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Liebes Leben ...
Heute bin ich meiner großen Liebe begegnet.
Begegnet. Wie das klingt! Gar nicht so, wie es sich anfühlte. Es war ein profaner Aufprall, wie er passiert, wenn jemand tagträumend durch die Welt irrt und dann ungebremst auf ein Hindernis trifft - oder in es hineinrennt. So eine Art der Begegnung war das.
Aber das heute ist ohnehin nicht der Beginn der Geschichte. Auch nicht unser erstes Zusammentreffen. Wir kennen uns schon immer. Nicht in einem übertragenen Sinne, sondern in einem sehr wörtlichen.
Spätestens mit unserem gemeinsamen Laufstall-Ausbruch, wurden wir Komplizen. Als Helden mit Handtuchumhang retteten wir Kaulquappen; woraufhin uns der Seepferdchen-Orden verliehen wurde. Wir bewohnten tagsüber ein Schloss aus Bettlaken und tankten nachts auf der Besucherritze des elterlichen Ehebettes neue Kraft. Wir waren die !!, weil es die ??? schon gab. Beste Freunde.
Erste Risse kamen mit der Pubertät. Ich hatte die Sesamstraße verlassen, aber "wieso, weshalb, warum" mitgenommen. Viel Zeit verbrachte ich mit dem aussichtslosen Versuch, Löcher in die Luft zu starren, in der Hoffnung, durch diese Öffnungen Antworten zu sehen. Mein zeitweiliger Rückzug trennte uns, auch wenn wir weiterhin als Duett auftraten. In den gemeinsamen Momenten erschufen wir eine neue Welt, eine bunte Zukunft. Alle Träume verpackten wir fein säuberlich in Seifenblasen und schickten sie, bunt schillernd, gen Himmel.
Pünktlich zum Schulabschluss dann der Bruch. Wir verloren uns aus den Augen. Unbeabsichtigt. Vielleicht weil die Realität unvermittelt über mir hereinbrach und auch die Seifenblasen platzen ließ. Die Höhen und Tiefen teilten wir nur noch am Rande, wenn wir - wie zufällig - aufeinander trafen. Wir entfernten uns voneinander, ohne unsere Verbindung zu verlieren. Aus den Augen, aber nie aus dem Sinn!
Wir fanden uns immer wieder. Über Jahre hinweg. In diesen Augenblicken wurde ein Gefühl im Bauch geboren, das sich langsam Richtung Herz fortbewegte, um von dort direkt zum Kopf vorzudringen; allein, um den Verstand von der eigenen Existenz zu überzeugen:
Ich war verliebt.
Unglücklich verliebt, glaubte ich doch, auf ein unerwidertes Gefühl hereingefallen zu sein, was mich verstummen und davonlaufen ließ.
Bis zur Kollision von heute.
Jetzt sitzen wir hier und reden. Eigentlich rede nur ich. Durch all meine Worte schimmert die Erkenntnis, dass wir füreinander erschaffen sind. Sie sickert in mein Bewusstsein und der Entschluss, den Mut von der Kette zu lassen, wird greifbar. Die gefangenen Schmetterlinge aus dem Bauch bahnen sich ihren Weg in die Freiheit und tanzen schwerelos um uns herum. Ich schwebe mit ihnen.
Heute ist alles anders. Bin ich anders. Ich sehe wirklich hin, sehe meine große Liebe - und darin mich. Auf einmal ist klar: Diese Liebe ist mein Leben. Dieses Leben ist meins. Heute bleibe ich nicht als leere Existenz zurück. Und ich höre zum ersten Mal, wie ich dieses eine Wort ausspreche, das alles ändert:
"Bleib".