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Letztes Jahr
Wie jedes Jahr fuhren sie mit dem Auto raus, ins Ferienhaus, doch diesmal war es anders als sonst. Sie fuhren zwar wie gewohnt mit der schwarzen Limosine. Die Stimmung war allerdings nicht die selbe, fröhliche, die sie sonst immer gewesen ist.
Wie eine Projektion ihrer Gedanken schlug das Wetter um. Es regnete nicht, es schien keine Sonne, es war bewölkt. Kein Nebel, kein Wind. Alles erinnerte an den ebenso trostlosen Russlandurlaub in den Herbstferien vor drei Jahren. Eigentlich war es viel mehr eine Geschäftsreise gewesen als ein Urlaub, die Familie hatte dennoch versucht in dem düsteren Vorort Moskaus ein wenig Erholung zu finden.
Stille.
Nur der brummende Motor der Limosiene auf der langen Landstraße, welche den Berg hinaufführte. Das Haus war schon zu sehen. Stumm saßen die beiden Mädchen mit ihrem Vater auf der Rückbank des Autos. Der Wagen kam zum stehen, dass Familienoberhaupt verließ den Wagen ohne einen Ton von sich zu geben und die Kinder guckten gespannt ihre Mutter und den Fahrer an, welche sich tief in die Augen blickten. Die jüngere der beiden war zwar erst 3, viel zu jung um zu begreifen was vor einem Jahr geschehen war. Doch sie brach als erstes das Schweigen. „Seid ihr verliebt?“ Die Mutter guckte sie mit einem ausdruckslosen lächeln an und stieg aus dem Wagen. Die Kinder und der Fahrer folgten ihr. Im Haus angekommen machten die Kleinen sich sofort auf den Weg in das diffus beleuchtete Wohnzimmer, wo sie vorzugsweise spielten. Auch letztes Jahr hatten sie hier gespielt. Letztes Jahr, als es geschah.
Der Fahrer und die Mutter folgten dem Vater der Kinder in den Nachbarraum. Es war ein Schlafzimmer. Niemand sagte etwas. Wie erstarrt standen sie neben dem Bett und guckten auf die ordentlich zusammengelegte Bettwäsche.
„Warum erzählt ihr mir nicht was letztes Jahr passiert ist?“ sprudelte es verzweifelt aus dem Vater hervor.
„Es geht einfach nicht, du würdest es nicht verstehen.“ Erwiderte der zweite Mann.
Wieder kehrte Stille ein. Nur das leise Trappeln der Kinderfüße war durch die Tür zu hören.
„Komm, ……..wir sagen es ihm.“ Der Gesichtsausdruck der Mutter änderte sich langsam zu einem hämischen Lächeln, ihre Augen blitzten auf.
„Sie lag genau hier…… Ich hab sie festgehalten, sie hat gestrampelt……dann hat er das Messer genommen und, und hat es getan…..sie hat nicht mehr lange gezappelt….“ Sie lachte kurz auf. Auch die düstere Mimik des Fahrers wich einem breitem lächeln. Er zog einen Zettel aus der Tasche, warf ihn auf das Bett und sah den Familienvater mit weit aufgerissenen Augen an. Auf dem vergilbten Flyer stand mit verblichener roter Schrift geschrieben „Wir kaufen Menschenaugen“ darunter eine Adresse, welche offensichtlich aus Russland stammte. Die Tür ging auf, der entsetzte Vater zuckte zusammen. Seine Tochter kam herein und fragte mit der Naivität einer dreijährigen „Wann kommt Lisa wieder Papa?“