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Letzte Sommernacht

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12.04.2002
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Letzte Sommernacht

Letzte Sommernacht

Ich träume Schwanzgedanken einen porenhohen Wurf von hellster Haut entlang. Ich fingerkuppenluftzerkissenboote diesen Traum von einer Haut. Ich veratme in kurzen Atemstößen das zungennasse Warzenspitz der Brust. Ich verzirpe ein schnelles Wahngestoße auf sich von Stoß zu Stoß immer weiter öffnendem, nassem Lippenglitsch über tiefem Grund. Ich stoße tiefer.

Miss D verzirpt.

Ich halte ihn in Stille, so kopfversenkt, keinen Millimeter tiefer, und blase das Zungennass ins Kalt. Ich streichle dann sanft mit meiner heißen Wange einen Hauch von zwei Tage altem Stoppelbart über diesen nasskalten, spitzen Warzengrund, und trinke, trinke eine letzte Sommernacht ins Pur.

Miss D verstirbt in hellen Tönen.

Der Nebel zieht meterhoch über den dunklen Glanz des wellenlosen Sees. Der Rest der Welt ist klar und lässt den Sommer in Stillen sterben. Die Decke, die Handtücher, auf denen wir verschmiegen, feuchten schon ganz eisig kalt.

Vier Uhr früh. Wir kamen schwitzend aus der Disco. So lachend, lustig, Hand in Hand. Mein Herz befahl, ihr Stirn und Haar zu küssen. Viel unzärtlicher konnte ich nicht. Ich bin noch immer so krank, so zärtlich verkrankt in Danaes Tänzerinnenschlank. Ich bin so krank nach ihrem Haar, so krank nach ihrem Brüstepaar, so krank nach ihren Beckenknochen, so .... so krank, dass ich es in Worten gar nicht verklickern kann.

Wir wollten eigentlich nach Hause fahren, ab in die Heia und dann .... Es war wieder ein Mal Die Nacht. Die Leute ein wenig verarschen, war angesagt. Wir spielten unser Lieblingsspiel "Hey, du, ja, du. Hey du, hast du heute schon gelacht?" Und dann brüllten wir uns halb tot. Fast Alle hatten heute noch nicht gelacht. Echt, kein Schmäh. Echt, fast Alle hatten heute noch nicht gelacht, schauten total blöd aus ihrer Wäsche und wussten nicht, was sie sagen sollten. Miss D lag zuletzt schon auf der Bar und hielt sich ihren Bauch. Ich lag auf ihr, mich um die sich so blöd Vergaffenden nicht mehr kümmernd, bis halt der oder die Nächste kam. Meine Hände waren überall und wir lachten uns halb tot. So tot. Mir tun jetzt am Nachmittag noch immer die Wangen weh, meine Bauchmuskeln katern sowieso.

Hand in Hand. Und da sagte sie auf ein Mal "Hey, du, lach jetzt bitte nicht. Okay? Tut ja nur noch weh. Hahahahahaha. Also lach nicht. Hahahaha......" Wir bogen uns krumm. Irgendwie habe ich dann in meinem Spitzenschwips doch noch die Beifahrertüre aufgebracht. Gentleman, na klar. Sie prustete herum. ".... bitte lach jetzt nicht .... hahahahaha." Sie war unfähig zum Reden. Nur noch ein verzweifeltes, unstoppbares, verkrampftes Hahahaha.

Ich prustete auch, half der Schnapsdrossel ins Auto, .... stieg dann auf meiner Seite selber ein. Na, hoffentlich kein Planquadrat. Nau servas. So viel Idiotie könnte ins Auge gehen. Scheiß drauf, hahahaha. Sie lehnt sich zu mir herüber: ".... lach jetzt bitte nicht .... hahahaha." "Ich lach eh nicht, erzähl schon. Ha, verdammt, wo ist das Loch, haa? Das Startloch mein ich, nicht das, was du schon wieder meinst. Hahahaha." Ja, verdammt, wo ist das Loch? Da.

"Ha, ja, lach bitte nicht, hahaha, aber genau darum geht es. Hahaha." "Ich fahre ja eh schon, ein bisschen wirst du schon noch durchhalten müssen, hahaha." "Jaja. Ne, ja, aber nicht heim, klar." "Was willst´n dann?" "Ha, lach bitte nicht, .... hahahaha .... nicht heim, ne, okay? Heute ist wahrscheinlich die letzte schöne Sommernacht in diesem Jahr, sieh dir nur diesen Himmel an. Ich möchte zum Ödtsee und dort ficken. Du hast doch die Decke und den Schlafsack noch im Kofferraum, oder?" "Na klar. Geil, geil, geil, ne gute Idee." Eben eine Idee von Miss D.

Und jetzt kriecht mir das kalte Eis der Nacht den Rücken hoch, .... und, .... und, so nur kopfversenkt und eingeschmatzt, wie ich ihn nun schon eine ganze Weile halte, während ich mich in Streichelfesten auf ihrer Haut vergeh, hau ich ihn endlich rein, voll auf Anschlag. Sie schreit. Ich nehme mir ihre Beine unter die Achseln, lege mich voll drauf, sie hält voll dagegen und dann .... bis ich wieder schwitze.

Und dann krochen wir notdürftig abgetrocknet in meinen übergroßen Schlafsack. "Zur Not hätte da sogar noch eine kleine, zarte Zweite Platz, haha." War kein guter Witz. Sie sah mich auf ein Mal so komisch an. "Aha, und das nach dieser Nacht, aha." Und da biss sie mich brutal in meine Schulter. Au. Scheiße, scheiß vorlaut sein. Au. Aber wurscht, ich lache und küsse ihr ganz zart die Augen zu. "Arschloch." Akzeptiert. "Hey, Schätzchen, ich meinte ja nur. Ist doch ein geiler Green Beret - Schlafsack, Größe Terminator, oder etwa nicht? So einen kriegst du nicht im Handel, um kein Geld der Welt. So etwas Geiles gibt es nur auf dem Flohmarkt. Ich habe den abgehausten, armen Standler auf feste, alte zweihundert Schüling herunter gehandelt. Der arme Narr hat gar nicht gewusst, was er da fast verschenkt hat. Wärme pur, wasserfest, .... und Platz für einen Lothar und wenn es sein muss, auch für .... na ja, geschenkt. Hahahaha. Und sogar mit abnehmbarer Fellkapuze. Auch das Fell ist nur angeknöpft. Der Sack hält Sommer und sogar einen Winter mit 30 Grad Minus aus, in Celsius."

Wir lagen eng aneinander. Ihr Kopf schmiegte an auf meiner Schulter. Marke Leichtgewicht. Wir blickten hoch hinauf ins gelb gesprenkelte Schwarz des Himmels. Das Klar des Sternemeers vergoldete mir den sanft verstreichelnden Griff der rechten Hand auf ihren Brüsten. Mein Handballen verkitzelte sich auf ihren aufgereckten Warzen, mal da, mal dort, und dabei tranken wir die feuchtkühle Luft der letzten Sommernacht.

Danae. "Hey, .... hey, Danae? Schläfst du schon?" "Ja." "Okay, .... ist gut. Hey, Danae!" "Ja?" "Ich liebe dich." "Mh-hmmm." Ganz cool. Küsschen, Küsschen. "Gute Nacht!" "Gute Nacht!" Küsschen.

Die schläft doch wirklich ein. Ihre Atemzüge greifen leise und weich nach meinem Herzen. Mir war irre, wohlig warm. Ich starrte noch eine Weile ins schwarze Sternenmeer hinauf und nahm es dann mit in meinen Schlaf der letzten Sommernacht.

© Copyright by Lothar Krist (13.9.2002)

 

Hallo Lothar,

ich habe zu deiner Geschichte so arg viel nicht anzumerken. Ganz grundsätzlich find ich sie schön und verdammt gut eindringlich dargestellt. Aus meiner Sicht, eine deiner besten Geschichten.
Im Gegensatz zu deinen anderen Geschichten bist du mit deiner Schilderung sehr nah am Geschehen,läßt den Leser dicht heran.
Das gefällt mir ausnehmend gut.

Ein paar Formulierungen, die du zu Hauptworten gemacht hast, hätte ich vielleicht klein geschrieben, weil es meiner Meinung nach Adjektive sind. Aber ich würde darüber mit dir nicht streiten wollen.
Der erste Absatz, den ich wie auch alle weiteren für sehr gelungen halte( ist schon fast dein Markenzeichen, so zu formulieren), ist im Gegensatz zum Rest sehr anders.
Ich denke darüber nach, ob es Sinn machen würde, ihn textlich mehr anzupassen, damit nicht so ein großer Bruch in der Stilart entsteht.
Aber so recht sicher bin ich mir nicht, ob es überhaupt erforderlich ist. Mal sehen, was die andren daran zu kritisieren haben.
Dann finde ich noch die Passage mit dem Lachen etwas langatmig, am Anfang denkt man, es läuft auf eine Pointe hinaus, am Ende ist man etwas enttäuscht, wenn auch versöhnt, weil die Protagonisten nun zum See fahren und es wieder "spannend" ;) wird, aber vielleicht kannst du da noch was kürzen mit dem laufenden Hahaha. Ist nur so eine Anregung von mir.

Aber, um es nicht in Vergessenheit geraten zu lassen: ich finde diese Geschichte sehr gut.

Liebe Grüße
lakita

 

Liebe lakita!

Ja, ja, meine leidliche Großschreibung mancher Adjektive und auch sonst wohl manch anderer Wörter. Das ist wohl nichts Anderes, als ein Aufbegehren, mein kleiner Protest gegen die formalen Zwänge in unserer Sprache. Das muss einfach sein. Ich fühle mich nur wohl, wenn ich neben meinen inhaltlichen Protesten gegen unsere Zeit von Heute auch sprachlich ein wenig irritierend wirken kann. Deshalb streue ich immer wieder so kleine, aufregende Häppchen ein. Und ich widme mich derzeit ja fast ausschließlich der Dichtung und der Prosa. Da sollte einfach mehr erlaubt sein. Und was sind schon Adjektive? Nicht die vorgegebenen Bedingungen sollen die Sprache bestimmen. Die Freiheit der Sprache ist eines der Mittel zur Veränderung der Welt.

Du schreibst "Letzte Sommernacht" wäre eine meiner besten Geschichte. Danke. Sie gefällt mir ja auch ganz gut, aber eine meiner besten Geschichte ist sie mit Sicherheit nicht. Es gab mal eine Zeit, da habe ich einen Haufen solcher einfacher Geschichtchen geschrieben. Sie ist bloß inhaltlich stimmig, ich "bin sehr nah am Geschehen", wie Du das ausdrückst. Sie ist ein Geschenk an meine Freundin nach der schönen Nacht. Ich wollte die Story nicht "zerhacken", wie ich das sonst mit den anderen so gerne mache. Ich wollte sie ganz "sauber" halten. Sie ist wie ein kleines Ringlein mit einem einzigen lupenreinen Diamanten, haha.

Die Stilbrüche sind Absicht. Ich wollte das Ist-Geschehen am See von der Geschichte des "Warum und Wie" (es so weit gekommen ist) auch stilistisch trennen.

Die Sache mit dem "Lachkrampf". Weiß nicht, ob ich das noch kürzen kann. In den paar Absätzen stecken schließlich an die 3 Stunden "harte Arbeit". Wir hatten 3 Stunden lang einen irren Spaß, indem wir mit den Gästen des Lokals ein Spielchen gespielt haben. Wir konnten nicht mehr aufhören zu lachen, allein die Worte "lach jetzt bitte nicht" lösten den nächsten Lachsturm aus. Du musst Dich in diese Situation versetzen. Ich spiele ja immer gerne meine Spielchen, insb wenn ich einen guten Tag habe. Mir fallen auch immer wieder neue Spielchen ein. Da gibt es das Tüt-Tüt-Spielchen, das Bumm-Bumm-Spielchen und einen Haufen anderer. Wer einmal mitgespielt hat, vergisst die Nacht nicht mehr, haha. Das Spielchen oben ist zu empfehlen, ist wie angewandtes Kabaret. Damit die LeserInnen auch verstehen, um was es dabei geht, musste ich es ein wenig ausführen, sonst kann man es ja nicht nachspielen. Man muss nur Mut haben, so einen ahnungslos vorbei schlendernden, unbekannten Gast anzusprechen und ihn/sie fragen, ob sie heute schon gelacht hat. Die schauen dann meist völlig perplex und genau so, als hätten sie noch nicht. Man muss diese Gesichter sehen. Manche Personen sind echte Medien. Man weiß schon von Weitem, wer da jetzt kommt. Ist einfach irre. Bei manchen weiß man auch, dass sie nicht mitspielen, die werden dann böse, weil sie sich verarscht fühlen. Andere wieder gesellen sich in die Runde und haben ihren Spaß daran. Alles ein Abbild unseres Lebens. So und so.

Liebe Grüße und danke noch mal
Lothar

 

Hi Rüdiger!

Macht nichts, Jedem das Seine.

Beste Grüße
Lothar

 

Seas Buji!

Das war die beste Gerschichte, die bis dato ich von Dir gelesen habe. Die Lachkrämpfe und Spielchen fand ich wirklich gelungen, zwei Menschen, die sich so gut verstehen, daß sie so miteinander lachen können, Späße machen. Das fand ich persönlich sehr berührend, überhaupt nicht langatmig. Aber das sind persönliche Geschmackssachen.

Wörter wie "ficken" sind meiner Meinung nach zu hart, das ist aber auch persönliche Geschmackssache.

Bei den anderen Texten, die ich von Dir gelesen habe (der letzte war Tuttelgeschupfe), hätte ich Lust gehabt, seitenlange Grundsatzdiskussionen abzufassen, was ich mir dann aber doch verkniffen haeb. Dies hier war, im Gegensatz dazu, eine irgendwie berührende schöne Geschichte, die man geren liest

liebe Grüße

Echnaton

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Echnaton!

Danke. Was Geschichten wie "Tuttelgeschupfe" anbelangt, Du darfst nicht in den Fehler verfallen, derartige harte Aussagen auf mich zu projezieren. Ich bin, was den Autor anbelangt, eisenharter Realist. Ich beschönige nicht. Ich war mit einer alten Bekanntenrunde unterwegs, alle ein wenig älter als ich, also gestandene ehemalige gerade noch 68er. Die waren damals so 15 - 17, ich war damals ja erst 11. Die haben das damals gerade noch mitbekommen, waren über ein Jahrzehnt lang dann ganz euphorisch drauf. Ich stieß da erst 15-jährig über die Jungen Sozialisten dazu.

Heute sind sie ausgebrannte Lehrer (2), Philosoph, Jurist und Beamtenakademiker (jeweils 1). Sie haben aufgegeben. Der Ausdruck "Tuttelgeschupfe" kam übrigens von einem der Lehrer, er sagte noch eine Menge mehr unschöner Worte über die Kleine an der Bar und auch über die anderen Kids und Leute, die sich da rum getrieben haben. Früher lief er mit der kleinen roten Maofibel in der Hosentasche rum, zitierte dauernd daraus, und träumte von der antiautoritären Erziehung. Heute ist er ein fertiger Typ. Ich konnte früher schon nicht verstehen, wie Mao und gewaltfreie Erziehung zusammen passten. Aber diese Typen war damals üblicher Standard. Heute ist er brutaler Erzieher der Worte, seine Schüler mögen ihn nicht, so weit ich das weiß. Gerade dass sie ihn grüßen, wenn sie ihm nachts über den Weg laufen. (Ich hoffe, das liest keiner von ihnen. Und wenn, auch wurscht. Ich sage ihnen sowieso dauernd, was ich von ihnen halte.)

Die Geschichte und auch das Gro meiner anderen Geschichten sind Abgesang auf ihre Träume von Damals. Ich weiß nicht, warum Ihr LeserInnen so ein großes Problem damit habt. All das ist doch nichts Anderes, als die pure Realität von Heute. Ähnliches erlebt doch Jeder irgendwann einmal. Typen wie diese, sind doch bloß neidisch auf die Jugend von Heute, sie möchten halt auch noch dazu gehören und noch einmal ihr wildes Leben leben. (Na ja, so wild war es bei den Meisten ja auch wieder nicht, sie tun heute nur so, als hätte ihre ganze Zeit damals aus dem Verhindern von Zwentendorf und Hainburg bestanden.) Da das Leben selbst dies jedoch nicht zulässt, niemand wird wieder jünger, und weil sie mit ihren Träumen gescheitert sind, haben sie einen gewissen Hass entwickelt, was sie nüchtern (oder wenn man sie darauf anspricht), zwar nicht zugeben, aber all ihr Gehabe und ihr Ausdruck in Gesprächen weist darauf hin.

Ich war früher ein großer Fan von Charles Bukowski. Er hat den amerikanischen Traum in Grund und Boden geschrieben. Ich habe mir unser Gutmenschen-Sein ausgesucht, aus welchen Gründen auch immer, und da passt halt fast ein Jeder, eine Jede irgendwann mal irgendwie rein. Ich habe für Jede/n etwas im Köcher. (Auch für mich). Das ist halt mein Problem als Autor. Ist mir aber wurscht. Irgendwann kommt vielleicht doch noch eine neue Generation von LeserInnen, die unsere Zeit nicht mehr so euphorisch sehen werden, wie wir uns selbst. Mal sehen, Bukowski war auch schon 50, als eine neue Generation anfing, ihn zu begreifen. Und wenn ich falsch liegen sollte, Schicksal. Schreiben macht mir immensen Spaß. Was soll ich sonst tun? Fernsehen? Ne. Und es gibt ja da und dort schon den einen oder die andere LeserIn, die mich trotzdem mag. Daran halt ich mich fest, alles andere kommt oder auch nicht. Nitschewo. Schicksal.

Danke jedenfalls. Beste Grüße
Lothar

 

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