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Liebe und Erklärung
Zu meinen Vogelgeschichten gehört auch eine Liebesaffäre die sich in Trancoso abspielte. Alles fing an mit den Übungen, die ich jeden Tag in der Morgendämmerung, wenn die Sonne noch nicht sticht und noch etwas von der frischen Abendluft zu spüren ist, mache. Genau wie und wann weiss ich nicht mehr aber auf einmal merkte ich dass ich beobachtet wurde. Auf dem Geländer der Veranda sass ein kleiner grüner Papagei und schaute zu. Ich war etwas verlegen und verlor ein bisschen die Konzentration, aber so Sachen geschehen nun mal und man muss sich damit abfinden. Der Vogel sass dort lange Zeit und wir untersuchten uns seitlich und gegenseitlich. Wie ich dann später erfuhr, war es ein Weibchen, Ioio bei Name, gehörte dem Hotel, d.h., wurde verpflegt, war aber sonst frei, flog also im ganzen Garten herum und auch manchmal weiter, im Wald und in dem kleinen Dorf.
Die Szene wiederholte sich während der ganzen Zeit die ich in Trancoso verbrachte. Pünktlich, jeden Tag, erschien der Vogel, setzte sich auf dem Geländer und beobachtete mich aufmerksam. Nach der Überwindung der Spannung am ersten Tag, war ich sogar stolz und geehrt so viel Achtung und Zeit-Aufopferung mit meinen Nummern zu verdienen. Am Ende, erschien dann meistens meine Frau, um mich zum Kaffee zu rufen, und der Vogel flog weg.
Nicht nur bei den Übungen konnte ich mit Ioios Gesellschaft rechnen. Auch wenn ich im Garten oder im Wald alleine spazieren ging, erschien der Vogel, flog dann niedrig von Ast zu Ast und begleitete mich. Kam meine Frau dazu so verschwand der Papagei sofort.
Es war noch ein Detail das ich fast vergessen hätte. Meine Übungen beende ich mit einer Art Entspannung. Ich liege dann am Boden, die Augen geschlossen, einige Minuten lang. Als ich so in Ruhe versunken lag, spürte ich plötzlich eine Berührung. Es war Ioio, die mich mit dem Schnabel, oder war es der Fuss, sanft anstupste. Wie konnte ich dies vergessen? Wollte ich, in meiner Erinnerung, die Liebe nur platonisch?
Am Tag der Abfahrt nahmen wir einen Bus. Ich setzte mich ans Fenster und öffnete das Glas. Nach einigen Sekunden erschien Ioio und setzte sich auf einen Ast davor. Als der Bus dann abfuhr begleitete der Vogel das Fahrzeug eine Strecke lang. Dann verschwand er im Wald.
Ioio war frei, aber nicht ganz. Sie wurde gefüttert. Ioio war Natur, aber nicht nur. Sie war umgeben von Menschen, von Kultur, hauptsächlich Unkultur. Berücksichtigen muss man noch, dass die meisten Papageien eine sehr starke Paarbindung haben, viele Sorten sind monogam und die Paarbindung kann das ganze Leben andauern. Also, der Partner ist scheinbar etwas Wichtiges.
Ioio war alleine, nicht schön. Sie war auf der Suche und ich war sicherlich nicht der Erste. Als ich so auf der Veranda, in der Morgendämmerung meine Übungen machte, dachte sie sich: „Der hat ein Spleen, dem fehlt etwas im Oberstübchen, der hat sicherlich einen Vogel!“. Nun, von dem Gedanke eines Vogels zu dem Vogel-Gedanke, d.h., dass es sich hier wirklich um einen Vogel handelte, ein etwas grosser, ein etwas alter, aber sie hatte ja nicht viel Auswahl, die richtigen Papageien kamen ja nicht in der Nähe des Hotels, war es nur ein kleiner Schritt.