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Liebesgabe
„Wohin willst du, Schatz?“ Lisas Stimme gellte durch die langen Flure des Apartments, vorbei an der Designer-Couchgarnitur, den schwedischen Flurgarderobemöbeln, den originalen Kunstdrucken an den mit Seideimitat bezogenen Wänden durch die Modern-Art-Plastikhaustür bis in Martins Ohren.
Nur den winzigen Bruchteil einer Sekunde lang dachte er über die Gesamtkosten des in der Wohnung angesammelten Krimskrams und seinem eigenen Beitrag daran nach. Den Hauptanteil seiner Gedanken machte aber die Tatsache aus, dass er gerade im Begriff war, seine Frau anzulügen. Schon seit Tagen hatte er mit dieser Frage gerechnet, war aber bisher jedes Mal um sie herumgekommen. Ausgerechnet heute stellte Lisa sie und er war ihr eine Antwort – eine Ausrede schuldig.
„Äh... Nur runter in die Stadt, mein Engelchen.“
Damit war es vollbracht!
Die Lüge war ausgesprochen.
Der Ehe-Lehrbuchfehler par excellence war getan. Aber Lisa hatte es schließlich so gewollt.
„Gehst du vielleicht ins Einkaufzentrum?“ Ihre hohe Stimme drang erneut durch den Türspalt, den Martin noch für einen Augenblick geöffnet hielt.
„Vielleicht.“
„Kannst du mir dann irgendwas Schickes mitbringen? Außerdem ist heute Abend Weihnachten und es gelten bereits die speziellen Festtagsgesetze. Du musst unbedingt noch dein Konto leeren. Ich-“
Mit kräftigem Rumsen fiel die schwere Tür in den Rahmen und ihr Riegel ins Magnetschloss. Martin stand auf dem Flur und seufzte.
Er hatte ganz vergessen, sein Konto leer zu kaufen. Die Chipkarte in seinem Portemonnaie blinkte schon seit Tagen in warnendem Rot, aber er hatte es einfach ignoriert. Möglicher Weise waren die Ko-Pos bereits auf ihn aufmerksam geworden. Mit denen war nicht zu spaßen. Die konnten einem echte Probleme bescheren, wenn sie es auf einen abgesehen hatten, und das passierte schneller, als man dachte. Doch Martin ging diese Sorge wie alle anderen an, indem er sie in den hintersten Winkel seines Bewusstseins schob, in der Hoffnung, sie würden sich von selbst erledigen.
Er lenkte gerade seine Schritte Richtung Treppe, als auf der anderen Seite des Flurs die Wohnungstür Frau Schmittlers sich öffnete und diese ihren mehr als neugierigen Kopf hinausstreckte. Ein eisiger, winterlicher Hauch kroch die Treppenstufen von der Straße herauf und umspielte Martins Knöchel.
„Ah, der Herr Künstler“, sprach ihn die alte Schmittler in einem gespielten Plauderton an, hinter dem mehr Argwohn und Tücke sich verbargen, als man dieser nettanzuschauenden kleinen Oma zutraute. „Wieder auf dem Weg zum Dachboden?“
Martin war sprachlos. Eine Sekunde lang war auf dem Flur nur das hintergründige Gedudel der Werbejingels im Fernseher der Alten zu hören.
Wie machte sie das nur immer? Woher wusste sie über alles Bescheid, was sich im Haus ereignete? War es Telepathie? Oder besaß die Frau vielleicht einen Röntgenblick? Insgeheim vermutete Martin, dass jede Menge Minispionagekameras und ein ausgeklügeltes Bewegungsmeldersystem verteilt im ganzen Haus eine wichtige Rolle dabei spielten, aber selbst nach noch so langen Anstrengungen hatte er nichts Derartiges finden können.
„Guten Tag Frau Schmittler“, antwortete er höflich und hoffte, dass das Lächeln auf seinen Lippen nicht allzu künstlich wirkte. „Nein, ich wollte eigentlich gerade in die Stadt. Noch ein paar Sachen einkaufen, bisschen shoppen gehen sozusagen.“ Sein Lächeln blieb unbeantwortet. „Und Sie?“, fragte er weiter. „Haben Sie schon alle Geschenke für Ihre Lieben?“ Der saß. Ein echter Tiefschlag, den er sich nicht hatte verkneifen können. Die Schmittler und Liebe! Ha! Im besten Fall irgendwelche Dämonen aus der Hölle.
„Ach hören Sie auf zu sülzen!“ Sie blieb kühl. „Ich weiß zwar nicht, was Sie da oben treiben...“
Gut, dass ich vorsorglich ein Sicherheitsschloss an meiner Dachkammer angebracht habe, dachte Martin augenblicklich.
„... aber es wird ja wohl nichts Legales sein, wenn Sie sich da oben jeden Tag einschließen müssen. Vielleicht interessiert sich ja die Polizei dafür. Sie waren schon immer ein-“
„Ich muss jetzt los“, unterbrach Martin ihren beginnenden Schwall an Beleidigungen und Verurteilungen. „War sehr nett, sich mal wieder mit Ihnen zu unterhalten.“
Mit einem wutschnäuberischen „Mmphf!“ fiel Frau Schmittlers Tür ins Schloss und Martin war wieder allein auf dem Flur. Er spürte den Blick des Türspions der unausstehlichen Alten in seinem Rücken, aber nun war es egal, und so nahm er die Stufen rauf zum Dachboden.
Künstler hatte sie ihn genannt. In ihrer Welt sollte das eine Beleidigung sein, eine Provokation geradezu, aber Martin mochte diese Titulierung. Das einzige Positive an Frau Schmittler überhaupt. Sie schien, besser noch als seine Frau, sein tiefstes Innerstes zu erkennen. Ja, er war ein Künstler, ein Freidenker, jemand, der sich kreativ beschäftigen wollte. Kein tumber Mitläufer oder dummer Konsument.
Vielleicht war das einer der Gründe gewesen, weswegen Lisa ihn geheiratet hatte. Definitiv aber war es der Grund, weswegen sie sich irgendwann von ihm scheiden lassen würde. Das schrie sie ihm zumindest alle paar Wochen an den Kopf, wenn es mal wieder darum ging, dass sie zu wenig Geld in der Haushaltskasse hatten, weil er in seinen ständig wechselnden Jobs nie auch nur annähernd genug verdiente. Lisa verstand eben nicht, dass es ihm nicht um das Geld sondern die Erfüllung ging. Für sie waren diese beiden Dinge ein und dasselbe.
Die obersten drei Treppenstufen knarrten wie immer aufdringlich laut durch das alte Berliner Hinterhoftreppenhaus, doch anders als die Tage zuvor, war es Martin nun egal. Mochte die alte Schmittler doch denken, was sie wollte. Heute war es sowieso das letzte Mal.
Wenn alles nach Plan ging.
Aber das tat es. Martin hatte alles genau berechnet. Die Umgebungsvariablen wie ein Wissenschaftler aufs Feinste auf einander abgestimmt. Alles lag in seiner Hand und diese hatte er geradezu meisterlich zu schwingen gewusst.
Die Neonröhre an der Decke funzelte ein paar Mal und plötzlich gebar die Dunkelheit vor ihm den weiten und leeren Raum des Dachbodens. Staub bedeckte den größten Teil des Bodens, nur ein kleiner Pfad war freigetrampelt. Er führte zu einer rustikalen Bretterwand, die die hintere Wand des Dachbodens bildete. Ein Vorhängeschloss sicherte eine kleine Tür darin.
Martin presste den Daumen auf das Touchpad des Schlosses und dieses sprang mit einem fingerabdruckbestätigenden Piepser auf.
Eine bis eben gedämmte, subtropische Hitze schlug ihm ins Gesicht, als er die Tür des Verschlags öffnete und hineintrat. Drinnen war alles in ein bläulichweißes Licht getaucht, herrührend aus einer speziellen Leuchtdiode über seinem Arbeitstisch. Das war der Ort seiner Schaffenskraft, wo er sich und seinen Talenten freien Lauf lassen konnte. Keiner überwachte ihn oder sein Verhalten. Die Wände des Verschlags waren mit Skizzen technischer Zeichnung, Gemälden in Öl oder Wasserfarben behängt. Sie mochten dem kunstkritischen Auge manchmal verspielt oder gar naiv vorkommen, doch waren sie nur ein Abglanz der Vorstellungswelten innerhalb Martins Kopf. Sein aktuelles Projekt und ganzer Stolz war verborgen hinter der dünnen Zellophanfolie eines kleinen Gewächshauses genau unter der Leuchte. Eine spezielle Apparatur darüber tröpfelte winzige Wassermengen hinein, die sich bei der Umgebungstemperatur als Beschlag an der Folie absetzten.
Mit vorsichtigen Fingern entwirrte Martin einen dünnen Draht und klappte dann einen Teil der Folie zurück. Eine einstielige, mit zwei dicken, kräftigen Blättern versehene Blume kam zum Vorschein. Eine sehr seltene Orchidee, die in keinem Blumenladen oder Garten der Stadt zu finden war. Ihr riesiger Blütenstand war momentan noch geschlossen, doch an seinem oberen Rand schimmerte bereits eine kleine, orange Quaste, ein Vorgeschmack auf kommende Pracht. Ein Wassertropen landete auf der Quaste, perlte an ihrer Seite und danach am Stiel hinunter und verschwand im schwarzen Humus. Vor Monaten bereits hatte Martin sich den Samen zu dieser Pflanze von einem seiner Freunde in Übersee in einem Brief versteckt schicken lassen. Wie dieser dazu gekommen war, hatte er nicht erzählt, lediglich geheimnisvolle Andeutungen gemacht.
Martin hatte sich sofort das notwendigen Wissen zur Zucht tropischer Pflanzen mittels alter Bücher angeeignet und mit dem Bau des Minigewächshauses begonnen. Alles war handgefertigt, sogar den Topf hatte er selber aus einem großen Plastikrohr kunstvoll geformt und ihn mit allerlei Malereien an der Außenseite verschönert. Den Erdboden, in dem die Pflanze spross, hatte er eines Nachts ohne Eintritt zu bezahlen aus einem der städtischen Parks gestohlen. Stundenlang war er mit einem kleinen Messgerät umhergelaufen, um einen Humus mit dem richtigen PH-Wert zu finden.
‚Diese Pflanze ist unverfälscht,...’, dachte Martin, als er sie versonnen lächelnd betrachtete, ‚...rein und gratis, genauso wie es von der Natur aus vorgesehen ist.’
Aber soweit war es noch nicht. Nur eine Stunde noch, vielleicht auch zwei.
Er sah verträumt aus der kleinen Luke, die neben der Tür die einzige Verbindung zur Außenwelt darstellte. Die üppige Straßenbeleuchtung und die reich geschmückten Weihnachtsschaufenster trotzten ohne Mühe der frühen Nacht, die sich über das Land gelegt hatte. Ein kleines, ferngesteuertes Reklameluftschiff zog gemächlich am Fenster vorbei. Die überdimensionalen Werbedisplays auf seinen Flanken warfen ein buntes Farbspiel aus Licht auf Martins Miene, gedämpfte Stimmen und Jinglemelodien drangen an sein Ohr, doch er sah und hörte derzeit in eine Welt hinein, die, allen anderen Menschen verborgen, nur in ihm selbst zu finden war.
‚Rein und kostenlos’, dachte er immer wieder. ‚Rein und kostenlos so wie meine Liebe zu Lisa.’
Er war so von diesem Gedanken entzückt und voll und ganz in Anspruch genommen, dass er nicht bemerkte, wie die Zeit verflog.
Mit einem Mal piepte seine Uhr. Es war soweit. Martin drehte sich um und sah, dass die Blüte der Orchidee bereits begonnen hatte sich zu öffnen. Ein tiefes Rot drang aus der Mitte der Blütenblätter. Schnell nahm Martin die Pflanze aus ihrem Gewächshäuschen und stellte sie auf einen vorbereiteten Bogen Geschenkpapier, den er über der Blume mit einer breiten blauen Schleife kunstvoll zusammenband. Sein Weihnachtsgeschenk für Lisa war nach Wochen der Vorbereitung und Arbeit endlich fertig.
Behutsam hob er das Paket vom Tisch und verließ seinen geheimen Verschlag. Er schloss ihn hinter sich und tändelte leichtfüßig und gut gelaunt die Treppe hinunter. Er verspürte sogar etwas Mitleid Frau Schmittler gegenüber, die sicherlich den Abend wieder vor dem Fernseher verbrachte und sich eine Verkaufsshow nach der anderen anguckte. Er überlegte sogar kurz, ob er bei ihr klingeln und sich für sein Benehmen vorhin entschuldigen sollte, tat es aber dann doch nicht, da hinter der Tür der Alten kein Geräusch zu vernehmen war.
‚Seltsam’, überlegte Martin noch, ‚die verlässt doch nie ihre Wohnung, allerhöchstens um auf dem Flur herumzuspionieren.’
Aber im gleichen Moment, da er dieses gedacht hatte, schalt er sich bereits für den unfreundlichen Gedanken.
Das Fest der Geschenke, so hieß Weihnachten doch, und heute wollte er Frau Schmittler zur Abwechslung mal etwas Verständnis und Freundlichkeit schenken. Und am besten konnte er das wahrscheinlich, indem er sie nicht weiter belästigte.
Das schwere Geschenk auf der Linken balancierend zog er mit seiner Rechten die Schlüsselkarte hervor und öffnete seine Wohnungstür.
„Lisa! Ich bin wieder da“, rief er beim Hineingehen, doch seine Rufe blieben unbeantwortet. Am Spiegel der Garderobe klebte ein Zettel.
„Bin in der Stadt“ stand in schnörkelloser Handschrift darauf zu lesen. Gut, das gab ihm die Gelegenheit noch ein paar Kleinigkeiten vorzubereiten. Er legte das Geschenk unter den weißen Plastikweihnachtsbaum und begab sich in die Küche, wo er den Festtagsbraten in den Elektroofen schob und Teller und Silberbesteck aus dem Schrank nahm. Er deckte damit den kleinen Wohnzimmertisch nahe des Baums und zündete gerade zwei Kerzen an, als Geräusche aus dem Flur klangen.
Für einen Augenblick dachte Martin, er würde Stimmen hören. Geflüster.
„Lisa?“
„Äh... Ich bin hier.“
Noch in Schuhen und Jacke kam seine Frau ins Wohnzimmer gestolpert und präsentierte ihm eine große, dicke Tüte.
„Ich hatte äh... gehofft, ich wäre noch vor dir wieder zu Hause, um... äh, dein Geschenk noch verpacken zu können, aber jetzt bekommst du es eben so.“ Sie lächelte unsicher.
„Ist etwas nicht in Ordnung?“, fragte Martin, den ein seltsames Gefühl beschlich.
„Nein, nein! Nur der Einkaufsstress und die vielen Leute, die jetzt noch mal schnell ihr ganzes Geld ausgeben mussten.“
„Da hast du dich bestimmt prächtig amüsiert, was?“ Martin lächelte.
„Äh was? Verzeihung, was hast du gesagt?“
„Ich sagte-“
„Oh, schön!“, unterbrach Lisa ihn. „Du hast ja den Tisch gedeckt. Aber bevor wir essen, können wir noch schnell die Geschenke austauschen.“
„Zieh du dich doch erst mal aus und atme durch“, grinste er sie an, doch Lisa bestand auf den Geschenken. Sie drückte Martin die Tüte mit dem Logo des edlen Herrenschneiders gleich in der Nähe in die Hand und beobachtete interessiert sein Gesicht, als er hineingriff und einen teuer aussehenden Einreiher mit passender Hose und Krawatte hervorzog.
„Der hat mich fünfhundert Krediteinheiten gekostet“, erklärte sie. „Zweihundert hab ich mir sogar noch von einer Freundin geborgt, die sie nicht rechtzeitig vor dem Novemberende verbrauchen konnte. Gefällt er dir?“
„Er sieht toll aus“, antwortete Martin und freute sich über die Freude in Lisas Augen.
„Dann zieh ihn gleich mal an. Aber vorher hätte ich gern mein Geschenk.“
Lisas Augen hatten bereits das Paket unter dem Baum fixiert.
Martin ging hin, nahm es hervor und übergab es Lisa. Einen Augenblick verharrte sie, schien sich fast zu ängstigen vor dem Inhalt.
‚Sie weiß, dass mein Geschenk etwas Besonderes ist’, freute sich Martin innerlich, ließ sich aber nichts weiter anmerken.
Mit einem kraftvollen Zug riss Lisa das Papier entzwei und blickte in die prachtvollste Blüte, die man sich vorstellen kann. Kräftiges Orange an der Spitze wurde zu purpurnem Rot, das sich in königlichem Blau am Blütenkelch auflöste und von einer goldenen Blütenstaube gekrönt wurde. Man hatte den Eindruck, die Farben würden wie auf einem Ölfilm sich ständig ändern und neu mischen. Eine exquisite Blume, fand Martin, für eine exquisite und ganz besondere Frau. Die Orchidee war...
„H-hübsch!“, stammelte Lisa, scheinbar vollkommen überwältigt von ihrem Geschenk. Ihre Augen hafteten auf der Pflanze und dem ungewöhnlichen Topf. Ihr Gesicht blieb vollkommen starr, bis auf eine winzige Träne, die sich an der Nase hinunterschlich.
„Ich habe sie in monatelanger Pflege selbst großgezogen oben auf dem Dach. Der Samen stammt aus einen kleinen Tal in Südperu. Es gibt ihn nur dort. Hat mich ganz schöne Müh gekostet, da ranzukommen. Aber für dich war mir nichts zu-“
„Äh, Sch-schatz! Zieh doch bitte deinen neuen Anzug an, während ich noch mal schnell in den Flur gehe.“
Martin nickt etwas verblüfft über diese reservierte Reaktion, entschloss sich aber dann, seiner Lisa den Gefallen zu tun. Er ging ins gemeinsame Schlafzimmer und legt seine Sachen ab. Der teure Anzug schien fast maßgeschneidert und passte ihm wie angegossen. Das Bild, das der Spiegel im Wandschrank Martin zeigte, gefiel ihm ebenfalls. Lisa hatte modischen Geschmack, das musste man ihr lassen. Vielleicht war sie gerade nur etwas überwältigt gewesen. Nicht viele Männer schenkten ihren Frauen Blumen. Schmuck, Parfüm und Pelz waren diesen Winter wie auch in den Vorjahren angesagt. Aber Martin war eben nicht wie andere Männer. Und Lisa schätzte das an ihm, das wusste er.
Er straffte den edlen Zwirn, drehte sich noch einmal vor dem Spiegel und ging dann zurück ins Wohnzimmer, um sich seiner Frau zu präsentieren.
„Und Lisa? Was sagst ... Äh, wer sind Sie denn?“
Martin sah verwundert in das Gesicht eines fremden Mannes.
„Mein Name ist Furthler“, antwortete dieser barsch und im befehlsgewohnten Ton. „Hauptmann bei der Konsum-Polizei!“ Er zog aus seiner Innentasche einen Ausweis hervor und hielt ihn Martin kurz vors Gesicht.
„Was?“, schrie Martin von der Situation total überrascht. Aber niemand antwortete ihm. Lisa saß im Hintergrund auf einem Sessel, das Gesicht in den Händen, und schluchzte vor sich hin. Die wunderschöne Orchidee lag auf dem teuren Teppichboden. Erde war verkippt und ein Blatt abgebrochen.
„Was wollen Sie von mir?“ Martin sah Furthler grimmig in die Augen.
„Herr Müller!“, grunzte dieser zurück, „Sie sind verhaftet wegen vorsätzlichen nichtkommerziellen Verhaltens und der Schaffung von Mehrwert ohne finanzielle Investition. Sie haben damit vorerst das Recht auf freien Konsum verloren, bis Ihr Schuldmaß vom Gericht festgesetzt worden ist.“
Martin stand einen Augenblick fassungslos da. Den nutzte Furthler, um ihm mit eisernem Griff den Arm auf den Rücken zu drehen und seine Handschellen einrasten zu lassen. Martin wehrte sich nicht.
„Lisa, was...?“
„Sei ruhig!“, keifte sie ihn an und fuhr dann mit tränenbrüchiger Stimmer fort. „Du hast es doch so gewollt. Wie konntest du mir so etwas nur antun, Martin? Ich habe dich geliebt und du schenkst mir so einen billigen Dreck!“
Sie stieß ihren Fuß mit aller Kraft gegen den umgekippten Blumentopf, so dass noch mehr Erde sich auf dem Teppich verteilte. Martin war sprachlos. Hatte er sich denn so getäuscht?
„Weihnacht ist doch das Fest der Geschenke, oder nicht?“, sprach sie weiter. „Der teuren Geschenke für die, die man liebt!“
„Aber ich...ich...“
„Seien Sie jetzt am besten still und kommen Sie mit!“, unterbrach Furthler ihn kaltschnäuzig. „Sie werden vor dem Richter noch genug zu sagen haben!“ Zu Lisa gewandt sagte er:
„Danke für ihre Zusammenarbeit bei der Observierung. Ohne die Mithilfe der Ehefrauen sind solche Wirtschaftsschädlinge nur schwer zu erwischen.“
Dann führte er Martin ab.