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Liebes Tagebuch ...
... ich kann dir gar nicht sagen, wie glücklich ich bin! Erinnere dich an meine Verzweiflung letztes Jahr um diese Zeit. Und an meinen Schwur - ja, ja - genau den. Nie wieder Weihnachten. Und dieses Jahr ... ha ... alles hat geklappt, einfach alles! Gesegnet sei das Internet! Schon längst hätte ich dich zum Blog gemacht, doch meine Erfahrungen dieses Jahr - obwohl sie mir echt geholfen haben - lassen mich da vorsichtig bleiben. Gut, es hat mich meinen Job und meine letzten Ersparnisse gekostet, aber es war jeden Cent wert. Am besten erzähle ich von Anfang an.
Nachdem ich meine Weihnachtsdepressionen überwunden und mit dem neuen Jahr endlich wieder einen klaren Kopf hatte, habe ich begonnen, eine Liste zu schreiben - was denn alles so wichtig ist für ein gelungenes Weihnachtsfest. Aber warum erzähle ich dir das? Du weißt das ja schon, dir habe ich es bereits mitgeteilt. Doch ich fasse noch einmal zusammen (schon aus dem Grund, um alles noch einmal genießen zu können):
Nikolaus, Knecht Ruprecht, Nadelbäume, Mistelzweige, Rentiere, Engerln, Elfen und natürlich die Wurzel alles Bösen - das Christkind und der Weihnachtsmann.
Wegen der Bäume habe ich noch einmal nachgegoogelt und siehe da - musste ich doch glatt feststellen, dass es gar nicht mehr so gut aussieht mit den Beständen edler Fichten und Tannen. Der Rest war ein Kinderspiel. In den Foren der offiziellen Seiten von "Greenpeace" und "Global2000" hie und da ein kleiner Hinweis und das immer und immer wieder.
Liebes Tagebuch, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viele militante Untergruppen es da gibt. Tja, es kam, wie es kommen musste (und wie ich im Stillen hoffte). Ganze Wälder wurden besetzt. Eine Gruppe war sogar darunter, die sich auf die Lehren des Ninjitsu beruft. Welch Spektakel! Für die Medien wurde es ein goldenes Jahr, sage ich dir. Vor allem diese Öko-Ninjas - wahre Perlen. Die raufen noch immer mit den schwedischen Holzfällern herum. "CNN" überlegt sogar, ihr Londoner Büro nach Schweden zu siedeln. Behauptet zumindest ihre Internetseite.
Nach dem Erfolg mit den Bäumen habe ich mich gleich auf das Problem Mistelzweig gestürzt. Ohne mich selbst loben zu wollen, aber ich war einfach genial. Hör zu, Tagebuch, wie ich das geschafft habe. Man (in diesem Fall ich) bewege sich in schummrigen Diskotheken und an polizeibekannten Orten, wo angeblich Drogen gehandelt werden und erkundige sich gezielt bei dumben Kleinstdealern nach "Mistacy". Irgendwann fragt einer nach von diesen Typen. Man stelle sich blöd, behaupte, irgend etwas gehört zu haben, wie cool es ist und wie es einfährt und überhaupt. Dass es aus Misteln gewonnen wird und so Zeugs. Dann lehne man sich zurück und warte ab.
Ganze Heerscharen von Süchtigen durchstöberten bald darauf die Wälder unseres Planeten und alles wurde geerntet. Ein bisschen ärgert mich schon, dass ich das nicht offiziell machen konnte. Süchtige weg von den Straßen - wenn sie Pech haben, begegnen sie hungrigen Bären oder Öko-Ninjas und kehren nicht mehr zurück. Eigentlich sollte ich einen Orden dafür kriegen. Anderseits, ein paar sind zurückgekommen und das Zeug ist tatsächlich der Renner unter den Junkies. Soll angeblich die steilsten Visionen bescheren. Oh Tagebuch, was hätte diese Idee Kohle abgeworfen! Aber was soll's? Nobody is perfect.
Allerdings gebe ich zu - das mit den Rentieren liegt mir schon ein wenig im Magen. Sind ja edle Tiere, oder? Gut, aber so ist nun einmal das Leben - geh deinen Weg, auch wenn er bitter ist. Es war sch...gefährlich, ein paar tollwütige Wölfe aufzutreiben, aber bei "Ebay" kriegt man wirklich alles. An die horrenden Transportkosten möchte ich lieber nicht erinnert werden. Aber effizient war es. Setz einfach ein paar solcher Wölfe in der Nähe von Rentier-Herden aus und dann ... nein, über das mag ich lieber nicht schreiben.
Sicherheitshalber habe ich bei internationalen Jägerverband-Seiten ein paar Tipps deponiert. Gott sei Dank kann man sich auf diese blindwütigen Schei..., pardon, Schießer verlassen. Zwar ist jetzt kaum mehr nachvollziehbar, wer wen genau getötet hat - denn, das muss man diesen Rentieren lassen, verteidigen können sich die. Immerhin: Auftrag erfüllt. Meine Öko-Ninja-Freunde habe ich auch informiert - zwecks Schadenbegrenzung und so. Na ja, jedenfalls haben sich die Rentiere in unzugängliche Gebirgsregionen zurückgezogen. Hähä, Pech gehabt - Weihnachtsmann!
Der alte Sack hat mir übrigens ordentlich Nerven, Zeit und Geld gekostet. Schon, ihn aufzutreiben, war sauschwierig. Seine Elfen waren leicht zu überwinden. Zu diesem Zweck musste ich nur ein paar gefakte Werbekampagnen finanzieren, die behaupten, dass Michael Flaherty für "Riverdance II - The dancing elves" kleine Tänzer sucht und schon waren sie weg. Der Dicke war schon schwieriger zu knacken. Nach monatelanger Beobachtung fand ich heraus, dass der Alte auch das Internet nutzt und mittlerweile die ganzen Weihnachtswünsche über Videostreambotschaften entgegennimmt.
Da habe ich kurz eins und eins zusammengezählt: Alter, einsamer und bärtiger Mann + Bilder von Kindern + Versprechen, Geschenke zu verteilen + Internetverbindungen in die ganze Welt = Tipp an Interpol, dass hier ein dringender Verdacht besteht - du weißt schon - alter Mann und Kinder und ...
Wie auch immer, zuletzt habe ich gehört, dass er in London inhaftiert ist und sich einigen unangenehmen Verhören und Gegenüberstellungen unterziehen muss. Damit dürfte er noch gut zwei Jahre beschäftigt sein, der Gute.
Ruprecht und Nikolaus waren da schon leichtere Beute für mich, obwohl ... such bitte einmal in der heutigen Türkei nach der Stadt Mira und frage nach einem christlichen Heiligen. Schwierig, schwierig - kann ich nur sagen. Doch irgendwann habe ich auch ihn und seinen Kumpan gefunden. Allerdings muss ich zugeben, ein bisschen Glück war schon dabei. Sind halt schon alt, die beiden Knaben. Nachdem ich Ruprecht per Judowurf (es lebe die Hebelwirkung) in seine Butte befördert habe, schien mir fast, er würde es genießen, im Dunkeln zu sitzen (na ja, mit ein paar Holzlatten musste ich die schon zunageln). Jedenfalls beschwert hat er sich nicht.
Mit Nikolaus hingegen habe ich gewettet, dass er schon zu alt sei, seinen Bischofsstab zehn Minuten lang über seinem Kopf zu stemmen. Der Depp ist auf die Wette eingegangen. Gut, er sieht schon ein wenig schlecht, darum ist im möglicherweise entgangen, dass ich ihn zu einer Treibsandstelle geführt habe. Ich kann dir sagen, Tagebuch, so ein Stab beschleunigt ordentlich den Sinkvorgang. Hätte ich das nur seinerzeit in der Schule gewusst, wären mir die peinlichen Vieren in Physik erspart geblieben. Aber ich bin kein Unmensch, seine Bischofsmütze durfte er tragen. Dadurch finde ich ihn sicher wieder und ziehe ihn dann heraus. Sterben wird er schon nicht. Wie hätte er sonst so alt werden können? Blöd nur, dass momentan mein Geld alle ist. Vor Juli schaffe ich es sicher nicht mehr in die Türkei. Zu blöd aber auch.
Danach habe ich die Internetseite von Area 51 gefunden. Dort wird zwar behauptet, es gäbe keine Außerirdischen und ihr schlechter Ruf sei nur medial verschuldet und blabla - aber mit den tollsten Staffeln von Tarnbombern sind sie hochgestartet, als ich Anfang Dezember die himmlischen Scharen kommen sah und auf den Area-Servern dezent einen UFO-Sichtungsvermerk und das Wort "Invasion" zurückgelassen habe. Schön, dass manche Menschen doch ein wenig paranoider als andere sind.
Doch zu meiner bitteren Schande muss ich gestehen, das Christkind ist mir entkommen - vorerst. Daraufhin habe ich in den Gästebüchern diverser Verhaltungsforschungs-Institutionen die Behauptung aufgestellt, ein Kind gesehen zu haben, das von Vögeln aufgezogen wurde und sich jetzt ängstlich in irgendwelchen Wäldern versteckt. Um das Christkind ein wenig abzusichern - denn du weißt ja, Tagebuch, wirklich bösartig bin ich nicht - habe ich die UNICEF und andere mitteleuropäischen Kinderhilfsorganisationen vehement darauf hingewiesen, dass kranke Wissenschaftler, möglicherweise Perverse, hinter einem Kind hinterherhetzen, das mit nichts anderem als einem alten Nachthemd bekleidet ist. Mann, waren die sauer!
Dass es nicht schneit, wäre das Tüpfelchen am i, weil wie ich den aufgehalten hätte - keine Ahnung.
Jedenfalls habe ich gewonnen. Auf der ganzen Linie. Kein Weihnachten heuer. Schön. Ah, ich untertreibe. Wunderwunderschön!
So, liebes Tagebuch. Jetzt bin ich müde. Schlafe mich einmal richtig aus. Und eines schwöre ich dir. Wenn ich wieder bei Kasse bin, kümmere ich mich um dieses kranke, degenerierte Säugetier, das bunte Eier bringt.