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Lieblos

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24.08.2003
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Lieblos

Hallo du dort draußen,

Ja, ich bin allein. Aber es macht mir nichts aus. Kannst du dir vorstellen, wie schrecklich es ist, "schön" zu sein? Kannst du es? Schau dir die Models an, die durch die Werbung geistern. Schau nur einmal auf die Straße, die vielen hässlichen und schönen Menschen, die dort ihre Leben leben, vor sich hin existieren.
Vielleicht bist du einer jener hässlichen Menschen. Vielleicht kannst du dir wirklich nicht vorstellen, dass es einen Nachteil haben kann, schön genannt zu werden. Mein Körper, um den mich alle beneiden, wenn sie ihn sehen - er ist ein einziges Hindernis. Ich habe eine klassische Figur, wie aus den feuchten Träumen eines kleinen Jungen. Große Oberweite, schlanke Taille, und breite Hüften. Ich bin auch schlank - was will man mehr?
Nur einen gut sitzenden BH und eine Brust-OP. Wirklich. Das Bindegewebe ist trotz Jugend weich und droht bei jeder hektischen Bewegung zu reißen. Korsetts oder Corsagen? Nein. Vielleicht für eine Figur von neunzigsechzigneunzig. Aber nicht für mich.
Zu allem Überfluß habe ich zu einer sogenannten guten Figur auch noch ein angeblich schönes Gesicht - das Einzige an mir, was ich auch nur ein bisschen mag.
Trotzdem - dieser Körper, in dem ich da gefangen bin, ist nur ein einziges Hindernis für mich. Sport - das scheidet aus, das Bindegewebe könnte reißen. Schwimmen? Wäre ja schön, wenn ich nicht halb blind wäre und im Wasser nichts sehen könnte. Mit Brille schwimmen? Ich bin doch nicht wahnsinnig, ich habe schon einmal eine Brille verloren.
Wenn ich eine Treppe steige, merke ich, wie meine Brüste auf und ab schwabbeln. Ich bin kurzatmig. Jede höhere Treppe ein Hindernis. In solchen Momenten ekle ich mich vor mir selbst.
Ich wäre gern eines jener hirnlosen Mädchen, die ich auf der Straße sehe, die Worte wie "ey" oder "Aldah" benutzen. Im Gegensatz zu dem schweren grauen Klumpen zwischen ihren Ohren, den benutzen sie nämlich nicht. Ich glaube aber nicht, dass du so jemand bist. Und wenn doch, dann denkst du vielleicht gerade "Ey, die Alte hat Probleme! Was will die eigentlich, die hat doch so ein Glück!"
Aber nicht einmal das ist mir gegönnt. Ich bin meiner selbst bewusst. Mein Körper ist verhüllt mit weiten Pullis und ausgebeulten Hosen. Mein Gesicht verändert durch schwarzen Lidschatten, das Haar wirr und verstrubbelt. Würde ich enge Kleider tragen und mein schlaffes Bindegewebe stützen und so tun, als wäre ich normal - dann wäre es so wie damals, als mich in der Disco ein wildfremder Kerl ansprach: "Ficken?"
Manchmal wäre ich gern so ein Mensch. So - normal.
Würde mit den vielen, vielen Freunden, die ich dann bestimmt hätte, um die Häuser ziehen. Beach-Volleyball würden wir spielen, ich wäre braungebrannt und muskulös, würde Kontaktlinsen tragen und oft lachen.
Aber so gehe ich durch den Alltag und höre anderen Menschen zu. Immer wieder höre ich Geschichten - über Liebeskummer, über gebrochene Herzen. Und dann erinnere ich mich an den letzten Menschen, den ich zu lieben glaubte. Einige schnelle, hitzige Wochen lang. Eine Beziehung, streng geheim gehalten vor Freunden, der Welt, als ein süßes Geheimnis nur zwischen ihm und mir. Seine weichen Lippen auf meinen, seine starken Hände in meinem Haar. Und überall auf meinem Körper. "Du bist wunderschön" sagte er, und ich glaubte ihm.
In jener Zeit strahlte ich von innen heraus, sagten meine Bekannten. Ich muss wohl glücklich gewesen sein, aber alles, woran ich mich erinnere, ist dieser Taumel aus Kribbeln im Bauch, Sex und stillem Glück über ein schönes Geheimnis. Ich ging hochaufgerichtet durch die Welt, das Haar zurückgebunden und gekämmt.
Wie es kam, dass all das verpuffte, weiß ich nicht mehr. Plötzlich war ich es, die ihm sagte, dass es vorbei sei. Er akzeptierte es - der Rausch war verflogen. Aber obwohl ich sicher gewesen war, ihn zu lieben, floß keine einzige Träne. Es wurde Sommer, es wurde Winter, und immer noch sind meine Augen trocken.
Und ich bleibe in diesem Zustand. Kennst du das vielleicht? Es ist so ähnlich, wie wenn man eine schreckliche Enttäuschung erlebt hat und seine gesamten Gefühle abkapselt. Hast du so etwas erlebt? Dann beruhige dich, es wird vorbeigehen. Irgendwann heilen deine Wunden. Aber ich weiß nicht, ob ich jemals wieder so werde wie damals.
Jetzt ist die Scham wieder da - die Scham über meinen Körper. Über die schlaffen Brüste, die weiße Haut. Die schön genannt wurde von Menschen, die es nicht besser wussten. Die Blutergüsse, die sich so leicht bildeten. Sie hatten ihn fasziniert, diese dunklen Flecken. Er hatte es geliebt, zuzusehen, wie sie langsam auf meiner hellen Haut erschienen, von ihm verursacht. Er küßte sie dann manchmal.
Einmal lachten wir über den Gedanken, dass er es sofort sehen würde, wenn ich ihn betrügen würde. Zu diesen Flecken, die er mir in seiner Extase zufügte, stand ich, ich trug sie stolz wie Ehrenmale, bis sie verschwanden. Aber jetzt ist es nicht mehr so wie damals, irgendetwas scheint sich verändert zu haben, ich weiß nur nicht, was. Alles hat sich verändert. Die Welt, die seinetwegen im hellen Licht der Sonne erstrahlte, ist nun dunkel, nur erleuchtet von den Spots von Scham, Selbstekel und Neid. So oft leuchten sie auf, wenn ich ein Mädchen auf der Straße sehe, das schlank ist, braungebrannt und durchtrainiert, bepackt mit Einkaufstüten voller bunter Kleider, neben sich eine Freundin. Die beiden reden dann aufeinander ein, lachen atemlos, kichern. Sie lästern dann über ihre Freundinnen und Freunde.
Ich habe keine Freundinnen und Freunde, weil ich es niemandem zumuten kann, mich selbst zu mögen, vorbei an der Barriere meines Körpers. Jetzt habe ich das erkannt. Nur ein Gefäß für die Seele - aber eines mit Schloß.
Kannst du dir so etwas vorstellen? Scham wegen eines Körpers, den du vermutlich mögen würdest? Wegen Hämatomen, wegen zu großer Brüste, und wegen meiner Körpergröße? Scham, weil ich "schön" bin in den Augen der Menschen?
Kannst du dir die Schuldgefühle vorstellen, die ich habe, wenn sich jemand in mich verliebt? Wenn mir jemand sein oder ihr Herz zu Füßen legt und ich es aufheben muss und es zurückgeben?
Ich glaube, einige Herzen habe ich dabei schon zerbrochen. Dabei will ich es gar nicht. Warum verschwenden diese Menschen ihre Liebe nur an mich, wo ich sie doch gar nicht erwidern kann, wo ich doch gefangen bin in meinem Selbstekel?
Kannst du es mir sagen?
Dann tu es bitte.
Bitte.

 

Eine traurige, melancholische Geschichte. Man liest es und möchte dich knuddeln, aber dann, hey da wird nicht von sich selbst gesprochen, sondern Kunst geschaffen und nach diesem Gedanken bleibt dann nur noch Verwunderung darüber, wie spielerisch authentisch es dir gelungen ist, mich als Leser in deine Stimmung mitzunehmen; habe allerding auch lachen müssen und Ironie ist mir nicht verborgen gelieben. Gerae deshalb :-)) kann ich dir keine Antwort auf deine Frage geben.

 

hallo schriftbild,

danke fuer deine kritk - ich dachte schon, ich bekomme gar keine mehr :)

jetzt stellt sich wieder die frage - ist der text autobiographisch?
vielleicht teilweise, aber nur ein bisschen.
ich wuerde hier nie einen 100% autobiographischen text reistellen und dann erwarten, dass man ihn aus lauter ruecksichtnahme auf mich durch eine rosarote brille (oder gar nicht) kritisiert. ich will lernen, und nicht bemitleidet werden :)

danke fuer die kritik - und ich moechte an dieser stelle andere dazu ermutigen, mir auch eine zu schreiben :)

lg, vita

 

irgendwie isr der text für mich voll von widersprüchen. der anfang ist superklasse, weckt hohe erwartungen, die dann leider doch enttäuscht werden.
für mich bilden folgende stellen widersprüche:
"Mein Körper, um den mich alle beneiden, wenn sie ihn sehen - er ist ein einziges Hindernis. Ich habe eine klassische Figur, wie aus den feuchten Träumen eines kleinen Jungen. Große Oberweite, schlanke Taille, und breite Hüften. Ich bin auch schlank - was will man mehr?"

die erzählerin bezeichnet sich selbst als schön. siehe auch: "Kannst du, dir vorstellen, wie schrecklich es ist, schön zu sein?"

nur verstehe ich dann den selbstekel nicht und warum der körper die scham verursacht. wenn die hauptperson sich aber vor sich selbst ekelt, dann kann sie doch nur denken, dass sie schön ist, wenn sie den gängigen ästhetischen vorstellungen entspricht, d.h. sie hält sich nicht für schön, aber sie wird für schön gehalten und weiß das. dazu passt aber nicht, dass die figur eben nicht die maße 90-60-90 hat, welche die idealmaße sein sollen, schlaffe brüste und blasse haut entsprechen ebensowenig den üblichen schönheitsidealen. wie kommt es also, dass die erzählerin sich als schön bezeichnet?

ich finde die beiden sätze: "Vielleicht bist du einer jener hässlichen Menschen. Vielleicht kannst du dir wirklich nicht vorstellen, dass es einen Nachteil haben kann, schön zu sein." total klasse. wenn du nichts dagegen hast, klaue ich sie dir und baue eine andere geschichte drumrum.

 
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klar, mach das :)

ich werde versuchen, den inneren konflikt der protagonistin noch einmal zu verdeutlichen. danke fuer deine kritik, sie zeigt mir, woran ich noch arbeiten muss.

das mit dem "schön" ist sarkasmus von seiten der prot, ich habe ihn noch ein bisschen deutlicher gemacht. sie selbst findet sich nicht schön. sie spottet über die gesellschaft, die etwas beweihräuchert und als erstrebenswert hinstellt, was sie nicht kennt.

lg, vita

 
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hey vita,
ich muß der kritik von waldemar zustimmen, die protagonistin ist ja durch die hängenden brüste nicht perfekt. ein bh kaschiert diesen makel und bleibt so für ungeschulte augen verborgen, dieser konflikt wäre interessant. warum liebt sich deine protagonistin sich nicht selbst? schafft ihr aussehen eine barriere zwischen den normalen menschen und ihr, hat sie deswegen nicht gelernt sich selbst zu lieben? es fehlen mir noch andeutungen warum sie selbstekel empfindet." es floß keine einziege träne u.s.w fand ich sehr schön geschrieben. ich hoffe, meine kritik konnte dir weiter helfen.

pia

 
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Geschrieben von vita
Hallo du dort draußen,

Kannst du, dir vorstellen, wie schrecklich es ist, "schön" zu sein?


das komma zwischen du und dir ist zuviel.

Würde ich enge Kleider tragen und mein schlaffes Bindegewebe stützen und so tun, als wäre ich normal - dann wäre es so wie damals, als mich in der Disco ein wildfremder Kerl ansprach: "Ficken?"

seltsame änderung, die du da vorgenommen hast. irgendwie verstehe ich den sinn dieses einschubs nicht. es wird nicht deutlich, warum die erzählerin sowas erzählt. entweder diesen teil wieder wegmachen oder ergänzen und so den zusammenhang zum rest der erzählung herstellen, z.b. dadurch dass die erzählerin sagt was sie da empfunden hat, oder wie sie darauf reagiert hat. die szene scheint irgendwie eine bedeutung für die erzählerin, aber es wird nicht deutlich warum, was das besondere sein soll.


der text ist immer noch widersprüchlich, dass du einmal sogennant und einmal angeblich eingebaut hast, ändert da nicht viel dran. das problem ist auch, dass du eigentlich zwei geschichten erzählst und der zusammenhang zwischen beiden nicht klar wird. die eine geschichte ist, die über den körper der protagonistin, die andere über ihre beziehung zu dem einen typen, mit dem sie schluß macht. die frage ist, was hat das eine mit dem anderen zu tun. okay, der typ bezeichnet die erzählerin als wunderschön, da könnte man eine verbindung herstellen, aber wo ist der zusammenhang zwischen der beziehung und ihrem ekel, das geht im text so ineinander über, aber ich weiß nicht wieso.


die geschichte wäre sinnvoller, wenn du der erzählerin wirklich ideales aussehen geben würdest, keine schlaffen brüste etc. und sie würde sich nicht vor ihrem körper ekeln, sondern vor ihrem inneren, weil sie nicht lieben kann. das problem würde dann so aussehen:
ich bin schön => männer verlieben sich in mich
ich kann nicht lieben => ich verletze die menschen, die sich aufgrund meines äußeren in mich verlieben.=> ekel vor sich selbst
oder so ähnlich


okay, es wäre dann ne komplett andere geschichte, nicht mal sonderlich originell, aber wenigstens würde sie dann sinn ergeben. die andere möglichkeit ist, du bezeichnest die protagonistin nicht als schön, aber gerade der anfang mit dem philosophieren über das unglücklichsein trotz schönheit hat mir besonders gut gefallen.

übrigens die geschichte, zu der mich dein text inspiriert hat, wird ungefähr so ablaufen: party. mein häßlicher prot sieht ein wunderschönes mädchen traurig an der wand sitzend. geht auf sie zu und spricht sie an. und sie sagt ihm, dass er glücklich sein kann, dass er so häßlich ist und erzählt ihm ihre geschichte. was das für ne geschichte sein wird,weiß ich noch nicht so genau, aber ich weiß schon die pointe, die am schluß kommt, jetzt muß mir nur noch die mitte einfallen.

 

hi waldemar,

deine vorschlaege wuerden den text zu einer ganz anderen geschichte machen. das ist er aber nicht - er schildert das leben eines menschen, der beide probleme hat. ich habe noch ein bisschen dran rumgearbeitet, hoffe, dass die uebergaenge zwischen den beiden handlungsstraengen weniger fließend sind.

den einschub habe ich bearbeitet - damit will die prot wieder auf die seltsame hirnlosigkeit der gesellschaft hinweisen, von der sie sich distanziert und abstoßen fuehlt.

@pia
ich werde den selbstekel der protagonistin noch ein wenig starker herausarbeiten, bzw eigentlich habe ich das schon, aber ich werde noch einmal druebergehen und gucken

lg, vita

 

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