Lil & Zack
Lil
Die Bässe dröhnten. Die Musik war laut und der Alkohol floss in Mengen. Es war stickig hier im Club, aber es war genau das, was ich brauchte. Seit Wochen wollten die Mädels mich schon überreden mit ihnen weg zu gehen und jetzt, wo ich hier war, verstand ich gar nicht, warum ich mich so sehr dagegen gesträubt hatte. Es war doch genau das, was ich mir vorgenommen hatte. Endlich wieder Spaß haben!
Meggy kam mit einer neuen Runde Tequila an unseren Stehtisch. „So Lil und danach wird abgetanzt!“, rief sie laut und hob ihr Glas. Ja sie hatte Recht, das würde ich tun. Wir stießen zusammen an und ich trank es in einem Schluck aus. Hui ui ui. Langsam, aber sicher, wirkte das Zeug. Ich war aber auch überhaupt nichts mehr gewöhnt, aber scheiß drauf!
Sie zogen mich mit auf die Tanzfläche und ja, der Alkohol half mir, dass ich alles um mich herum vergaß. Ich ließ mich einfach von der Musik mitreißen. Ja, es war perfekt!
Zack
Mick hatte mich überredet mit in den Club zu gehen. Er hatte mich so lange genervt, dass ich schlussendlich zu sagte. Der Club hatte vor kurzem neu eröffnet und ja, vielleicht war ja etwas dabei. Ich sah mich um. Doch, die eine oder andere … mal sehen. Wir hatten uns ein Bier geholt und ließen unsere Blicke schweifen.
Ja doch, es war eine gute Idee gewesen und außerdem war es mal wieder Zeit. Es war doch schon wieder etwas her, überlegte ich gerade, als ich von der Seite angerempelt wurde. Genervt sah ich zu der Person. Eine zierliche Frau. Ein kurzes: „Sorry“, kam von ihr, als sie schon wieder weiter ging. Sie schwankte leicht. Kurz blickte ich ihr nach, aber sie verschwand recht schnell zwischen den Leuten.
Lil
Ich brauchte etwas zu trinken. Wasser! Ich war völlig fertig. Wie viele Lieder hatte ich jetzt durchgetanzt? Ich grinste. Keine Ahnung, aber es war herrlich gewesen und ich tanzte auch nicht lange allein! Der Typ war immer näher in meine Richtung gekommen, ja, er war echt süß, aber trotzdem musste ich jetzt was trinken.
Es war gar nicht so leicht, zwischen den ganzen Leuten durchzukommen. Es war wirklich voll hier. Meine Beine wollten auch nicht ganz so, wie ich es mir vorstellte und ab und an hatte ich jemanden angerempelt, aber nun war ich am Ziel. Geschafft! Also zumindest war ich hier, aber es dauerte, bis ich endlich mein Wasser in Händen hielt.
Ich sah mich um. Auf der Tanzfläche waren die Mädels. Immer wieder sah ich einen Kopf spitzen und der Typ? Der war … ach da. Oh, na gut, er hatte sich wohl schon eine Andere angelacht. Was soll´s, dachte ich, es gab ja noch ein paar andere hier. Ich ließ weiter meinen Blick schweifen. Ja, heute wollte ich es richtig krachen lassen und definitiv nicht alleine nach Hause gehen.
Ich hatte mir das vorgenommen. Nach all den Scheiß Jahren, hatte ich mir vorgenommen, endlich wieder zu leben. Wer wusste schon, wie lange es ging und ich wollte nichts mehr verpassen. Mit neuem Elan bewegte ich mich wieder zurück zur Tanzfläche.
Aber es war noch beschwerlicher, wie zuvor. Mir kam es so vor, als wäre es noch voller und enger. Ich tat mir schwer, mich durch die Masse durch zu quetschen.
Zu guter Letzt, ich hatte es fast geschafft, wurde ich gegen jemanden geschubst. Ich wäre gefallen, wenn er mich nicht aufgefangen hätte. Es war ein `er´, definitiv, das spürte ich sofort. Zuerst wirkte er genervt und murmelte etwas, aber dann fragte er verwundert: „Lil?“ Überrascht, sah ich auf und versuchte meinen Blick zu fokussieren, aber als ich die Person erkannte, dachte ich nur: Scheiße, mein Ex!
Zack
Mick hatte schon jemanden gefunden. Er unterhielt sich gerade mit ihr, als ich schon wieder angerempelt wurde. Das war doch wohl nicht wahr! Genervt sah ich zu der Person. Das war doch die Gleiche, wie vorhin, überlegte ich gerade, als sie gefährlich ins Schwanken geriet. Reflexartig griff ich nach ihr. Oh Mann, ich hasste betrunkene Frauen. Ich wollte gerade etwas dazu sagen, als sie mich ansah. Lil! Das war Lil! Ich war völlig perplex.
Sie war wirklich betrunken, das erkannte ich an ihrem Blick. Es dauerte etwas, bis sie mich auch erkannte. Es dauerte, aber ich merkte sofort, als sie es tat. Schmerz stand in ihren Augen. Scheiße, ja, sie hatte mich erkannt.
Lil
„Zack“, stieß ich aus. Zur Hölle! Warum? … Wie viele Menschen waren hier und ich musste ausgerechnet ihm in die Arme laufen? … Na gut, laufen war nicht wirklich das richtige Wort dazu, aber …. Ich musste über meine Gedanken schmunzeln. Sein Blick wurde ernst. „Du bist betrunken!“, stellte er fest. Ach wirklich, dachte ich nur und mein Grinsen wurde nur noch breiter. „Du warst schon immer sehr schlau“, stellte ich belustigt fest und sein Gesichtsausdruck wurde noch grimmiger.
Er hatte schon immer gut ausgesehen. Bewundernd sah ich ihn an. Ja, er war noch genauso … Verdammt nein! Was dachte ich da, ich musste hier weg und zwar ganz schnell. In meinem Zustand, wer wusste schon, was ich ihm alles sagen würde. Nein. Ich wollte mich von ihm abwenden, als ich bemerkte, dass er mich noch immer fest hielt. Huch. Langsam blickte ich wieder zu ihm auf. „Lässt du mich mal los! Ich will weiter tanzen!“, erklärte ich ihm genervt. Ich wollte ihn nicht sehen und vor allem wollte ich nicht, dass er mich berührte. Obwohl, es fühlte sich schon gut an. Seine Hände, … aber dann fiel mir ein, wie es mit uns geendet hatte, … nein.
Da er keine Anstalten machte mich los zu lassen, versuchte ich mich selbst aus seiner Umarmung zu lösen. Widerwillig ließ er es zu. „Wir müssen reden!“, stellte er fest. Reden! Jetzt noch! Nein, danke. Weshalb ich den Kopf schüttelte und erklärte: „Besser wir lassen das.“ Daraufhin stürmte ich regelrecht auf die Tanzfläche.
Zack
Ich sah ihr nach. Sah zu, wie sie später eng mit einem Kerl tanzte und wie sie mit ihren Freundinnen trank. Es störte mich, das alles. Mick hatte mich angesprochen, was los sei und als ich ihm erzählte, dass ich Lil begegnet war, war er zuerst sprachlos. „Du meinst deine Lil?“, fragte er nach und blickte sich suchend um. „Wo?“, fragte er dann und ich zeigte sie ihm. „Sie sieht so anders aus“, stellte er fest. Das war mir auch schon aufgefallen. Sie hatte ihre langen Haare abschneiden lassen und sich die Haare gefärbt. Vermutlich hatte ich sie deshalb nicht gleich erkannt. „Aber es steht ihr“, erklärte er mir und sah wieder zu mir. Er sah mich an, so als würde er wissen wollen, ob ich nicht auch seiner Meinung war. Ja, er hatte Recht damit, aber mir gefiel es gar nicht, dass er das auch so sah. „Was ist los?“, hakte er nach. „Sie ist betrunken“, erklärte ich, denn das störte mich noch viel mehr. Vor allem schienen ihre Freundinnen genauso betrunken zu sein. Was dachte sie sich dabei? Und der Kerl neben ihr! Er malte sich vermutlich schon aus, was er heute Nacht alles mit ihr machen wollte, aber das würde nicht passieren, Freundchen. Nur über meine Leiche!
Lil
Ich versuchte ihn aus meinen Gedanken zu verbannen und ich muss sagen, es gelang mir sogar recht gut. Ich tanzte und der süße Typ von vorhin war auch wieder da. Wir tranken und mit jedem Schluck mehr, kam es mir vor, als hätte die Begegnung nie stattgefunden. Ja, das hatte ich mir nur eingebildet, ganz sicher sogar.
Wie ich schlussendlich hier raus gekommen war und wo ich mich nun befand, konnte ich nicht sagen, aber scheinbar hatte mich der süße Typ mich mit zu sich genommen. Ich lag in einem Bett und hinter mir lag er. Seine Arme waren um mich geschlungen und es fühlte sich gut an. Ja, das war doch ein schöner Abend gewesen.
Ich öffnete meine Augen und schloss sie gleich wieder. Puh, war das hell. Oh weh und mein Kopf! Noch ein wenig schlafen, dann ging es bestimmt wieder, nur noch ein kleines bisschen …
Zack
Irgendwann war es mir zu viel gewesen. Als ich sah, dass Lil zu den Toiletten ging, war ich ihr gefolgt. Ungeduldig wartete ich davor. Sie sah mich nicht, als sie wieder an mir vorbei taumelte, weshalb ich nach ihrem Arm griff. Überrascht wand sie sich um. Wieder brauchte sie etwas, um mich zu erkennen, aber diesmal lächelte sie mich an. „Zack! Ich hab gedacht …“, begann sie dann, „Ich hab geträumt“. Sie legte die Arme um meinen Bauch und kuschelte sich an mich. Das war der Moment, in dem ich beschloss, sie mit heim zu nehmen.
Nun lag sie hier, neben mir. Ich hatte ihr die Klamotten ausgezogen und ihr ein T-Shirt von mir angezogen. Sie hatte sich übergeben und die Klamotten, naja, sie mussten gewaschen werden. Sie war völlig fertig und bekam wahrscheinlich nur die Hälfte mit. Immer wieder wechselte ihre Stimmung. Mal schien sie überglücklich, mich zu sehen und dann fing sie plötzlich das weinen an. Sie war betrunken, das war mir klar, aber es machte mir auch deutlich, wie sehr ich sie damals verletzt hatte.
Sie bewegte sich etwas. Ein kläglicher Laut, war von ihr zu hören. Ja, es würde ihr heute nicht gut gehen, davon war ich gestern schon überzeugt gewesen. Kurz bewegte sie sich nochmal, aber dann blieb sie still und ruhig liegen. War sie wieder eingeschlafen? Ich spitzte über ihre Schulter. Ja, sie schlief wieder, stellte ich fest. Ich strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Sie hatte sich kaum verändert, stellte ich wieder fest. Nur die Haare, nein, nicht nur die Haare, da war noch etwas. Sie hatte eine lange Narbe an ihrem Bauch. Ich war regelrecht geschockt gewesen, als ich sie heute Nacht entdeckt hatte. Ich konnte mir nicht vorstellen, weshalb sie sie hatte. Ich hatte mir vorgenommen, sie heute danach zu fragen und nicht nur danach … Wir mussten reden, unbedingt!
Lil
Als ich jetzt die Augen wieder öffnete, war es nicht mehr ganz so hell … oder nur nicht mehr so schlimm? Mein Kopf … naja, das würde wohl noch ein bisschen dauern. Aber ich lag allein im Bett, denn die Arme waren weg, stellte ich bedauernd fest. Das war wirklich schade. … Leise Geräusche nahm ich plötzlich wahr. Ich konzentrierte mich. … Wasser, das war … Er duschte! Mhm, vielleicht sollte ich mich dazu gesellen? Ich setzte mich schnell auf. Oh, oh, nein, das war keine gute Idee und langte mir an den Kopf. Langsam, ermahnte ich mich, ganz langsam.
Ich sah an mir herab. Ich hatte ein weites T-Shirt an. Er musste mir das angezogen haben. Oh Mann, daran konnte ich mich gar nicht erinnern. Apropos, an was konnte ich mich eigentlich erinnern. … Ich war … Wir waren … Puh, später! Ich würde es später versuchen. Mein Kopf pochte. Ja, später würde langen. … Und nun? … Anziehen, überlegte ich. Ich werde mich erstmal anziehen.
Zack
Nachdem ich längere Zeit wach gelegen hatte, ging ich unter die Dusche. Ich war gespannt, wie sie reagieren würde, wenn sie erkannte, dass sie hier bei mir war. Ich konnte mir alles vorstellen, von wütend bis traurig. Ich stellte das Wasser ab und trocknete mich ab. Ich würde jetzt erstmal einen Kaffee aufstellen, dann konnte ich mir immer noch überlegen, wie ich ihr das erklären sollte. Mit einem Handtuch um die Hüfte ging ich aus dem Bad.
Lil
Die Tür öffnete sich und ich sah … Das war jetzt nicht wahr! Das konnte nicht sein! Das konnte unmöglich sein! Zack! Wie um alles in der Welt … nein, Scheiße nein!
Zack
Sie war wach. Sie blinzelte mehrmals, bevor sie meinen Namen ausstieß und das tat sie nicht glücklich. „Was … warum …“, stammelte sie und sah mich entsetzt an. Ich hatte gedacht, sie würde noch schlafen, weshalb auch mir die Worte fehlten.
Sie sah sich irritiert um, erblickte die Bettdecke, nahm sie hastig und bedeckte sich damit. Das gefiel mir nicht. Ich hatte schon alles von ihr gesehen, auch heute Nacht, aber sie war überrascht, überfordert würde ich sogar sagen, weshalb ich es darauf schob.
Sie hielt sich den Kopf und blickte auf den Boden. „Scheiße, was hab ich getan!“, flüsterte sie leise vor sich hin. Sie wusste wirklich nichts mehr, stellte ich fest und musste schmunzeln. Aber ich wollte sie nicht im Dunkeln tappen lassen, weshalb ich erklärte: „Außer trinken, nichts!“. Überrascht sah sie auf. „Sonst nichts?“, fragte sie nach und sah mich flehentlich an, es zu bestätigen. Naja, da war noch etwas, überlegte ich. „Ok, du hast dich übergeben, das habe ich vergessen“, fügte ich hinzu.
Lil
Oh, Hilfe! Ich schloss meine Augen und hielt mir den Kopf. Erde tu dich auf, flehte ich im Innern. Wie konnte ich nur, … warum war ich nicht bei …. „Warum bin ich hier?“, fragte ich und blickte zu ihm auf. Er legte den Kopf schief. „Du warst voll und ich wollte verhindern, dass dir etwas passiert“, erklärte er. Verhindern, dass mir etwas passiert, wiederholte ich seine Worte in meinem Kopf. Ich war irritiert. „Warum?“, fragte ich ihn direkt. „Warum was?“, fragte er nach. „Warum interessiert es dich, was mit mir ist?“. Ich verstand es einfach nicht. Er kam auf mich zu, behielt mich aber die ganze Zeit im Blick. „Ich wollte immer, dass es dir gut geht“, stellte er fest, aber das stimmte nicht und ich schüttelte den Kopf.
Ich drehte mich weg. Nein, das stimmte nicht. Er hatte mich damals … ach verdammt. Das war, … es war vorbei. Genau, es war vorbei und ich würde so schnell es ging von hier verschwinden. Ich sah mich hektisch um. Meine Klamotten … Wo verdammt waren meine Klamotten!
„Deine Kleidung musste ich waschen, die sind in der Waschmaschine, wenn du die suchst“, erklärte er plötzlich und ich fühlte mich, wie erschlagen. Das war doch wohl jetzt nicht wahr! Ich überlegte. Was sollte ich tun? … „Wie lange dauert das noch?“, fragte ich dann, in der Hoffnung, er würde erklären, dass die Maschine gleich fertig wäre. „Ich habe sie vor einer Viertelstunde rein“, meinte er dann. Na ganz toll! Das hieß, es würde dauern und dann waren sie auch erstmal noch nass. Am liebsten hätte ich geheult.
Zack
Sie wirkte überfordert und unglücklich. Irgendwie tat sie mir leid, aber nur irgendwie, denn ich hatte eine Chance bekommen und ich wollte sie nutzen. „Ich mach uns dann erstmal einen Kaffee, okay?“, fragte ich sie und sie nickte nur, ohne mich anzusehen.
Zuvor würde ich mir aber noch etwas anziehen, entschied ich mich und begab mich zum Schrank. Ich spürte regelrecht ihren Blick auf mir. Ich hatte überlegt, mir die Klamotten mit ins Bad zu nehmen und mich dort umzuziehen, aber ich verwarf die Idee. Ich ließ mein Handtuch fallen und zog mich vor ihr um. Ein leises „Fuck“, war von ihr zu hören und ich schmunzelte noch immer, als ich aus dem Zimmer ging.
Lil
„Fuck“, entschlüpfte es mir und ich hielt mir die Hand vor den Mund. Was sollte das? … Hätte er sich nicht im Bad umziehen können! Immerhin hatte er sich nicht auch noch umgedreht! … Aber er hatte sich kaum verändert … Er war noch immer gut gebaut. Früher schon, hatte ich mit Vorliebe seine Haut … Stopp!! Vergiss das alles, alles!!! Mit einem Grinsen verschwand er aus dem Zimmer. Mistkerl, rief ich ihm in Gedanken nach.
Ich brauchte einen klaren Kopf. Duschen, ich würde duschen. Danach war es sicher besser!
Zack
Ich wartete. Als der Kaffee fertig war, wollte ich ihr Bescheid geben, aber dann hörte ich die Dusche laufen. Wir hatten noch eine Galgenfrist, fiel mir spontan ein. Ich sagte bewusst wir, denn ich war mir nicht sicher, ob es ihre oder meine war.
Lil
Das Duschen tat gut und mein Kopf wurde klarer. Einerseits gut, aber andererseits wurde mir die Tatsache, dass ich bei Zack war, nur noch deutlich bewusster. Puh, da musste ich jetzt wohl durch. Ich hatte ja auch keine andere Möglichkeit oder? Hinausschleichen, nur in T-Shirt und Slip? Ähm, nein! Verstecken, fiel mir noch ein. Verstecken und warten, bis die Wäsche fertig war, aber das würde er nicht zulassen, da war ich mir sicher.
Ach, ich verstand es einfach nicht. Warum hatte er mich mit zu sich genommen? Es ging einfach nicht in meinen Kopf.
Zack
Zögerlich betrat sie die Küche. Sie hatte die Arme um sich geschlungen und es schien wirklich, als fühlte sie sich unwohl und damit meinte ich nicht die Tatsache, dass sie einen Kater hatte. Ihre Haare waren noch feucht. Sie sah süß aus, aber unglücklich. Ich wollte sie ablenken, weshalb ich fragte: „Trinkst du deinen Kaffee noch wie früher?“ Ich schenkte gerade die Tasse ein und als ich nichts von ihr hörte, drehte ich mich zu ihr um. Ihr Blick war traurig, aber sie nickte. Verdammt, ich wollte sie ablenken, nicht erinnern.
Mit den beiden Tassen kam ich auf sie zu. „Wollen wir uns auf die Terrasse setzen?“, fragte ich und sie nickte wieder. Ich würde es schon noch schaffen, dass sie mit mir sprach, aber vorerst ging ich voraus und sie folgte mir. Danach setzten wir uns und sie blieb weiterhin still.
Lil
Ich hatte keine Ahnung, was ich zu ihm sagen sollte. Das alles war einfach zu viel, zu unwirklich, einfach nicht real. Ich fasste es nicht, dass ich hier bei ihm war. „Gefällt es dir?“, fragte er plötzlich. Was meinte er, überlegte ich. „Ich meine, gefällt dir mein Zuhause?“, stellte er mir die Frage etwas genauer. Ich sah mich um. Ich hatte mich zwar auch vorhin umgeschaut, aber nicht wirklich hingesehen. Sein Garten war schön. Dazu konnte ich was sagen. „Ja, es ist schön hier“, antwortete ich einfach. Aber warum interessierte es ihn, was ich darüber dachte? Ich trank von meinem Kaffee. „Ich habe deine Sachen in den Trockner“, sagte er nun und ich schöpfte Hoffnung. Nicht mehr lange und ich war fort von hier!
Zack
Es war mühselig ein Gespräch mit ihr zu führen. Weshalb ich meine Taktik änderte und einfach fragte: „Hast du deine Haare aus einem bestimmten Grund abschneiden lassen?“ Sie waren wunderschön gewesen und es ärgerte mich, dass sie nun so kurz waren. Es stand ihr, Mick hatte Recht, aber trotzdem. „Ja“, antwortete sie nur und blickte in ihre Tasse. Ja, sie machte es mir nicht einfach. „Verrätst du mir auch den Grund?“, hakte ich nach.
Lil
Nein, ganz bestimmt nicht, dachte ich nur, antwortete aber: „Zack, was soll das?“, fragte ich nun und sah ihn an. „Was meinst du?“, fragte er nach. Na gut, dachte ich, dann eben direkt: „Ich verstehe das alles nicht. Ich verstehe nicht, warum du mich mit zu dir genommen hast, warum du so nett zu mir bist, warum du so viele Fragen stellst? Ich verstehe es einfach nicht!“
Zack
Sie verstand es nicht! Wie auch, sie hatte mir auch nie die Chance gegeben, ihr das alles zu erklären. „Lil, ich sehe es so, dass wir eine Chance bekommen haben“, fing ich an, aber sie schnaubte nur. Es war mir egal, wir würden reden! „Ich habe Scheiße gebaut, das weiß ich nur zu gut, aber ich wollte mich damals entschuldigen. Ich wollte dir das alles erklären, mit dir reden, aber du warst nicht mehr da“, stellte ich fest.
Lil
Er wollte reden, aber sicher doch! „Ich wollte damals mit dir reden!“, fuhr ich ihn an, „Ich dachte, ich warte, bis du dich etwas beruhigt hast und dann wollte ich mit dir reden! Aber du warst beschäftigt!“, spie ich aus und stand auf. Es brodelte in mir. „Lil, ich weiß, was ich getan habe und das tut mir wirklich leid, aber …“, „Aber was?“, fuhr ich ihn wieder an, „Es tut dir leid, dass du mit meiner Mitbewohnerin geschlafen hast? Das braucht es nicht, denn mir tut es leid, dass ich mit dir zusammen war!“. Das saß, das erkannte ich in dem Moment, als ich es gesagt hatte.
Verdammt, das hatte ich nicht so gemeint … Es stimmte auch nicht … Aber er hatte mich damit sehr verletzt. Ich, … ach verdammt. „Entschuldige“, sagte ich nun, „Das stimmt so nicht, es tut mir leid“, erklärte ich und wand mich ab. Ich würde jetzt besser nichts mehr sagen.
Zack
Zuerst dachte ich, sie meinte es wirklich so, dachte, sie hätte die Zeit bereut, aber dieses `das stimmt so nicht´, gab mir Hoffnung. Ich musste jetzt alle Karten auf den Tisch legen. Ich hatte keine andere Möglichkeit.
„Ich hab euch reden hören“, fing ich an. Sie wand sich zu mir um und ich sprach weiter: „Du und deine Freundinnen, damals in der Kneipe. Ihr habt euch unterhalten. Es hat keine von euch mitbekommen, dass ich um die Ecke herum stand.“ Fragend sah sie mich an. „Über was haben wir uns unterhalten?“, fragte sie nach. „Über mich und die Männer im allgemeinen“, erzählte ich ihr. Sie verstand nicht, worauf ich hinaus wollte. „Ich wollte nicht lauschen, aber dann wurde es interessant. Judy hat damit begonnen. Sie hat dich gefragt, was du an mir findest, erinnerst du dich?“ Sie überlegte, aber dann nickte sie. „Sie sagte, dass ich doch nichts wäre und du doch einen besseren finden könntest.“
Ich war dort gestanden und war wie erstarrt gewesen. „Ich erinnere mich, aber hast du auch gehört, was ich dazu gesagt habe?“, fragte sie mich und diesmal nickte ich. „Du hast gesagt, dass du mich liebst und es dir egal wäre, was für einen Job ich hätte“, antwortete ich ihr. Sie wirkte überrascht, dass ich das wusste. Ja, ich hatte ihre Worte gehört, aber die anderen Worte, die von Judy, gingen mir nicht mehr aus dem Kopf. „Ich verstehe nicht …“, sagte sie und blickte mich ratlos an.
Nun stand ich auf und ging auf sie zu. „Judys Worte nagten an mir, verstehst du. Ich hab gedacht, sie hat Recht, was kann ich dir schon bieten?“, gestand ich ihr. Sie schüttelte den Kopf. „Zack, ich war glücklich mit dir!“, versuchte sie mir klar zu machen. „Das dachte ich auch, aber die Gedanken! Sie waren in meinem Kopf! Ich hab überlegt, wie lange wird es halten? Wie lange wird es dauern, bis du das auch so siehst?“
Ich wand mich ab, sprach dann aber weiter: „Ich hab die Gedanken einfach nicht aus meinem Kopf gebracht. Ich hatte einige Schnäpse intus, als du dann bei mir warst.“ Ich drehte mich wieder zu ihr um. „Ich war so frustriert. Über mich, wegen allem. Deshalb hab ich dich so angefahren“, erklärte ich ihr und wieder nickte sie. „Als du weg warst, hab ich mir noch mehr Vorwürfe gemacht und mich volllaufen lassen.“ Sie sah mich an und eine Träne kullerte ihre Wange hinunter.
„Ich weiß nicht wie und warum, ich habe wirklich keine Ahnung, keine Erinnerung mehr daran, ich weiß wirklich nicht, wie es dazu gekommen ist. Bitte, du musst mir das einfach glauben, ich weiß es wirklich nicht. … Aber ein was, hat sich in mein Gedächtnis gebrannt. Dein Blick, als du uns entdeckt hast!“. Ich fuhr mir durch die Haare. Diesen Blick würde ich nie vergessen können.
Lil
Mittlerweile kämpfte ich gegen die Tränen. Ich glaubte ihm und das machte mich nur noch mehr fertig. Denn, hätten wir noch eine Chance gehabt? Ich war so enttäuscht gewesen, so schrecklich enttäuscht und wenn ich das so hörte … „Am nächsten Tag wollte ich sofort zu dir. Ich wollte dir das erklären. Ich hoffte wirklich, dass du mich wenigstens anhörst“, flehentlich sah er mich an, „ … aber du warst weg Lil. Du warst einfach weg! Ich wollte dir das alles erklären, aber ich konnte dich nirgendwo finden! Verdammt wo warst du?“
Mittlerweile liefen immer mehr Tränen. Ich fasste es einfach nicht. Ich glaubte ihm und das war so schlimm. Er kam näher. „Wo warst du?“, fragte er leise. „Warum hast du niemanden etwas gesagt?“, fragte er weiter.
„Ich war so enttäuscht … Ich vertraute keinem mehr und habe alle Nummern auf meinem Handy gesperrt“, erklärte ich unter Schluchzern. „Und wo warst du?“, fragte er nochmal. „Bei meiner Tante“, antwortete ich.
Er zog mich in seine Arme und ich drückte mich an ihn. Ich wollte ihn fühlen, ihn spüren.
Zack
Sie war bei ihrer Tante! Ich fasste es nicht. Ich hatte alle gefragt, wo sie denn sei. Ich war jedem damit auf die Nerven gegangen, aber niemand konnte es mir sagen und niemand hatte je von einer Tante gesprochen. Ich hatte ja auch keine Ahnung gehabt, dass sie eine hatte, geschweige denn, wo sie wohnte.
Es war egal, wir konnten die Zeit nicht zurück drehen. Aber wir hatten eine neue Chance bekommen und die wollte ich nutzen.
Sie glaubte mir, das stand fest und wir würden neu beginnen. Ich zog mich etwas zurück und wollte sie küssen, als sie den Kopf weg drehte. Ich war irritiert. Es war doch alles geklärt, was war los?
Lil
„Zack, ich glaube dir, wirklich, aber …“, begann ich zögerlich und kämpfte wieder gegen die Tränen. „Gibt es einen anderen?“, fragte er mich sofort, aber ich schüttelte den Kopf. „Es gab nie einen Anderen“, erklärte ich ihm. Es gab immer nur ihn, aber das war nicht das Problem. Ich musste es ihm erzählen, es half nichts und dann würde er es verstehen, so hoffte ich zumindest.
„Können wir uns setzen?“, fragte ich, denn das würde nicht einfach werden, wusste ich. Er nickte und zog mich mit zur Bank.
„Ich glaube dir wirklich, aber ich habe mich entschieden, keine Beziehung mehr zu führen.“, begann ich. Ich sah ihm an, dass er das nicht verstand. „Wegen mir?“, fragte er unglücklich. Sofort schüttelte ich den Kopf. „Nein, nicht wegen dir“, erklärte ich und nahm seine Hand. Das hatte nichts mit ihm zu tun. „Warum dann?“, fragte er nach. „Unsere Trennung war hart, aber im Nachhinein, war es sogar besser so“, sagte ich nun.
Zack
„Besser so?“, fragte ich irritiert. Wieso sagte sie das? „Ich war noch nicht lange bei meiner Tante, da wurde ich krank, Zack“, erklärte sie mir nun. „Was meinst du genau?“, fragte ich nach, denn so wie sie mich ansah, war es kein Schnupfen gewesen. „Krebs“, sagte sie nun und ich fühlte mich, als ob die Welt stehen geblieben wäre. Ein einziges Wort, langte dafür.
Aber sie saß hier, hier bei mir, fiel mir dann ein. Was bedeutete das nun? „Und?“, fragte ich, sie musste doch weiter reden, mir erklären, was nun war. „Ich habe den Krebs besiegt, vorerst“, sprach sie endlich. Moment, aber vorerst, was hieß das denn jetzt wieder? „Vorerst?“, wiederholte ich.
„Vorerst ja!“, meinte sie nun. „Wie meinst du das?“, hakte ich nach. Traurig erwiderte sie: „Es ist ein Wunder, Zack oder aber eine Etappe“.
Eine Etappe? „Der Krebs kann immer wieder kommen, das ist so. Er kann in einem Jahr oder in zehn Jahren kommen. Die Wahrscheinlichkeit verringert sich, aber man kann sich nie ganz sicher sein“, erklärte sie nun. „Ich kann dir das nicht antun, diese Ungewissheit. So zu leben … immer mit dem Wissen …“ Sie verstummte.
Ich fasste es nicht. … Aber, … verdammt … Es musste doch irgendwie … „Aber die Nachsorge, bei der Nachsorge würden sie doch etwas sehen!“, kam mir der Gedanke, „Und dann könnte man doch immer noch …“, klammerte ich mich an einen Strohhalm. „Ich geh nicht mehr hin“, stellte sie dann fest. Ich war geschockt. „Du gehst nicht mehr hin!?“, fuhr ich sie an. Ich war entsetzt und stand auf. Ich fasste es nicht! Wie konnte sie das tun? Ich lief auf und ab. Es machte mich verrückt. Sie spielte mit ihrem Leben, aber warum?
Lil
Zack verstand es nicht. Er konnte es nicht verstehen. Wie auch! Er war nicht dabei gewesen, … Er hatte nicht gesehen, wie ich … Es war eine harte Zeit gewesen und ohne meine Tante, ich hätte es einfach nicht geschafft, ich wäre nicht mehr hier.
Ich hatte mir geschworen, dass ich das nicht noch einmal machen würde. Niemals! Denn auch die Ärzte hatten mir nicht wirklich Hoffnung gemacht. Sie erklärten mir, dass es leider nie ganz sicher war, dass es immer wieder vorkam, selbst wenn man es überstanden hatte, es könnte immer sein, dass … verdammt, ja, dass der Krebs wieder kam.
Aus meiner Euphorie, es geschafft zu haben, wurde Verzweiflung. Ich hatte so lange überlegt, wie mein weiteres Leben aussehen sollte. Wie sollte ich leben? Was sollte ich tun? Oder besser gesagt, was wollte ich?
Aber die Tatsache, dass ich nicht wusste, ob und wann er wieder kommen würde, machte es mir schwer. Das Einzige, was ich mir vornehmen konnte war: Leben. Wirklich leben.
Ich arbeitete gerade so viel, dass es langte. Was sollte ich auch für später vorsorgen? Nein, daran dachte ich nicht. Ich wollte Spaß haben, Menschen kennen lernen, tanzen und es gab noch einiges was ich mir vorgenommen hatte. Aber eines war nicht dabei, eine Beziehung führen.
Denn wie sollte das funktionieren? Wie? Wenn man immer im Hinterkopf hatte, es könnte bald zu Ende sein!
Zack
Irgendwann blieb ich stehen. Ich konnte sie einfach nicht verstehen. Ich brauchte Antworten. Ich sah sie an. Stumm saß sie auf der Bank und blickte auf ihre Hände. Es musste doch einen Grund geben! Sie würde nicht einfach aus einer Laune heraus … Nein, sie hatte einen Grund, aber welchen? Ich setzte mich wieder zu ihr und fragte leise: „Warum gehst du nicht mehr hin?“
Traurig sah sie mich an. „Ich habe es nicht mehr ertragen, Zack“, erklärte sie, aber ich verstand es noch immer nicht. „Was meinst du damit?“, hakte ich nach.
Und dann begann sie endlich zu erzählen: „Ich habe gekämpft. Ich hatte die OP, die Chemo und ich zog es durch. Ich wurde schwächer, konnte schlecht Essen und verlor meine Haare, sie lagen eines Morgens einfach auf meinem Kopfkissen.“ Ich drückte ihre Hand und sie sprach weiter: „Ich hielt mich an alles, wirklich und ich dachte er wäre weg, aber dann bei der Nachsorge stellten sie fest, er war wieder da. Woanders diesmal!“, erzählte sie mir nun. „Es war furchtbar. Sie sagten, sie könnten nicht operieren.“ Ich hörte ihr zu und dennoch konnte ich es nicht fassen.
„Du kannst dir nicht vorstellen, wie ohnmächtig du bist, wie verzweifelt. Sie machten eine weitere Chemo, aber die hab ich nicht vertragen. Ich hab nichts mehr essen können. Nur noch gebrochen, Durchfall … Ich konnte nicht mehr. Ich hab aufgegeben Zack.“
Das zu hören, war unerträglich. Ich hätte für sie da sein wollen, dachte ich immerzu und während sie mir davon erzählte, liefen ihre Tränen ununterbrochen, aber sie sprach weiter: „Alle hatten sie mich aufgegeben, aber meine Tante nicht, sie nicht. Ich bin nach Hause zum Sterben gegangen. Ich hatte mit meinem Leben abgeschlossen, verstehst du? Mit Infusion haben sie mich ernährt. Ich war so schwach.“
„Aber du hast es geschafft!“, erinnerte ich sie. Kurz sah sie auf und nickte. „Ja, denn meine Tante gab nicht auf. Sie sagte immer: Wenn du ein Ziel hast, auch wenn es noch so unerreichbar scheint, aber wenn du ein Ziel hast, dann kannst du alles schaffen.“ Ein kleines Lächeln erschien nun auf ihrem Gesicht, als sie mir davon erzählte.
Lil
„Ich habe viel über diesen Satz nachgedacht. Ein Ziel! Welches Ziel sie gemeint hatte war klar. Gesund werden. Aber es lockte mich nicht. Verzicht, Vorsicht und Angst prägten nun mein Leben. Ich dachte, wenn dann müsste sich einiges ändern“.
Er hörte mir ganz genau zu. Ich holte mit meiner Erklärung aus, denn ich wollte, dass er verstand, warum ich so dachte. „Ich überlegte, was müsste sich ändern? Was würde ich wollen? Wie müsste mein Leben sein, dass ich unbedingt die Krankheit besiegen wollte? Was würde ich erleben wollen, was sein? Ich ließ meinen Gedanken freien Lauf und war überrascht, was alles kam.
Von dem Tag an stellte ich mir vor, was ich alles machen würde, wenn ich es schaffte. Es machte mir sogar Spaß.“, erinnerte ich mich nun und lächelte.
„Ich stellte fest, dass ich die Welt sehen wollte, zumindest einen Teil davon. Ich bestieg Berge und stellte mir vor wie ich am Gipfel stand. Die unendlichen Weiten zu sehen und die Stille wahrzunehmen machte mich glücklich. Ich ging im Dschungel spazieren und entdeckte Schlangen, Vögel, Affen. Ich lief am Meer entlang, stellte mir vor, wie die Möwen in der Luft kreisten, wie ich Muscheln suchte. Ich konnte regelrecht die Sonne auf mir spüren und die Wellen rauschen hören. Ich sah mich lachen, tanzen, Party machen. Ich stellte mir vor was ich mit meinen Haaren machen könnte, wenn sie denn wieder da wären. Färben? Kurz lassen oder wachsen lassen? Wo würde ich arbeiten wollen und als was? Was würde mir gefallen? Wollte ich hier bleiben oder weg gehen?“ Ja, das alles hatte mich beschäftigt.
Ich sah zu Zack. „Es kamen so viele Gedanken und mit ihnen auch mein Wille, mein Wunsch und meine Hoffnung diese Krankheit zu besiegen. Ich wollte es für mich tun und danach, wenn alles überstanden war, wollte ich leben. Wirklich leben!“
„Und du hast es geschafft“, stellte er nochmal fest. „Ja, für die Ärzte war es ein Wunder, aber sie sagten auch, dass es nicht sicher war, dass sie mir nichts versprechen können“, erklärte ich weiter. „Und warum gehst du dann nicht zur Nachsorge? Warum? Ich kann es nicht verstehen!“, fragte er wieder.
„Ich habe Angst! Furchtbare Angst. Je näher der Nachsorgetermin kam, desto schlimmer wurde es. Ich hatte regelrechte Panikattacken. Immer dachte ich, was ist, wenn er wieder da ist? Was ist dann? Es war so furchtbar. Ich konnte nicht mehr, ich ertrug es nicht mehr und seitdem meine Tante mich nicht mehr nötigte, dorthin zu gehen, ließ ich es ganz bleiben.“
Er nickte zwar, aber er verstand es nicht. Es verstand niemand. Wie auch! „Aber seitdem geht es mir besser. Er ist noch da, der Gedanke daran und wenn es mir nicht gut geht, dann kommt er auch sofort, aber ich dränge ihn weg. Ich schiebe ihn in die hinterste Ecke meines Verstandes. Denn selbst wenn es rechtzeitig erkannt werden würde, ich wusste, ich würde diese Prozedur nicht noch einmal ertragen.“
Zack
Sie würde die Prozedur nicht noch einmal ertragen, die Worte, das hieß, sie würde nicht mehr kämpfen. Das war … verdammt … es war so ungerecht! Wie konnte man so leben? „Und wie stellst du dir dann die Zukunft vor?“, fragte ich deshalb.
„Die Zukunft? Ich stelle mir keine Zukunft vor. Ich lebe jetzt und ich will alles mitnehmen, was ich kann, solange es eben dauert“, sagte sie nun. „Und deshalb willst du keine Beziehung führen“, stellte ich fest, denn das schloss ich aus alledem. Sie sah mich an: „Wie sollte das funktionieren? Wie könnte ich das jemandem antun? Immer mit dem Gedanken im Hinterkopf, es könnte bald vorbei sein! Und Kinder! Ich weiß noch nicht mal, ob ich überhaupt noch welche bekommen könnte, nach all den Medikamenten und dann, würde ich sie aufwachsen sehen?“
Puh, das musste ich erstmal sacken lassen. Ich verstand sie … irgendwie … aber ich wollte … Ich sah wieder zu ihr. Es war nicht sicher, da musste ich ihr Recht geben, aber was war überhaupt sicher? Es kam immer wieder vor, dass ein Partner starb. Ein Unfall, eine Krankheit, natürlich war die Wahrscheinlichkeit höher bei ihr, aber dennoch … Die Sicherheit konnte einem niemand geben.
Sie konnte mir nichts versprechen, aber ich ihr im Grunde auch nicht. Sie sagte, sie wolle leben, sie wolle den Moment genießen und alles mitnehmen, was kam. Sie hatte dem Tod getrotzt und das alles hatte ihr bewusst gemacht, was zählte, was wirklich zählte.
Und ich? Wie lebte ich? Was wollte ich? Ich hatte oft an sie gedacht. Ich hatte mich immer wieder gefragt, wie es ihr ginge, ob sie glücklich war und ich hatte mir geschworen, dass wenn wir uns noch einmal begegnen würden, ich nichts unversucht lassen würde, sie wieder für mich zu gewinnen. Und jetzt? Dachte ich nun anders? Dachte ich anders, weil wir keine sichere Zukunft hatten?
Lil
Nun schwieg er. Das war auch verdammt viel gewesen, was ich ihm erzählt hatte. Anfangs tat ich mir auch schwer darüber zu reden, aber es tat auch gut. „Und wenn ich auch einfach nur leben will und das mit dir“, sagte er plötzlich und riss mich damit aus meinen Gedanken. Ich glaubte mich verhört zu haben. „Zack, ich glaube nicht …“, aber er unterbrach mich. „Du hast das für dich entschieden Lil, aber warum gestehst du mir nicht ein, dass ich auch meine Entscheidung treffen kann.“ Ich war völlig perplex. Er konnte das doch nicht so meinen. Er hatte unendlich viele Möglichkeiten. „Ich habe immer an dich gedacht. Ich habe mir so viele Vorwürfe gemacht und ich habe mir geschworen, dass wenn ich dich wieder sehe, ich nicht ruhen werde, bis du mir eine Chance gibst.“ Das war … damit hatte ich nicht gerechnet. Aber … „Es gibt keine Sicherheit“, sprach er weiter, nahm meine Hand und sah mir fest in die Augen. „Auch ich kann dir nichts versprechen. Vielleicht klappt es auch gar nicht zwischen uns, aber wenn doch … wenn es passt, dann wünsche ich mir nichts sehnlicher, als mit dir zusammen zu sein. Egal wie lange es dauern wird.“ Jetzt heulte ich richtig.
Zack
Ich zog sie fest an meine Brust. Ja, das fühlte sich so richtig an. Es war das Richtige, ich war mir zu 100 Prozent sicher. Ich würde sie festhalten, solange ich konnte. Als sie sich etwas beruhigt hatte, sah sie zu mir auf. Mit dem Daumen strich ich ihre Tränen weg und ihre Haut war so zart. So verdammt zart. Langsam näherte ich mich ihr und dann endlich spürte ich ihre Lippen auf meinen. Ich wusste, wir würden alles schaffen und wir würden jeden Moment genießen, zusammen.
Epilog
Hier stand ich nun an ihrem Grab. Wir hatten es gewagt und unserer Liebe eine Chance gegeben.
Es war nicht leicht gewesen, aber ich hatte sie überreden können, wieder zu allen Vorsorgeuntersuchungen zu gehen. Ich stand ihr bei, aber ihre Angst, ihre Panik vor diesen Terminen war enorm. Sie hatte es mir erzählt, aber sie dabei zu erleben, war doch etwas ganz anderes. Wir hatten zusammen gebangt und gehofft. Wir aßen gesund, trieben Sport, aber wir lebten auch einfach und genossen jeden Moment.
Wir reisten am Anfang viel und wenn uns ein Ort nicht gefiel, dann zogen wir einfach weiter. Wir hatten zwar nicht die ganze Welt bereist, aber trotzdem hatten wir viel gesehen. Ich hatte festgestellt, dass Lil die Berge zwar mochte, aber sie lieber mit der Gondel nach oben fuhr und im Dschungel waren wir nicht, das war uns dann doch zu weit. Schließlich hatten wir uns dann am Meer niedergelassen, denn das war ein Ort, der uns beiden sehr gut gefiel.
Vielleicht lebte man bewusster, wenn man wusste, es konnte jeden Moment vorbei sein. Ja, vermutlich sogar. Wir hatten wirklich alles mitgenommen und ich hatte viele schöne Erinnerungen, die mich nun begleiten würden.
Es würde nicht einfach werden, ohne sie, das wusste ich, aber ich war dankbar und glücklich für die Zeit, die uns geschenkt wurde. Und wenn ich ein was in dieser Zeit gelernt hatte, dann war es, dass nichts selbstverständlich war, nichts!
„Ist sie wirklich für immer weg?“, hörte ich plötzlich Sophia fragen und eine Träne stahl sich aus ihren Augen. „Opa, ich will das nicht!“, schluchzte sie nun. Ich hob sie hoch. Hielt sie fest an mich gedrückt und dann flüsterte ich ihr zu: „Sie wird nie ganz weg sein, denn sie wird immer in unserem Herzen bleiben“.
Ende