Liebespaar im Café
Liebespaar im Café
Ich setze mich, bestelle meinen Tee. Das Café ist fast leer. Ein Ort der Ruhe. Rückzugsort. Langsam wandert mein Blick durch den Raum, über das unharmonische Spiel von Licht und Schatten. Er bleibt an einer jungen Frau hängen. Eine Schönheit. Lautlos scheint sie mich zu rufen. Zu locken, verführen, mit mir spielen. Dieses Gefühl, ein Brennen, ein Frieren, ein Schmerz, ein Wahn – irgendwo unterhalb des Magens, oberhalb des Herzens. Doch sofort schwindet die Illusion, denn sie spielt nicht mit mir. Ihr Begleiter setzt sich zu ihr, lächelt sie an. Ich erkenne es sofort. Sie und Er. Ein Molekül im Spiel der Atome. Da sitzen sie, wie unzertrennlich. Schauen sich an, reden vielleicht. Wortlos. Über die Brücken, die sie verbinden. Zwei Inseln in Venedig. Wen stört in der Stadt der Liebe der Gestank der Kanäle?
Ich trinke einen Schluck Earl Grey und der bittersüße Nachgeschmack entlockt mir beinahe eine Träne. Was ist das – Liebe? Ist es das, was diese zwei verbindet? Und der Blick wandert. Bleibt hängen. Beobachtet. Was reden sie da? Belanglosigkeiten? Wie kann das sein... so wenig sagen, sich so gut verstehen. Er wird sie immer lieben, meint er. Sie wird ihn nie verlassen. Und vielleicht streiten sie sich noch über ihr neues Kleid, sein neues Hemd, ihre gemeinsame Wohnung. Was hat er, was mir fehlt? Was würde ich tun, wenn ich auf seinem Platz säße – und Du auf ihrem? Würde ich auch vom Wetter reden? Von meinem letzten Geschäftsessen? Von Deinem Kleid? Würdest Du auch nur schweigen, mir vielleicht einen zarten Kuss geben und zustimmen? Um dann zu erzählen vom letzten Großeinkauf. Ich würde gähnen, meinen Blick schweifen lassen und vielleicht ein glückliches Liebespaar irgendwo in einer anderen Ecke des Cafés finden. Davon träumen, wie das wohl wäre....
Glücklich sein. Du gibst mir einen leichten Stoß. Glücklich sein. Im Himmel, bei Gott. Meinst Du. Es gibt keinen Gott, widerspreche ich. Aber vielleicht.... vielleicht hast Du recht. Vielleicht existiert kein Glück. Und der Gedanke entlockt mir beinahe eine Träne. Was ist das – Glück? Gibt es das überhaupt? Und ich wandere. Schritt für Schritt durch mein Leben. Manchmal bleibe ich stehen. Mein Weg führt mich weit zurück. Und ich finde, was ich suche. Aber wie kann das sein... Traurigkeit ist alles, was bleibt. Ich habe so viel verpasst. So viele Chancen. So viele Augenblicke. So wenig genossen. Einfach an mir vorbeiziehen lassen.
Du lachst. Das erinnert mich... auch Dich habe ich verpasst. Wenn ich sage, ich bereue nichts in meinem Leben, dann ist das gelogen. Ich bereue, nicht gut genug für Dich zu sein. Und der Gedanken entlockt mir eine Träne. Die erste seit Jahren vielleicht. Wer ist das – Du? Gibt es Dich überhaupt? Oder bist Du nur eine Projektion. Meine Vorstellung von Perfektion. Mein Bild von Dir so verzerrt, dass mir außer Verehrung nichts mehr bleibt? Wie hast du mich, wie habe ich mich selbst gefangen? Und meine Gedanken wandern. Weit zurück. Als ich dich das erste mal wahrnahm.
Sie steht auf. Sagt, sie muss noch etwas im Büro erledigen. Und das Blümchen auf dem Tisch verliert sein erstes Blatt.