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Liebe 2.0

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27.08.2010
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Liebe 2.0

Sie beeilte sich nach dem Training, um nicht zu viel Zeit zu verlieren und war darum schnellen Schrittes unterwegs. Als Julia um eine Ecke bog und ihr Elternhaus in Sicht kam, wurde ihr zügiger Gang noch schneller und sie stieß fast mit einer Frau zusammen.
Vor der Haustür ihres Elternhauses angekommen, wühlte sie nervös in den Hosentaschen ihrer Trainingshose, und zog ihren Schlüsselbund hervor. Hastig versuchte Julia den Schlüssel ins Schloss zu stecken und verfehlte es dabei einige Male. Bis sie es schließlich schaffte, die Tür aufschloss und ins Haus ging.

Grund für ihre Eile war eine SMS, die sie bereits kurz vor dem wöchentlichen Fußballtraining bekommen hatte. Sie war von Tim:
„Hey süße.;) Was machste denn heut noch so? Bin den ganzen tag alleine @home und langweile mich.LG Tim :-*“

„Oh hey.:) Schön das du schreibst! Bin gerade beim Fußballtraining. Schreib dir nachher bei QCI!“, hatte sie ihm zurückgetextet.

Nun hoffte Julia, dass Tim auch tatsächlich online sein würde. Aber gleichzeitig hatte sie auch etwas Angst. Sie hatte sich gefragt, ob ihre Antwort nicht vielleicht zu schroff gewesen war.
„Hätte ich vielleicht doch noch LG oder ein Kusssmilie schreiben sollen!?“, geisterte es ihr bereits während des Trainings durch den Kopf. Verstärkt wurde dieser Gedanke dadurch, dass seitdem keine Antwort von Tim zurück kam.

Hastig zog sie sich die Schuhe im Flur aus und rief ihren Eltern im Wohnzimmer ein flüchtiges „Bin wieder da!“, zu.
Dann rannte sie die Treppe hinauf und sofort in ihr Zimmer; fast wäre sie auf der Treppe gestürzt.
Julias Zimmer war eines der größten im Haus und eingerichtet, wie ein typisches Zimmer einer 16-jährigen: viel rosa, viele Fotos von Freundinnen an der Wand und viele kleine, dekorative Dinge, die herumstanden und dem Zimmer seinen Charakter verliehen. Außerdem stand an dem Fenster zur Straße, ein Schreibtisch, den man aber vor lauter Zetteln, Schulbüchern und ihrem Laptop, gerade noch so erahnen konnte.

Das Erste, was Julia in ihrem Zimmer tat, war, den Power-Knopf des Laptops zu drücken. Erst dann stellte sie ihre Tasche in die Ecke und befreite ihre langen, blonden Haare von dem Haargummi. Sie fand ihre Haare immer schöner, wenn sie offen waren und sie in der Schule damit herumspielen konnte.

Ungeduldig setzte sich Julia an den Schreibtisch und schaute auf den Bildschirm. „Nun fahr schon hoch, lahme Krücke“, dachte sie sich.
Nach einer gefühlten Ewigkeit erschien endlich der Desktop und die Netzwerkverbindung war aktiv. Sie klickte auf das Symbol von QCI, gab ihren Benutzernamen sowie ihr Passwort ein und dann kam endlich der Klick auf „Anmelden“.

Es dauerte ein paar Sekunden, bis Julia angemeldet war und ihre Kontaktliste anfing sich zu füllen. Tims Name war nicht sofort zu sehen, ihre Liste war so lang. Sie scrollte voller Erwartung herunter und endlich war er zu lesen!

Gerade als sie auf seinen Namen klicken und ihm eine Nachricht schreiben wollte, durchfuhren sie wieder diese Gedanken, die sie an dieser Stelle immer plagten:
„Soll ich ihm wirklich schreiben? Nachher denkt er noch ich sei eine Klette. Oder er denkt ich würde zu sehr auf ihn stehen und dann lästert er mit seinen Freunden über mich! Außerdem hat er mir noch nicht auf die SMS geantwortet! Warum schreibt er mir denn jetzt nicht? Mag er mich vielleicht gar nicht so doll? Aber wenn ich ihm nicht schreibe, dann denkt er, dass ich IHN gar nicht so doll mag!“.

Und so vergingen ein paar Minuten, bis Julia den Entschluss fasste, ihm erst einmal noch nicht zu schreiben. Dieser Entschluss viel ihr alles andere als leicht. Sie musste sich förmlich dazu zwingen. Aber sie wollte lieber cool und lässig ihm gegenüber auftreten, anstatt als Klette abgestempelt zu werden.

Immer ein Auge auf der Kontaktliste und dieses nervöse Gefühl im Bauch, surfte Julia erst einmal ihre einschlägigen Internetseiten an. Zuerst kam immer SchülerBook. Dort checkte sie, was es bei ihren Freunden so Neues gab und wer jetzt mit wem zusammen war und wer es mal wieder nicht war.

SchülerBook war auch die Seite, bei der ihr Tim zum ersten Mal geschrieben hatte. Bereits in der Schule ist er ihr aufgefallen, aber sie hatte sich nie wirklich getraut ihn anzusprechen.
Dann, vor 1 Woche, hatte er ihr einfach eine Freundschaftseinladung und eine zugehörige Nachricht geschickt:
„Hey! Bist ja ganz sweet.;-) Hab dich in der Schule schon öfters gesehen. Wie geht’s dir so?“
Von da an musste sie jeden Tag an Tim denken.

Nach SchülerBook kam dann noch MyRoom, und ihr Email-Konto musste auch gecheckt werden. Nichts neues, nur Spam, und auch Tim hatte noch nicht geschrieben. Julia wurde immer nervöser und es kribbelte ihr förmlich in den Fingern Kontakt mit Tim aufzunehmen.

„Endlich!“, dachte sie erleichtert. Als wäre ihr eine riesige Last abgenommen worden. „Tim tippt gerade“, war am unteren Rand des Bildschirmes zu lesen. Julia freute sich so sehr darauf, sich endlich mit ihm unterhalten zu können.

Tim: „hey na! ;)
Julia: „Oh hey! =)“
Tim: „wie geht’s dir süße? ;)
Julia: „*sichgeschmeicheltfühl* Gut und dir?:-P Süßer :D
Tim: „och auch gut, hab mich hier ja den ganzen nachmittag gelangweilt. keiner hatte für mich zeit :-( ;-). und du? warste beim fußball?
Julia: „Ohhh, du Armer.^^ Jep, war beim Fußball. Hätte ich aber kein Fußball gehabt, dann hätte ich dir ja etwas Gesellschaft leisten können. :-P“
Tim: „hehe…das wär natürlich sehr nett von dir gewesen. ;-)“
Julia: „Sag mal…stimmt es eigentlich, was ich gehört habe?“
Tim: „kommt drauf an, was hast du denn gehört?^^“
Julia: „Na du weißt schon. Tine hat dich doch letztens an der Bushaltestelle mit Nina gesehen. Sie meinte zwar ihr habt da nur gesessen aber trotzdem… Sie hat mir das jedenfalls erzählt…“
Tim: „ach so. ja, also das is nur ne freundin von mir. treffe mich manchmal mit ihr und dann quatschen wir ein wenig. ;-) Nix besonderes.“
Julia: „Hm, na gut. Hab Tine auch gesagt, dass ihr bestimmt nix habt. Aber hast mir ja bei unserem Treffen halt nix davon erzählt und das war ja quasi direkt davor. Da hab ich mir halt Gedanken gemacht…hätte ja sein können, dass ihr wieder zusammen seid“
Tim: „ach, das mit nina ist doch schon ne ewigkeit her. sind jetzt nur noch freunde, die sich ab und zu mal treffen. hab das darum nich für wichtig gehalten. du hast doch sicher auch exfreunde, mit denen du dich mal triffst. ;-)“
Julia: „Na gut. Ja klar habe ich Ex-Freunde, aber eigentlich treffe ich mich nicht mehr mit ihnen. Also ich will dir jetzt auch keine Rede halten, wir sind ja nicht zusammen oder so.^^ Is schon gut.^^“
Tim: „okay. is das den mit deinem ex schon länger her?“
Julia: „Joa, geht. So ein 3/4 Jahr würd ich schätzen.“
Tim: „und warum hats nicht mehr gehalten, wenn ich fragen darf?:-P“
Julia: „Naja nach nem halben Jahr hab ich halt gemerkt, dass er irgendwie doch nicht so ist, wie ich dachte. “
Tim: „oh, das is natürlich doof. ein halbes jahr ist aber schon nicht gerade ne kurze zeit. ;-) wie intensiv war denn eure beziehung?“
Julia: „Wie meinst du das?:-P Müssen jetzt wirklich nich über den Arsch reden.^^“
Tim: „wenn du nix sagen willst, dann musst du auch nicht.^^“
Julia: „Hä? Ja wie meintest du das denn jetzt?“
Tim: „ja, also…bei nem halben jahr Beziehung habt ihrs doch bestimmt auch mal getan…:-P“
Julia: „:-[“
Tim: „wasn? is doch nix dabei. :-P“
Julia: „Was machstn du morgen so?“
Tim: „na gut, dann lenk halt ab…“
Julia: „Naaa gut…!also…nein, wir hatten nicht miteinander geschlafen, zufrieden? “
Tim: „oookay…und wo war jetzt das problem?^^ is doch nix dabei gewesen“
Julia: „Naja, ich red trotzdem nicht so gern über das Thema.“
Tim: „also mich kannst du alles fragen was du möchtest. ;-)“
Julia: „Ich weiß nicht. Is mir irgendwie unangenehm“
Tim: „ach, brauch es dir aber nicht. ;-) sind doch beide mehr oder weniger erwachsen. :D
Julia: „Haha, nur weil du schon 18 bist, denkste wohl du bist sehr erwachsen:D
Tim: „:D Ja ein wenig. :D Also? Was is deine Frage?“
Julia: „Öhhhm. Mit wievielen Mädchen hast du denn schon mal rumgemacht?:-[“
Tim: „das viel dir jetzt schwer, stimts?:D
Julia: „:-[ Hör auf“
Tim: „naja…was meinst du mit rumgemacht?“
Julia: „Na, du weißt schon…Sex halt.“
Tim: „Achso. :D Ja…hmm…mit 4 Ex-Freundinen.“
Julia: „Hmmm“
Tim: „wasn? wolltest es doch wissen.^^“
Julia: „Ja… Sind aber ganz schön viele^^“
Tim: „geht…aber war mit denen ja auch zusammen. Sowas gehört dazu“
Julia: „Hm, ja. Du, mir fällt gerade auf, dass ich meine dreckigen Sportsachen noch an habe. Muss die ma eben ausziehen und duschen. Wartest du oder biste dann schon off!?“
Tim: „och ich warte hier. außer ich darf mit unter die Dusche kommen ;-)“
Julia: „:D Jaja, das hätteste wohl gerne.“
Tim: „war nur spaß ;-)“
Julia: „Achso.^^“
Tim: „:-) Joa… Find du bist ziemlich süß. Naja, dann geh mal duschen, bis gleich“
Julia: „*hihi* Dankeschön. :-P Okay, dann bis gleich“

Tims letzte Zeile zauberte Julia ein breites Grinsen auf das Gesicht. Sie öffnete ihren Kleiderschrank, legte sich einen frischen Pulli sowie eine Trainingshose auf dem Bett zurecht und ging ins Bad.

Während sie unter der Dusche stand und das warme Wasser auf sie herab brauste, ließ sie das Gespräch mit Tim Revue passieren:
„Ich glaub der mag mich echt. So süß. Ob das was werden könnte? Das mit den vier Mädchen ist aber schon irgendwie heftig. Wenigstens war er mit ihnen zusammen und zu einer erwachsenen Beziehung gehört sowas eigentlich ja auch dazu …
Wahrscheinlich mach ich mir bloß zu viele Gedanken. Letztens hat er mir ja auch gesagt, dass er nach der Party Rebecca auch bloß nach Hause begleitet hat, weil es ihr alleine zu gefährlich war. Anschließend ist er ja dann auch zu sich gegangen. Max und die Jungs sind doch nur neidisch auf Tim und labern Scheiße.“

Normalerweise genoss sie es, eine halbe Ewigkeit unter dem warmen Strahl zu stehen und die Welt um sich herum zu vergessen. Aber dieses Mal beeilte sie sich mit dem Duschen, weil sie schnell wieder vor den Rechner wollte. Julia trocknete sich deshalb zügig ab, wickelte sich das Handtuch anschließend um den Körper und tapste, über das Laminat im Flur, in ihr Zimmer zurück.

Julia: „Bin wieder da. =) Du auch?“

Eine Antwort bekam sie allerdings erst nach einer für sie gefühlten Ewigkeit.

Tim: „hey! jo, bin noch da.“
Julia: „Warste eben nich am Rechner? Weil es so lange gedauert hat.^^“
Tim: „doch, aber wurde eben zugetextet. -.-“
Julia: „Achso, dachte schon. Von wem denn?“
Tim: „Nem kumpel =)“
Julia: „Achso, ja ich muss mich mal kurz anziehen.^^“
Tim: „Uhhh, haste etwa nix an? ;-)“
Julia: „*JOKINGLY* Ne, nur ein Handtuch, aber jetzt zieh ich mir mal eben was an, mom.“
Tim: „och, wär ich jetzt bei dir, könnteste dir auch Zeit lassen mit dem anziehen ;-)“

Julia las, was Tim geschrieben hat, während sie sich ihre zurechtgelegten Sachen anzog, und wusste nicht so recht, was sie davon halten sollte. Irgendwie fühlte sie sich geschmeichelt aber es war ihr gleichzeitig auch unangenehm über solche Themen zu reden. Sie versuchte ihnen auszuweichen.

Julia: „Hehe. Und, was machst du heute Abend noch so?“
Tim: „nicht viel. ;-) müsste eigentlich hausaufgaben machen, aber hab nicht so wirklich lust drauf. -.- Und du?“
Julia: „Ich mach gleich Hausaufgaben.^^ Muss darum auch gleich erstmal off.“
Tim: „Hm, ach so.“
Julia: „Wasn?“
Tim: „ach nix, dachte nur, dass wir uns vielleicht treffen könnten heut abend. wohnst ja nur ein paar minuten mit dem Bus von mir weg.“
Julia: „Hmmm. Weiß nicht…“
Tim: „ja, also wenn du nich willst, auch nicht schlimm. ;-)“
Julia: „Also ich würd schon gerne…“

Das war nicht gelogen. Ein Teil von Julia wollte ihn unbedingt sehen. Aber ein anderer Teil von Julia war immer so nervös und ungeschickt, wenn er in der Nähe war, dass es sie davon abhielt einfach zuzusagen.

Tim: „aber? ich meine, wir müssen uns ja nich lange treffen. guck ma. Es ist jetzt halb 5, um 6 könnten wir uns treffen bei mir und um 8 biste dann wieder zuhause. Kannst deinen Eltern ja sagen, dass du zu Tine gehst. ;-)“
Julia: „Ich weiß nicht…^^“
Tim: „geb dir nen ruck. wär echt cool von dir, sweety. ;-)“

Julia wollte cool sein. Sie wollte nicht, dass er denkt, sie sei langweilig. Es dauerte aber ein paar Minuten, bis sie ihm wieder antwortete.

Julia: „Okay, alles klar. Ich komm vorbei. Deine Adresse hab ich ja, ansonsten ruf ich dich nochmal an und du musst mich von der Straße aufsammeln. :D
Tim: „jo mach ich:D. ich freu mich wirklich auf dich. ;-)“
Julia: „Wirklich? Ich mich auch. =)“
Tim: „klar! meinste ich sag das, wenn es nicht stimmt?“
Julia: „Ich weiß nicht. Manche machen das ja.^^“
Tim: „ja manche, aber bin ich einer von denen?^^“
Julia: „Ne, nicht was ich bisher so kennengelernt habe. Bist echt lieb :-P Dann mach ich mich mal zu Ende fertig und geh gleich los. Bis gleich!“
Tim: „jau, bis gleich ;-) hab dich lieb :-*“
Julia: „*JOKINGLY* oh, ich dich auch:-*“

Julia loggte sich aus und fuhr den Rechner herunter.
Sie konnte es kaum glauben. Er hatte sie wirklich lieb. Heute Mittag waren es noch liebe Grüße und eben hatte Tim ihr gesagt, dass er sie lieb hat. Julia schwebte auf Wolke sieben.

Rasch wurden die legeren Klamotten gegen ihre neuste Jeans und Bluse eingetauscht. Vor dem Spiegel richtete sie sich noch ein Mal ihre Haare, fixierte hier und da ein paar Strähnen mit Haarspray und atmete noch einmal tief durch. Die Nervosität war in jeder Faser ihres Körpers zu spüren. Es war nicht ihr erstes gemeinsames Date, aber sie war irgendwie noch nervöser als bisher. Ob er sie heute wohl einmal küssen wird?

Total aufgeregt ging sie in den Flur und die Treppe hinunter. Sie knotete die Schnürsenkel ihrer Lieblings-Sneaker auf, schlüpfte hinein und knotete sie sich wieder zu. Hastig griff sie nach dem Haustürschlüssel auf der Kommode, marschierte mit schnellen Schritten zur Tür hinaus und rief dabei: „Bin bei Tine! Komme so zwischen Acht und Neun wieder!“

„Pass auf dich auf, Schatz!“, rief ihre Mutter hinterher; doch die Tür war bereits ins Schloss gefallen.

Julias Füße trugen sie, so schnell sie konnten, zur Bushaltestelle um die Ecke. Normalerweise kannte sie den Fahrplan in- und auswendig, aber weil sie absolut sicher gehen wollte, dass sie auch zu Tim kam, schaute sie dieses Mal auf den Plan. In Gedanken war sie schon bei ihrem Date: „Was würde Tim wohl zu mir sagen? Wie soll ich ihn begrüßen? Einfach nur ‚Hi‘ sagen oder doch umarmen? Ein Küsschen auf die Wange? Oh Gott, hoffentlich kommt nicht dieses peinliche Schweigen auf, dass wär schrecklich!“
Sie fühlte sich schrecklich unsicher. So unsicher, dass sie gar nicht merkte, wie sie an der Haltestelle auf und ab lief und eine alte Dame sie dabei missmutig beobachtete.

Endlich! Der Bus bog um die Ecke. 701 City-Center stand auf der Schrifttafel.
„Noch kannst du wieder ins Haus gehen und ihm absagen“, schoss ihr in den Kopf. Der Bus fuhr die Straße entlang und kam immer näher.
„Ach, jetzt reiß dich zusammen! Du bist doch kein kleines Mädchen mehr. Gott ey, ich muss runterkommen. Tief durchatmen“, Julia zog die Luft ein und stieß sie kräftig wieder aus, „und jetzt steigst du in den Bus und fährst zu ihm und bleibst cool, verdammt.“
Der Bus hielt fast direkt vor ihr. Sie stieg, zeigte dem Busfahrer ihre Fahrkarte und suchte sich einen Platz in der Mitte des Busses, an der rechten Fensterseite. Sie fand es immer ungeheuer beruhigend, wenn sie in irgendeinem Gefährt saß und dabei am Fenster die Umgebung beim Vorbeiziehen beobachten konnte. So auch dieses Mal, als der Bus losfuhr.
Plötzlich plumpste etwas auf den Sitz hinter ihr und noch bevor sie sich umdrehen konnte, tippte ihr jemand auf die Schulter.
„Hey, Julia! Warum hast‘n dich nicht zu mir gesetzt? Ich war da hinten.“
„Oh, hi Tine! Sorry, tut mir Leid. Hab dich gar nicht gesehen. Sonst wär ich natürlich zu dir gekommen.“ Sie hatte sie wirklich nicht gesehen, dazu war sie viel zu beschäftigt, mit ihren Gedanken gewesen. Tunnelblick.
„Jaja, schon klar, hätt ich auch gesagt“, scherzte Tine.
„Doch klar, das weißt du doch ganz genau!“
„Ach, war doch nur Spaß!“, Tine grinste, „Ich weiß das doch. Wo willst‘e hin?“
„Is doch egal.“, sagte Julia verlegen.
„Komm schon. Sag‘s mir. Jetzt sag nicht, dass du zu Tim fährst!“
Julias Wangen färbten sich rosa und Tines Augen wurden im gleichen Moment so groß wie Kuchenteller.
„Boa ne! Was hab ich dir letztens noch über Tim gesagt? Da brauchst du gar nicht so die Augen zu verdrehen“, platzte es so aus Tine heraus, dass andere Fahrgäste zu ihnen herüberschauten.
„Jaja, ich weiß. Aber er hat mir gesagt, dass sie sich nur unterhalten haben. Und mit Rebecca hatte er auch nix“, erklärte Julia ihr genervt.
„Und das glaubst du ihm?“
„Warum denn nicht? Ist doch meine Sache. Spiel dich nicht so auf, du bist selbst kein Unschuldslamm. Oder bist du eifersüchtig?“
In einem fast schon empörten Ton, schoss es aus Tine: „Quatsch! Ach, im Grunde ist es mir auch egal. Du musst wissen was du tust. Aber ich hab dich gewarnt.“
Gerade als Julia antworten wurde, tönte es aus den Lautsprechern: „Nächster Halt: Kaiserstraße.“
„So, Tine. Ich muss hier raus. Telefonieren wir nachher noch? Dann erzähl ich dir, wie schlecht Tim mich behandelt hat.“ Der ironische Unterton dabei war nicht zu überhören.
„Klar! Ich will doch alles wissen, was ihr bei ihm so getrieben habt. Ruf einfach an.“ Tine zwinkerte ihr zu und grinste dabei schelmisch. Doch Julia winkte genervt ab und ging zur Tür.
„Ciao!“, rief sie Tine noch zu, bevor sie aus dem Bus stieg.

Von der Bushaltestelle waren es nur ein paar Meter zu Tims Haus und mit jedem dieser Meter stieg auch Julias Nervosität. Vor ein paar Tagen war sie schon einmal hier mit ihm, aber da haben sie sich schon vor seiner Haustür verabschiedet. Julia hatte sich gefragt, wie es wohl bei ihm zu Hause und in seinem Zimmer aussehen würde. Sie hätte aber nicht gedacht, dass sie es schon so schnell zu Gesicht bekommen würde.

Flott und beinahe routiniert bog Julia vom Bürgersteig in die Einfahrt von Tims Haus; sie war von sich selbst überrascht. Vor der Haustür machte sie jedoch eine kurze Pause und atmete noch einmal tief durch. Ihr Gesicht spiegelte sich in der Glastür. Wie praktisch, denn so konnte sie noch einmal ihre Haare kontrollieren und die Bluse richten. Sie wollte ja nicht, dass Tim dachte sie sei leicht zu haben. Dann drückte sie mutig auf die Klingel.
Gedanken schossen ihr durch den Kopf: „Oh Gott, bin ich nervös. Hoffentlich merkt er das nicht. Schweißfleck-Check! Nichts zu sehen. Puh! Da kommt jemand.“
Durch das dunkle Glas konnte sie schemenhaft eine Gestalt hinter der Tür erkennen, die immer näher kam und ihr die Tür öffnete. Tim!

„Hey! Na, hast es ja doch geschafft.“, sagte er, in einer ruhigen, fast schon lethargischen Stimmlage. Noch bevor Julia darauf antworten konnte, schlang er seine Arme um sie und drückte Julia ganz sanft.
Etwas perplex, nach dieser Begrüßung, stammelte Julia mit einem unsicheren Lächeln: „Hey. Ja, war ja nicht so schwer. Wie geht’s dir?“
„Gut gut, und dir dir?“
„Ja auch“, mehr wusste Julia darauf nicht zu antworten.
Das und die wenige Sekunden andauernde Stille, ließen in Julia ein unangenehmes Gefühl aufsteigen. Glücklicherweise bat Tim sie dann hinein und das Gefühl verschwand so schnell, wie es gekommen war.

Tim musterte sie langsam, von oben bis unten, während Julia sich ihre Schuhe auszog. Sie merkte den gierigen Blick nicht, der auf sie gerichtet war. Seine Augen verweilten dabei lange an den Konturen ihrer Brüste und ihres Hinterns.
„Du sag mal, wollen wir uns nicht einen Film anschauen?“, fragte er Julia, als sie sich ihrer Schuhe entledigt hatte.
„Ich weiß nicht, du hast doch bestimmt nur solche Actionfilme!“, sagte sie lachend.
„Nein! Ey, warum denkt ihr Frauen eigentlich immer, dass wir Männer nur Actionfilme schauen?“
„Weil das nunmal so ist.“
„Gar nicht wahr! Ich hab auch andere Filme“
„Ach? Und welchen wollen wir uns anschauen?“
„Ich dachte dabei an ‚Pretty Woman‘“, schlug Tim vor, steckte dabei seine Hände in die Hosentaschen und zog die Schultern nach oben.
„Ohh, du bist so süß! Das ist mein Lieblingsfilm!“
„Typisch! Jede Frau mag doch diesen Film“
„Pauschalisier das doch nicht so!“, dabei gab sie ihm lachend einen kleinen Klapps auf den Bauch, der ihn zusammenzucken lies.
„Jaja, ist ja schon gut. Dann geh du schon mal hoch. Ich hol uns was zu trinken und die DVD. Musst die Treppe hoch und dann die erste Tür links.“
„Alles klar, aber beeil dich“, sagte sie lächelnd und schaute ihm hinterher, als er in die Küche ging.

Julia war froh, dass sie den Schritt gewagt und sich mit ihm getroffen hatte. Sie fühlte sich bereits jetzt sehr wohl bei Tim und ihre Nervösität ließ merklich nach, während sie die Treppen nach oben und in sein Zimmer ging.

Tims Zimmer war nicht sonderlich spektakulär. Julia hatte es sich irgendwie besonders vorgestellt, aber es war ganz normal, beinahe langweilig eingerichtet. Als sie hineinkam, stand direkt gegenüber der Tür sein nicht gemachtes Bett, von dem die Bettdecke halb auf den Boden herab hing. Daneben ein kleiner Nachttisch mit einer Lampe, auf dem auch sein Handy lag. An der rechten Wand stand Tims Kleiderschrank, der ähnlich zerwühlt und unordentlich wirkte, wie sein Bett. Julia versuchte, nicht auf die Socken und T-Shirts auf dem Boden zu treten und setzte sich auf das Sofa, dass links neben der Tür stand und von dem aus man den kleinen Fernseher in der Ecke gut sehen konnte.
„Also wenn ich mit Tim zusammenkommen sollte, dann muss er hier aber erst einmal aufräumen“, scherzte sie in Gedanken und grinste.
Gedankenverloren ließ sie ihren Blick durch das Zimmer schweifen und fand es irgendwie komisch, dass jemand, der sich AC/DC Poster an die Wand gehängt hatte, gleichzeitig auch ein 50Cent Fan zu seien schien. Zu den 50Cent Alben im Regal, gesellten sich auch noch eine Reihe weiterer Hip-Hop Interpreten; hauptsächlich deutsche Künstler.
„Naja, jeder hat eben so seine Fehler“, dachte Julia sich und fing an, leise über ihren Witz zu kichern.

„Worüber lachst du denn so?“, fragte Tim, der neben ihr, in der Tür auftauchte; zwei Gläser in der Hand haltend und die DVD unter dem Arm geklemmt.
Julia durchfuhr ein Adrenalinstoß, als hätte man sie bei etwas ertappt.
„Och nichts, schon gut!“, sagte sie mit einem leichten Zittern in der Stimme.
„Na gut. Ich hab uns Apfelschorle mitgebracht.“
„Ja cool, das trink ich zu Hause eigentlich auch immer.“
Tim stellte die Gläser ganz vorsichtig auf dem kleinen Tisch vor dem Sofa ab, indem er leicht in die Hocke ging – er wollte die DVD unter dem Arm nicht fallen lassen. Anschließend holte er die DVD aus ihrer Hülle und hantierte am Fernseher und DVD Player rum.
Julias Blicke blieben währenddessen an ihm kleben. Sie fand, dass er einen wirklich süßen Po hatte und am liebsten würde sie ihm mit den Händen durch seine wuscheligen, dunkelblonden Haare fahren.
Plötzlich schoss Julia ein Gedanke durch den Kopf und sie erschrak: „Oh! Ich hab deinen Eltern gar nicht ‚Hallo‘ gesagt! Wie peinlich! Soll ich noch mal schnell runter gehen und mich vorstellen?!“
„Nicht schlimm“, sagte er ihr mit seiner ruhigen Stimme und zugewandtem Rücken, „die sind eh nicht da. Keine Ahnung was die machen. Ich glaub die wollten so gegen 11 oder 12 wieder hier sein. So jetzt läuft die DVD.“
Tim setzte sich rechts neben sie und drückte auf der Fernbedienung rum; navigierte durch das DVD Menü auf dem Fernseher.
„Na gut. Dann mach ich das beim nächsten Mal.“
„Beim nächsten Mal? Wer sagt denn, dass es ein nächstes Mal geben wird?“, sagte er kühl, ohne sie anzuschauen.
Julia bekam sofort ein flaues Gefühl im Magen. Sie starrte ihn an und ihre Gesichtszüge waren wie eingefroren, nicht einmal ihre Augen zwinkerten.
Dann drehte er den Kopf zu ihr und grinste: „War doch nur Spaß! Klar, mach das einfach beim nächsten Mal.“
„Boa! Bist du verrückt!? Jag mir doch nicht so eine Angst ein. Ich dachte schon, du magst mich auf ein Mal nicht mehr.“
Tatsächlich keimte leichte Wut in Julia auf, die jedoch schnell verflogen war, nachdem Tim ihr daraufhin sagte, dass das quatsch sei und er sie möge, sogar sehr. Sofort war die Welt wieder in Ordnung, Tim startete den Film und beide lehnten sich entspannt zurück.

Der Film war schon mehrere Minuten am Laufen. Julia wusste nicht genau wie lange aber mit jeder weiteren Minute, die der Film lief, wurde sie angespannter. Ab und zu sahen sie sich an, dann grinsten beide und schauten wieder auf den Fernseher.
„Soll ich mich ihm nähern oder wird er wohl noch zu mir rüberrutschen? Vielleicht will er es aber auch nur ganz locker angehen lassen. Uns Zeit geben. Ja, Zeit geben ist gut. Besser als es überstürzen. Oh, er riecht auch noch so gut …“, dachte Julia sich, ohne dabei wirklich auf den Film zu achten.
Sie wurde aus ihren tiefen Gedanken gerissen, als sie plötzlich etwas auf ihrer linken Schulter spürte. Der rasche Blick nach links lies alle Zweifel verfliegen und ein Gefühl des Glücks überkam sie. Tim hatte den Arm um sie gelegt. Julia hatte bis zu diesem Moment gar nicht gemerkt, dass er ihr näher gekommen war.
Beide schauten sich einige Sekunden grinsend in die Augen. Julia lehnte dann ihren Kopf gegen seine Brust und schien überglücklich.
Was sich wohl schlagartig geändert hätte, hätte sie aus dieser Position gesehen, dass Tim den Kopf nach oben neigte, genervt mit den Augen rollte und das Gesicht verzog.

Während sie den Film schauten, streichelte Tim ihr sanft über das Gesicht und überall in Julias Bauch stoben die Schmetterlinge hin und her. So glücklich war sie noch nie.
Dann gab Tim ihr durch seine Hand zu verstehen, dass sie ihren Kopf von seiner Brust nehmen sollte und ehe sie sich versah, schmiegten sich seine Lippen an die ihren, während Tims Hände Julias Gesicht zärtlich umspielten.
Julias Herz sprang ihr aus der Brust und die Schmetterlinge schmissen eine gigantische Party in ihrem Bauch. Sie wünschte sich, das würde niemals aufhören.
Sie küssten sich eine aus Julias Sicht gefühlte Ewigkeit, bis sie langsam merkte, dass Tims Hand gar nicht mehr an ihrem Gesicht war.
Seine Hand war bereits ihren Hals hinunter gewandert und strich nun über ihr beginnendes Dekolleté. Als Julia fühlte, dass er mit seiner Hand noch weiter ging und anfing sanft, aber dennoch kraftvoll ihre linke Brust zu massieren, wich das Gefühl des Glücks einem Unwohlsein.
„Mhmhmhmh!“, gab sie von sich, löste sich aus Tims festen Griff und von seinen Lippen.
„Sorry! Bitte sei mir nicht böse, aber ich glaub das möchte ich nicht.“
„Schon okay“, antwortete Tim ganz lässig. Es war ihm nicht einmal peinlich.
„Wirklich!? Ich möchte, dass du mich magst, aber ich fühl mich nicht so recht wohl, wenn du das mit deinen Händen machst. Vielleicht, wenn wir uns etwas länger kennen. Sorry, wirklich“, Julias Gesichtszüge wirkten ängstlich.
Tim legte ein verständnisvolles Schmunzeln auf:„Ist wirklich okay, nicht schlimm. Ich versteh dich schon.“
Er zwinkerte ihr zu.
„Na gut, aber sei mir bitte nicht böse! Das kommt sicher mit der Zeit.“

Seine Hand strich wieder über Julias Wangen und sein Gesicht kam näher. Sie schloss die Augen und sogleich kamen die Schmetterlinge wieder und die Party war um gefühlte 200 Gäste angewachsen. „Er ist so verständnisvoll. Es ist so schön mit ihm. Er ist der Richtige. Hoffentlich hört das nicht mehr auf“, war das einzige woran sie in diesem Moment dachte.
Doch dann fiel Julia eine Veränderung auf. Tims Küsse wurden fester und kräftiger. Seine Hand übte mehr und mehr Kraft aus. Das unwohle Gefühl stieg wieder in ihr auf. Seine Zunge suchte sich den Weg in ihren Mund. Zunehmend mehr Schmetterlinge verließen die Party. Julia fragte sich, was plötzlich los war! Tim fing ganz leise an zu schnauben und die Finger seiner anderen Hand strichen Julia erst wieder über den Hals, dann über das Dekolleté und dann über die Brüste. Erschrocken stellte Julia fest, dass sie dort aber nicht blieben, sondern stattdessen in Richtung ihrer Beine weiterwanderten. Als er schließlich zwischen ihren Beinen beherzt zugriff, war für sie das Fass übergelaufen und alle Schmetterlinge ertrunken.
Wut durchfuhr sie. Mit all ihrer Kraft befreite sie sich aus Tims Griff und sprang vom Sofa auf; die Gläser vielen zu Boden und zerbrachen.
„Sag mal spinnst du!!! Bist du eigentlich bescheuert!? Willst du mich vergewaltigen!?“
„Was hast du denn bitte für ein Problem!? Jetzt sag nicht, dass du dich gerade wirklich so anstellst!? Du hast mir doch gerade zu verstehen gegeben, dass ich mit meinen Händen etwas anderes machen sollte!“
„Bitte!? Hab ich gesagt, du sollst mir in den Schritt greifen!?“
„Ne, das nicht, aber ihr Frauen seid doch eh alle gleich!“
„Was laberst du eigentlich für einen Scheiß!?“
„Bla bla. Erst spielt ihr die Unnahbaren, aber wenn man erst einmal bei euch die richtigen Knöpfe drückt, dann tut ihr doch alles, was man will!“
„Ey, dir hat man echt ins Gehirn geschissen! Ich bin doch nicht eine von diesen Schlampen!“
„So? Aber du hängst doch immer mit Tine rum. Ist sie dann auch eine Schlampe!?“
„Was!?“
„Ja hast mich schon verstanden! Die hat schon mehrmals die Unnahbare gespielt und letztendlich hat sie doch immer die Beine breit gemacht! Und weil sie mir dann vor einer Woche gesagt hat, dass du wohl heimlich ein Auge auf mich geworfen hättest, dachte ich mir: ‚Hey, leichte Beute‘. Ich sollte dir das eigentlich nicht weiter erzählen aber jetzt scheiß ich drauf.“
Julia stand einfach nur da und die Tränen stiegen ihr in die Augen. Innerlich brach in diesem Moment für sie eine Welt zusammen. Jedes Wort fühlte sich an, als würde jemand mit einem Messer in ihr Herz stechen. Die Tränen liefen Julia in einem Strom über die Wangen.
Angefüllt mit Wut und Trauer holte sie aus und gab Tim die Ohrfeige seines Lebens. So kräftig, dass noch Tage später ein kleiner Bluterguss zu sehen gewesen war.

Danach rannte sie schluchzend und mit verheultem Gesicht aus seinem Zimmer und die Treppe nach unten. Schnell zog sie sich die Schuhe an. Julia wollte einfach nur noch weg, weg von diesem Ort, weg von diesem Typ, weg von allem! Sie wollte einfach nur nach Hause.
Julia rannte aus dem Haus und zur Bushaltestelle. Mehrmals wischte sie sich mit ihrem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht, damit sie durch den Tränenschleier überhaupt etwas sehen konnte. Was Tim gerade gesagt hatte, konnte sie einfach nicht glauben und Julia fühlte sich so verarscht, so dumm und so dreckig. Sie ekelte sich vor sich selbst, weil sie diesem Typen einfach geglaubt hat. Der Dreck der Naivität haftete überall an ihr.

An der Bushaltestelle schaute Julia schluchzend und mit aufgequollenen Augen auf den Fahrplan und war so erleichtert, dass in zwei Minuten der Bus kommen würde und sie nicht noch länger hier hätte herumlungern müssen.
Als sie Ausschau hielt, ob der Bus bereits in Sicht war, viel ihr eine alten Frau in der Haltestelle auf. Sie kam ihr bekannt vor. Es war die gleiche Dame, die bereits vorhin an der anderen Haltestelle saß. Julia hatte gar nicht gemerkt, dass sie vorhin auch hier ausgestiegen war. Vorhin, als die Welt für Julia noch voll Hoffnung war; sie schluchzte mehrmals stark hintereinander. Die alte Frau musterte Julia bereits mehrere Minuten und zog ein Gesicht, als ob Julias Selbstekel auf äußere Umstände zurückzuführen seien.
„Was glotzen Sie denn so! Noch nie ein Mädchen heulen sehen!? Kümmern sie sich gefälligst um ihren eigen Mist!“, schrie Julia sie wütend an.
Empört schaute die Dame in eine andere Richtung und Julia sah aus den Augenwinkeln den herannahenden Bus.
Im gleichen Moment vibrierte es in ihrer Hosentasche. Eine SMS. Mit zitternden Händen zog sie ihr Handy hervor und las die neue Nachricht:
„Hey Ju.na wie läuft das date bisher?;)hat er schon versucht dich zu küssen?hdl tine:*“

Julia schnaubte vor Wut und sie wusste auf so eine SMS ihrer ehemals besten Freundin nur eine sinnvolle Antwort: Sie wählte „Löschen“ und drückte die Bestätigungstaste so fest, dass Minuten später noch ihr Finger schmerzte.
Die Freundschaft mit Tine war ihr nicht einmal mehr die paar Cent für eine Antwort wert.

Der Bus hielt direkt vor Julia. Sie stieg ein und grinste mit rotgeweinten, dicken Augen und tränenverschmiertem MakeUp im Gesicht, dem verdutzt dreinblickenden Busfahrer entgegen. Julia setzte sich wieder an den gleichen Platz, wo sie schon vor fast zwei Stunden saß. Sie hatte wieder diesen Tunnelblick, diesmal vor Wut, vor Verzweiflung, vor Trauer.
Der Bus fuhr los und Julia weinte sich später zu Hause über Stunden endlich in den Schlaf.

 

Anmerkungen des Autors:

Bevor die folgende Geschichte beginnt, möchte ich darauf hinweisen, dass alle nachfolgenden Namen, Geschehnisse und Dialoge komplett frei erfunden wurden. Die Geschichte wurde zwar durch reale Ereignisse beeinflusst, diese wurden jedoch von mir frei interpretiert, ausgeschmückt, kombiniert und teilweise übertrieben dargestellt.
Die Sprache der Personen ist dabei beabsichtigt so gewählt.


Der erste Beitrag gehört hier im Forum der Geschichte. Anmerkungen bitte als separaten Beitrag drunter posten.

 

hallo Floy89,

als erstes will ich dir sagen, dass mir die Geschichte eigentlich ganz gut gefallen hat. Fand die Situation realitätsnah und gut beschrieben. Gegen Ende habe ich allerdings gedacht, dass nun ein dickes Ende kommt. Er verarscht sie nur und als sie ihn trifft, macht er sich mit
seinem Kumpel über sie lustig oder so oder es ist in Wirklichkeit garnicht Tim, sondern eine fiese Mitschülerin, die sich als Tim ausgibt und ihr eins auswischen will. Irgendwie sowas, das würde noch ein wenig mehr Spannung bringen und die Geschichte kippen lassen.

Ich muss mir selber jetzt überlegen, was für einen Tim ich jetzt im Kopf habe - der nette Dreamboy oder das Arsch, dessen Masche es ist, die Mädels per ICQ abzusahnen und zu erbeuten, sie mit "Hab dich lieb" weichzuschleudern und dann fallen zu lassen. Neige zur zweiten Variante ;-)

Ein paar Satzstellungen sind etwas ungeschickt. z.B.

Die 16-jährige Julia war gerade auf dem Weg nach Hause, von ihrem wöchentlichen Fußballtraining.
Besser: Julia war gerade auf dem Weg von ihrem wöchentlichen Fußballtraining.

Als Julia um eine Ecke bog – dabei fast mit einer Frau zusammenstieß - und ihr Zuhause in Sicht kam, wurde ihr zügiger Gang noch schneller.
Als ihr Elternhaus in Sicht kam, wurde ihr zügiger Gang noch schneller und sie stiess fast mit einer Frau zusammen.

Sie hatte sich gefragt ob ihre Antwort nicht vielleicht zu schroff gewesen war.
gefragt KOMMA ob

Nach einer gefühlten Ewigkeit, war dann endlich der Desktop zu sehen und auch die Netzwerkverbindung war aktiv.
lass das "dann" vor endlich und "war" vor aktiv weg, dann ist der Satz schöner, statt "war zu sehen" kannst du vieleicht auch lieber "erschien der Desktop" schreiben.

so, das wars fürs erste
lg Engelchen

 

Hi Engelchen211,

danke für die konstruktiven Hinweise!
Freue mich über jede Hilfe.

Um was für einen Tim es sich handelt, entscheidet jeder für sich selbst.^^
Habe versucht ein paar Hinweise zu streuen, aber letzendlich soll sich jeder selbst ein Bild machen.

Das Ende habe ich absichtlich so offen gewählt, weil sonst klar geworden wäre, was Tim für einer ist.^^
Entweder ist es ein "Oh, jetzt trifft sie sich mit ihm, wie süß"-Ende oder ein "Ich fass es nicht, dass die das nicht sieht"-Ende.

Ich hoffe man versteht, was ich damit jetzt gemeint habe. :D

Aber danke nochmal!

Lg
Floy89

 

Hallo Floy89,

also was mir sehr gut gefallen hat, ist diese authentische Chat-Sprache und wie sie da vor ihrem Computer hockt und sich einloggt und all die vielen Namen und Passwörter usw. Da steckt man sofort in der Geschichte drin. Und dann dieser eigentlich total hohle Austausch mit Tim, der aber genau das beinhaltet, was wahrscheinlich in den meisten Chats zwischen Teens so abgeht. Obwohl man sich fragt, wie sie sich nur so leicht um den Finger wickeln lassen kann, spürt man trotzdem, wie sie sich geehrt fühlt, die Komplimente vom Schleimer Tim nur allzu gern aufsaugt ...
Deswegen finde ich es schade, dass die Geschichte dann so unvermittelt aufhört. Sicher – der Leser kann sich was denken, wie es denn weitergeht. Aber manchmal möchte der Leser eben einfach auch wissen, was das dicke Ende denn nun sein wird. Ich finde, da machst du es Dir ein bisschen einfach. Denn je nachdem, wie die Geschichte enden würde, bekäme sie ja einen ganz anderen Ton - wird das Mädchen veralbert? Ausgenutzt? Vergewaltigt und im Stadtpark verscharrt? Wir werden es nie erfahren ... :(

LG
Sammamish

 
Zuletzt bearbeitet:

Ohh Sammamish,

nicht traurig sein.^^
Schön, wenn es dir gefallen hat!

Wenn jetzt noch jemand schreibt, dass er die Geschichte "zu Ende" lesen will, dann habt ihr mich überredet und ich erzähls wirklich noch. :D

Irgendwie juckts mich auch in den Fingern...^^

Viele Grüße
Floy89

 

Hi Deep Mind,

dass du nix von QCI gehört hast, liegt daran, weil ichs erfunden habe.^^ So wie andere einschlägige Begriffe auch.

Schade, dass du der Geschichte nichts abgewinnen kannst. Aber naja, jeder hat ja seinen eigenen Geschmack. Vielleicht verändert sich das ja noch etwas ins Positive, wenn das Ende folgt.^^

Wobei sich an diesen teils inhaltlosen Chatdialogen nichts ändert. Wie du schon gesagt hast, dass is nunmal manchmal so.

Aber sonst lass ich mir die Kritik natürlich auch durch den Kopf gehen und wenn ich jetzt noch ein Ende schreibe, dann les ich den Text sicher noch mehr als 1x durch.

Viele Grüße!

 

So!

Es hat zwar etwas gedauert, aber ich habe doch noch ein kleines aber feines Ende und ein paar kleine Stellen verändert.

Ich hoffe, ES und die ganze Geschichte gefällt euch. =)
Gerne würde ich auch weitere Kritik lesen.

Gute Nacht für heute!=)
Floy89

 

Hey Floy89,

ja, da hast Du ein kleines Ende rangeschrieben :). Und ich dachte so beim Lesen, mein Gott, er erzählt es aber auch alles bis ins letzte Detail. Aber es passt. Es passt alles zusammen. Diese Ausführlichkeit, Deine Sprache, die Dialoge. Das finde ich ja herrlich, wie Du die beiden da quatschen lässt.
Ich sag mal gelungen, eine Geschichte für und über Teenager, ganz so, wie sie halt so sind.

Textkrams:

Oder er denkt(Komma) ich würde zu sehr auf ihn stehen und dann lästert er mit seinen Freunden über mich!

Dieser Entschluss viel ihr alles andere als leicht.

fiel

Dann, vor 1 Woche,

Zahlen sehen ausgeschrieben so viel besser aus ;)

„Endlich!“, dachte sie erleichtert.

Denken ist nicht sagen und kommt daher nicht in "xyz", sondern man setzt es kursiv oder in 'xyz' oder man lässt einfach alles weg.

Tim: „das viel dir jetzt schwer, stimts?:D

fiel und stimmts, auch wenn es im chat immer mal schnell geht nd so Fehler sehr authentisch, lesen tut es sich doch komisch

Tim: „:-) Joa… Find du bist ziemlich süß.

Bei solchen Sprüchen habe ich dann doch Bedenken, dass der Typ 18 sein soll ... eher so 15/16

... wickelte sich das Handtuch anschließend um den Körper und tapste, über das Laminat im Flur, in ihr Zimmer zurück.

:D - das meine ich mit Detailverliebt.

Irgendwie fühlte sie sich geschmeichelt aber es war ihr gleichzeitig auch unangenehm über solche Themen zu reden. Sie versuchte ihnen auszuweichen.

Das kannst Du mit gutem Gewissen streichen, dass merkt man schon vorher, als sie da über Sex reden und weil sie verwirrt ist, über seine Antwort.

Sie stieg, zeigte dem Busfahrer ihre Fahrkarte ...

Sie stieg ein, ...

Da sind noch einige Patzer drin. Aber ich bin jetzt zu müde. Lass sie noch mal von wem gegenlesen, man selbst wird ja betriebsblind irgendwann.

In diesem Sinne,

Beste grüße Fliege

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Fliege,

so ein Lob hört/liest man natürlich gerne.^^
Werde mir deine Verbesserungsvorschläge in der Mittagspause mal anschauen.

Beim Korrekturlesen war ich auch müde und hab wohl ein paar SEHR offensichtliche Sachen übersehen. :D


Viele Grüße
Floy89

 

Hey,

ich muss sagen, deine Geschichte lässt mich etwas zwiegespalten zurück.
Einerseits hast du die Teenager wirklich gut getroffen, mit dem ganzen Gechatte, der Internetsucht, etc. Außerdem hat mir gefallen, dass so eine klischeehafte Blondine mit rosa Zimmer Fußball spielt.^^

Andererseits hast du in anderen Punkten relativ tief in die Klischeekiste gegriffen. Die Jungfrau, der Macho, die falsche Freundin....
Der Umgang mit Sex liest sich, als sei er aus der Bravo übernommen.
Ich finde, dadurch wird deine Geschichte ziemlich unrealistisch.
Insbesondere, weil die meisten 16-Jährigen durchaus darüber informiert sind, dass "Film schauen" ein Codewort für Geschlechtsverkehr ist.
Ich würde die Protagonisten einfach 2 Jahre jünger machen, ich finde ohnehin, dass Julia sich wie eine 14-jährige benimmt. Das würde dann auch das "beginnende Dekolleté" erklären.

Liebe Grüße,
Eva

 

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