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Liebe

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09.07.2024
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Liebe

„ Wer nach Beweisen einer Liebe verlangt, hat sie im selben Augenblick getötet.“

Es stank diesen Sommer nun schon seit Wochen erbärmlich im gesamten Treppenhaus eines gesichtslosen und anonymen Hochhauses inmitten einer austauschbaren Hochhaussiedlung am Rande der Stadt.

Hier waren nun seit Jahrzehnten die Randständigen untergebracht, nach dem Ende des großen Stahlwerkes ganz in der Nähe.

Die einen wurden Randständig, erst durch die Arbeitslosigkeit, dann durch das Alter. Freigewordene Wohnungen wurden belegt durch Randständige der Herkunft, der Gebräuche und der Sprache.

Wenn man sich die Gesellschaft als einen großen Kreis vorstellt, so sind die Randständigen an eben solchen Rändern zu finden - auf allen 360 Graden des Kreises verteilt. Das Leben dort ist gekennzeichnet durch gegenseitige Fremdheit und daraus resultierende Einsamkeit. Die einzige Gemeinsamkeit der Randständigen, ist die Randständigkeit.

Es hat eine Weile gedauert, die Eigenheiten dieses Geruchs zu deuten und noch schwerer war es, eine genaue Quelle auszumachen. Schließlich klingelten Nachbarn alle verdächtigen Türen ab - eben solche jener Personen, von denen niemand etwas zu berichten hatte. einen ersten Anhaltspunkt stellten die übervollen Briefkästen dar.

Eine gefühlte Ewigkeit dauerte es, bis man im 9. Stockwerk fündig wurde - Im Schattenreich des Niemandslandes. Inzwischen hatte man die Tatsache akzeptiert, daß es sich eindeutig um Leichengeruch handelte.

Die Wohnungstür wurde durch einen Schlosser in Anwesenheit herbeigerufener Polizei und Feuerwehr gewaltsam geöffnet.

Die Polizisten schmierten sich Minzsalbe unter die Nase und öffneten die Fenster, weil der Leichnam schon ins Stadium der Verwesung übergegangen war. Alte Fotos wiesen auf ein Leben inmitten der Gesellschaft hin. Frau Marie Metzel war zweimal verheiratet und hatte Kinder.

Ihr erster Ehemann zeugte ein Kind mit einer anderen Frau, wie man aus alten bösen Briefen entnahm. Der zweite Mann war zwar ihr treu, jedoch nicht gegenüber dem Leben. Am Tag der letzten Schicht vor der Schließung des Stahlwerkes stürzte sich der Arbeiter vom Dach des Werkes ungesichert in die Tiefe und starb.

Diese Tat hatte zur Konsequenz, daß sich Frau Metzel immer mehr zurückzog. Weder Kinder, noch Verwandte waren bei ihr anzutreffen.

Ein paar Jahre hatte sie einen kleinen Hund, den sie immer in der nahen Kleingartenanlage ausführte, doch die Kleingärtner bedachten sie stets mit bösen Blicken, weil sie die Hinterlassenschaften ihres kleinen Kläffers nicht beseitigte. Sie konnten nicht wissen, daß sie es wegen ihrer schlimmen Arthrose in den Knien nicht mehr konnte.

Es kam der Zeitpunkt, an dem sie den Hund nicht mehr Gassi führen konnte. Das Tierheim war sehr verständnisvoll, als es Hund gegen Katze eintauschte.

Irgendwo muß man schließlich hin mit seiner Liebe - eine Pflanze wäre da nicht ausreichend gewesen.

Die Polizei machte zwei Feststellungen.

Erstens: die Katze mit dem Namen Molly war zwar stark abgemagert, aber sie lebte noch.
Zweitens: Der Leiche fehlten Nase, Mund, Ohren und Wangen.

Die Ermittler zogen den logischen Schluss, dass Molly sich am Gesicht von Frau Metzel zu schaffen gemacht haben musste.

Als die Nachbarn das hörten, machten sofort Meinungen die Runde. Einer sagte , ein Hund hätte nichts gefressen, sondern hätte bis zum eigenen Tod am Leichnam Wache gestanden. Oder er hätte gebellt und die Tote wäre schon vor der Verwesung entdeckt worden.

Ein anderer Nachbar bemerkte ganz trocken: Na ja, bei Katzen geht die Liebe eben durch den Magen.

Da durch die Leichenflüssigkeit der gesamte Boden ruiniert war, mußte die Wohnung für teures Geld einer Grundsanierung unterzogen werden, was nach einhelliger Meinung der Nachbarn das Schockierendste am gesamten Vorfall war.

….

Das um Auflage kämpfende kleine Anzeigenblatt des Stadtteils titelte eine knappe Woche später : „ Kannibalenkatze frass Gesicht ihrer toten Halterin.“

Das wiederum zog eine wütende Replik des ansässigen Tierheimes nach sich, welches im Verhalten von Molly keinen Kannibalismus erkennen wollte.

Die Katze hätte schließlich nicht die eigene Art gefressen….

In einem alten philosophischen Werk steht geschrieben: „ … Hunger und Liebe setzen sich schließlich über alle Grenzen hinweg.

….

Als ein neu hinzugezogener Schriftsteller diese Geschichte ein paar Wochen später hörte, verstieg er sich allen Ernstes zu einer gewagten These: Frau Metzel hätte sicher gewollt, daß ihr geliebter Stubentiger nach ihrem Ableben weiterlebte und wäre daher mit dessen Verhalten ihrem Leichnam gegenüber völlig einverstanden gewesen.

Na ja, was die Leute heutzutage so alles behaupten…

Ich wende mich meinem uralten Lebenshilfe Abreißkalender zu und lege das nächste Blatt frei. Dort steht zu lesen: „ was ist am Ende des Lebens trauriger? Nie geliebt worden zu sein - oder nie geliebt zu haben?“

Ich blicke durch mein astronomisches Teleskop direkt in Frau Metzels ehemaliges Wohnzimmer, wie ich es schon seit Jahren tue - es ist dort recht schön geworden.

Aus dem 13. Stockwerk hat man einen wunderbaren Blick auf das Leben Anderer.

Ich liebe es einfach, auf diese Weise an ihrem Leben teilzuhaben.

Ende

 

Hallo @Goofyx und willkommen im Forum! Ich habe leider einge Punkte bei deinem Text anzumerken. Nimm es nicht persönlich. Vielleicht hilft dir mein ungeschönter Kommentar beim Überarbeiten oder bei deinen nächsten Texten? Falls nicht, nimm es nur als meinen persönlichen Eindruck.
Ich hoffe jedenfalls, dass du dranbleibst, dich nicht entmutigen lässt und vielleicht ja auch ein paar Kommentare zu anderen Texten dalässt.

Viele Grüße
Habentus

Es stank diesen Sommer nun schon seit Wochen erbärmlich im gesamten Treppenhaus eines gesichtslosen und anonymen Hochhauses inmitten einer austauschbaren Hochhaussiedlung am Rande der Stadt.
Hier hast du eine ganze Reihe von beschreibenden Worten, die im Grunde alle nur dasselbe sagen. Das bläht den Satz aber meines Erachtens unnötig auf, ohne dass ein Mehrwert dadurch entstehen würde. Zumal ja zu Beginn schon klar ist, worauf du hinauswillst.

Hier waren nun seit Jahrzehnten die Randständigen untergebracht, nach dem Ende des großen Stahlwerkes ganz in der Nähe
Der Satz hinkt. Es wird klar, was du sagen möchtest, aber als Satz funktioniert das so nicht.

Die einen wurden Randständig [klein], erst durch die Arbeitslosigkeit, dann durch das Alter. Freigewordene Wohnungen wurden belegt durch Randständige [Komma] der Herkunft, der Gebräuche und der Sprache.
Ganz allgemein hast du hier eine Häufung des Wortes Randständig. Das ist vermutlich gewollt, funktioniert in meinen Augen aber trotzdem nicht, weil du damit unterschiedliche Dinge beschreibst, ohne klar zu benennen, was du als Autor denn mit randständig bezeichnen willst. Geht es dir um abgehängte Menschen, die in die Arbeitslosigkeit gerutscht sind, geht es dir um eine einsame und veraltete Gesellschaft, geht es dir um ausgegrenzte migrantische Randgesellschaften? Alles interessant, alles wert, darüber zu schreiben. Aber das in einem Satz alles zu verwischen, funktioniert in meinen Augen leider nicht.

Wenn man sich die Gesellschaft als einen großen Kreis vorstellt, so sind die Randständigen an eben solchen Rändern zu finden - auf allen 360 Graden des Kreises verteilt. Das Leben dort ist gekennzeichnet durch gegenseitige Fremdheit und daraus resultierende Einsamkeit. Die einzige Gemeinsamkeit der Randständigen, ist die Randständigkeit.
Das Bild ist schief. Auch wenn du versuchst, es durch die 360 Grad zu retten. Denn die Randständigen befinden sich ja eben nicht auf allen 360 Grad eines Kreises, sondern am Rand. Sonst wären sie ja eben doch überall vertreten (und somit gar nicht so randständig, wie du behauptest).
Mal ganz davon abgesehen denke ich, dass du ein klischeebehaftetes und gefärbtes, negatives Bild vermittelst. DIE Randständigen gibt es so schon mal nicht, und die einzige Gemeinsamkeit als eine Ausgegrenztheit zu behaupten, greift sicherlich ebenfalls zu kurz. Ich finde es immer gut, wenn Texte über gesellschaftliche Entwicklungen berichten und kein Blatt vor den Mund nehmen. Dann sollte aber nicht klischeehaft mit dem Thema umgegangen werden.
Aus eigener Erfahrung kann ich dir jedenfalls versichern, dass es auch in gesellschaftlichen Bereichen, die du mit randständig beschreibst, Effekte der Solidarisierung und Gemeinschaft vorhanden sind, die hier gar keine Rolle spielen.

Eine gefühlte Ewigkeit dauerte es, bis man im 9. Stockwerk fündig wurde - Im Schattenreich des Niemandslandes.
Das ist so ein feststehender Begriff, der meiner Meinung nach einen Text eher schwächt. Der Leser weiß zwar, was gemeint ist, hat diese Worte aber schon Hundertfach gehört. Ich würde ganz prinzipiell versuchen, auf ausgelutschte Formulierungen zu verzichten. Wobei ich sagen muss, dass ich das selbst auch nicht schaffe. Vielleicht fällt dir aber trotzdem noch was Besseres ein.

Alte Fotos wiesen auf ein Leben inmitten der Gesellschaft hin. Frau Marie Metzel war zweimal verheiratet und hatte Kinder.
Aha, da jetzt also doch inmitten der Gesellschaft. Es reichen also zwei Ehen und Kinder, um sich in der Gesellschaft zu bewegen und nicht am Rand? Versteh mich nicht falsch, ich möchte da nicht rumnerven, aber ich denke, dass das zu einfach ist. Wenn du das Thema in deinem Text aufmachst, muss es meiner Meinung nach differenzierter dargestellt werden.

Ihr erster Ehemann zeugte ein Kind mit einer anderen Frau, wie man aus alten bösen Briefen entnahm. Der zweite Mann war zwar ihr treu, jedoch nicht gegenüber dem Leben. Am Tag der letzten Schicht vor der Schließung des Stahlwerkes stürzte sich der Arbeiter vom Dach des Werkes ungesichert in die Tiefe und starb.
Wer hat da jetzt die Zeit, während die Leich da herumliegt, vermutlich ein Arzt den Tod feststellen muss usw. alte Briefe zu lesen. Oder liegen die offen rum? Das kann natürlich sein, dass die Frau die kurz vor ihrem Tod gelesen hat. Dann musst du das aber dem Leser mitteilen, dass die zB auf dem Tisch liegen oder so.
Steht außerdem in dem Brief, dass der Mann sich in den Tod gestürzt hat? Oder woher kommt jetzt diese Info an den Leser?

Diese Tat hatte zur Konsequenz, daß sich Frau Metzel immer mehr zurückzog. Weder Kinder, noch Verwandte waren bei ihr anzutreffen.
Finde auch hier, dass der Satz hinkt. Sag doch, was du sagen willst: Ihre Kinder und Verwandte haben sie nicht mehr besucht. Sie war ihnen egal. Keiner ruft an, keiner fragt nach usw. Dann ist klar, was du sagen willst.

Es kam der Zeitpunkt, an dem sie den Hund nicht mehr Gassi führen konnte. Das Tierheim war sehr verständnisvoll, als es Hund gegen Katze eintauschte.
Ich bin mir nicht sicher, ob das so läuft. Außerdem tauscht sie doch die Tiere ein, nicht das Tierheim, oder?

Die Polizei machte zwei Feststellungen. Erstens: die Katze mit dem Namen Molly war zwar stark abgemagert, aber sie lebte noch.
Woher kennt die Polizei denn jetzt den Namen?

Da durch die Leichenflüssigkeit der gesamte Boden ruiniert war, mußte die Wohnung für teures Geld einer Grundsanierung unterzogen werden, was nach einhelliger Meinung der Nachbarn das Schockierendste am gesamten Vorfall war.
Damit willst du wohl Verrohtheit und Kaltherzigkeit darstellen. Aber so bleibt es nur eine Behauptung, ohne, dass ich als Leser ein echtes Gefühl dafür bekomme. Grundsätzlich finde ich nachvollziehbar, dass du das Thema (ist ja wirklich ein Problem in unserer Gesellschaft) darstellen möchtest. Aber es kommt in dieser Form nicht rüber. Das müsstest du (evtl in Form eines Dialoges?) weiter ausbauen.

Das wiederum zog eine wütende Replik des ansässigen Tierheimes nach sich, welches im Verhalten von Molly keinen Kannibalismus erkennen wollte. Die Katze hätte schließlich nicht die eigene Art gefressen…. In einem alten philosophischen Werk steht geschrieben: „ … Hunger und Liebe setzen sich schließlich über alle Grenzen hinweg.
Mmh, da ist jetzt eine zynische Art Humor drin, die nicht passen mag. Da müsstest du schon den ganzen Text so schreiben. Und selbst dann bin ich mir sehr unsicher, ob das passend wäre.

 

Hallo @Goofyx ,

deine Geschichte hat sich für mich teilweise wie ein Flickenteppich gelesen, da es hin und wieder umschwünge in der Erzählweise gab.

Irgendwo muß man schließlich hin mit seiner Liebe - eine Pflanze wäre da nicht ausreichend gewesen.

Die Polizei machte zwei Feststellungen.

Erstens: die Katze mit dem Namen Molly war zwar stark abgemagert, aber sie lebte noch.
Zweitens: Der Leiche fehlten Nase, Mund, Ohren und Wangen.

Die Ermittler zogen den logischen Schluss, dass Molly sich am Gesicht von Frau Metzel zu schaffen gemacht haben musste.

Hier zum Beispiel. Ich hatte plötzlich das Gefühl eher einen Krimi zu lesen. Dadurch fiel es mir schwer in der vorausgehenden Stimmung zu bleiben.
Der zweite Mann war zwar ihr treu, jedoch nicht gegenüber dem Leben. Am Tag der letzten Schicht vor der Schließung des Stahlwerkes stürzte sich der Arbeiter vom Dach des Werkes ungesichert in die Tiefe und starb.
Der Satz hat mich ins stocken gebracht, wegen dem "ungesichert". Da er sich anscheinend das Leben nahm, kommt mir das Wort überflüssig vor, da es verwirrend sein könnte. War es nun ein Suizid oder ein Unfall?

Was mir allerdings am Anfang schwer viel war, die Häufigkeit des Wortes "Randständige" zu lesen. Ich habe versucht ein Stillmittel darin zu erkennen, aber das fiel mir schwer. Womöglich würden den Anfangspassagen Synonyme oder Umschreibungen gut tun.


Am Ende hat mir die Idee von dem kontroversen Beobachter gefallen. Der Gedanke ein Anwohner hat Freude an den Geschichten, die ja anscheinend sehr tragisch sind, der Elendigen aus der Hochhaussiedlung, dass er es sich zum Hobby machte diese zu verfolgen. Ich könnte mir fast schon eine Reihe vorstellen, in dem das Leben der Randständigen beleuchtet wird.

 

Hallo liebe Kririker,

Vielen Dank für eure sehr ausführlichen Rückmeldungen. Es wird eine Weile dauern, diese für mich zu verarbeiten. Es ist aber sehr interessant, diese präzisen Rückmeldungen zu lesen.

 

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