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Leutnant Skrambels Glaube
Bevor Leutnant von Skrambel das kosmokinesische Rattenschiff in zwei Hälften zerstrahlte, erfand er fix noch eine Religion. Wie wäre es, überlegte er, würden geweihte Priester einem Neumenschlein kurz nach der Geburt dessen beide Extraarme wegschneiden? Die Altmenschen hatten schließlich auch nur zwei solcher Gliedmaßen, und ihnen nachzueifern, sei die oberste Doktrin des Glaubens, der von Skrambel gestiftet ward. Um ein Haar hätte der Leutnant vergessen, dem vorderen Wrackteil des Rattenschiffs den Gnadenstoß zu versetzen, so sehr beschäftigte ihn seine Idee. Aber mit einem beherzten Griff in die Feuerknöpfe erteilte er den Ratten den letzten Segen. Da er gerade mit den anderen zwei Händen eine geeignete heilige Geste erfand, war er froh, dass noch niemand vor ihm seine Religion erfunden hatte. Wie sonst hätte er den wohl gezielten Schuss mit den beiden freien Händen ausführen können, hätte er die überhaupt nicht mehr gehabt?
Nach der Kampfschicht marschierte Leutnant von Skrambel zur diensthabenden Ritualslektorin und trug ihr seine Idee stolz vor.
»Oh, wirklich nicht grässlich«, beschied die doppelbreite Dame und belohnte den Leutnant mit einer entspannenden Massage. Gleichzeitig nahm sie mit den freien Händen Eingaben an ihrem Steuerpult vor. »Ich habe aus Ihrem Vorschlag fix eine heil'ge Schrift erzeugt. Als Versmaß habe ich Ihren Stöhnrhythmus verwendet, auf dass Sie sich jederzeit in diesem Werke wiederfinden, dessen Geiste Ihrer ist.«
Der Leutnant wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Wie hoch ist mein Honorar?«
»Na, na«, machte die Ritualslektorin. »Wir wollen doch erst einmal den Erfolg abwarten, bevor wir über läppische Prozente reden.« Sie wedelte mit drei Händen, so dass bunte Diagramme auf die freie Kabinenwand projiziert wurden. »Sie müssen wissen, Herr Kapitän, dass derzeit Religionen hoch im Kurs stehen, bei denen Bluttrank oder Verzehr von Leichenteilen eine Rolle spielen. Amputationsrituale haben es da möglicherweise derzeit schwer.«
»Ich bin leider nur Leutnant«, sagte von Skrambel kleinlaut, »außerdem ist meine Pause für diese Woche jetzt leider vorbei.«
Die Ritualslektorin zog die Brauen hoch. »Leutnant, so so. Verstehe.« Sie machte sich eine Notiz, dann aktivierte sie durch Blinzelschaltung die Ausgangstür. »Auf Wiedersehen, Herr Leutnant. Vergessen Sie nicht am Ausgang die Kollekte zugunsten unseres heiligen Lektorats.«
Der Leutnant rieb sich die Hände, während er überlegte, welchen Teil seines Soldes er spenden konnte, ohne mehr als drei Tage zu hungern. »Ach was soll's«, sagte er dann und spendete sein gesamtes Geld, »das ist es mir wert. Dafür versuche ich, bei der nächsten Angriffswelle einen Extra-Bonus zu erkämpfen.«
»Vielen Dank für die großzügige Spende«, tönte hocherfreut die Stimme der Lektorin, »ich merke mir vor, Sie nächstes Mal mit allen beiden Armpaaren zu massieren, und das obwohl Sie nur Leutnant sind.«
Freudig verabschiedete sich von Skrambel, hastete auf seinen Befehlsstand und fuhr fort, die Kampfschiffe kosmokinesischer Ratten in Weltraumwracks zu verwandeln.
Bei der nächsten Pinkelpause schaute er aufgeregt nach seinen Verkaufszahlen, und siehe da: schon sieben freiberufliche Religionskritiker hatten seine Heilige Schrift gekauft. Es hagelte Kritik an der mangelnden Tiefgründigkeit des Rituals sowie am Versmaß, ein Rezensent aber gab zu, »auf diese elegante Idee« auch gerne gekommen zu sein.
Am nächsten Morgen meldete sich während des Frühstücks die erste bekehrte Spielwelt bei ihrem Gott. Fünfzehn geweihte Skrambelpriester reckten rhythmisch betend frisch abgetrennte Neumensch-Arme gen Himmel und beteten für besseres Wetter.
Der Leutnant spendete der Spielwelt als Belohnung eine reiche Ernte, einen glorreichen Sieg im Krieg gegen die Armee der heidnischen Bluttrinker sowie einen mystischen Propheten, den er nach seinem eigenen Ebenbild schuf (minus zwei Arme natürlich).
Dann kehrte Leutnant von Skrambel zufrieden zurück an seinen Arbeitsplatz und fuhr damit fort, seine heilige Jagdmission zu erfüllen, damit endlich Odin daheim der Erde üppige Ernte spendete.
Thema des Monats Juni/Juli: SF und Religion