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Lichter

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16.07.2017
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Lichter

Der Wohnblock ragte bleigrau in den Nachthimmel. Licht fiel vereinzelt aus den Fenstern. Auf dem Bürgersteig war es dunkel, denn Laternen gab es nicht. Neben der Eingangstür prangte die 24 auf einem weiß leuchtenden Würfel. Lena blieb stehen. Hier war sie richtig.
Sie atmete durch und hoffte, das flaue Gefühl loszuwerden, das sie begleitete, seitdem sie aus dem Bus gestiegen war. Die Hecken vor dem Bau waren ungepflegt und rissige Betonplatten führten zur Tür. Es stank nach vergammelten Essensresten. Lenas Lippen fühlten sich trocken an. Als könnten sie reißen, wenn sie den Mund zu weit öffnete.
Über den Klingelschildern hing eine einsame Glühbirne. Sie flackerte. Lena beugte sich vor und kniff die Augen zusammen. „Heine“, murmelte sie, während sie die Namen betrachtete.

Die Eingangstür quietschte. Bevor sich Lena umdrehen konnte, hörte sie: „Suchste wen?“ Ein Mann trat aus dem Wohnblock. Er trug einen Trainingsanzug. In der linken Hand hielt er einen Müllsack, in seinem Mundwinkel hing eine Zigarette.
Lena räusperte sich. „Ich … ich möchte zu Heine.“
„Hm.“ Er zog an der Kippe, nahm sich Zeit. Lena ließ er dabei nicht aus den Augen, als nähme er ihr Aussehen in sich auf wie den Rauch. Dann blies er Qualm aus seiner Nase und sagte: „Dritter Stock.“ Die Zigarette wackelte auf und ab, während er sprach. Asche fiel auf seine Jacke.
„Vielen Dank“, sagte Lena.
Der Mann blieb in der Tür stehen. Nur seine Augen bewegten sich unablässig, begutachteten Lenas Körper. Sein Blick verharrte kurz an den Brüsten, an der Hüfte. Lena fragte: „Darf ich vorbei?“
„Was hält dich auf?“ Er rührte sich nicht.
Seitwärts schob sie sich an dem Mann vorbei. Sein Atem stank nach Bier, aus dem Müllsack drang der Geruch von faulem Fleisch. Lenas Oberschenkel streifte den Schritt des Mannes. Zufrieden zog er an der Kippe. Die Glut tauchte seine Nasenspitze in rötliches Licht. „Wat willsten bei der Heine, Süße? Komm doch zu mir. Dann machen wir's uns gemütlich, hm?“
Erst als Lena den Treppenabsatz erreicht hatte, sagte sie leise, nur für sich: „Nein danke.“

Lena ging hinauf in den dritten Stock ging. Ihre Schritte hallten durch das Treppenhaus, als wollte das Geräusch den Bewohnern mitteilen, dass jemand käme, der hier nicht hergehörte. Lena glaubte, beobachtet zu werden. Augen, die durch Türspione spähten. Lena ging schneller. Das Lachen einer Frau ertönte hinter einer Tür, irgendwo spielte Musik.
Lena klingelte bei Heine. Ein Schild hing an der Tür, darauf eine Igelfamilie und der Schriftzug Willkommen. „Komme schon.“ Es polterte, dann ging die Tür auf. „Hey. Bist ja früh.“ Melanie wirkte gehetzt, doch sie lächelte. „Komm rein.“

Schuhe standen ungeordnet im Flur, auf einem Schrank lagen Papiere, Schlüssel und ein Schal. Melanie trug nur Unterwäsche. „Sorry, hab die Zeit vergessen. Muss mir fix was anziehen. Setz dich doch in die Küche.“ Sie rannte durch den Flur. Ein Tattoo überzog ihren Rücken. Ein blattloser Baum mit verschnörkelten Ästen, die wie Schlangen wirkten. Melanie zeigte Lena die Küche, dann verschwand sie, rief noch: „Nur fünf Minuten.“
Lena setzte sich auf einen Holzstuhl. Das Geräusch vorbeifahrender Autos drang durch das geöffnete Fenster. Geschirr stapelte sich in der Spüle, ein Spruch zierte die Wand über dem Esstisch: Live, laugh, love.
Nach zehn Minuten betrat Melanie den Raum. „Willst was trinken?“ Sie trug ein knappes Top, ein schwarzes. Und Minirock, es war schließlich Sommer.
„Kaffee wäre nicht schlecht.“
„Kaffee?“ Melanie schnaubte. „Komm, kriegst 'n Bier. Heute wird gefeiert.“ Bevor Lena etwas sagen konnte, nahm Melanie zwei kalte Becks aus dem Kühlschrank und öffnete sie mit einem Feuerzeug. „Bitt' schön.“ Melanie gab Lena eine Flasche und sagte: „Auf das überstandene erste Semester.“ Die Flaschenhälse klirrten, als sie gegeneinanderstießen.

Sie tranken und warteten und schwiegen. Nach ein paar Minuten sah Melanie auf ihr Smartphone. „Jule kommt zu spät. Typisch.“
Lena fuhr mit den Fingerspitzen über die kühle Bierflasche. „Wird sicher gleich klingeln.“
„Hoffentlich.“ Melanie nahm einen kräftigen Schluck. „Schreibst du noch an deinem Roman? Hab dich nie gefragt, worum es eigentlich geht.“
Lenas Wangen wurden warm. „Ich … also … Ich habe in letzter Zeit kaum geschrieben. Die Prüfungen und so.“
„Ja, versteh ich.“ Melanie drehte die Flasche in ihren Händen. „Also, worum geht es?“
„Weiß nicht. Ich ändere viel.“ Sie zupfte sich am Ohrläppchen. „Ich sag's dir, wenn ich mich festgelegt habe, ja?“
„Klar.“

Zeit verging. Lena nippte am Bier. Der Geschmack war ungewohnt und bitter und sie wollte das Gesicht verziehen, aber tat es nicht. Melanie starrte auf den Boden vor ihren Füßen. Der Raum war still und ohne Bewegung, wie ein Standbild. Lena glaubte, es würde sich erst ändern, wenn sie ein Thema fände, über das sie mit Melanie reden könnte. Ihr fiel nichts ein.
Als es klingelte, hatte Lena das Gefühl, jegliche Feierstimmung aus Melanie rausgelangweilt zu haben; doch beim Ertönen das metallenen Summens rief Melanie: „Wuhuu, Partytime.“ Sie leerte das Bier in einem Zug, wackelte dabei mit dem Hintern. „Auf geht's, faules Söckchen. Jetz' wird richtig gesoffen.“

Gemeinsam fuhren sie aus der Stadt. Jule saß am Steuer, während Melanie am Radio rumspielte. Sie klickte durch Dutzende Songs, meist Deutsches. Mark Forster und Andreas Bourani, gelegentlich auch Rap. Dann erklangen harte Bässe und Melanies Finger verharrte und sie wippte mit dem Kopf zum Takt. „Das is' geil“, sagte sie und drehte die Lautstärke auf.
Lena saß auf der Rückbank und die Bassrolle im Kofferraum brachte den Sitz zum Vibrieren. „Wo fahren wir noch gleich hin?“, fragte sie. Keiner antwortete. Sie presste die Lippen zusammen, dann wiederholte sie, diesmal lauter: „Wo fahren wir hin?“
Jule sah in den Rückspiegel und ihre Blicke trafen sich. „In so ein Kaff, zwanzig Minuten von hier. Artem … du kennst doch Artem?“
„Sicher“, sagte Lena zu Jules halbem Gesicht im Spiegel.
„Seine Eltern haben da 'ne Scheune.“
„Alle Jungs sind da“, sagte Melanie. „Da geht heut was.“ Das nächste Lied begann, es war schneller, mit noch mehr Bass. Die Fensterscheiben zitterten. Melanie drehte leiser und fragte: „Julchen, hast du was zu trinken dabei? Vorglühen muss sein.“
„Unter deinem Sitz.“
Melanie beugte sich vor, der Sicherheitsgurt spannte. Dann tastete sie umher und sagte mit gepresster Stimme: „Ah.“ Sie zog eine Flasche Batida de Coco hervor. „Das gute Zeug.“ Sie schraubte den Verschluss auf, nahm einen Hieb und fragte Lena: „Auch was?“
Lena winkte ab. „Ich mag den Geschmack nicht.“
„Blöd.“ Melanie nahm wieder einen Schluck. „Sag, hast du Gummis dabei?“
„Was?“
„Kondome.“ Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen. „Haste?“
„Bin doch kein Kerl.“
„Hey, wenn ich Bock habe, dann brauch ich's auch. Stell dir vor, du bist geil am Rummachen und der Typ hat keine Kondome dabei.“
Jule lachte. „Wenn es darum geht, denkst du echt an alles.“
Melanie knuffte gegen ihre Schulter. „Musst du grad sagen.“
„Eine feste Beziehung kann ich haben, wenn ich alt und runzelig bin.“
„Also in drei Jahren“, sagte Melanie.
Jules Lächeln verschwand. „Scheiße, musste das jetzt sein? Machst mich ganz depressiv mit so 'nem Gelaber.“
Melanie hob die Hände. „Sorry. Kann ja nicht wissen, dass du da gleich so abgehst. War nur'n Witz, okay?“
Jule steckte sich eine Kippe in den Mund. „Whatever.“ Sie reckte ihren Kopf in Melanies Richtung, ohne die Straße aus den Augen zu lassen, und Melanie zündete die Zigarette an.
„Kommen wirklich alle?“, fragte Lena.
„Das hat Artem jedenfalls behauptet“, sagte Jule, während sie das Fenster runterließ. Der Rauch zog ab und eine milde Brise wehte ins Auto und durchwirbelte Lenas Haare.
Melanie sagte: „Weißt du, was das bedeutet?“
„Was?“, fragte Lena.
„Fabian wird auch da sein.“ Melanie und Jule wechselten einen raschen Blick und beide grinsten.
Lena sah aus dem Fenster. Das Scheinwerferlicht erhellte die Leitplanke, hinter ihr war nur Dunkelheit. „Fabian auch?“

*​

Kurz vor den ersten Prüfungen hatte sich Lena zum ersten Mal mit Fabian unterhalten. Sie war an diesem Tag über den Campus geschlendert und hatte einen Platz gesucht, an dem sie ungestört lernen konnte. Viele der Bänke, auf denen sie sonst saß, waren besetzt. Studenten unterhielten sich und lachten oder waren in Büchern und Notizen vertieft. Stimmen schallten über das Gelände, herangetragen von der Sommerbrise, der ersten des Jahres. Die Sonne stand über einer Buche, die einen langen Schatten auf den Rasen warf. Hier war es kühl, weniger schweißtreibend.
Lena setzte sich unter den Baum auf das trockene Gras, schlug ihr Buch auf und begann, sich Gleichungen und Formeln einzuprägen. Wie lange sie dort saß und lernte, darauf achtete Lena nicht; die Prüfung war nah und sie wollte lernen, bis sie den Stoff beherrschte. Langsam bekam sie Kopfschmerzen.
„Differentialrechnung ist echt ätzend, oder?“
Sie sah auf, in das Gesicht eines jungen Mannes. Es kam ihr vertraut vor. „Ja, ätzend“, sagte sie.
„Will mir einfach nicht in den Kopf.“ Er ließ seine Tasche auf den Boden fallen und setzte sich mit einem Stöhnen neben Lena. Dann streckte er seine Hand aus. „Fabian. Wir sind im selben Studiengang, richtig?“
„Ja, stimmt. Du sitzt immer ganz hinten, nicht?“ Sie schüttelte seine Hand. Sie war warm und weich, schwitzte gar nicht. Es fühlte sich angenehm an.
Fabian lächelte. „Und du ganz vorne. Also, du bist?“
Sie überlegte kurz, was er damit meinte, sagte schließlich: „Oh … ich heiße Lena.“
„Sehr erfreut, Lena.“ Er zog ein Buch aus seiner Tasche, das gleiche, das Lena in den Händen hielt. „Stört es dich, wenn ich hier lerne? Die anderen guten Plätze sind besetzt, und hey, vielleicht können wir uns gegenseitig ein bisschen helfen.“
„Nee, stört mich nicht.“
„Nice.“ Er schlug das Buch auf.

Nach einigen Minuten, in denen sie schweigend gelesen hatten, sagte er: „Schon komisch, oder?“
„Hm?“
„Da studieren wir ein halbes Jahr gemeinsam, trotzdem reden wir heute zum ersten Mal miteinander.“
„Ja, schon krass.“
„Ein bisschen vermisse ich ja die Schule. Da war man …“ Er sah in die Ferne, zu den Fenstern des Fakultätsgebäudes, die im Sonnenlicht schimmerten. „Man war nicht so anonym. Ich mein', viele kennen nicht mal unsere Namen, es juckt die auch gar nicht.“
„Das gehört wohl dazu“, sagte Lena. „Zum Leben, meine ich.“
„Ja, schon der alte Schiller hat's gewusst. Es kämpft jeder seine Schlacht allein.“
„Du liest Schiller?“ Lena blickte ihm direkt in die Augen und sie glaubte, rot zu werden, also sah sie auf die Falte zwischen seinen Augenbrauen und da verschwand das Gefühl.
„Nicht wirklich“, sagte Fabian. „Ist einfach vom Abi hängengeblieben.“
„Ich lese ihn gerne. Er inspiriert mich, wenn ich schrei…“ Lena verstummte. Melanie und Jule hatten sie auch ausgefragt, als ihr rausgerutscht war, dass sie schreibe; und als Lena ihre Fragen beantwortete und die beiden sich ansahen und grinsten, war ihr heiß geworden und Schweiß hatte sich unter ihren Armen ausgebreitet und ihre Hände wurden feucht.
„Er inspiriert dich?“, fragte Fabian. „Schreibst du etwa?“
„Ein bisschen.“
„Und was? So Kurzgeschichten?“
„Zurzeit … also ich arbeite an einem Roman.“
Fabian pfiff. „Worum geht es?“
Lena zupfte einen Grashalm aus dem Boden und zerrieb ihn zwischen den Fingern. „Das sag ich dir, wenn ich es genauer weiß. Also die Details und so.“
„Das ist dir sehr wichtig, hm?“
„Das wollte ich schon lange machen, ja.“
„Verstehe.“ Er sah an Lena vorbei, als würde er an etwas denken, vielleicht an einen Traum, den er mal hatte. Dann zuckte er mit den Schultern und widmete sich dem Lehrbuch. Beim Lesen murmelte er etwas und machte sich mit einem Bleistift Notizen an den Seitenrändern.

Als die Sonne langsam unterging und die Gräser und Blätter in Orange tauchte, verstummten die Stimmen auf dem Campus allmählich und Fabian fragte: „Wenn du so gerne schreibst, warum studierst du dann Maschinenbau?“
Lena öffnete den Mund, doch sagte nichts. Erst als Fabian die Frage wiederholte, antwortete sie. „Nun … mein Vater.“ Sie glaubte nicht, dass Fabian mit dem Kopf schütteln oder lachen oder ein dummes Mädchen in ihr sehen würde. Nein, er würde verstehen. „Mein Vater wollte das so. Er hat gesagt, nach dem Studium ist mir ein gut bezahlter Job sicher. Das sei wichtiger als irgendwelche Fantasien über Romanschreiberei.“
Fabian klappte das Buch zu und betrachtete einen Raben, der im Gras herumpickte. „Mein Vater wollte, dass ich Jura studiere.“
„Warum hast du das nicht getan?“
„Weil ich nicht wollte.“ Der Rabe flog davon und Fabians Blick wanderte umher, als müsste er einen neuen Fixpunkt finden. Er sah in den Himmel, dann zu den länger werdenden Schatten der Bäume und Bänke. „Nun, langsam wird's echt spät. Ich mach mich auf.“ Er packte seine Sachen zusammen und erhob sich und blickte auf Lena herab. „Lernst du häufiger hier?“, fragte er. Sie nickte, er lächelte. „Dann sehen wir uns mal wieder, hoffe ich.“

*​

Verstärker waren im Raum verteilt und überall lagen Kabel, über die man stolpern konnte. Zigarettenrauch waberte unter der Decke der Scheune. Scheinwerfer beleuchteten die Feiernden mit grellem Licht, ihre Schatten zeichneten sich scharf auf dem Betonboden ab, bewegten sich hin und her zum Klang der Musik.
Lena stand in einer halbdunklen Ecke und beobachtete Melanie. Sie tanzte inmitten des Raumes und ihre Haare klebten auf der schweißnassen Stirn. Wie sie sich bewegte und wie sie lächelte. Als wäre ihr alles egal, als zähle nur der Moment und der nächste Beat, und die Aufmerksamkeit all der Männer war für sie so unsichtbar wie die Luft, die sie atmete. Wie gerne würde Lena mit ihr tanzen und den Moment vergessen. Aber sie konnte nicht, wollte sich nicht vorstellen, von fremden Männern gemustert zu werden. Sie dachte an den Typen, den sie vor Melanies Haustür getroffen hatte, und ein Schauer des Ekels durchfuhr sie und sie zuckte unwillkürlich mit den Fingern.
Jemand hielt ihr ein geöffnetes Bier hin. „Trinkst du was mit mir?“ Es war Fabian. Er trug ein rosafarbenes Hemd und kurze Hosen mit Karomuster und sein Bart betonte das kantiges Gesicht. Er sah gut aus.
Lena nahm das Bier. „Klar.“ Sie stießen an. „Gefällt dir die Party?“, fragte sie.
„Ja.“ Er sah ihr in die Augen, als gäbe es auf der Party nichts Interessanteres. „Aber jetzt gefällt sie mir noch besser.“
Lena wollte sich abwenden, doch sie hielt den Blickkontakt und schmunzelte. In ihrem Bauch wurde es warm und es kribbelte angenehm.

Zu zweit verließen sie die Scheune. Lena torkelte an Fabians Seite über den angrenzenden Acker, hin zu den Bäumen am Horizont. Während ihres Gesprächs hatte Fabian regelmäßig Bier gebracht, und Lena trank es, weil ihr die Unterhaltung dann leichter fiel. Sie wusste nicht, wie viele Biere es gewesen waren, aber irgendwann drehte sich alles und Fabians Stimme wurde undeutlich und in ihrem Magen grummelte es. Als die Leute besoffener wurden, hatte Fabian gefragt, ob sie einen kurzen Spaziergang mit ihm machen wolle. „Du bist etwas blass. Siehst aus, als könntest du frische Luft vertragen“, hatte er gesagt.
Lena stolperte einige Male über Dreckklumpen, während sie über den Acker gingen, aber sie fiel nicht hin, denn Fabian hielt sie sanft am Oberarm fest, wenn sie schwankte. Sie erreichten den Waldesrand. Der Partylärm war kaum noch hörbar. Fabian nahm Lenas Hand und wortlos gingen sie in den Wald.

Es war zu dunkel, um etwas erkennen zu können. Fabian zog sein Handy aus der Hosentasche und nutzte es als Taschenlampe. Weißes Licht erhellte die Bäume und die Wurzeln, die aus dem Boden ragten, als wollten sie Lena ein Bein stellen. Es war still, nicht mal Grillen zirpten. Nur die Blätter der Birken und Eichen rauschten im Wind und Äste knackten unter ihren Füßen, als Fabian und Lena tiefer in das Dickicht spazierten.
Nach wenigen Minuten stießen sie auf eine Eisenbahnschiene, die sich wie ein umgefallener Zaun durch den Wald schlängelte. Grasbüschel sprossen zwischen den Bahnschwellen. Hier fuhr schon lange kein Zug mehr. „Ein schöner Platz, findest du nicht?“, fragte Fabian. Er setzte sich hin und klopfte auf den Boden neben sich. „Komm.“
Lena nahm neben ihm Platz und gemeinsam genossen sie die Stille und das Licht des Halbmondes, das durch die Baumkronen drang und die Schienen schimmern ließ. Die Waldluft tat Lena gut, und ihre Umgebung wackelte etwas weniger. Dafür verkrampfte ihr Magen und ihr Kopf schmerzte, als würde etwas von innen gegen ihre Schädeldecke hämmern. Sie atmete durch den Mund langsam ein und aus.
Dann spürte sie Fabians Hand auf ihrem Oberschenkel und er rückte näher an sie heran. „Ich hab' dich sehr gern, weißt du“, sagte er.
„Ich … ich dich auch“, sagte sie.

Seine Augen leuchteten im Mondlicht. Er streichelte mit den Fingerspitzen über Lenas Wange und beugte sich vor. Ihre Lippen berührten sich, ganz sanft und weich, und seine Nase strich über ihre. Lena erwiderte den Kuss und ließ sich auf den Waldboden sinken, ohne ihre Lippen von seinen zu lösen. Fabian legte sich auf sie. Er küsste ihren Hals, während Lena in den Himmel blickte, zu den Ästen und Sternen. Sein Bart kitzelte auf ihrer Haut und Lena kicherte. Dann spürte sie sein Glied, das heiß gegen ihren Schritt drückte und härter wurde, und Lena musste an den Typen denken, dem sie vor wenigen Stunden vor Melanies Wohnung begegnet war. Sie musste an den Müll denken und an den Gestank von Asche und faulem Fleisch.
Fabian küsste Lena erneut, und da bemerkte sie, dass der Geruch von Alkohol in seinem Atem mitschwang und sein Speichel nach schalem Bier schmeckte. Ihr Magen verkrampfte sich wieder, so stark, dass Galle in Lenas Speiseröhre stieg.
Fabian erhob sich und öffnete den Reißverschluss seiner Hose. Lena sagte: „Nicht.“
Fabian hielt inne. „Was?“
Lena setzte sich auf. Gras hing in ihren Haaren und klebte auf ihrer Haut. Überall juckte es, als wäre ihr Körper voller Ameisen. „Nicht hier … nicht heute. Ich … mir geht's nicht so gut.“
„Was soll'n das jetzt? Erst machste mich geil und jetzt sagste sowas?“
Lenas Kopf dröhnte und Fabians Stimme klang so schrill, dass es schmerzte. „Bin zu besoffen, und ich hatte da heute ein Erlebnis … also, das beschäftigt mich noch. Sorry.“
„Sorry? Mehr hast du jetzt nicht mehr zu sagen?“
„Ich mag dich wirklich sehr, ja?“ Sie berührte sein Knie. „Ein andermal gerne, okay?“
Er trat einen Schritt zurück, sodass Lena ihn nicht mehr anfassen konnte. „Ein andermal wird es nicht geben.“
Seine Nasenflügel bebten und seine Hände waren zu Fäusten geballt. Lena erstarrte, wagte nicht mal zu atmen. Hier draußen waren sie allein, und niemand würde ihre Schreie hören, schon gar nicht bei der lauten Musik in der Scheune. Nichts hinderte Fabian daran, sich zu nehmen, was er wollte.

Fabian schüttelte den Kopf und machte die Hose zu. „Is' doch scheiße, echt.“ Er ging zu den Schienen und trat gegen einen Stein, der mit einem Klirren gegen das Metall knallte. Dann steckte er seine Hände in die Hosentaschen und atmete tief ein. „Ich werde nächstes Semester Jura studieren.“
„Ich dachte, das wolltest du nicht?“ Lena sprach leise, um ihn nicht wieder wütend zu machen.
„Mein Vater.“ Fabians Stimme klang nachdenklich. „Er sieht mich an, als wäre ich ein Fremder. Nein, eigentlich noch schlimmer. Als wäre ich eine einzige Enttäuschung. Ich halte das nicht mehr aus.“
„Wirst du umziehen?“
„Ja.“
„Wohin?“
„Weit weg.“ Er ging zu den Zweigen, die sie umgeknickt hatten, als sie hergekommen waren.
„Wir können ja trotzdem in Kontakt bleiben. Über What's-App oder so.“ Bevor sie es aussprach, wusste Lena schon, dass sie sich nicht melden würde. Und Fabian würde sie anschreiben, anfangs regelmäßig und dann immer seltener, bis er sich schließlich jemanden suchen würde, mit dem er tatsächlich zusammen sein konnte.
„Ja, das wäre schön“, sagte er. Dann verschwand er im Gebüsch und ließ Lena allein vor den Bahnschienen zurück.

Lena rührte sich nicht, sah vor ihre Füße, lauschte der Stille. Sogar der Wind war verschwunden und mit ihm das Rauschen des Waldes. Erst jetzt bemerkte Lena, dass ihre Hände zitterten. Sie hatte gehofft, dass sie mit Fabian zusammenkommen könnte. Nun fühlte sie sich dumm und naiv. Wie ein Kleinkind. Hatte sie sich überhaupt in Fabian verliebt? Oder liebte sie bloß die Vorstellung, eine glückliche Beziehung zu führen?
Sie winkelte die Beine an, umschlang sie mit den Armen und vergrub ihr Gesicht darin. Leise weinte sie und ihre Knie wurden feucht von den Tränen.

Sie saßen wieder im Auto und machten sich auf den Heimweg. Die Musik im Radio war leise. Ein Klavier ertönte und ein Mann sang langsam und mit tiefer Stimme über verflossene Liebe. Jule sah in den Rückspiegel. „Lena, ist alles in Ordnung?“
Sie legte den Kopf schief und schmiegte ihre Wange an die Rückbank. „Bin nur müde und betrunken. Das is' alles.“
„Sicher? Ich habe Fabian vorhin gesehen. Er war ziemlich fertig. Und deine Klamotten waren dreckig, als du wiedergekommen bist. Er hat doch nicht etwa …“
„Nein, nein. Alles gut.“
Melanie saß mit angewinkelten Beinen auf dem Beifahrersitz. „Mädels, fah'n wa zu mir nach Hause un' sauf'n weiter, o'er wie?“
Jule sagte: „Du hattest genug, meinste nicht?“
„Da geht nowas. Kommt, könnt au' bei mir pennen.“ Sie hob den Zeigefinger. „Müssen nur aufpass'n auf'n Arsch im Erdgeschoss. Der lauert, sag ich.“
Lena fragte: „Lauert?“
„Na, der guckt halt. Wenn 'ne Hübsche kommt, bringt der Müll aus. Sonst nicht.“ Sie schloss die Augen und kuschelte sich in ihren Sitz. „Nur, wenn 'ne Hübsche kommt.“ Sie kicherte. „Wichst sich bestimmt einen auf mein Facebook-Profil, der Hodenkobold.“
„Der was?“, fragte Jule.
Lena lächelte. Sie löste den Sicherheitsgurt und legte sich längs auf die Rückbank und ließ ihren Blick über die beige Innenverkleidung des Autos schweifen. Der ganze Abend erschien ihr so unwirklich. Als hätte sie die Geschichte von einer Freundin gehört und nicht selbst erlebt. Sie fragte: „Wollt ihr noch wissen, worum es in meinem Roman geht?“
Jule sagte: „Klar.“
„Hm“, machte Melanie.
„Ist eher 'ne Geschichte für Kinder. Und ein bisschen kitschig.“
Jule bog auf die Autobahn. „Nun erzähl schon.“
„Also, es geht um ein Glühwürmchen, das sein Leuchten verloren hat.“
Melanie rollte sich enger zusammen und schmatzte und fragte: „Wie kommt man denn auf'n Glühwurm?“
„Willst du's nicht hören, oder was?“, fragte Lena. Als niemand antwortete, fuhr sie fort. „Es hat sich lange nicht getraut zu leuchten, weil es Angst hatte, nicht so schön leuchten zu können wie die anderen Glühwürmchen. Und eines Tages hat es das Leuchten dann vergessen.“
„Leuchten die nicht automatisch?“, fragte Jule. „Wusste nicht, dass die sich das aussuchen können.“
„Mensch, das issen Roman“, sagte Melanie. „Hör doch einfach ma' zu.“
Lena sagte: „Die leuchten für die Paarsuche und so. Hab ich recherchiert. Na, jedenfalls leuchtet sie nicht mehr und findet so keine Glühwürmchenmänner und ist ganz allein. Lange Zeit. Aber sie hat noch Freunde und gemeinsam versuchen sie, das Leuchten wiederzufinden, versuchen alles Mögliche halt, reisen sogar weit weg. Einmal werden sie von einem Jungen gefangen und er steckt sie in ein Konservenglas. Aber der Junge ist ungeschickt und lässt das Glas fallen und die Würmchen kommen frei.“
„Wie endet die Geschichte?“, fragte Jule.
„Weiß ich noch nicht.“
„Blöd“, murmelte Melanie.
Lenas Magen grummelte wieder und diesmal stieg die Galle noch höher. „Ka… kannst du schnell rechts ranfahren?“
„Hey, kotz mir nicht ins Auto.“ Jule bremste hart.

Die Autobahn war leer, als Lena zur Leitplanke rannte, um in die Büsche zu kotzen. Sie schaffte es nicht. Auf halbem Wege beugte sie sich nach vorne und ein Schwall bräunlicher Kotze brach aus ihr heraus und klatschte auf den Asphalt. Und auf ihre Schuhe. „Fuck.“ Ihre Augen tränten und ein säuerlicher Geschmack legte sich auf die Zunge. Die Zähne fühlten sich rau an.
Jule stieg aus dem Auto und blieb vor der braunen Pfütze stehen. „Schöne Scheiße. Hey, Mel. Ich hab noch einen Müllsack im Kofferraum, bring den mal her. Und du“, sie zeigte auf Lena, „du setzt dich hin. Ich muss dir die Schuhe ausziehen. Und wehe du kotzt mich an, dann lass ich dich hier, das schwöre ich.“

Lena saß auf der Leitplanke, die sich in ihren Hintern bohrte, aber es tat kaum weh. Jule versuchte, die Schuhe von Lenas Füßen zu ziehen, ohne die Kotze anfassen zu müssen. Als etwas auf ihren Daumen tropfte, verzog sie das Gesicht und würgte. „Nächstes Mal fahr ich nicht, soviel ist sicher.“
Melanie streichelte müde über Lenas Rücken. „Lass Lenchen doch. Morgen hat se Strafe genug.“
Jule seufzte. „Ich will einfach nur noch pennen.“
Lena sah sich um. Die Lichter der Stadt durchbrachen die Dunkelheit jenseits der Autobahn. Helle und dunkle, weiße und gelbe und blaue. Aber nur zusammen erhellten sie die Nacht, erstrahlten im Einklang mit dem Mond und den Sternen, stärker als ein einzelnes Licht es könnte. „Mein Romanende“, sagte Lena. „Ich glaube, ich hab da eine Idee.“

 

Hallo Bas,

vielen Dank für deinen Kommentar, ich freu mich wirklich sehr, dass dir der Text gefällt. Ich war schon ziemlich angespannt, nachdem ich den Text hochgeladen hatte. Dass nun die erste Rückmeldung so positiv ausfällt ... da fällt mir natürlich ein Stein vom Herzen. Vielen Dank.

Ich spüre ein dauerhafte Spannung in der Luft, die noch nicht wirklich greifbar ist.

Ja, damit wollte ich ein bisschen spielen. Bei der Erwähnung von Sicherheitsgurten denkt man schnell mal an einen Autounfall, und dann ist da natürlich die Szene im Wald, bei der ich lange überlegt habe, welche Richtung ich mit Fabian einschlage. Aber am Ende konnte ich das Lena nicht antun, es hätte auch nicht wirklich gepasst.

Egal, wie die Geschichte ausgehen wird, enttäuscht bin ich definitiv nicht. Deine Schreibe ist klasse.

Vielen vielen Dank für das tolle Lob. Und dass du den doch etwas längeren Text gerne und ohne Enttäuschung gelesen hast, macht das Lob gleich noch viel besser.

Die angesprochenen Stellen habe ich allesamt nachgebessert. Danke dafür. ;)

Ich habe mich sehr über deinen tollen Kommentar gefreut, Bas.

Liebe Grüße vom
Pleitegeier

 
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Hallo Pleitegeier

Dass mir dein Text gefallen hat, weisst du ja bereits. Ich geh gleich mal in die Details:

Der Wohnblock ragte in den Nachthimmel wie eine bleigraue Wand.

Ich finde das einen guten und atmosphärischen Einstieg. Allerdings bin ich nicht ganz glücklich mit dem Vergleich. Wenn du so nahe vor dem Wohnblock stehst wie Lena, dann siehst du ja nichts als eine Wand, die Fassade. Ist es da nicht seltsam zu sagen: Die Fassade sieht aus wie eine bleigraue Wand? Vielleicht ragt der Block einfach bleigrau ohne Vergleich? Oder mit einem knackigeren Vergleich?

Vereinzelt schienen Lichter aus Fenstern und erhellten den Bürgersteig.

Auch hier bin ich nicht ganz glücklich, ist mir etwas zu umständlich formuliert und was sollen den Lichter anderes tun als scheinen? «Vereinzelt erhellten Lichter aus Fenstern den Bürgersteig» wäre eine Alternative, aber das klingt etwas unrhythmisch.

Sie atmete kurz durch und hoffte, damit das flaue Gefühl loszuwerden, das sie begleitete, seitdem sie aus dem Bus gestiegen war.

Streichkandidaten. Wenn man das «und» durch ein Komma ersetzt, wird der Zusammenhang zwischen Durchatmen und Hoffnung enger, das «damit» entbehrlicher.

Der Gestank von vergammelten Essensresten umgab die Hecken und die Betonplatten, die zur Tür führten.

Hm. Das klingt, als hätte Lena Hecken und Betonplatten umrundet, um das festzustellen. Und es klingt, als gäbe es in den Hecken selbst keinen Gestank. Und weshalb «umgab die Betonplatten»? Wo tritt der Geruch nicht auf? Ich glaube, ich hätte die Hecken und Betonplatten visuell eingeführt und den Geruch ergänzt: «Hecken überall, Betonplatten führten zur Tür. Es roch nach Essensresten.»

Lenas Lippen fühlte sich trocken an. Als könnten sie reißen, wenn sie den Mund zu weit öffnen würde.

Entsprechend dem bisherigen Sprachduktus könntest du hier m.E. schon das elegantere «öffnete» verwenden.

Die Eingangstür quietschte. Bevor sich Lena umdrehen konnte, hörte sie: „Suchste wen?“

Du hast an mehreren Stellen die Doppelpunkt – Direkte Rede – Konstruktion, die viele hier im Forum eher vermeiden. Mir hat’s gut gefallen, besonders auch an dieser Stelle, die hat einen guten Rhythmus, ist prägnant.

„Hm.“ Er zog an der Kippe, nahm sich Zeit. Lena ließ er dabei nicht aus den Augen, als würde er ihr Aussehen in sich aufnehmen wie den Rauch. Dann blies er Qualm aus seiner Nase und sagte: „Dritter Stock.“ Die Zigarette wackelte auf und ab, während er sprach. Asche fiel auf seine Jacke.

Das ist mir zu viel Zigarette, das Bild zu eindimensional aufs Rauchen ausgerichtet. Vielleicht kannst du eine zweite Eigenschaft ins Spiel bringen, die den Typen charakterisiert?
Und auch hier ist du bedenken, ob nicht: «als nähme er ihr Aussehen in sich auf» ästhetischer wäre-

Der Mann blieb in der Tür stehen. Nur seine Augen bewegten sich unablässig, begutachteten Lenas Körper, verweilten kurz an den Brüsten, an der Hüfte. Lena fragte: „Darf ich vorbei?“

Gute Stelle. Nur das «die Augen verweilen an den Brüsten» will mir nicht so ganz gefallen, hat damit zu tun, dass ich den Begriff «verweilen» eher mit Idylle etc verbinde: «Hier ist es so schön, lass uns verweilen.» Aber aus der Perspektive Lena fühlt sich das ja ganz anders an. (Abgesehen davon, dass eher der Blick verweilt als die Augen. Sonst wird's eine Horrorgeschichte. ;))

Beim Gedanken, sich an dem Typen vorbeiquetschen zu müssen, wurde das flaue Gefühl in Lena stärker. Als würde sich ihr Magen im Kreis drehen und mit jedem Schritt schneller werden.
Seitwärts schob sie sich an dem Mann vorbei. Sein Atem stank nach Bier, aus dem Müllsack drang der Geruch von faulem Fleisch. Lenas Oberschenkel streifte den Schritt des Mannes. Zufrieden zog er wieder an der Kippe, die schon bis zum Filter weggeraucht war. Die Glut tauchte seine Nasenspitze in rötliches Licht. „Wat willsten bei der Heine, Süße? Komm doch zu mir. Dann fick ich dich schön durch, hm?“

Streichkandidat. Lass die Szene wirken. Der Leser wird sich identifizieren. Die körperliche Reaktion Lenas könnte man ebenfalls weglassen, aber das ist sicher Geschmacksfrage. Der Magen, der sich im Kreis dreht, ist mir ein etwas zu starkes Bild, eine etwas zu starke körperliche Reaktion für ein flaues Gefühl.

Dann fick ich dich schön durch, hm?“

Willst du es so explizit? Mir hätte es in subtiler Form besser gefallen. Also, subtil ist der Kerl ja eh nicht, aber gleich so?

Zufrieden zog er wieder an der Kippe, die schon bis zum Filter weggeraucht war. Die Glut tauchte seine Nasenspitze in rötliches Licht.

Das «wieder» kann weg. Und du hast hier wieder den Schwerpunkt «Rauchen», obwohl du damit natürlich schon gute Bilder erzeugst.

Die hölzernen Stufen knarzten, als Lena hinauf in den dritten Stock ging. Das Geräusch hallte durch das Treppenhaus wie ein Frühwarnsystem, das den Bewohnern anzeigte, dass jemand kam, der hier nicht hergehörte.

Das Fettmarkierte erklärt den Begriff «Frühwarnsystem». Kann man m.E. alles streichen.

So, das war’s mal fürs Erste. Ich schaue mal, ob du mit meinen Bemerkungen überhaupt was anfangen kannst. Lass dir aber gesagt sein, dass ich nur deshalb so genau auf den Text schaue, weil mir deine Art zu schreiben gut gefällt, und ich auch den Text insgesamt sehr schön finde.
Falls du also Interesse an pingeligem Kleinkram hast, werde ich mich nochmal melden.

An dieser Stelle aber doch noch was Allgemeines zur Konstruktion des Textes: Diese Roman-Sache, da bin ich nicht ganz begeistert davon. Ich habe den Eindruck, dass das so ein Kniff ist, das Thema des Textes auf einer zweiten Ebene zu präsentieren, so dass das nicht allzu aufdringlich wird. Aber, na ja, das durchschaut der Leser halt schnell, die ganzen Glühwürmchen und so, auch dadurch bedingt, wie du den Text enden lässt. Ich weiss nicht, die gesamte Thematik «Beziehung» kommt ja erst relativ spät zum Tragen, also als Lenas Problem, das wirkt ein wenig nachgeschoben. Vielleicht könnte man eine Frage, die sich Lena nach der Begegnung mit Fabian stellt (z.B. Liebt sie bloss die Vorstellung, eine glückliche Beziehung zu führen), schon früher anklingen lassen, das Thema breiter auf den Text verteilen, ich empfinde den Schluss als etwas übergewichtig im Vergleich zum Beginn. Und, um den Bogen zu schliessen, der Einschub dieser Roman-Ebene verstärkt für mich diesen Eindruck noch.
Aber insgesamt mag ich den Text, der ist gut beobachtet, hat Sinn fürs Detail, wirkt authentisch, lebensnah und liest sich äusserst angenehm.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Pleitegeier*),

ich kann mich, was den Lesegenuss angeht, so ziemlich dem anschließen, was auch Peeperkorn und Bas gesagt haben. Auch mir gefallen viele gut beobachtete Details, die besonders die Atmosphäre der einzelnen Szenen unterstützen und vertiefen.

Allerdings musste ich deine Geschichte zweimal lesen. Beim ersten Mal habe ich gedacht, dass diese Anfangsszene mir zu ausgedehnt ist, für das, was sie in der gesamten Geschichte leistet. Und eigentlich bin ich mir immer noch nicht ganz sicher, ob sie so ausführlich sein muss.

Was könntest du mit diesem Anfang zeigen wollen, habe ich mich gefragt.

Mögliche Antworten:
Die Kennzeichnung der Beziehung von Lena und Melanie.
Es wird überdeutlich, dass sie sich nichts zu sagen haben und dieser gemeinsame Ausflug wohl eher zufällig zustande gekommen ist. (Später sieht es dann aber so aus, als hätten sie sich schon mehrfach, z.B. über Lenas Roman unterhalten.) Warum also am Anfang dieses Unterstreichen der Tonlosigkeit zwischen den beiden?

Lenas Unsicherheit. Sie traut sich nicht, diesem aufdringlichen Mann im Treppenhaus eine passende Antwort zu geben oder ihn einfach zur Seite zu stoßen, sie traut sich nicht, eine Grimasse zu ziehen, als ihr das Getränk zu bitter ist. Da steckt schon ein gutes Stück Charakteristik drin, obwohl ich mir auch am Ende der Geschichte immer noch kein richtig klares Bild von Lena machen kann. (dazu später)

Der nach Alkohol stinkende, unangenehme Mann. Er wird später wichtig werden und das Motiv dafür liefern, dass Lena sich Fabian im entscheidenden Moment verweigert.

Zur Charakteristik Lenas:
Was bei mir am Ende besonders übrig bleibt, das ist dieses Unentschlossene, Vage an Lena, dieses Sich-selber-im-Weg-Stehen. Anders als das Glühwürmchen ihres Romans hat sie für mein Empfinden das ‚Glühen’ nicht verloren, sondern es noch gar nicht besessen. Sie ist für mich eine irgendwie unfertige Person, die sich treiben lässt, eher reagiert als agiert, zwar eine Beziehung sucht, sich dann aber von einer Assoziation so stark ablenken lässt, dass auch die gerade beginnende Beziehung zu Fabain ohne Zukunft bleiben wird.

Am Ende der Geschichte ist Lena wieder allein und sucht Halt in ihrer Fantasiewelt, in ihrer neu gewonnene Erkenntnis:

Aber nur zusammen erhellten sie die Nacht, erstrahlten im Einklang mit dem Mond und den Sternen, stärker als ein einzelnes Licht es könnte.

Wie sie zu diesem Gedanken kommt, vermittelt mir deine Geschichte allerdings nicht. Ich glaube, dazu hat sich auch Peeperkorn schon geäußert.

Was mir aber ganz allgemein fehlt, das ist ein mich wirklich packender Spannungsbogen. So richtig haben mich beim Lesen die Fragen: Wie geht es weiter? oder: Was entwickelt sich da? nicht umgetrieben. Dazu lässt du mich zu wenig in diese Lena hineinschauen. Ich verfolge hier einen Ablauf, aber keine sich wirklich steigernde Handlung.

Und eigentlich fehlt mir auch ein greifbarer innerer Konflikt. Ich spüre, dass da etwas in Lena ist, was verhindert, dass sie sich fallen lässt in diese Beziehung zu Fabian. Aber was soll das sein? Ich frage mich, was überhaupt mit diesem jungen Mädchen los ist. Die beiden anderen wollen einfach nur ihren Spaß haben. Aber was will Lena? Und wo liegt ihr Problem? Ich könnte es auch nach zweimaligem Lesen nicht genau sagen.

Zu den Sachen, die ich mir markiert habe:

Der Wohnblock ragte in den Nachthimmel wie eine bleigraue Wand. Vereinzelt schienen Lichter aus Fenstern und erhellten den Bürgersteig.

Ich glaube, das funktioniert so nicht. Das Licht, das aus den Fenstern eines Wohnblocks fällt, erhellt mMn ncht den Bürgersteig.

Lena ließ er dabei nicht aus den Augen, als würde er ihr Aussehen in sich aufnehmen wie den Rauch.

Dieses Bild teilt sich mir nicht mit: ‚ihr Aussehen wie Rauch in sich aufnehmen’

Zufrieden zog er wieder an der Kippe, die schon bis zum Filter weggeraucht war.
Ich habe zwar seit fast vier Jahrzehnten keine Rauchererfahrung mehr, aber eine Kippe, die bis zum Filter weggeraucht ist, an der lässt sich wohl nicht mehr ‚zufrieden’ ziehen. Warum lässt du den zweiten Teil nicht weg und schreibst einfach: Zufrieden zog er an der Kippe.

E

in blattloser Baum mit verschnörkelten Ästen, die aus der Ferne wirkten wie Schlangen.
Aus welcher Ferne? Warum nicht einfach: …, die wie Schlangen wirkten.

Geschirr stapelte sich in der Spüle und ein Aufdruck zierte die Wand über dem Esstisch. Live, laugh, love.
Besser: Ein Spruch zierte die Wand. Damit verhinderst du auch die spätere Doppelung.

„Willst was trinken?“

„Komm, kriegst 'n Bier.

„Was soll'n das jetzt? Erst machste mich geil und jetzt sagste sowas?“

An einigen Stellen benutzt du diese verkürzte Alltagssprache. Irgendwie erscheint sie mir in dieser Form zu gewollt und zu konstruiert. Warum nimmst du hier nicht eine einfache, aber unverkürzte Sprache. Das sind Studenten, die kann ich mir auch vorstellen, wenn sie sagen:

„Willst du was trinken?“
„Komm, ich hol dir ein Bier.“
„Was soll das jetzt? Erst machst du mich geil und jetzt sagst du so was?“

Sie betrachtete den Aufdruck an der Wand, als würde er sich verändern, wenn sie nur lange genug draufstarrte.
Auch das kann ich mir nicht so richtig vorstellen. Wer interpretiert oder kommentiert hier das Betrachten? Welchen Gesichtsausdruck willst du so verdeutlichen?

Zeit verging. Lena nippte am Bier. Der Geschmack war ungewohnt und zu bitter und sie wollte das Gesicht verziehen, doch tat es nicht. Melanie starrte auf den Boden vor ihren Füßen. Der Raum war still und ohne Bewegung. Wie ein Standbild; und Lena glaubte, es würde sich erst ändern, wenn sie ein Thema fand, über das sie mit Melanie reden konnte. Ihr fiel nichts ein.
Warum ‚will’ sie das Gesicht verziehen? Das ist meist eine unwillkürliche Reaktion, die sie hier aber bewusst vermeidet. Mir ist nicht ganz klar, wie du Lena hier charakterisieren möchtest.
Außerdem ist das eine wiederholende und redundante Stelle.
Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich habe das Gefühl, dass du dieses Sich-nichts-zu-sagen-Haben nicht noch einmal wiederholen solltest. Das ist schon beim ersten Mal sehr deutlich geworden und du unterstreichst es ja dann noch einmal:
Als es klingelte, hatte Lena das Gefühl, jegliche Feierstimmung aus Melanie rausgelangweilt zu haben

Melanie sagte: „Weißt du, was das bedeutet?“
„Was?“, fragte Lena.
„Fabian wird auch da sein.“ Melanie und Jule wechselten einen raschen Blick und beide grinsten.
Lena sah aus dem Fenster. Das Scheinwerferlicht erhellte die Leitplanke, hinter ihr war nur Dunkelheit. „Fabian auch?“

Dafür, dass Melanie und Lena sich am Anfang minutenlang nichts zu sagen haben, weiß Melanie doch schon recht gut Bescheid.

Melanie und Jule hatten sie auch ausgefragt, als ihr rausgerutscht war, dass sie schreibe; und als Lena ihre Fragen beantwortete und die beiden sich ansahen und grinsten, war ihr heiß geworden und Schweiß hatte sich unter ihren Armen ausgebreitet und ihre Hände wurden feucht.
Und auch hier schimmert eine Vertrautheit durch, die für mich ein bisschen im Gegensatz zu der am Anfang gezeichneten Tonlosigkeit steht.

Er inspiriert mich, wenn ich schre…
Der Vokal ist ‚ei’, also besser … schr …

Es war zu dunkel, um (etwas) sehen zu können.

Sehen (als Fähigkeit) kann man auch, wenn es dunkel ist.

Fabian schüttelte mit dem Kopf und machte seinen Hosenstall zu
Fabian schüttelte den Kopf …
‚Hosenstall’ ist an dieser Stelle ein nicht zum übrigen Sprachduktus passendes Wort (finde ich). Warum nicht einfach: … schloss seine Hose.

„Ich dachte, das wolltest du nicht?“ Lena sprach leise, um ihn nicht (wieder) wütend zu machen.

Nun fühlte (sie) sich dumm und naiv.

Lieber Pleitegeier, auch ich begrüße dich bei den Wortkriegern. Dein Text steht deinen guten Kommentaren hier in nichts nach. Hat mir gut gefallen.

Liebe Grüße
barnhelm

*) Wie kommt man nur auf so einen Nick?;)

 
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Hi Pleitegeier,

bin hin- und hergerissen, ob nicht Romantik als dritter Tag doch gerechtfertigt sein könnte. Denn ein zentrales Motiv deiner Geschichte ist ja, was da zwischen Fabian und Lena läuft (oder eben nicht läuft).
EDIT: Okay, vermutlich eher nicht "Romantik" genug ...

Deine Lena ... liest Schiller und studiert auf Wunsch des Vaters Maschinenbau - wow! Dass in ihrer Denke die Ausdrücke Schwanz und vollgewichstes Kondom vorkommen, kauf ich ihr nicht so ganz ab. Ein Glied und ein benutztes Kondom würden mir reichen.

Die Geschichte wäre immer noch genauso ergreifend - und ernüchternd.

Dieser Fabian ... Erst kommt er ja sehr zurückhaltend rüber. Fragt sie nicht nach einem Date, nur ob sie häufiger da lernt. Dann füllt er sie ab. Tja, und kommt nicht damit klar, dass Lena für einen Moment zögert. Ob es wirklich nur die Erinnerung an den schmierigen Typen ist, oder vielleicht doch der Alkohol und eine gewisse Angst/Unsicherheit?

Und dann reagiert der Fabian so grob, und es wird klar, dass er selbst verdammt unreif ist, ne Menge eigener Probleme mit sich rumschleppt und letzten Endes nicht wirklich an Lena interessiert ist.

Was ich sehr, sehr stark finde, ist, dass sie am Ende kotzt. Klar, der ganze Alk. Aber es hat auch im übertragenen Sinne etwas Reinigendes, etwas Befreiendes. Lena hat eine Erfahrung gemacht, die sie verändert.

Also, mir hat die Geschichte gefallen. Kann man noch ausfeilen. Aber die Basis, die steht. :thumbsup:

LG, Anne

 
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Hey Pleitegeier,

und auch von mir: Herzlich Willkommen!

Das liest sich schön. Falsch, es las sich schön. Jetzt überlege ich schon seit zwei Stunden, was ich zu dem Text sagen will/kann, und komme da nicht recht zu Potte. Bevor ich darüber am Ende aber gar nix schreibe, fange ich mal einfach an und schreibe auf, was mir so durch den Kopf streift.

Zwei Sachen waren ziemlich präsent nach dem Lesen. Es liest sich sehr hübsch weg, aber ich habe mich die ganze Zeit gefragt, worauf soll das hinauslaufen? Eine Charakterstudie - Mädchen, dass sich nicht so recht traut, dem es an Selbstbewusstsein fehlt, schüchtern halt, eher introvertiert - trifft es wohl am ehesten. Das Setting dazu ist ja gar nicht mal schlecht gewählt. Auf einer Party, so am Rande stehend, fällt das immer gut auf. Auch der abseitsgelegene Platz zum Lernen. Und dann kommt der Prinz, tatsächlich zu ihr, mit dem Schuh, aber sie kann ihn nicht annehmen, viel zu sehr klemmt sie in ihrer Welt fest. Der Prinz aber ist gar kein Prinz, sondern ein Schurke im Kostüm, insofern ist es nur recht, wenn sie ihn fortschickt, und ihr Festklemmen sie davor bewahrt, lediglich ein Partyfick zu werden. Deshalb kommt auch die Tragik gar nicht zum tragen. Weil es keine verpasste Gelegenheit ist, sondern weil es so gut war. Seine Reaktion nach der Abfuhr zeugt jedenfalls nicht davon, ihm wäre es ernst mit ihr. Tja, und sie schreibt halt einen Roman über Glühwürmchen. So als Metaebene. Als Gleichnis. Weiß nicht, stört mich nicht, bräuchte ich aber auch nicht.
Also, was will mir die Geschichte erzählen? Ich weiß es nicht. Wirklich nicht. Sie unterhält mich, und wenn das dein Ziel war, dann haste das bei mir erreicht. Aber ich glaub, Du könntest sehr viel mehr mit dem Personal, dem Setting, vor allem aber mit deiner Sprache erreichen. Wenn deine Figur zum Beispiel mal aktiv werden müsste. Sie ist und bleibt passiv, alles wird mit ihr gemacht, bis zum bitteren Ende, wo man ihr die Schuhe auszieht. Sie kann nicht mal allein kotzen. Das ist schade. Eine Wendung täte dem ganzen gut. Eine innere und eine äußere. Genau, das fehlt der Geschichte. Ein Wendepunkt. Ach guck, jetzt habe ich für mein ungreifbares - irgendwas gefällt mir nicht, irgendwas fehlt - Gefühl doch Worte gefunden.

Er trug einen Trainingsanzug und eine Jogginghose.

Trainingsanzug besagt doch - Jacke und Hose. Wieso trägt er dann noch eine Hose?

Der Mann blieb in der Tür stehen. Nur seine Augen bewegten sich unablässig, begutachteten Lenas Körper, verweilten kurz an den Brüsten, an der Hüfte. Lena fragte: „Darf ich vorbei?“
„Was hält dich auf?“ Er rührte sich nicht.

Sehr gut! Das Häschen so in die Enge zu treiben. Und das Häschen tut es auch noch. Armes, armes Ding.

„Wat willsten bei der Heine, Süße? Komm doch zu mir. Dann fick ich dich schön durch, hm?“
Erst als Lena den Treppenabsatz erreicht hatte, sagte sie leise, nur für sich: „Nein danke.“

Nein, danke - ist auch so höflich in dieser Situation. Schon hier wollte ich sie das erste Mal schütteln.

Die Autobahn war leer, als Lena zur Leitplanke rannte, um in die Büsche zu kotzen. Sie schaffte es nicht. Auf halbem Wege beugte sie sich nach vorne und ein Schwall bräunlicher Kotze brach aus ihr heraus und klatschte auf den Asphalt. Und auf ihre Schuhe. „Fuck.“ Ihre Augen tränten und ein säuerlicher Geschmack legte sich auf ihre Zunge. Ihre Zähne fühlten sich rau an.
Jule stieg aus dem Auto und blieb vor der braunen Pfütze stehen. „Schöne Scheiße. Hey, Mel. Ich hab noch einen Müllsack im Kofferraum, bring den mal her. Und du“, sie zeigte auf Lena, „du setzt dich hin. Ich muss dir die Schuhe ausziehen. Und wehe du kotzt mich an, dann lass ich dich hier, das schwöre ich.“

Keine Ahnung, aber das ist meine Lieblingsstelle, obwohl ich eigentlich kein Fan von Kotzszenen bin, aber die hat Kraft. Da ist auch ordentlich Dynamik im Spiel, wie oben, als der Spanner sich ihr in den Weg stellt. Da reiben sich zwei Figuren. Bei dir ja tatsächlich, aber ich mein das im übertragenen Sinn. Gefällt!

So viel von mir,
beste Grüße, Fliege

 

Hallo Pleitegeier,

was soll ich sagen? Hat mir sehr gut gefallen! Ich habe die Geschichte eben in einem Rutsch durchgelesen und musste am Ende schmunzeln.

Also als erstes muss ich sagen, dass mir die Dialoge gefallen haben. Das klang größtenteils sehr authentisch, die Gespräche haben sich schlüssig entwickelt, wirkten also nicht konstruiert.

Nur die Szene mit Fabian und Lena, als sie ihn zurückweist und er erzählt, dass er nun doch Jura studiert, weil sein Vater ihn wie einen Fremden ansieht, das war mir too much. Das passt nicht so recht in die natürlich wirkende und entspannte Erzählart, die du hast. Ich meine, ganz ehrlich, welche Eltern sind unglücklich damit, wenn der Junge Maschinenbau anstatt Jura studiert? Würden wir jetzt Schauspiel vs. Jura setzen, okay, da steht Kreativität gegen vermeintlich gute Zukunftschancen. Aber Maschinenbau? Das ist doch was Solides, was Erfolg versprechendes. Das ist der einzige Punkt an deiner Geschichte, der für mich nicht passt.

Was mir noch aufgefallen ist, ist deine Art, Dinge zu zeigen. Du machst das in genau dem richtigen Maß, für meinen Geschmack. Keine deiner Umgebungs- oder Personenbeschreibungen war mir zu lang, nein, das hat alles zusammengepasst und machte Sinn. Zum Beispiel die Szene gleich am Anfang, als Lena und Melanie in der Küche sitzen und du das unangenehme Schreiben zwischen ihnen beschreibst, da sagst du viel über Lenas Unsicherheit aus. Zumindest habe ich das so empfunden.

Die Hintergrundgeschichte mit ihrem Wunsch, einen Roman zu schreiben, sie sich jedoch nie traut, wirklich über den Inhalt zu sprechen - ja, das kennen wohl viele von uns. Auch das hast du immer wieder gut einfließen lassen. Das Ende hat mich dann tatsächlich gerührt, das gute ist aber, dass Lena dann kotzen muss, dadurch verfliegt sämtlicher Kitsch ;) Ich würde Lenas Buch jedenfalls gerne mal lesen.

Liebe Grüße
RinaWu

 
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Hallo erstmal an alle,

wow, ich bin überwältigt von euren vielen tollen Kommentaren, die auch alle wirklich hilfreich sind. Das hätte ich so in diesem Umfang nie und nimmer erwartet. Vielen vielen Dank, das weiß ich echt zu schätzen. Natürlich werde ich euch noch detailliert antworten, aber das schaffe ich vermutlich nur Stück für Stück der Reihe nach.

*

Hallo Peeperkorn,

Wenn du so nahe vor dem Wohnblock stehst wie Lena, dann siehst du ja nichts als eine Wand, die Fassade.

Ich hatte da erst Monolith stehen, aber das erschien mir dann doch irgendwie zu abgehoben. Ich habe den Vergleich erstmal rausgenommen.

Auch hier bin ich nicht ganz glücklich, ist mir etwas zu umständlich formuliert und was sollen den Lichter anderes tun als scheinen?

Ja, stimmt. Der Satz ist eine echte Kopfnuss. Wenn ich was Passendes finde, klingt es nicht gut und umgekehrt. Jetzt steht da: Licht fiel vereinzelt aus den Fenstern und erhellte den Bürgersteig. Aber optimal ist das auch nicht gerade. Mal sehen, was mir da noch einfällt. Vielleicht beschreibe ich das komplett anders, barnhelm hat das mit dem Bürgersteig ja auch angesprochen.

Du hast an mehreren Stellen die Doppelpunkt – Direkte Rede – Konstruktion, die viele hier im Forum eher vermeiden. Mir hat’s gut gefallen, besonders auch an dieser Stelle, die hat einen guten Rhythmus, ist prägnant.

Ja, diese Konstruktion benutze ich gerne, sie klingt manchmal wirklich gut. An anderen Stellen klingt der Nebensatz nach der wörtlichen Rede wiederum besser. Ich versuche, beides durchzumischen und hoffe, dabei den optimalen Klang rauszuholen. Es freut mich sehr, dass dir das Ergebnis bisher gefällt. ;)

Das ist mir zu viel Zigarette, das Bild zu eindimensional aufs Rauchen ausgerichtet. Vielleicht kannst du eine zweite Eigenschaft ins Spiel bringen, die den Typen charakterisiert?

Ja, so markiert wirkt das echt ein bisschen viel. Ich überleg mir noch 'ne zweite Eigenschaft, die das Ganze etwas abwechslungsreicher macht.

Nur das «die Augen verweilen an den Brüsten» will mir nicht so ganz gefallen, hat damit zu tun, dass ich den Begriff «verweilen» eher mit Idylle etc verbinde: «Hier ist es so schön, lass uns verweilen.» Aber aus der Perspektive Lena fühlt sich das ja ganz anders an.

Ja, stimmt, da ist die Perspektive unklar. Jetzt steht da, dass der Blick verharrte.

Das Fettmarkierte erklärt den Begriff «Frühwarnsystem». Kann man m.E. alles streichen.

Hm, ich weiß nicht, ob dann deutlich wird, was mit Frühwarnsystem gemeint ist. Das Wort gefällt mir jetzt nach näherer Betrachtung auch nicht mehr. Ich habe das Wort gestrichen und den Satz etwas verändert. Das Geräusch hallte durch das Treppenhaus, als wollte es den Bewohnern mitteilen, dass jemand kam, der hier nicht hergehörte.

Die anderen Vorschläge habe ich so übernommen. Vielen Dank, dass du dir die Mühe machst, den Text so detailliert durchzugehen. Da gehört eine Menge Fleiß dazu, das weiß ich zu schätzen.

Ich schaue mal, ob du mit meinen Bemerkungen überhaupt was anfangen kannst. Lass dir aber gesagt sein, dass ich nur deshalb so genau auf den Text schaue, weil mir deine Art zu schreiben gut gefällt, und ich auch den Text insgesamt sehr schön finde.

Klar, kann ich damit was anfangen. Du begründest ja, warum das verändert werden könnte/sollte, und ich stimme dir in jedem Punkt vorbehaltlos zu. Ich finde, solche "pingeliges" aber konstruktives Feedback ist sehr viel wert, wenn es darum geht, den eigenen Stil zu verbessern. Und dass dir mein Stil gut gefällt, freut mich natürlich riesig.

Diese Roman-Sache, da bin ich nicht ganz begeistert davon.

Der Roman war der Ausgangspunkt dieser Kurzgeschichte, also die Grundidee, die ich am Anfang des Schreibprozesses hatte. Dabei wusste ich nicht mal genau, worum es konkret geht in diesem Roman. Nur irgendwas mit Lichtern. Als ich Ideen dazu gesammelt habe, waren sogar Aliens dabei, aber das habe ich schnell wieder verworfen. :D Ich plane nicht genau durch, was ich schreibe, und vieles entwickelt sich nach und nach, während ich an der Geschichte arbeite. Die Kernaussage hatte ich erst klar vor Augen, als die Ausgangslage (also die Schauplätze und die Charaktere und ihre Beziehungen zueinander) relativ sicher war. Das mit den Glühwürmchen und ist mir tatsächlich auch erst ganz zum Schluss eingefallen. Von daher kann ich gut nachvollziehen, warum das mit der Beziehung und der Metapher mit den Lichtern etwas nachgeschoben wirkt. Ich will versuchen, dass etwas kohärenter zu gestalten, auch wenn ich jetzt spontan noch nicht weiß, wie ich das angehe.

Aber insgesamt mag ich den Text, der ist gut beobachtet, hat Sinn fürs Detail, wirkt authentisch, lebensnah und liest sich äusserst angenehm.

Diese tolle Lob nehme ich gerne an. ;)

Vielen Dank für die Zeit, die du in deinen umfangreichen Kommentar gesteckt hast. Das ist wahrlich keine Selbstverständlichkeit.

Ich wünsche dir noch einen schönen Abend, Peeperkorn.

Liebe Grüße vom
Pleitegeier

 
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"Rote Lippen muss man küssen,
denn zum Küssen sind sie da ..."
Cliff Richard anno tobac in einem eigentümlichen nhd​

Hallo Pleitegeier,

wir sind uns gerade eben - vorm Fußballspiel der Frauen - in einem Kommentar begegnet, der mir - durchaus - gefiel, wie auch die Geschichte, egal, was jetzt folgt.

Also wie viel Lippen mag Lena in dieser - an sich feinen - Liebes-Geschichte - die ja tatsächlich, um im Schlager zu bleiben, ein seltsames Spiel ist und vom einen zum andern wandert - Geschichte haben, wenn es heißt

Lenas Lippen fühlte sich trocken an
? Oder wenn Indikativ und Konjunktiv hin und her schlidderten?
Das Geräusch hallte durch das Treppenhaus, als wollte es den Bewohnern mitteilen, dass jemand kam, der hier nicht hergehörte.
, selbst wenn es im Endeffekt nur ein bescheidenes "käme" wäre? Und sofort seine Neuauflage im
Lena glaubte, es würde sich erst ändern, wenn sie ein Thema fand, über das sie mit Melanie reden konnte.
also fände und könnte - wobei können schon eine besondere binäre Rolle spielt, indem man es kann oder eben nicht.

Hier nun

„Ich lese ihn gerne. Er inspiriert mich, wenn ich schre…“
wären Deine Helden Ausnahmekünstler, welche zwo Selbstlaute (e * i) zu einem Vokal hinkriegten. "Schrei" wär's eher .. oder? Einsilbiges weiter zu verkürzen ist schwierig, vielleicht sogar unmöglich.

Es war zu dunkel, um sehen zu können.
Du verlierst doch nicht Deine Sehkraft, weil es dunkel ist (dem Blinden ist die Sehkraft geraubt - da hilft keine Brille und kein guter Wille. Du meinst - für die Studentenschaft schon erstaunlich . so etwas wie "erkennen können" - ob mit oder ohne zu im Infinitiv ...

Mag sein, dass

Lena wollte, dass es geschah.
- aber ein Wollen ist noch kein Indikativ, also besser "geschähe", und so ähnlich hier
... sein, dass Lena so denkt

Flüchtigkeiten

Lena erwiderte den Kuss und ließ [...] sich auf den Waldboden sinken, ohne ihre Lippen von seinen zu lösen.
Hier fehlt was
Ihr Magen verkrampfte wieder, so stark, dass Galle in ihre Speiseröhre stieg.
mutmaßlich ein/das Reflexivpronomen. Und hier
Nun fühlte sich dumm und naiv.
das Personalpronomen.

Und jier

Leise weinte sie und ihre Knie wurden nass von den Tränen.
ist eine kleine Übertreibung, feucht vllt., aber nass ...?

Ansonsten bleibt Liebe etwas anderes, als das animalische Erbeder Fortpflanzung Arithmetik uns vorgaukeln will. in seltsames Spiel.

Gleichwohl hat's einem ewigen Studenten gefallen - findet der

Friedel

 

Hallo Pleitegeier,

Früher haben Studenten oft in unsarnierten aber gemütlichen Altbauten - oft mit Außenklo - gewohnt. So kenne ich es zumindest aus Berlin. Heute gibt es solche Wohnmöglichkeiten kaum noch und die sarnierten Wohnungen können sich viele Studenten nicht leisten. Also müssen sie auf die Plattenbausiedlungen am Stadtrand ausweichen. Diese Trostlosigkeit zieht sich für mich durch die ganze Geschichte, die ich sehr gelungen finde.

Für mich stellt Lena einen guten Kontrast zu dieser kalten Welt dar, die Du beschreibst. Während ihre Freundinnen sich dem mainstream anpassen und relativ schmerzunempfindlich ihrer Umwelt gegenüber zu sein scheinen, ist Lena die Sensible, die es in ihrer Gelähmtheit kaum schafft, der Alltagsbrutalität die Stirn zu bieten. Gerade das macht sie menschlich und greifbar in meinen Augen.

Das Verhältnis zu Melanie scheint mir genau so oberflächlich wie Melanie selbst zu sein, die sich mit reichlich Alkohol die Welt schon schön säuft. Klar redet man über Männer oder was man so macht, aber es entsteht kein Gespräch. Man hängt halt so zusammen rum und wenn grad' nix Aufregendes passiert ist, muss man auch nicht reden.
So habe ich die Grundstimmung der Freundschaft empfunden.

Auch diesem Fabian scheint alles egal zu sein, ich sehe da keinen Beginn einer Beziehung, im Gegenteil. Die haben sich irgendwann mal nett unterhalten, Lena hat sich ein bisschen verknallt, aber das einzige, was Fabian interessiert, ist, sie abzufüllen und abzuschleppen. Dass Lena darauf nicht eingeht, kann ich gut nachvollziehen, wahrscheinlich hat es sich einfach nicht richtig für sie angefühlt. Dadurch, dass sie Melanies Nachbarn vor Augen hat, zeigt sich für mich, dass Fabian für sie kaum besser zu sein scheint. Wenn ich mir sein Verhalten angucke, kann ich dem nur zustimmen.

Als Lena zum Schluss von ihrem Roman erzählt, schimmert auch bei Melanie ein wenig Menschlichkeit durch, besoffen genug ist sie ja. Aber grundsätzlich ist eben alles zum Kotzen, wie sich an Lenas Reaktion auf den Abend zeigt.

Alles in allem eine tolle Geschichte, sowohl durch die Art des Erzählens, die Bilder, die in meinem Kopf entstehen, als auch durch die Figurenzeichnung, Stimmung und Dialoge. Nur über die knarzenden Holzstufen bin ich gestolpert. In so einem grauen Betonblock sehe ich eher Stufen, die ebenfalls aus Beton sind.

Sehr gerne gelesen.

Liebe Grüße,

Chai

 
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Hallo barnhelm,

ich kann mich, was den Lesegenuss angeht, so ziemlich dem anschließen, was auch @Peeperkorn und @Bas gesagt haben. Auch mir gefallen viele gut beobachtete Details, die besonders die Atmosphäre der einzelnen Szenen unterstützen und vertiefen.

Das freut mich wirklich, vielen Dank. Besonders die Atmosphäre liegt mir sehr am Herzen, weil ich mit ihr natürlich die passende Stimmung beim Leser erzeugen will. Wenn es gelingt, bin ich glücklich. ;)

Beim ersten Mal habe ich gedacht, dass diese Anfangsszene mir zu ausgedehnt ist, für das, was sie in der gesamten Geschichte leistet.

Hm, ich weiß nicht, ob sie zu lang ist. In meinem ersten Entwurf war sie es definitiv, aber nachdem ich dann den Bogen gespannt hatte zu der Szene mit Fabian im Wald, erschien sie mir zu wichtig. Denn das Besoffensein reichte mir als Verweigerungsgrund an der Stelle nicht. Ich weiß nicht, ob die Auswirkung der Begegnung auf Lena dieselbe Intensität hätte, wenn ich da stark kürze.

(Später sieht es dann aber so aus, als hätten sie sich schon mehrfach, z.B. über Lenas Roman unterhalten.)

Ja, aber hierbei handelte es sich um Gespräche zu Dritt, also zwischen Lena, Melanie und Jule, was ich andeuten wollte, als Lena mit Fabian widerwillig über das Schreiben spricht. Das war jedenfalls mein Gedankengang dahinter. Im Zwiegespräch ist Lena dagegen nicht so kommunikativ, weil sie aufgrund ihrer Unsicherheit nicht weiß, worüber sie sprechen soll, sie will es eigentlich auch nicht, z.B. aus Angst, belächelt zu werden, etwa für ihre Roman-Fantasien. So jedenfalls meine Intention.

Was bei mir am Ende besonders übrig bleibt, das ist dieses Unentschlossene, Vage an Lena, dieses Sich-selber-im-Weg-Stehen. Anders als das Glühwürmchen ihres Romans hat sie für mein Empfinden das ‚Glühen’ nicht verloren, sondern es noch gar nicht besessen.

Genau so hatte ich sie im Sinn. Eine verschlossene, sehr introvertierte junge Frau, die in mancher Hinsicht zu naiv ist (z.B. bezüglich Beziehungen) in einer Welt, wo jeder seine eigenen Schlachten austrägt. Eine Träumerin und Romantikerin könnte man sagen, die sich aber nicht traut, das zu zeigen und die Dinge eher ihren Lauf nehmen lässt, statt eigenständig zu handeln.

Ich weiß nicht, ob sie dieses metaphorische Leuchten nie besessen hat. In meiner Vorstellung schon, ich denke, alle Menschen haben das. Es ist nur sehr früh erloschen, vielleicht aufgrund eines strengen Vaters, der all ihre Wünsche und Träume einfach als Spinnereien abtut und seinen eigenen Willen durchsetzt. Im Erstentwurf hatte ich angedeutet, dass er lieber einen Sohn wollte, aber das habe ich dann gestrichen, weil es mit zu effekthascherisch erschien. Aber deine Interpretation ist natürlich auch valide, und ich finde es echt toll, dass du dich so eindringlich mit meiner Geschichte auseinandergesetzt hast. Vielleicht füge ich da doch noch was über ihren Vater dazu, vielleicht tut das der Geschichte doch ganz gut.

Am Ende der Geschichte ist Lena wieder allein und sucht Halt in ihrer Fantasiewelt, in ihrer neu gewonnene Erkenntnis:

Aber nur zusammen erhellten sie die Nacht, erstrahlten im Einklang mit dem Mond und den Sternen, stärker als ein einzelnes Licht es könnte.
Wie sie zu diesem Gedanken kommt, vermittelt mir deine Geschichte allerdings nicht.


Ich sehe das Ende eher als Ausbruch. Das Ende ihres Romans als Ende ihrer Verschlossenheit, beziehungsweise als Auflockerung. Eben durch die Erkenntnis, dass sie nicht hell leuchten braucht, um glücklich zu sein, sie es auch nicht allen recht machen kann und ihre Wirkung auf andere nicht so wichtig ist. Viel wichtiger ist ein Umfeld, das sie so akzeptiert, wie sie ist, also explizit Jule und Melanie, die sie am Ende für sie da sind und die Geschehnisse des Abends verharmlosen, wenn man so will (z.B. durch die Lächerlichmachung des widerlichen Kerls vom Anfang).

Was mir aber ganz allgemein fehlt, das ist ein mich wirklich packender Spannungsbogen.

Ja, da gebe ich dir recht. Vielleicht liegt das daran, dass es für mich ungewohnt ist, aus der Perspektive von Frauen zu schreiben. :D Aber klar, da fehlt eine Steigerung, einen Klimax gibt es auch nicht so wirklich. Es war eher als Charakterstudie gedacht, und da musste die Spannung leider etwas hinten anstehen. Ich weiß auch nicht, ob ich die Handlung dahingehend überarbeiten kann, ohne sie völlig zu verändern. Das fällt mir ehrlich gesagt schwer.

An einigen Stellen benutzt du diese verkürzte Alltagssprache. Irgendwie erscheint sie mir in dieser Form zu gewollt und zu konstruiert. Warum nimmst du hier nicht eine einfache, aber unverkürzte Sprache.

Das ist schwierig, und sicher auch ein Stück Geschmackssache. Dem einen gefällt das nicht so, ein anderer findet die Dialoge authentischer. Sicher könnte ich an der ein oder anderen Stelle da einen Gang zurückschalten, und ich werde den Text dahingehend nochmal durchgehen. Vielen Dank für den Hinweis, liebe barnhelm.

Deine weiteren Anmerkungen habe ich übernommen. Vielen, vielen Dank. Es ist echt klasse, wie kritisch du den Text kommentierst. Ich werde mir definitiv nochmal Gedanken über Lena und die Glühwürmchen machen. Ich danke dir herzlich für die Gedankenanstöße.

Dein Text steht deinen guten Kommentaren hier in nichts nach. Hat mir gut gefallen.

Ich finde die Wortkrieger wirklich toll und ungemein hilfreich, und natürlich will ich mein Bestes tun, um dazu beizutragen. Wenn dann auch noch meine Geschichten Gefallen finden, dann könnte ich nicht glücklicher sein. Danke für dein herzliches Willkommen. ;)

Ich wünsche dir einen entspannten Abend, barnhelm.

Liebe Grüße vom
Pleitegeier, der so heißt, weil sein Nachname Geier lautet und er auch mal armer Student war. Manche Spitznamen sind so treffend, dass sie im Freundeskreis verbleiben.

*

Hallo Anne49,

bin hin- und hergerissen, ob nicht Romantik als dritter Tag doch gerechtfertigt sein könnte.

Lieber nicht, das wäre doch zu viel des Guten. Aber in deinem Edit hast du das ja schon angesprochen. :D

Dass in ihrer Denke die Ausdrücke Schwanz und vollgewichstes Kondom vorkommen, kauf ich ihr nicht so ganz ab. Ein Glied und ein benutztes Kondom würden mir reichen

Ja, da hast du recht. Ist geändert. Danke.

Fragt sie nicht nach einem Date, nur ob sie häufiger da lernt. Dann füllt er sie ab. Tja, und kommt nicht damit klar, dass Lena für einen Moment zögert. Ob es wirklich nur die Erinnerung an den schmierigen Typen ist, oder vielleicht doch der Alkohol und eine gewisse Angst/Unsicherheit?

Alles zusammen, wobei der Typ eher ein Vorwand ist, um diesen letzten Schritt nicht zu gehen. Aus Unsicherheit eben.

Und dann reagiert der Fabian so grob, und es wird klar, dass er selbst verdammt unreif ist, ne Menge eigener Probleme mit sich rumschleppt und letzten Endes nicht wirklich an Lena interessiert ist.

Gut beobachtet, so hatte ich ihn auch vor Augen. Unreif und auch ein bisschen unerfahren, was Frauen angeht, eher auf das Erlebnis Sex im Wald aus, und nicht so sehr an Lena als Person interessiert. So wollte ich ihn zeigen, und ich finde es klasse, dass das bei dir auch so rübergekommen ist.

Was ich sehr, sehr stark finde, ist, dass sie am Ende kotzt. Klar, der ganze Alk. Aber es hat auch im übertragenen Sinne etwas Reinigendes, etwas Befreiendes. Lena hat eine Erfahrung gemacht, die sie verändert.

Eine sehr schöne Interpretation, finde ich. Das Kotzen als Befreiung von der eigenen Unsicherheit, ein Sich-auch-mal-gehen-lassen. Und dadurch konnte sie auch ein stärkeres Band zu Melanie und Jule schmieden.

Also, mir hat die Geschichte gefallen. Kann man noch ausfeilen. Aber die Basis, die steht.

Ich werde in den nächsten Tagen sicherlich noch an den Details der Story feilen, um sie etwas runder zu machen. Freut mich sehr, dass dir mein Text dennoch gefällt.

Ich habe mich sehr über deinen Kommentar gefreut, Anne.

Liebe Grüße vom
Pleitegeier

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Pleitegeier

Freut mich sehr, dass dir meine Anmerkungen was gebracht haben. Hier der zweite Teil:

Ich plane nicht genau durch, was ich schreibe, und vieles entwickelt sich nach und nach, während ich an der Geschichte arbeite. Die Kernaussage hatte ich erst klar vor Augen, als die Ausgangslage (also die Schauplätze und die Charaktere und ihre Beziehungen zueinander) relativ sicher war.

barnhelm und Fliege haben viel besser auf den Punkt gebracht, was ich mit meinen Ausführungen zum Roman-Element sagen wollte, das eher Symptom als Ursache ist.
Ja, es gibt Leute, die planen alles vorher durch, andere lassen die Geschichte sich entwickeln, ich denke, da gibt es kein Patentrezept. Dennoch kann es hilfreich sein, vorgängig zumindest eine Prämisse zu formulieren, eine Behauptung in einem Satz, worum es im Text gehen soll. Dann hättest du unter anderem eine klare Antwort auf Flieges Frage: «Was will mir die Geschichte erzählen?». Und du hättest weiterhin viel Spielraum, den Text zu entwickeln. Mit einer Prämisse im Hinterkopf schreibt man einen Text aber ganz anders, es hilft, bestimmte Schlaglichter schon früh im Text zu setzen, den Leser zu führen, Relevantes von Irrelevantem zu trennen. Zumindest mir geht es so.

Ich fahre mit dem Kleinkram fort:

Das Geräusch hallte durch das Treppenhaus, als wollte es den Bewohnern mitteilen, dass jemand kam, der hier nicht hergehörte.

Finde ich elegant gelöst. Ich mochte den Begriff «Frühwarnsystem» auch nicht, dachte aber, das sei zu sehr Geschmack und wenig hilfreich, wenn ich dir das mitteile. :)

Lena glaubte, beobachtet zu werden. Augen, die durch Türspione spähten, um einen Blick auf den Eindringling zu erhaschen.

Braucht es diese Erklärung? Ich fände das nackte Bild stärker. Der Vorteil deiner Formulierung ist allerdings das Wort «Eindringling», das (elegant indirekt) angibt, wie Lena sich fühlt.

Das Lachen einer Frau ertönte hinter einer Tür, jemand hustete, irgendwo spielte Musik.

Das ist jetzt oberpingelig, aber mir geht es nur ums Prinzip: Wenn ich gefragt werde, was man in einem Treppenhaus hinter verschlossenen Türen hören kann, dann wäre es nicht unwahrscheinlich, dass ich spontan diese drei Dinge nennen würde. Der Vorteil, den du hier hast, ist der Wiedererkennungswert für den Leser, da stolpert niemand drüber. Auf der anderen Seite ist das natürlich auch etwas Nullachtfünfzehn und kann lieblos wirken. (Hört man wirklich im selben Moment gleich drei verschiedene Geräusche, oder hat sich der Autor da einfach eine Aufzählung zusammengereimt, die gut klingt?) Der Nachteil einer originelleren Aufzählung wäre dann allerdings, dass die Aufmerksamkeit des Lesers fehlgeleitet werden könnte. (Ein Entsafter? Ich dachte, es sei Abend! :))
Um noch was Konkretes zu sagen: Ich würde glaub an dieser Stelle nur zwei Geräusche nennen.

„Sorry, hab die Zeit vergessen. Muss mir nur fix was anziehen. Setz dich doch solange in die Küche.“

Das ist immer heikel, wenn man was zu Dialogen sagt. Es gibt Leute, die möchten es maximal authentisch – da gehören dann auch Füllwörter dazu. Ich gehöre zur anderen Fraktion und würde hier das Fettmarkierte streichen. (Alternativ das «doch» belassen und dafür das «solange» weg. Ich weiss auch nicht, ob «Ich zieh mir fix was an.» besser klänge, statt der Umweg über das «müssen»

Lena setzte sich auf einen Holzstuhl. Das Geräusch vorbeifahrender Autos drang durch das geöffnete Fenster. Geschirr stapelte sich in der Spüle und ein Spruch zierte die Wand über dem Esstisch. Live, laugh, love.

Gefällt mir sehr gut. Vielleicht ein Doppelpunkt nach Esstisch? Und ich würde nach Spüle ein Komma setzen statt ein «und», damit die Aufzählung nicht so abschliessend wirkt.

Sie öffnete den Kühlschrank. Bevor Lena etwas sagen konnte, stellte Melanie zwei kalte Becks auf den Tisch und öffnete sie mit einem Feuerzeug.

Wortwiederholung. Beim Bier findest du vielleicht einen knackigeren Ausdruck?

Sie tranken und warteten und schwiegen.

Die «und» sind gut gesetzt. Gefällt mir.

Zeit verging. Lena nippte am Bier. Der Geschmack war ungewohnt und bitter und sie wollte das Gesicht verziehen, aber tat es nicht. Melanie starrte auf den Boden vor ihren Füßen. Der Raum war still und ohne Bewegung, wie ein Standbild. Lena glaubte, es würde sich erst ändern, wenn sie ein Thema fand, über das sie mit Melanie reden konnte. Ihr fiel nichts ein.

Starke Passage.

Als es klingelte, hatte Lena das Gefühl, jegliche Feierstimmung aus Melanie rausgelangweilt zu haben; doch als das metallenen Summen ertönte, rief Melanie: „Wuhuu, Partytime.“

Keine schöne Konstruktion.

Dann erklangen harte Bässe und Melanies Finger verharrte und sie wippte mit dem Kopf zum Takt.

Hier gefällt mir das erste «und» nicht so, würde ich durch ein Komma ersetzen.

Unser Kommilitone“, sagte Lena zu Jules halbem Gesicht im Spiegel.

Wirkt ein klein wenig an den Leser gerichtet. Ist die Info wichtig? Wenn nein, dann sagt Lena vielleicht einfach: «Ja». Wenn ja, dann vielleicht was Konkretes: «Der Typ, der bei Böttger ständig pennt?» oder so was.

„Seine Eltern haben da 'ne Scheune. Da können wir ordentlich feiern.
„Alle Jungs sind da“, sagte Melanie. „Da geht heut was.

Fast dieselbe Info. Ich denke, die erste könnte man streichen. Wirkt auch ein wenig uncool, wenn Jule das so explizit und «ordentlich» sagt. ;)

Ohne vorglühen, ohne mich.

Das verstehe ich nicht. (Also ich verstehe «vorglühen», aber zweimal «ohne» nicht.)

Melanie beugte sich vor, der Sicherheitsgurt spannte sich.

Das zweite «sich» kann weg.

„Hey, wenn ich Bock habe, dann brauch ich's auch. Stell dir vor, du bist geil am Rummachen und der Typ hat keine Kondome dabei. Deswegen nehm ich immer eigene mit.

Kann weg.

Kurz vor den ersten Prüfungen hatte sich Lena zum ersten Mal mit Fabian unterhalten. Lena war an diesem Tag über den Campus geschlendert und hatte einen Platz gesucht, an dem sie ungestört lernen konnte.

Beim zweiten Mal durch «Sie» ersetzen.

Lena setzte sich unter den Baum auf das trockene Gras, schlug ihr Buch auf und begann, sich Gleichungen und Formeln einzuprägen. Wie lange sie dort saß und lernte, darauf achtete Lena nicht; die Prüfung war nah und sie wollte lernen, bis sie den Stoff beherrschte.

Wortwiederholung. Nach: «die Prüfung war nah» könnte man abbrechen, der Rest erklärt sich von selbst.

Als sie langsam Kopfschmerzen bekam, vernahm sie eine männliche Stimme.

Ich habe Mühe mit dem Satz, der hat schon fast was Komisches. Vielleicht, wegen dem Zusammenhang von Kopfschmerz und Fabian. Mehr aber, weil der erste Teil auf einen längeren Prozess hinweist (langsam), der zweite Teil aber auf ein Ereignis. (Zu "langsam Kopfweh bekommen" würde eigentlich «während» besser passen: «Während sie langsam Kopfweh bekam …» Aber dann kannst du nicht mit einem Ereignis fortfahren.

Fabian lächelte. „Und du ganz vorne. Also, du bist?“
Sie überlegte kurz, was er damit meinte, sagte schließlich: „Oh … ich heiße Lena.“

Finde ich sehr schön.

Er sah in die Ferne, zu den Fenstern des Fakultätsgebäudes, die im Sonnenlicht schimmerten.

Da bist du nahe an einem Perspektivenbruch. Lena muss das ja erkennen, dass er genau die Fenster anschaut und nicht was anderes. Und sie muss selbst sehen, dass die Fenster schimmern.

Ich mein', viele unserer Kommilitonen kennen nicht mal unsere Namen

Find ich etwas umständlich. Vielleicht: «Ich mein', viele hier kennen nicht mal die Namen der anderen.»

Ich lese ihn gerne. Er inspiriert mich, wenn ich schrei…“ Lena verstummte. Sie hatte zu viel gesagt, würde wieder Fragen beantworten müssen, die ihr peinlich waren. Melanie und Jule hatten sie auch ausgefragt, als ihr rausgerutscht war, dass sie schreibe; und als Lena ihre Fragen beantwortete und die beiden sich ansahen und grinsten, war ihr heiß geworden und Schweiß hatte sich unter ihren Armen ausgebreitet und ihre Hände wurden feucht.

Ich denke, das Fettmarkierte kann weg, vor allem das «peinlich». Soll der Leser selber merken.

Fabian pfiff. „Beachtlich. Worum geht es?“

Gehört das zum Wortschatz von Fabian?

Wenn du so gerne schreibst, warum studierst du dann Maschinenbau? Ist das nicht ein ziemlich krasser Gegensatz?

Kann m.E. weg.

Dann zuckte er mit den Schultern und widmete sich dem Lehrbuch. Beim Lesen murmelte er etwas und machte sich mit einem Bleistift Notizen an den Seitenrändern.

Mir gefällt diese ganze erste Begegnung ausgesprochen gut. Du hast diese kleinen Details zwischen den Dialogen, das macht das Ganze realistisch und greifbar.

Überrascht von der Frage öffnete Lena den Mund, doch sie sagte nichts.

Kann weg, merkt der Leser selbst. Dann hast du auch die Wortdoppelung (Frage – Frage) vermieden.

„Lernst du häufiger hier?“, fragte er. Sie nickte, er lächelte. „Dann sehen wir uns öfter mal, hoffe ich.“

«Dann sehen wir uns wieder mal, hoffe ich» gefiele mir besser.

Verstärker waren im Raum verteilt und überall lagen Kabel, über die man stolpern konnte. Zigarettenrauch waberte unter der Decke der Scheune. Scheinwerfer beleuchteten die Feiernden mit grellem Licht, ihre Schatten zeichneten sich scharf auf dem Betonboden ab, bewegten sich hin und her zum Klang der Musik.

Mir fällt auf, dass du Settings vor allem visuell erfasst. Vorhin, mit Fabian, da wurde geguckt und Schatten und Licht und so. Auch hier vor allem Visuelles. Ich meine das nicht als Kritik, ich finde die Atmo gut im Text. Aber vielleicht kannst du noch bewusster darauf achten, ob du jeweils noch was Haptisches, Olfaktorisches, Akustisches erwähnen willst. So wie beim Einstieg in den Text. (Geruch vor dem Wohnblock, Quietschen der Tür). Aber da muss man auch vorsichtig sein, eine Freundin von mir muss jedes Mal lachen, wenn sie eine meiner Beschreibungen eines Geruchs liest. «Willst mal wieder alle Sinne ansprechen», sagt sie dann.

Sie tanzte inmitten des Raumes und ihre Haare klebten auf ihrer schweißnassen Stirn.

Das zweite «ihre(r)» würde ich durch «der» ersetzen.

Lena stand in einer halbdunklen Ecke und beobachtete Melanie. Sie tanzte inmitten des Raumes und ihre Haare klebten auf ihrer schweißnassen Stirn. Wie sie sich bewegte und wie sie lächelte. Als wäre ihr alles egal, als zähle nur der Moment und der nächste Beat, und die Aufmerksamkeit all der Männer war für sie so unsichtbar wie die Luft, die sie atmete.

Sehr stark. Wie da ein klein wenig Neid mitschwingt …

Lena beneidete sie.

… so dass du diesen Satz nicht mehr brauchst.

und sein Bart betonte sein kantiges Gesicht.

das kantige Gesicht.

Lena nahm das Bier. „Klar.“ Sie stießen an. „Gefällt dir die Party?“, fragte Lena.

fragte sie.

Er sah ihr tief in die Augen, als gäbe es auf der Party nichts Interessanteres.

Ist mir zu klischiert. Würde ich streichen.

Lena wurde rot und wollte sich abwenden

Da würde ich konsequent in der Perspektive Lenas bleiben: «Lena spürte, wie das Blut in ihre Wangen schoss».

Während ihres Gesprächs hatte Fabian regelmäßig Bier gebracht, und Lena trank es, weil ihr die Unterhaltung dann leichter fiel. Sie wusste nicht, wie viele Biere es gewesen waren, aber irgendwann drehte sich alles und Fabians Stimme wurde undeutlich und in ihrem Magen grummelte es. Als die Party lauter und die Leute besoffener wurden, hatte Fabian gefragt, ob sie einen kurzen Spaziergang mit ihm machen wolle. „Du bist etwas blass. Siehst aus, als könntest du frische Luft vertragen“, hatte er gesagt.

Da hast du ein ziemliches Knuddelmuddel von PQP und Präteritum.

Als die Party lauter und die Leute besoffener wurden

Das geht nicht, musst du umformulieren.

Auch sein Glied hatte sie gespürt und sich geekelt.

Es reicht, wenn du die beiden Szenen nebeneinander stellst. Der Satz hier ist mir zu erklärend.

Er könnte Lena vergewaltigen und im Dreck liegen lassen wie ein benutztes Kondom.

Der Gedanke ist mir too much. Die Drohkulisse, die du zuvor aufgebaut hast, reicht völlig, um diesen Gedanken beim Leser selbst hervorzurufen.

Fabian betrachtete den Mond

Etwas viel Mondlicht, Mond, Halbmond in der gesamten Waldszene.

Sie hatte gehofft, dass sie mit Fabian zusammenkommen könnte. Nun fühlte sie sich dumm und naiv. Wie ein Kleinkind. Hatte sie sich überhaupt in Fabian verliebt? Oder liebte sie bloß die Vorstellung, eine glückliche Beziehung zu führen?

Hm. Ich formuliere es mal so: Die Geschichte wäre für mich dann perfekt, wenn du diese Sätze nicht mehr schreiben müsstest.
Hier gibt es immer wieder mal Diskussionen zum Thema Innenschau, die ich nicht neu entfachen möchte, das hat viel mit Stil und Geschmack zu tun. Aber ich finde, du schreibst im gesamten Text relativ wenig Innenschau, arbeitest viel mit Gesten, Blicken, Mimik, Körperempfindung. Da fällt eine solche umfangreiche Innenschau, die dann auch noch die Form eines Fazits annimmt, halt auf.

alles mögliche halt, reisen sogar weit weg.

alles Mögliche

Ihre Augen tränten und ein säuerlicher Geschmack legte sich auf ihre Zunge. Ihre Zähne fühlten sich rau an.

die Zunge.

Ich freue mich auf weitere Texte von dir, Pleitegeier. Deine Art zu erzählen gefällt mir sehr.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo Fliege,

Es liest sich sehr hübsch weg, aber ich habe mich die ganze Zeit gefragt, worauf soll das hinauslaufen? Eine Charakterstudie - Mädchen, dass sich nicht so recht traut, dem es an Selbstbewusstsein fehlt, schüchtern halt, eher introvertiert - trifft es wohl am ehesten.

Es freut mich, dass du es so leicht und ohne größere Holprigkeiten durchlesen konntest. Das ist schon viel wert, finde ich. ;)

Ja, der Text war tatsächlich eher als Charakterstudie gedacht. Die Darstellung des introvertierten Mädchens und ihr Verhältnis zu der Welt und den Menschen in ihrer Umgebung. Das Ganze sollte am Ende darauf hinauslaufen, dass Lena aus dieser "Einigelung" ausbricht, wenn auch nur ein wenig. Viel mehr steckt da allerdings nicht drin, da gebe ich dir recht.

Also, was will mir die Geschichte erzählen? Ich weiß es nicht. Wirklich nicht. Sie unterhält mich, und wenn das dein Ziel war, dann haste das bei mir erreicht. Aber ich glaub, Du könntest sehr viel mehr mit dem Personal, dem Setting, vor allem aber mit deiner Sprache erreichen.
Eine Massage wollte ich nicht vermitteln. Etwa: "Feier mit deinen Freunden, dann wirst du bald sehen, dass du dich nicht vor ihnen zu verstecken brauchst" oder sowas Ähnliches. Ja, ich denke, in erster Linie wollte ich unterhalten, etwas schreiben, was sich schön liest und den Leser für 15 Minuten gefangen nimmt. Das war mein vorrangiges Ansinnen, und ich habe mir ehrlich gesagt auch keine Gedanken über eine konkrete Botschaft gemacht. Aber du hast natürlich recht, wenn du sagst, dass da Potenzial für mehr drin ist, und es motiviert mich auch, allerdings fällt mir derzeit nichts Plausibles ein, das da mehr Substanz reinbringen könnte, ohne den Text komplett umzukrempeln. Das soll jetzt aber keine Ausrede sein, ich nehme deine Kritik sehr ernst, auch für zukünftige Texte.

Der Prinz aber ist gar kein Prinz, sondern ein Schurke im Kostüm, insofern ist es nur recht, wenn sie ihn fortschickt, und ihr Festklemmen sie davor bewahrt, lediglich ein Partyfick zu werden. Deshalb kommt auch die Tragik gar nicht zum tragen. Weil es keine verpasste Gelegenheit ist, sondern weil es so gut war. Seine Reaktion nach der Abfuhr zeugt jedenfalls nicht davon, ihm wäre es ernst mit ihr.

Das stimmt, für ihn ist sie nur ein Partyfick, aber Lena denkt trotzdem, dass sie ihn vor den Kopf gestoßen hat und eine mögliche Beziehung, die sie sich ja doch herbeigesehnt hat, deswegen nicht mehr eingehen kann. Deshalb weint sie dann auch. Das war mein Hintergedanke in dieser Szene.

Eine Wendung täte dem ganzen gut. Eine innere und eine äußere.

Da stimme ich dir zu, das wurde auch von den anderen Kommentatoren angesprochen. Es verläuft alles recht gleichmäßig, es gibt keinen Höhepunkt und keine steigende Spannung. Sicherlich sind viele kleine Wendungen drin, zum Beispiel die ganze Sache mit Fabian und der Möglichkeit einer Vergewaltigung. Aber ein großer Twist fehlt. Liegt wohl auch daran, dass die Entwicklung von Lenas Charakter im Laufe der Handlung eine marginale ist. Wie gesagt, es ging mir eher darum, Lena plastisch darzustellen, was ja in einigen Aspekten gelungen ist, in anderen wiederum nicht. Ich werde da noch an einigen Schrauben drehen, auch wenn ich jetzt nichts Weltbewegendes versprechen kann.

Das Problem mit dem Trainingsanzug und der Jogginghose wurde bereinigt. ;)

Vielen lieben Dank für deinen hilfreichen Kommentar, Fliege. Und ich entschuldige mich für das Grübeln, das mein Text bei dir verursacht hat. :D

Liebe Grüße und viel Erfolg für deinen Kurzroman.

Pleitegeier

*

Hallo RinaWu,

Hat mir sehr gut gefallen! Ich habe die Geschichte eben in einem Rutsch durchgelesen und musste am Ende schmunzeln.

Das freut mich ungemein. Vielen Dank dafür. Und auch dein Lob bezüglich der Dialoge macht mich glücklich, denn die liegen mir sehr am Herzen und es macht mir auch immer besonderen Spaß, an ihnen zu feilen.

Nur die Szene mit Fabian und Lena, als sie ihn zurückweist und er erzählt, dass er nun doch Jura studiert, weil sein Vater ihn wie einen Fremden ansieht, das war mir too much.

Ja, an der Stelle muss ich dir zustimmen, da spricht Fabian eher zu dem Leser. Ich wollte ihn vorher noch detaillierter vorstellen, aber dann wurde die Szene auf dem Campus immer länger und länger. Und auch langweiliger, also habe ich viel gestrichen, besonders Details über Fabian und seinen Vater. Aber die Info, dass er ihn als Enttäuschung ansieht, brauchte ich an der Stelle doch, also habe ich das versucht, da so reinzuschmuggeln. :D Aber ich denke, ich finde da noch eine Möglichkeit, das natürlicher darzustellen.

Und das mit dem Jura-Studium ist vielmehr eine Frage der Ehre für den Vater, denke ich, also so habe ich mir das vorgestellt. Es geht weniger um wirtschaftliche Sicherheit, die bei einem abgeschlossenen Maschinenbaustudium sogar größer wäre, sonder darum, dass der Sohn in die Fußstapfen des Vaters tritt.

Was mir noch aufgefallen ist, ist deine Art, Dinge zu zeigen. Du machst das in genau dem richtigen Maß, für meinen Geschmack. Keine deiner Umgebungs- oder Personenbeschreibungen war mir zu lang, nein, das hat alles zusammengepasst und machte Sinn.

Das bedeutet mir sehr viel, vielen Dank für dieses Lob.

Die Hintergrundgeschichte mit ihrem Wunsch, einen Roman zu schreiben, sie sich jedoch nie traut, wirklich über den Inhalt zu sprechen - ja, das kennen wohl viele von uns.

Das ist tatsächlich der Aspekt, mit dem ich mich am stärksten identifizieren kann. Ich weiß, wie Lena sich da fühlt. Als ich meine ersten Kurzgeschichten geschrieben habe, noch ganz altmodisch mit Papier und Stift, da wollten meine Freunde auch wissen, was ich da schreibe, und das war mir schon irgendwie unangenehm, denn man offenbart ja schon viel von sich, vor allem in den ersten Texten, die man so fabriziert. Bei Lena und ihren Glühwürmchen ist das ja auch nicht anders.

Ich würde Lenas Buch jedenfalls gerne mal lesen.

Vielleicht schreibe ich eines Tages ja eine Glühwürmchen-Kurzgeschichte. ;)

Vielen Dank für deinen lieben Kommentar, RinaWu. Ich habe mich sehr darüber gefreut.

Liebe Grüße vom
Pleitegeier

*

Hallo Manlio,

Mann, ist die Gegend deprimierend. Du könntest die negativen Beschreibungen hier etwas zurückdrehen, so wird es fast zum Klischee.

Das verstehe ich. Als ich das geschrieben habe, musste ich mich auch zügeln, es wirkte schon fast wie eine Horror-Geschichte. Aber wie ich das sehe, rührt das düstere Bild eher daher, dass Lena sich in der ungewohnten Umgebung sehr unwohl fühlt. Von dieser Idee habe ich mich leiten lassen.

Deine anderen Anmerkungen habe ich umgesetzt. Vielen Dank für das kritische Lesen. Und ich finde es schön, dass dir einige Passagen so gut gefallen haben. ;)

Dieses Motiv mit dem Roman ist, wie gesagt, sehr interessant. Ob mir die genannte Passage aber so gut gefällt, weiß ich nicht. Vielleicht sollte der Inhalt bewusst offen bleiben.
Kennst du Raymond Carvers "Put yourself in my shoes?" Da gibt es eine ganz ähnliche Thematik.

Nein, das kenne ich nicht. Aber ich bin natürlich immer daran interessiert, neuen Lesestoff zu finden. ;)

Ich habe tatsächlich mit dem Gedanken gespielt, den Inhalt von Lenas Roman nie zu offenbaren. Vor allem, weil mir lange nichts Passendes eingefallen ist. Aber wenn ich das nun weggelassen hätte, ich weiß nicht, das wäre für viele Leser sicher unbefriedigend gewesen.

Vielen Dank für dein Feedback, Manlio.

Liebe Grüße vom
Pleitegeier

 
Zuletzt bearbeitet:

Zunächst entschuldige ich mich für die Verzögerung, ich war in den letzten Tagen viel unterwegs, sodass ich hier nicht aktiv werden konnte. Aber jetzt geht's endlich weiter. ;)

Hallo Friedrichard,

wir sind uns gerade eben - vorm Fußballspiel der Frauen - in einem Kommentar begegnet, der mir - durchaus - gefiel, wie auch die Geschichte, egal, was jetzt folgt.

Das freut mich, also Beides. Es ist ein schönes Gefühl, einen positiven ersten Eindruck gemacht zu haben. ;) Ja, ich fühle mich schon wohl hier bei den Wortkriegern.

Da haben sich ja doch noch einige Schludrigkeiten im Text versteckt. Vielen Dank für's aufmerksame Lesen. Da gehe ich den Text gefühlt hundertmal durch, trotzdem übersehe ich wohl doch mehr, als ich geglaubt habe. Tausend Dank, Friedrichard, ich habe alle deine Anmerkungen umgesetzt.

Ansonsten bleibt Liebe etwas anderes, als das animalische Erbeder Fortpflanzung Arithmetik uns vorgaukeln will. in seltsames Spiel.

Ein seltsames Spiel fürwahr, aber ohne geht's ja auch nicht.

Vielen Dank für's Lesen und Kommentieren, und es freut mich sehr, dass dir mein Einstand hier gefallen hat.

Liebe Grüße vom
Pleitegeier

*

Hallo Chai,

Für mich stellt Lena einen guten Kontrast zu dieser kalten Welt dar, die Du beschreibst. Während ihre Freundinnen sich dem mainstream anpassen und relativ schmerzunempfindlich ihrer Umwelt gegenüber zu sein scheinen, ist Lena die Sensible, die es in ihrer Gelähmtheit kaum schafft, der Alltagsbrutalität die Stirn zu bieten.

Wirklich toll, dass du meine Gedanken hinter ihrem Charakter erkannt hast. Darum ging es mir, eine romantische, künstlerische Person in einer Welt, in der vielmehr zählt, dass man sich anpasst und einen Job wählt, der sicher ist und gutes Geld einbringt. Deshalb folgt Lena ihren Träumen vom Romaneschreiben nicht und schottet sich emotional ab.

Auch deine Anmerkungen über Melanie und Fabian treffen den Nagel auf dem Kopf. Ich bin wirklich begeistert, dass du meine Intentionen erkannt hast.

Alles in allem eine tolle Geschichte, sowohl durch die Art des Erzählens, die Bilder, die in meinem Kopf entstehen, als auch durch die Figurenzeichnung, Stimmung und Dialoge. Nur über die knarzenden Holzstufen bin ich gestolpert. In so einem grauen Betonblock sehe ich eher Stufen, die ebenfalls aus Beton sind.

Vielen Dank für das tolle Lob. Und das Holz ist jetzt verschwunden. ;)

Ich bedanke mich für's Lesen und Mitteilen deiner Gedanken. Es ist schön, zu wissen, dass meine Charaktere so beim Leser ankommen, wie ich es gewollt habe.

Liebe Grüße vom
Pleitegeier

*

Hallo nochmal Peeperkorn,

wow, ich bedanke mich sehr für die aufwendige Textarbeit, die du hier geleistet hast. Eine ganze Menge Arbeit hast du dir mit meinem Text gemacht. Ich bin ein bisschen sprachlos.

Deine Anmerkungen habe ich alle übernommen, sie sind wirklich klasse. Und ich bin sicher, sie werden mir künftig weiterhelfen, wenn es darum geht, meinen Stil zu verbessern. Du hast mich auf vieles aufmerksam gemacht, das ich sonst nie bedacht hätte. Vielen vielen Dank.

Hier gibt es immer wieder mal Diskussionen zum Thema Innenschau, die ich nicht neu entfachen möchte, das hat viel mit Stil und Geschmack zu tun. Aber ich finde, du schreibst im gesamten Text relativ wenig Innenschau, arbeitest viel mit Gesten, Blicken, Mimik, Körperempfindung. Da fällt eine solche umfangreiche Innenschau, die dann auch noch die Form eines Fazits annimmt, halt auf.

Ja, ich bin auch kein Freund der umfangreichen Innenschau. Es kommt mir allzu häufig so vor, als würde ich die Leser mit dem Holzhammer auf meine Absichten hinweisen. Da überlasse ich es lieber dem Leser, wie er eine Szene beurteilt. Natürlich lässt sich so manche Passage nicht vermeiden, aber ich versuche das auf ein Minimum zu beschränken. Ich weiß allerdings nicht, ob der Gedanke, dass Lena sich nur in die Vorstellung einer Beziehung verliebt haben könnte, ohne einen solchen Hinweis beim Leser ankäme. Ich werde mir da aber was überlegen. Ich denke, das kriege ich hin.

Ich freue mich auf weitere Texte von dir, Pleitegeier. Deine Art zu erzählen gefällt mir sehr.

Ich habe tatsächlich schon eine Idee für eine neue Kurzgeschichte. Die muss aber noch ein paar Wochen reifen. :D Ich hoffe, mein Niveau dann beizubehalten. Vielleicht könnte es sogar steigern. Deine Anmerkungen werde ich definitiv im Hinterkopf behalten.

Vielen Dank für die Zeit und Mühe, die du in deinen enorm hilfreichen Kommentar gesteckt hast.

Liebe Grüße vom
Pleitegeier

*

Hallo maria.meerhaba,

Du kannst jetzt behaupten, dass das dein Stil ist, dass du den hier verbessern möchtest, doch für meinen Geschmack klingt das alles so protokolliert und von der Handlung getrennt.

Das ist ein Aspekt, über den ich in der Form noch gar nicht nachgedacht habe. Ich verstehe natürlich, was du meinst, und jetzt, nachdem du mich darauf aufmerksam gemacht hast, muss ich sagen, dass es schon einige Passagen gibt, bei denen die Übergänge von Dialog zu Gefühlen oder Beschreibungen zu ... hart ist, wenn man das so sagen kann. Ja, doch, da ist schon was dran. Ich will versuchen, das an einigen Stellen abzumildern, aber ich denke, das liegt auch vor allem an mangelnder Übung. Meine letzte Kurzgeschichte ist schon ein paar Tage her. Das soll jetzt nicht wie eine Ausrede klingen, könnte aber ursächlich dafür sein. Es ist halt so, dass ich an manchen Stellen das Gefühl hatte, jetzt umschwenken zu müssen (beispielsweise eine Beschreibung einzubringen oder plötzlich in die emotionale Ebene zu wechseln), einfach um den Leser bei Stange zu halten und um das Bild zu vermitteln, das ich auch vermitteln will. Ja, ich denke, da fehlt ein bisschen das Feingefühl. Ich werde sehen, ob ich das an der ein oder anderen Stelle verbessern kann.

Bäh. Lena wurde rot. Das ist so Kindergeschichtenniveau. Lass sie rot werden, lass sie uns dabei spüren, wie die wenigen Worte ihr Inneres erhitzen und ein kleiner Vulkan in ihre Wangen Feuer speit.

Hm, das finde ich schwierig. Ich habe ja ein paar Stellen drin, in denen Lena rot wird oder sich ekelt (z.B. die von dir zitierte Stelle), und wenn ich die alle zeige, ich weiß nicht, da würde ich mich sicher wiederholen. Vermutlich würde ich auch Tempo rausnehmen, sodass das Ganze etwas zäher wird. Da die Geschichte ohnehin schon nicht so einen wahnsinnigen Spannungsbogen hat, bin ich mir unsicher, ob das hier wirklich so gut wäre. Ich werde mir das aber nochmal ansehen. Vielen Dank für den wertvollen Hinweis. ;)

ich bin echt froh, dass du daraus keine Vergewaltigungsgeschichte gemacht hast. Für einen Moment habe ich das befürchtet, aber bin doch froh, dass du in eine andere Richtung geschlagen hast.

Ich habe lange mit dem Gedanken gespielt, aber ich bin auch sehr froh, einen anderen Weg gegangen zu sein. Es war die richtige Entscheidung.

Ich nehme dir die Figuren ab. Du kannst es. Es ist eine angenehme Geschichte, die einen gewissen Reiz hat, die nicht überspitz und so. Ja, ich finde sie schön.

Ich hatte meinen Spaß und darauf kommt es doch an.

Vielen Dank für die netten Worte, und es freut mich sehr, dass dir die Geschichte durchaus gefallen hat und du Spaß hattest. Denn das ist sicherlich das Wichtigste. ;) Und auch danke ich dir für deine Hinweise, die mir sehr weiterhelfen und mich auch dazu motivieren, es in diesem Text zu verbessern (ich will es zumindest versuchen) und auch in zukünftigen Geschichten besser zu machen. Ich werde darauf achten, versprochen.

Liebe Grüße vom
Pleitegeier

 

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