durch 2-3 weitere solcher eingeflossenen Worte weiter ausgebaut werden müssen.

Aber das ist nur mein Eindruck, ich freue mich, mehr dieser Art zu lesen. :)

 

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