Lila Dosen-Liebe
Immer wieder drehte der Alte das Stück in seinen Händen, kratzte an seinen Bartstoppeln,
hustete und streckte seinen schmerzenden Rücken.
Die Vorübergehenden nahmen von dem Haufen mehr oder weniger wertvollen Plunder kaum Notiz.
Er saß da auf einer holzwurmzerfressenen Truhe und wollte seine Träume verhökern.
Natürlich nur die, die er ausgeträumt hatte.
Auf einem roten Tuch hatte er sie ausgebreitet, die superflache Peter-Kraus-Gitarre,
der zwei Wirbel und alle Saiten fehlten.
Nur einmal hatte er mit ihr auf einer Bühne gestanden.
Daneben lag das zerkratzte Lenkrad eines VW-Käfers, mit dem er seine erste Seifenkiste gesteuert hatte
und eine blassgoldene Papierkrone, die ihn als Dreikäsehoch zum Prinzen machte.
Ferner ein stumpfes Bajonett aus Kaisers Zeiten, seine erste richtige Waffe
und der Zündschlüssel einer alten NSU-Fox, die rostend und nie gelaufen im Schuppen stand.
Trotzdem hatte sie ihn gefühlte tausend Male in die Ferne und die Freiheit gebracht,
ein Bündel nie abgeschickter Liebesbriefe und unzählige Dinge mehr.
Und nun hielt er die kleine lilafarbene Spanholzdose in seinen Händen.
Ohne sie zu öffnen vernahm er den Duft, den sie barg,
den einzigartigen Duft, den diese alte Liebe begleitete.
Immer wenn er einsam war, konnte er diesen Traum so neu entstehen lassen.
Nein, es war nicht nur ein Traum.
Sie hatte ihn begleitet auf seinem Weg, die Trägerin dieses Duftes, ein Stück zumindest.
Dann und wann hatte sie ihn um den Verstand gebracht, ihm alles, was er hatte abverlangt
und dann seine Traurigkeit geheilt, ihr nicht mehr geben zu können.
Die Frage nach dem Preis erschrak ihn ein wenig.
Die junge Frau trug ein Kind auf ihrem Arm.
Sie war auf ihre Art schön und ihr üppiger Busen verriet, dass sie das Kind noch stillte.
Die Art, wie sie ihn anlachte, weckte etwas ihn ihm, was er schon längst verloren glaubte.
Etwas verlegen und um Zeit zu gewinnen hustete er.
Dann aber huschte ein listiges Grinsen über sein zahnloses Maul.
„Wenn Du die Dose willst, sei meine Geliebte!“
Empört über die Unverschämtheit des Alten schrak die Frau zurück
und versuchte unsicher, etwas anderes zum Tausch anzubieten,
traf aber nur auf die Unerbittlichkeit des Zahnlosen.
Schließlich wandte sie sich ab und ging kopfschüttelnd.
Der Alte aber kicherte selbstvergessen.
Um nichts in der Welt würde er diesen schmerzlich schönen Traum verhökern,
der zu seinem Leben gehörte wie der Schmerz in seinem Rücken
und die vorübergehende Enge in seiner Hose.