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Lieber Herr Suhrkamm

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25.03.2002
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Lieber Herr Suhrkamm

Lieber Herr Suhrkamm,

Haben Sie recht herzlichen Dank für Ihre Absage, die mich am 18.02.2002 erreichte und bis heute leider unbeantwortet blieb.

Durch ein Versehen meiner Mitarbeiterin, die ich eigens für die Beantwortung meiner Verlagsabsagen angestellt habe, geriet Ihr Brief zu meinem größten Bedauern über einen längeren Zeitraum verlustig.

In Ihrem Schreiben bedanken Sie sich für mein Interesse an Ihrem Verlag. Es ist wirklich nicht nötig, Herr Suhrkamm, daß Sie sich so herzlich bedanken. Gerade, weil ich Ihrem Hause ein gesteigertes Interesse entgegenbringe und Ihnen auch in Zukunft meine Werke nicht vorenthalten möchte, ist es mir doppelt unangenehm, daß Sie so lange auf meine Reaktion warten mussten.

Leider wird es mir aber im Hinblick auf die hier eingehenden Flut von Verlagsabsagen nicht möglich sein, so intensiv wie gewohnt auf den Inhalt Ihres Schreibens einzugehen. Dies bedeutet kein abschließendes Urteil über dessen Qualität, sondern hat allein mit der großen Anzahl der Verlage zu tun, die ebenfalls auf meine Antwort warten. Dennoch habe ich Ihrer herzlichen Absage die gleiche sorgfältige Prüfung zukommen lassen wie Sie, lieber Herr Suhrkamm, meinem Manuskript „Weißkohl im Schnabel des Spechtes“.

Zu meiner großen Freude hat Ihr Lektorat wie gewöhnlich keine Spuren auf meinen Textseiten hinterlassen. Weder häßliche Kaffeeflecken noch verwischte Zigarettenasche. Ein paar gräßliche Haarschuppen auf der ersten Seite, schon, aber im großen und ganzen erhielt ich mein Manuskript nahezu keimfrei zurück. Es liegt die Vermutung nah, daß Sie mit Handschuh und Pinzette arbeiten. Unter klinischen Bedingungen zur Substanzsicherung. Ja? Beschäftigen Sie Buchrestaurateure? Das wäre mir neu, aber im Hinblick auf die zunehmend morbide und zerfallsbedrohte Papierqualität durchaus verständlich. Sie werden mir sicher zustimmen, daß das Papier der heutigen Zeit bereits durch einen längeren Blick zu ersten Korrosionserscheinungen neigt. Deswegen benutze ich nur noch ein sehr ausdrucksstarkes, handgeschöpftes Pflanzenpapier aus Simbabwe. Doch das wird Ihnen sicher schon aufgefallen sein.

Es streichelt meine schriftstellerische Seele, daß Sie keine Bemängelungen gefunden haben. Nicht einen einzigen Federstrich, keine noch so winzige Randbemerkung. Also waren all meine Zweifel völlig unbegründet. Sie können sich unschwer vorstellen, wie nervenaufreibend es ist, den Spannungsbogen bei einem Thema zu halten, das den Weißkohl zum Gegenstand hat.

Sie schreiben mir, wie gern Sie mein Buch veröffentlichen möchten, aber nicht können, weil Sie Verpflichtungen gegenüber Ihren Hausautoren haben. Darüber hinaus bringen Sie nicht einfach nur ein Buch heraus, sondern begleiten das Werk Ihrer Autoren lebenslang. Das ist so nett, Herr Suhrkamm. Das ist wahre Treue und Philosophie. Wenn es eine Möglichkeit gibt, Hausautor bei Ihrem Verlag zu werden, so bitte ich freundlich um die Übersendung eines entsprechenden Bewerbungsbogens. Wenn die Kapazität an Hausautoren jedoch bereits erschöpft ist, dann seien Sie so freundlich, mich auf die Warteliste zu setzen. Denn irgendwann sterben sie ja auch, die Hausautoren oder werden unheilbar krank.

Gern hätte ich Ihnen ausführlicher geantwortet. Mit der Bitte um Verständnis wünsche ich Ihnen weiterhin viel Kraft für die Bewältigung all Ihrer Post und verbleibe bis zum nächsten Manuskript

Mit freundlichen Grüßen
Ihre Frau Spechtschnabel

P. S. Als anständige Ehefrau bleibt noch die Frage, ob man als Hausautorin in Ihrem Verlag in einer Wohngemeinschaft lebt oder auch ein Einzelzimmer beziehen kann.

 

hehe.....hübsch gemacht.

recht viel kann ich eigentlich nicht sagen, außer, dass ich die einstelluung der großen verlage schon irgnedwie verstehe und mich nicht darüber aufrege. aber dennoch eine kleine aber feine satire daraus gemacht, deren satirischen charakter man bei einer andernen form als den offenen brief sicherlich noch hervorheben könnte. (meine persönliche meinug ist es aber sowieso, dass es nicht sonderlich schwer ist, in briefen sarkastisch und zynisch zu werden, halte es für die 'einfachste' form der satire. dennoch schwer und somit soll das deiner keinen abbruch tun!)

meines erachtens ist es irgendwo auch eine satire auf die naivität mancher autoren, es gleich bei großen verlagen zu probieren. ;)

grüße,
franzl

[Beitrag editiert von: franzl am 28.03.2002 um 18:05]

 

:D 1a-Satire!!! Ich habe mir beim Lesen vorgestellt, wie die Verlage reagierten, würden sie wirklich solche Briefe bekommen...

Nachdem auch ich durch die Mühlen der "Sehr gehrte/r Autor/in"-Absagen ging kann ich diesem Text mehr als nur eine amüsante Note abgewinnen.
Er ist einfach nur wahr, egal, welche Ausreden die meisten Verlage hervor kramen.

In diesem Sinne: Danke für diese herrliche Satire und auf bald, Frau Spechtschnabel!

 

Hallo Majissa,

stimme franzl und Rainer zu, eine Satire ist dein Brief geworden, wenn auch eine sehr seichte Satire.

Im Gegensatz zu Rainer habe ich nämlich nicht meine eigenen Gefühle der durch die Absagen erfolgten Enttäuschungen in diesen Text hineinzulesen vermocht.
Von daher handelt es sich zwar um einen ironischen, aber keineswegs beißend oder bissigen Text, der für meine Begriffe etwas dahinplätschert.
Du bleibst mit deinen Aussagen sehr nah an der Wirklichkeit, verzerrst sie kaum, entfremdest sie nicht.
Dennoch und das ist sicherlich wohl mal als besonders betonenswert anzumerken, erscheint endlich seit Wochen der Durststrecke, ein Text, der eine Satire ist.
Weiter so!!!!

:thumbsup: :thumbsup:

Eine Anmerkung noch: dein P.S. halte ich für überflüssig und eher unpassend. Würde es allenfalls im Text ganz normal mit unterbringen, da wo du dich auf die Warteliste der Hausautoren setzen lassen möchtest.

Liebe Grüße
elvira

[Beitrag editiert von: lakita am 28.03.2002 um 18:39]

 

Kompliment: Habe mehrmals albern gekichert. Ich werde mir mit Deiner Erlaubnis einen Vordruck daraus basteln, den ich dem ... Verlag, Betreff: Ablehnung des Manuskriptes ... Zu Händen Herrn/Frau ... als Fotokopie mit maschinell gefertigter Unterschrift zukommen lasse. :rotfl:

 

Ja, Alpha! Lass uns diese arroganten Säcke mal ein wenig ärgern! Wenn jeder KGler zehn solche Briefe verschickt...

 

danke erst mal an alle für die kritik.

@franzl
nicht der ärger trieb mich dazu, diesen brief zu schreiben, sondern einzig der reiz, den spieß einmal herumzudrehen, ohne jedoch darauf bedacht zu sein, auf biegen und brechen eine satire zu erschaffen. dies geschah hier eher zufällig.

@rainer
danke und gern geschehen! mich würde interessieren, wer für die entwicklung der ausreden verantwortlich ist, die mir für meinen geschmack etwas einfallslos geraten sind. die könnten spritziger und individuell zugeschnitten sein, nicht?

@elvira
na, das nenn ich doch mal konstruktive kritik! hmm...die verlage haben dich also enttäuscht? nun, da kann ich nicht mitreden, verstehe aber somit deinen wunsch nach bissiger vergeltung. zum thema satire habe ich mich weiter oben bereits geäußert.
danke für deine anregung, was das p.s. angeht, doch habe ich mich entschlossen, es dort stehen zu lassen, wo es ist, um der naivität der autorin gerecht zu werden.

@alpha o'droma
danke für die blumen. deinen wunsch werde ich überdenken. oder hast du etwa schon fleißig gebastelt?

gruß
majissa

 

Kommt mir doch bekannt vor...
ich hab vom Suhrkamp Verlag die schönste und mitfühlendste aller Absagen bekommen. Ich guck doch jetzt glatt mal nach, was ich so schönes bekommen hab damals....

Tränenlicht

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Frau Unstet-Berkéwick,

Liebe Frau Unstet-Berkéwick,

Sie werden staunen, was die sanften und einfühlsamen Ablehnungsschreiben früherer Verlagsleiter für einfühlsame und sanfte Danksagungsschreiben provoziert haben. Ich hoffe die Gerüchte über den unfrischen Wind in Ihrem Verlag sind nichts als laue Lüfte meinungsfreudiger Meinungsmacher, und Sie gehen ebenfalls so respektvoll mit Manuskripten und Künstlerseelchen um, wie es dem Herrn Suhrkamm zugeschrieben wird.

Bei Gelegenheit schick ich auch mal was rum.

Mit freundlichem Gruß,
Kubus

PS: Anbei das Ablehnungsschreiben-Danksagungsschreiben. (Als kleine "Motivation".)

 

Köstlich

Hab immer noch einen blöden Grinser im Gesicht!
Darf ich das auch verwenden für meine Absagen?
Hat das Zeug zum Klassiker finde ich :)

 

Kurz, knackig, und gemein...

...so soll es sein! Sehr viel einfallsreicher jedenfalls als die tatsächlich erstaunlich unoriginellen Antwortschreiben der meisten (?) Verlage.

Nur eines wundert mich: Wurde die Geschichte jetzt tatsächlich nach gut 8 1/2 Jahren Pause gewissermaßen reaktiviert?

 

Schönes Ding

Die Überschrift sagt es schon... Nette Reaktion auf eine Absage - könnt fast meinen sie sei echt ;) ...gut geschrieben und bloß nicht aufgeben mit dem Manuskrip schreiben und versenden :D

 

Hallo,

das Antwortschreiben ist wirklich gelungen. Ich grinse immer noch vor mich her.

Liebe Grüße,
isleju

 

Hallo!

Dank an isleju, sonst hätte ich dieses Kleinod wohl nicht gesichtet (2002, wow). Aber selbst in seinem Jubiläumsjahr hat er nichts an Humor verloren.

Ich fand den Text wirklich lustig. Und vor allem: universell. So oder so ähnlich könnte ja auch die Antwort auf eine Schreiben a la "Ihre Bewerbung um eine Stelle als Kaffeeausschenker" aussehen. Da würde eine Zeile vielleicht eher lauten "Vielen Dank, dass Sie mir meine Unterlagen zurück gesendet haben. In den Zeiten einer Wirtschaftskriese, kann ich mir leider nur eine Kopie leisten."

Auf jeden Fall hat mich dieser leicht sarkastische Text sehr unterhalten. Vielen Dank dafür.

 

Sehr jut!

Ich hab mal was von einer Internetseite gehört, auf der Leute an Firmen Breife schreiben, wie:

"Vielen Dank für Ihre Stellenanzeige. Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass ich mich für eine andere Arbeitstelle entschieden habe und mich deswegen bei Ihrer Firma nicht bewerben werde...Ich wünsche Ihnen trotzdem für Ihren weiteren Weg alles Gute und viel Erfolg!"

Ich muss noch mal sagen: Sehr jut!

Scheene Jrieße,
Angry

 

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