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Level Eclipse

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08.11.2001
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Level Eclipse

Level Eclipse

Noch einen Mojito. Sue ließ sich in die tiefroten Polster sinken und verschwamm mit der Dunkelheit und dem Plastik, das leise quietschte. Die Musik wob sie tiefer hinein als zuvor. Sie hatte sich daran gewöhnt, dem Beat zu folgen. Noch ging ihr Atem stoßweise, aber wie immer würde sie schnell runter kommen.

Sie hatte aufgehört, die Gläser zu zählen, die Getränke zu wählen. Letztendlich war es ohnehin egal, es war alles gleich. Sie hatte es sich ganz anders vorgestellt. Als eine der Ersten, die hergekommen waren, hatte sie sich mit dem Nimbus der Freiwilligkeit umgeben. Hatte geprahlt, sie könne gehen, wann immer sie wollte. Aber das fehlende Wohin hatte diesen Vorsatz bereits von Anfang an im Keim erstickt. Der Stolz darauf hatte sich in der Dunkelheit der letzten Jahre abgenutzt, bis er nur noch matte Politur auf blasser Haut war.

Der Strohhalm gab vernehmliche Geräusche von sich. Sie hob nur kurz zwei Finger und der Barkeeper hielt die Zapfpistole in ihr Glas. Zischend füllte es sich mit trüber Flüssigkeit.

Mojito in Ewigkeit, Party als Religion, Alkohol als Priester, das Paradies mit einem Schirmchen aus Papier. Die Erlösung erwartet dich am Ende dieser Nacht. Früher war sie nicht zynisch gewesen, aber das Leben buchstäblich ohne Aussicht hatte alles zur Unkenntlichkeit verzerrt.

Sie sah dem Jungen in der schmucken Uniform nach, der zur nächsten Gruppe herübereilte, die Zapfpistole sportlich im Anschlag. Er arbeitete, also würde er am Ende seiner Schicht in den Lift steigen und ein paar Stunden Normalität einsaugen. Licht und Luft und Freiheit, die er nur durch Arbeit verdienen konnte. Sue hatte sich dagegen entschieden, als Entscheidung noch möglich war und bevor sie verstand.

Sie stieß den Strohhalm tiefer in die Flüssigkeit. Wenn sie aufhörte zu trinken, würden sich die Gedanken aus der Musik herausschälen und die Nacht übernehmen. Das wusste sie zu verhindern. Aber die grellbunten Plakate hatten damals den Weg ins Verderben zuckersüß gepflastert. Jetzt ertränkte sie die Fragen in Cocktails.

Fanfaren ertönen blechern und die Menge tuschelt aufgeregt. Auf dem Podium tritt ein Mann in Uniform an das Mikrophon und räuspert sich. Nach dem Einzug in die neue Welt, werden die neuen Regeln verkündet und Sue sieht sich vorn stehen. Direkt an der Absperrung. Die Regeln lassen nun die Wahl, so ist das in der neuen Welt, in der die Strahlung gefiltert und die Luft gereinigt wird, sodass ein Leben wieder möglich ist.

Sie hissen über dem Podium grellbunte Plakate. Level Eclipse, die Antwort auf alle Gebete. Party ohne Ende, Leben ohne Arbeit und Drinks ohne Limit. Sue springt aus der ersten Reihe hervor, geradewegs über die Absperrung und führt einen Freudentanz auf, wirft sich auf eines der Plakate, das noch am Boden liegt. Sie wälzt sich über die Palmen und die pinkfarbene Schrift. Ja, sie ist dabei. Die neue Welt hat trotz aller Skepsis jetzt schon gewonnen. Aus sengender Hitze in ein Leben voller Freiheit und Vergnügen, aus verdorrtem Niemandsland in den Garten Eden. Sie zögert keine Sekunde.

Immer mehr junge Leute rennen auf den großen Platz vor dem Lift, stimmen in den Jubelgesang mit ein. Als die Kabine sich öffnet, fühlt Sue die Gänsehaut. Entweder liegt es an der kühlen Luft, der ersten kühlen Luft ihres Lebens, oder es ist die Erwartung.

Sue rührte mit dem Strohhalm durch die trübe Menge in ihrem Glas. Dummheit wird bestraft und sie hatte sich selbst verurteilt. Die Plakate, die Reden und Fanfaren hatten dazu beigetragen, aber den Todesstoß hatte sie sich selbst versetzt. Die Fakten waren offensichtlich, von der grellen Sonne der alten Welt bis in den letzten Winkel ausgeleuchtet, aber sie hatte die Augen vor der Dunkelheit verschlossen, falls das überhaupt möglich war. Beim Einzug in die neue Welt hatte sie eine einzige Entscheidung zu treffen und sie hatte sich gegen die Arbeit entschieden. Keinen Gedanken daran verschwendet, dass Arbeit Sonne bedeutete und Sonne hier nicht mehr den Tod.

Level Eclipse war mehr als nur ein Club, eine Party, Level Eclipse war das Leben. Sue schauderte. Dabei war es nicht mehr als ein Warenlager. Schon seit Jahren schickten sie diejenigen hinunter, für die es keine Arbeit gab, die oben keinen Platz mehr fanden. Davon gab es mehr und mehr. Die Zeit der Palmen auf Plakaten war vorbei. Aber noch tanzten die Unermüdlichen zu den faden Rhythmen und tranken bunte Cocktails ohne Unterlass. Niemand wollte den Verfall des Garten Eden sehen, der lichtlos vor sich hinwelkte, Sue am aller wenigsten.

Während man oben schuftet, feiert die Menge in Eclipse dauerhigh und mit blasser Haut in der Dunkelheit. Kostenlos und auf Rechnung der Gesellschaft, die für sie keinen Platz verschwendet.

Was zuerst wie das Paradies wirkt, zeigt bereits nach einigen Wochen seine Dornen. In die ewige Dunkelheit verdammt, weil der Platz nicht für alle reicht. Anstelle von Luft nur recycelten Sauerstoff, anstelle von Schmetterlingen Stroboskopblitze, das Leben ist nicht gerecht. Sue hat es satt, aber lange sagt sie nichts. Freiheit ist etwas, an dem sie sich festhalten muss. Auf diese Art verbringt sie Jahre, die sie nicht zählt. Solange sie den Kopf erhoben trägt, ist sie die Prinzessin dieser Welt, eine Weile lang funktioniert das sogar.

Hinter in der großen Halle wurden Stimmen laut. Aber es klang aufgeregter, als sonst. Dieses Mal war es kein Streit um die besten Plätze am Lift. Sue hatte es aufgegeben, sich zu streiten. Es war sowieso nicht möglich, durch den Lift zu entkommen. Viele hatten es versucht, es war aussichtslos. Auch der Lufthauch, der herauswehte, machte nichts als Hunger auf mehr, er stillte die Sehnsucht kein bisschen.

Nur undeutlich konnte sie aus ihrem Polster heraus die Menge um den Aufzug herum erkennen. Die Männer in Uniformen, die den Lift bewachten, hielten die Gewehre vor der Brust und teilten die Menge. Irgendjemand kam herunter. Sie ließ sich zurücksinken. Noch ein paar Überflüssige mehr würden das Level auch nicht füllen, keinen neuen Lebenshauch bringen. In ein paar Wochen würde auch ihre Haut blass und dünn scheinen. Solange sie noch Menschen schickten, war alles beim Alten. Erst wenn es aufhörte, würde sie sich Sorgen machen müssen. Und wenn die Cocktails versiegten.

Die Männer trugen zerfetzte und dreckige Kleider, ihre Haare waren lang und zottelig. Um ihre Hände war etwas gewickelt und sie standen dicht beieinander. Es war egal, nur ein weiterer Moment in der Ewigkeit, der sie nicht berührte. Sie wandte sich ab.

Doch dann fielen Schüsse, Staub rieselte herab. Die Wache warf klirrend einen Schlüsselring in die Gruppe der Männer. "Nennt es Freiheit, wenn ihr wollt." Dann zogen sie sich schnell in den Lift zurück und schlossen die Türen.

Die Männer balgten sich knurrend und strampelnd um den Schlüsselring. Die Menge drängte näher heran. Der größte von ihnen hob seinen Kopf, und fletschte die Zähne, während er die Ketten an seinen Handgelenken rasseln ließ. Sue sog die Luft hörbar ein. Sie schickten ihre Verurteilten herunter und nun machten keinen Hehl mehr daraus.

Aus dem Lautsprecher dröhnte "Hotel California". Sue schloss die Augen, drückte sich tiefer in die Polster und sog an ihrem Drink.

Mojito in Ewigkeit, Erbarmen.

 

Hallo Arc en Ciel,

eine ziemlich düstere Zukunfsvision hast du da geschaffen - und dabei klingt das gar nicht so sehr nach ferner Zukunft.
Die Idee fand ich wirklich sehr stark, die Umsetzung war für meinen Geschmack zu knapp, ehrlich gesagt.
Ich finde die Geschichte hätte mehr Raum gebraucht, die neue Welt mehr Platz, um sich beim Leser in den Köpfen zu verankern.
Das Ende mit den Verurteilten fand ich zwar gut, weil für Sue ja dadurch der letzte Hoffnungsschimmer schwindet, aber auch das kam für mich zu schnell.

Hm... meine Kritik liest sich jetzt negativer als sie gemeint ist - tatsächlich finde ich es einfach schade, dass alles schon so schnell vorbei ist. Da kommt man gerade auf den Geschmack ... :D
Aber letztlich ist das ja eigentlich ein Kompliment.

Zwei Kleinigkeiten:

Früher war sie nicht zynisch gewesen, aber das Leben buchstäblich ohne Aussicht hatte alles zur Unkenntlichkeit verzerrt.

Du neigst manchmal dazu, alles überzuerklären. Du erschaffst irgendein schönes, aussagekräftiges Bild und danach schickst oft einen Erklärungssatz in normaler Sprache hinterher. Hier ist mir das besonders aufgefallen.

Niemand wollte den Verfall des Garten Eden sehen, der lichtlos vor sich hinwelkte, Sue am aller wenigsten.

Dieser Satz irritiert mich ein bisschen. Mir scheint es so, als würde Sue sehr wohl erkennen, in was sie da hineingeraten ist.

Lieben Gruß, Bella

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi arc en ciel!

Eigentlich gehört die Geschichte ja nach Science Fiction. In diesem Genre geht es im weitesten Sinn auch immer um das Thema Gesellschaft.
Glaube also nicht, in jener Rubrik würde der gesellschaftskritische Unterton nicht richtig gewürdigt. Vielleicht kannst du's dir ja noch mal überlegen.

Das Thema sozialer Apartheid durch die Aussonderungsprozesse der kriselnden Arbeitsgesellschaft wird in der heutigen SF mehr denn je thematisiert. Die meisten Geschichten kratzen nur an der Oberfläche, versuchen keine Ursachen zu ergründen, sondern beschränken sich darauf, ein Schreckensszenario zu Unterhaltungszwecken zu malen.
Ich muss leider sagen, dass sich dein Text nicht sonderlich davon abhebt. Es wird beschrieben, wie sich die Symptome verschlimmern, wenn die Apartheid zu Ende gedacht wird.
Würden wir den Gehalt der Geschichte zu einem heutigen Problem herleiten, wäre das, was du kritisieren willst, wohl das Grundeinkommen ohne Arbeit oder generell die Stilllegung von Arbeitskraft. Grundtenor: "Kein Job ist so hart wie keiner." Aber dieses ewige Schreien nach mehr Arbeit kann keine Krise lösen, die in der Logik des Systems der Arbeit selbst begründet ist.
Gut, ich nehme nicht an, dass du die Story genau so angelegt hast. Du wolltest wahrscheinlich nur hervorheben, was psychologisch mit jenen passiert, die ausgesondert werden. Dagegen ist nicht nur nichts einzuwenden, du hast dieses Gefühl auch sehr gut eingefangen mit dieser surrealen Landschaft.
Die Surrealität wird durch ein nicht mehr taufrisches Zukunfts-Horrorszenario und eine unrealistische Konstellation erzeugt: Der Leser erfährt, dass die Sonne wohl inzwischen ihre schädliche Strahlung ungehindert auf die Erde brennt, wahrscheinlich wegen des Ozonlochs, aber das ist ein Teil, den ich mir nur als Leser denke. Es wird ein unterirdisches Refugium erschaffen, das mit sauberer Luft und strahlungsfreier Umgebung lockt. Anstatt dass da aber die Reichen hindürfen, wird es zum Abschiebungszentrum. Es gibt nicht mehr genug Arbeit für alle, also muss man Anreize schaffen, dass ein gewisser Anteil der Leute nicht mehr arbeiten will. Die Sache hat für die Betroffenen nur einen Haken: Wer einmal nach unten geht, kann nie mehr zurück.
Somit bleibt den Menschen nur die Wahl zwischen Pest und Cholera: Entweder eine krank machende Arbeits-Oberwelt oder eine freudlose Müßiggang-Unterwelt.
Die Prota macht dieselbe Entwicklung durch wie in unserer Gesellschaft jene, die ihren Job verloren haben und keinen neuen finden: Erst Euphorie, dann Ernüchterung, dann Depression und schließlich Fatalismus. Und am Ende wird jedes Vergnügen schal, man hat alle Zerstreuung, aber keine Aufgabe, man kann tun und lassen ,was man will, kann sich aber nie so richtig frei fühlen.
Das alles hast du symbolisch richtig gut rübergebracht.

Beim Formalen habe ich allerdings etwas zu bemängeln: Als du von der Gegenwart in die Vergangenheit springst, wird überhaupt nicht klar, dass es eine Rückblende sein soll. Erst beim zweiten Lesen habe ich es bemerkt. Du kennzeichnest es zwar mit dem paradoxen Wechsel von Vergangenheits- zu Gegenwartsform, aber das fiel mir auch erst nach nochmaligem Hinsehen auf. Vertauschst du die Zeitformen, wird der Wechsel vermutlich deutlicher.

Kleinigkeiten:

Sie hatte aufgehört, die Gläser zu zählen, die Getränke zu wählen. Letztendlich war es ohnehin egal, es war alles gleich. Sie hatte es sich ganz anders vorgestellt.

Zwischen dem zweiten und dem dritten Satz würde ich eine neue Zeile beginnen. Sonst verwirrt der Gedankensprung ein wenig.

Der Stolz darauf hatte sich in der Dunkelheit der letzten Jahre abgenutzt, bis er nur noch matte Politur auf blasser Haut war.

Die Metaphorik hinkt irgendwie. Stolz ist eine Politur auf Haut?

Nach dem Einzug in die neue Welt, werden die neuen Regeln verkündet und Sue sieht sich vorn stehen.

Wie, sieht sie ihren eigenen Hinterkopf?
Du beschreibst es als Szene, die gerade passiert. Wenn du deutlich machen willst, dass es eine geistige Rückblende ist, solltest du das auch an anderen Stellen deutlich machen. Dann müsstest du auch die Zeiten nicht mehr vertauschen.

Die Fakten waren offensichtlich, von der grellen Sonne der alten Welt bis in den letzten Winkel ausgeleuchtet, aber sie hatte die Augen vor der Dunkelheit verschlossen, falls das überhaupt möglich war.

Welche Fakten wurden von der Sonne ausgeleuchtet? Und die innere Logik der Metaphorik würde es verbieten, im gleichen Atemzug von Dunkelheit und greller Sonne zu sprechen. Dann hinken die Vergleiche, und, schlimmer noch, sie erwecken den Eindruck, der Autor wollte auf Biegen und Brechen eine bildhafte Sprache in den Text hineinzwingen.

Keinen Gedanken daran verschwendet, dass Arbeit Sonne bedeutete und Sonne hier nicht mehr den Tod.

Was soll denn das hier bedeuten? Wo bedeutet sie nicht mehr den Tod? In der Unterwelt nicht, das stimmt, aber darum ist sie ja dahin gegangen ...

Niemand wollte den Verfall des Garten Eden sehen, der lichtlos vor sich hinwelkte, Sue am aller wenigsten.

Das wird zusammengeschrieben. Außerdem stimmt es, wie Bella schon anmerkte, inhaltlich nicht so ganz. Sie sieht es ja die ganze Zeit. Durch ihre Augen sehen wir den Verfall des Paradieses. Du meinst wahrscheinlich etwas anderes, aber was?

In die ewige Dunkelheit verdammt, weil der Platz nicht für alle reicht.

Besser "Zur ewigen". Und wo reicht der Platz nicht für alle?

Hinter ihr in der großen Halle wurden Stimmen laut.

Aber es klang aufgeregter, als sonst.

Komma weg.

Dieses Mal war es kein Streit um die besten Plätze am Lift. Sue hatte es aufgegeben, sich zu streiten.

Hier gibt es wieder einen gewissen Gedankensprung. Da muss ne neue Zeile hin. Und eigentlich sollte auch hier schon eine Information hin, warum sie glaubt, dass es nicht mehr um einen Platz am Lift geht. Am besten zwischen den beiden Sätzen.

Sie schickten ihre Verurteilten herunter und nun machten keinen Hehl mehr daraus.

Da stimmt was mit der Reihenfolge nicht. ;) Und wenn sie keinen Hehl "mehr" daraus machen, müssen auch schon vorher Verurteilte heruntergeschickt worden sein. Besser vielleicht "Jetzt schickten sie ihre Verurteilten herunter, ohne noch einen Hehl daraus zu machen."

Ciao, Megabjörnie

 

Hi Arc,

seltener Gast in unserer Rubrik, willkommen!

Ich habe Deine kleine (weil kurze) Dystopie genossen. Den Trick, die Rückblende ins Präsens zu setzen (und damit die Vergangenheit lebendiger zu machen als die Gegenwart) fand ich sehr gelungen.

Sicher, die Geschichte ist etwas unbeweglich, denn die Protagonistin sitzt nur herum und will auch gar nichts anderes als herumsitzen. Das ist ein wenig zu statisch, da könnte mehr Plastizität in die Beschreibungen (wie riecht es im Untergrund? Hat sich etwas geändert? Was sind diese Palmen, gibt/gab es sie wirklich?)

Der Vergleich mit Wells Zeitmaschine hinkt, denn Dir geht es ja nicht um die Trennung Arbeiter/(neue) Aristokraten, sondern um die Trennung "Nützliche"/"Nutzlose" ("Schickt die Hartz-IV-Empfänger doch alle nach Malle!"), damit sie der Gesellschaft "oben" nicht im Weg stehen. Der Untergrund ist ein umgekehrtes Australien, statt mit den Sträflingen anzufangen und dann die "Unnutzen" nachziehen zu lassen, entledigt man sich erst der Unzufriedenen, weil man die restlichen ja später noch hinterherschieben kann.

Dieses Dilemma jeder (bisherigen) Gesellschaft ist universell und heute drückender, weil es keinen wilden Westen mehr gibt, in den die Arbeitslosen ziehen können. Angesichts dessen "Lösungsvorschläge" zu fordern ist naiv und unangemessen.

Beste Grüße,
Naut

 

Hallo Arc en Ciel,

bin eher durch Zufall reingezogen worden in deine Geschichte. Ich fand sie gut. Ich weiß natürlich nicht, ob ich sie in der Kürze verstanden hätte, wenn ich nicht vorher Nauts Kommentar angelesen hätte. Aber die Idee fasziniert, das Präsens ist originell und "Hotel California" das Sahnehäubchen.

Gruß, Elisha

 

Tag, altes Mädchen! :D

Ich fand's gut! Mir persönlich gefallen diese - im wahrsten Sinne des Wortes - hermetisch abgeriegelten Szenarien, wo man sich die "Welt da draußen" aus der beschränkten Perspektive heraus vorstellen muss ... Auf den zweiten Blick zwar nicht mega-innovativ, aber trotzdem interessant und pointiert, äh, präsentiert. Soweit, so nix zu meckern! :)

Beste Grüße!

Dante

 

Hallo arc!

Viel Konstruktives kann ich mal wieder nicht anbieten, deshalb mach ich's kurz: deinem Text fehlt irgendwo die Würze. Das Szenario ist nicht schlecht, die Geschichte auch nicht, aber ich fand sie nicht dystopisch genug, um ins Grübeln zu geraten. Irgendwo fehlt eine Spur Deutlichkeit.

Kleineres Problem: es erschließt sich mir nicht, warum zu den "Nutzlosen" am Ende noch Kriminelle gesteckt werden. Dies widerspricht dem Bild, dass sich am Anfang aufgebaut hat. Zumindest ging es mir ein wenig so.

Noch zur "Zeitmaschine": Vergleich finde ich wie Naut unpassend, denn Wells bezog seine Gesellschaftskritik auf andere Gegebenheiten - schon rein historisch kann das schlecht vergleichbar sein. Nur weil in einer Geschichte der Garten Eden auftaucht, muss es noch keine Genesis sein. (Sorry ;) )

Beste Grüße

Nothlia

 

Ja, doch, recht dicht erzählt und doch nur ein Schlaglicht auf eine Welt, die eine simple Maßnahme durchführt, aber mit komplexen Folgen, die nur im Ansatz beleuchtet werden können. Sowohl als Charakterstudie durch die Augen der Hauptfigur als auch im Gesamtüberblick fehlt es an der dritten Dimension. Liegt vielleicht an der ausführlichen Innenansicht, die durch Interaktion (Dialog) Tiefe gewinnen könnte, so aber zwangsläufig einen eingeschränkten Blickwinkel bietet.
Ansonsten aber sprachlich gewohnt souverän, und wie immer höre ich Deine Stimme in meinem Kopf, während ich den Text lese ... den zahlreichen Hörbars sei Dank ... hm, gab es da nicht auch Mojitos? :D

Zwei Kleinigkeiten:

herüber

hinunter

genau andersrum: hinüber und herunter.

Fazit: sprachlich souverän, inhaltlich hätte da mehr sein können.

Uwe
:cool:

 
Zuletzt bearbeitet:

Ein schöner Text, der imho nur marginal Platz für Kritik lässt

Gerade die Statik der ganzen Szenerie wirkt glaubwürdig. Eine desillusionierte Erzählerin in einer recht dichten und dystopischen Atmosphäre; kein Wort zuviel und eine Menge Platz für eigene Gedanken.

Sorry, daß ich jetzt nicht so tiefsinnige Aussagen wie einige meiner Vorposter vom Stapel lasse, aber unstimmige Formalien interessieren mich herzlich wenig, wenn ein Text so intensiv wirkt.
Übrigens... grad das "springen" durch die Zeitebenen ohne "Ansage" haucht dem Text zusätzliches Leben ein.

Meinen Respekt, das hat was... neugierig geworden, schaue ich mir mal andere Texte von dir an.

Gruß
Jürgen

 

hallo naut,

zieh dir doch mal "die zeitmaschine" rein. sie ist à priori kein kinofilm, sondern ein (gesellschaftskritischer) roman, in dem sich nicht "aristokraten" die "arbeiter" halten, sondern umgekehrt: die nutzlosen elois werden von den morlocks wie in einer überirdischen speisekammer aufbewahrt und bei bedarf gefressen. insoweit hinkt der vergleich ebengerade nicht, sondern jener, der den roman nicht besser kennt.

peace

bluefin

Bluefin,
Du bist derjenige, der den Roman nicht gut genug kennt. Wells Grundthese ist das Umschlagen eines sozialen Verhältnisses in ein biologisches, nämlich das der ehemaligen Kapitalisten, der "neuen Aristokraten", der Eloi [nicht "Elois", wie Du fälschlich fortgesetzt schreibst] zu den Morlock, den ehemaligen Arbeitern. Im Roman werden hier Tendenzen des ausgehenden 19. Jh. extrapoliert, jegliche Industrie in den Untergrund zu verlegen. Es ist durchaus gerechtfertigt, von den Kapitalisten als neuem Adel zu sprechen, denn so charakterisiert Wells sie: Die Morlock, zunächst noch Arbeiter, werden zunehmend in Sklaverei gehalten, während die Eloi außer Konsum und Müßiggang wenig zu tun haben und daher degenerieren. (Die Morlock degenererieren auch, allerdings auf andere Weise.)

Wells stellt hier eine evolutionstheoretische Hypothese auf: Ein vormals soziales Verhalten (nach Max Weber Bestandteil der "zweiten Natur"), geht mit der Zeit in eine biologische Coevolution über, an deren Ende das Produzieren, Dienen und Hegen den Morlock zum Instinkt geworden ist. Daraufhin greifen weitergehende evolutionäre Mechanismen, insbesondere entwickeln die Morlock ihre evolutionäre Nische weiter, indem sie sich ihre vormaligen Herren als Nahrungsquelle erschließen.

In Arc en Ciels Geschichte liegt auch ein Konflikt zwischen zwei Gesellschaftsschichten zugrunde, und auch hier wird eine Trennung nach Oberwelt und Unterwelt vorgenommen. Insofern gebe ich Dir Recht, dass es hier eine augenfällige Parallele gibt. Jedoch spiegelt ihr Text einen heutigen Konflikt, nämlich den Widerspruch zwischen (vermeintlich) nützlichen Mitgliedern einer (etwas weiterprojizierten) Gesellschaft - den Arbeitenden - und den (vermeintlich) unnützen - den Müßiggängern. Diese Wertung legt Wells nie zugrunde, den auch den ehemaligen Kapitalisten leuchtet ein, dass ihre Arbeiter nie unnütz sind, sondern vielmehr der Grund für ihren Wohlstand. Wo Wells außerdem eine biologische Weiterentwicklung verfolgt, schlägt Arc en Ciel eine weitere soziale Eskalation vor: Es werden weitere "unnütze" Elemente der Gesellschaft identifiziert, diesmal Straftäter, und in den Untergrund verfrachtet. Diese Steigerung als Schlusspunkt ist für eine Kurzgeschichte eine legitime und oft verwendete Technik, einer wirklichen "Auflösung" (im Sinne eines Lösungsvorschlages, wie der Grundwiderspruch zu beheben sei) bedarf es sicher nicht, zudem dieser, wie ich schrieb, in meinen Augen naiv wirken würde.

Du schreibst, dass es ähnliche Sujets in der Literatur zu Tausenden gegeben habe, und da stimme ich Dir zu. Das ist auch nicht verwunderlich, denn die Konfrontation verschiedener Interessengruppen - seien es nun als Schichten, Stände, Gilden, Klassen oder auch Religionsgemeinschaften - sind ein Grundmerkmal menschlicher Gesellschaften. Die Isolierung von Abweichlern, das Ausstoßen einzelner Untergruppen, dürfte seit der Bronzezeit (und noch vorher) unzählige Male stattgefunden haben.

Dennoch denke ich, dass Arc en Ciels Konstruktion mit ihren Verweisen auf aktuelle Entwicklungen und der spezifischen Pseudolösung mangels alternativer final frontier genug Eigenes aufweist, um interessant zu sein.

Du magst anderer Meinung sein, und das sei Dir unbenommen. Es stände Dir aber besser zu Gesicht, Dein Ross ein wenig kleiner zu wählen.

Naut

 

Hallo!

Ich bin ganz platt, wie Ihr Euch hier die Köpfe heißredet. Da habe ich ja etwas losgetreten. Eure Kritiken enthalten sehr viel Überlegenswertes und sehr viel Hintergründiges.

Ich habe nicht versucht, die Welt, in der Sue lebt, zu begründen oder aufzulösen. Es war gedacht als Schlaglicht in eine bizarre Welt. Es sollte zum Nachdenken anregen und dazu führen, dass der Leser sich in die Situation einfügt. Offenbar habe ich in ein Wespennest gestochen.

Ich werde Eure Anregungen und Anmerkungen noch eine Weile im Kopf herumgehen lassen und dann überarbeiten.

Lieben Dank,

Frauke

 

Hallo arc en ciel,

ich kann nicht mehr viel sagen nach den ausführlichen Kritiken der anderen, wollte dir aber noch schreiben, dass mir deine Geschichte gefallen hat. Du hast es geschafft, mit relativ wenigen Worten eine sehr düstere, hoffnungslose Stimmung zu erzeugen.

Grüße von Perdita

 

Hallo Bluefin,

offenbar hast du dich zwischenzeitlich mit dem roman beschäftigt (oder nachgeschlagen) und überinterpretierst ihn nun, um von deinem vorwurf des "hinkens"wegzukommen. meintetwegen.
Glaub doch, was Du möchtest. Ich habe den Roman über die letzten 20 Jahre einige Male gelesen und musste nix extra nachschlagen. Auch bedarf es keiner Überinterpretation, weil das, was ich geschrieben habe, sinngemäß so im Roman drinsteht (außer der Sache mit Max Weber), nämlich dem Zeitreisenden selbst in den Mund gelegt.

ich glaube aber nicht, dass man auf allzu hohem rosse sitzt, wenn man darauf abhebt, ein text sei in seinen grundzügen bereits weidlich ausgeleiert. dein hinweis, gruppenbildungen habe es schon in der steinzeit gegeben, verschlägt nichts: hier geht es nicht um sportvereine, gewerkschaften oder sekten, sondern grundsätzlich um zwei (in worten: zwei!) populationen, die einander bedingen, wobei die eine in den augen der anderen nur noch den wert von hundefutter hat. welche "coevolutionen" sich aus dem im vergleich mit wells reziproken verhältnis (die penner unten, die macher oben) ergeben könnten, erschließt sich aus arcenciels text nicht, dafür ist er zu simpel und zu kurz.
Der Hinweis mit dem Ross bezog sich darauf, dass Du vielleicht etwas vorsichtig sein solltest, anderen Unkenntnis irgendwelcher Bücher vorzuwerfen, ohne dies zu belegen. Im übrigen ist Deine Meinung, das Textthema sei ausgeleiert ja auch in Ordnung. Ich habe gar nichts dagegen. Ich fand lediglich Dein Auftreten unpassend.

Zu Parallelen in vorhandenen Texten hätte man sicher noch andere anführen können. Ich dachte z.B. an die Stelle mit den Telefondesinfizierern von Golgafrinchham in Douglas Adams "Das Restaurant am Ende des Universums", weil ich hier eher eine Verwandtschaft zur Front "nützlich/unnütz" sehe.

Beste Grüße,
Naut

P.S.: Hattest Du nicht früher einen anderen Nickname? Und hast immer irgendwas über Wale geschrieben?

 

So, Leute, dann muss ich jetzt doch mal einschreiten:

Bluefin, Naut! Ab in die Off-Topic-Ecke, Papiertüten aufsetzen! :teach: Klärt eure Diskussion bitte per PN, weitere Beiträge dieser Färbung werden von mir kommentarlos gelöscht!

 

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