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letargisch

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10.12.2001
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letargisch

Großraumdiskothek. Dancehall. Sitze an einem Tisch. Dröhnende Musik. Menschen, eine riesige, formlose Masse. Die Luft – verbraucht, stickig, trocken. Der Zigarettenrauch brennt in meinen Augen, reizt meine Atemwege. Blitzende, bunte Lichter. Und Menschen über Menschen. Sie gehen vorüber. Sehen mich nicht. Ich sehe sie. Sehe lachende Gesichter, fröhliche und ernste - arrogant oder freundlich, selbstbewußt oder schüchtern. Ihre Kleidung – bunt und schrill oder elegant und dezent - mannigfaltig. Ihre Augen – nervös, umher-schweifend, unbeteiligt oder starr. Sehen mich nicht. Doch ich sehe sie. Sehe unterschiedliche Menschen. Unterschiedliche Charaktere. Unterschiedliche Schicksale. Unterschiedliche Leben... voller Träume, Wünsche, Hoffnungen, Ziele. All das besitzen sie. Und ich... habe Bier. Fünf leere Flaschen stehen vor mir auf dem Tisch. Eine weitere - noch halbvoll. Der Alkohol steigt mir in den Kopf. Doch kein erleichterndes Vergessen. Nur vereinfachtes Denken. Vereinfachte Erkenntnis. Schrecklich quälende Erkenntnis. Und die Menschen ziehen vorüber. Sehen mich nicht. Und sie atmen. Träumen. Hoffen. Fühlen. Leben. Und ich... fühle nichts... fühle mich wie tot.
Ein Pärchen setzt sich neben mir an den Tisch. Sieht mich nicht. Sieht nur sich. Ihre Augen ganz in sich versunken, versunken in ihrer eigenen, kleinen, privaten Welt aus Wärme, Glück und Liebe. Streichelnde Hände. Ein sanfter Kuß. Flüsternde Worte. Flüsternde Sehnsucht. Leise Lust. Eine eigene, kleine, intime Welt. Und die Menschen gehen vorüber. Sehen mich nicht. Eigene, kleine Welten. Mikrokosmen. Nur Platz für sich, für eigene Wünsche, eigene Gedanken. Eigenes. Ich - in meiner Welt... in meinem Grab. Kalte Erde um-armt mich. Nur Würmer wollen mein Innerstes. Und das Pärchen... sieht mich nicht. Blick in Blick. Augen angefüllt mit Träumen von einer glücklichen Zukunft, dem gemeinsamen Glück. Sehen mich nicht. Leben für sich. Leben, um zu leben, zu lieben. Lieben, um zu leben. Sinnloser Sinn. Pures Sein, ohne Fragen, ohne Zweifel. – Das Pärchen... Flüsternde Worte. Ein inniger Kuß. Dann verlassen sie den Tisch. Gehen, ohne mich zu beachten. Sie lieben. Sie leben. Und Menschen ziehen vorüber. Sehen mich nicht. Atmen. Lieben. Leben. Sehen mich nicht. Fühle mich leer... tot.
Ein Song, der aus den Musikboxen plärrt – er handelt von Liebe, Strand und Sonne, vom Glück. Primitiver Text. Eine einfache, beschwingte Melodie. Betonter Rhythmus. Fröhlich. Positiv. Doch in meinen Ohren hallt er voll Schwermut wieder, wie ein Trauer-gesang, mein Requiem. Auf der Tanzfläche – Menschen. Bebend im Takt. Wiegend im Rhythmus. Das Glück in ihren Gesichtern. Ekstase. Rausch des Tanzes. Rausch des Lebens. Ein Tanz – mir zum Hohn. Meine jämmerliche Armseligkeit verhöhnend. Rausch des Lebens. Rausch der Gefühle. Und ich... fühle nichts. Bin... und bin doch nicht. Und die Menschen ziehen vorüber. Sehen mich nicht. Atmen. Lieben. Tanzen. Leben. Ich - armselig... tot.
Kurz denke ich an morgen. Lange ausschlafen. Bis Mittag oder noch länger. Beim Aufwachen – bleierne Traurigkeit in meinen Gliedern, auf meinen Augenlidern. Der bittere Nachgeschmack von Träumen gribbelnd auf meiner Zunge, rauh in meinem Hals, brennend in meinen Lungen. Der Nachgeschmack von Träumen, an die ich nicht glaube. Träume vom Leben, an die ich nicht glaube... wie an meine Zukunft, an die ich nicht glaube. Bin ohne Zukunft... wie ein Toter... Bleierne Traurigkeit wie jeden Morgen. Die Stunden des Tages – hell und leer. Ständiger Alltag. Ständige Wiederholung. Tage. Monate. Jahre. Nichts fühlen. Still im Bett liegen, an die weiße Decke starren... wie ein Pharao in seinem Sarkophag... auf seinem Totenbett. Geboren. Noch nicht Gestorben. Und doch... tot.
Und die Menschen... ziehen vorüber. Wie in einem Film. Gebannt auf eine ebene Leinwand. Flach und ohne Tiefe. Ein Film, der mich nicht berührt. Scheint fern... ungreifbar. Die Menschen... wie Bilder... ziehen vorüber. Sehe sie. Unhaltbar... unfaßbar... wie ein Windhauch. Unwirklich. Fern. Ein Traum. Der Traum des Seins. Fern. Aber... herrlich und lockend. Sehne mich nach ihm. Und plötzlich... strahlende Erkenntnis... ein goldener Schein. Spüre Sehnsucht. Spüre Verlangen. Spüre. Ein Atemzug... wärmende Luft in meinen Lungen. Sehne mich. So bin ich wie tot. Doch... ich will leben. Will lieben. Will lachen. Will tanzen. Ich springe auf und renne hinaus. Entfliehe den schrecklichen Visionen... der Lethargie. Hinaus in die Nacht. Frische, klare Luft. Sterne am Himmel. Frei... unter dem weiten Firma-ment. Und ich laufe. Und ich flehe. Und ich schreie. Schreie den Vollmond an. Tanze im Mondenschein... im Rhythmus des Herzschlages... ein warmes Pochen in meinen Ohren. Lache im Wahn... im Wahn des Seins... lebendig.

 

Hey.

Fehler in der Überschrift...da Du's im Text richtig hast, gehe ich davon aus, dass Du weisst, wie man's schreibt.

Ansonsten...nicht schlecht. Bin mir noch nicht sicher, ob meine Skepsis gegenüber dem Text nicht eher subjektiver Natur ist. Der Stil wird mir auf Dauer zu anstrengend. Warum hohes Tempo, wenn es um Lethargie geht? Die dauernden Wiederholungen wollen diese (vermute ich mal) widerspiegeln, sind aber zu eintönig, um den Leser bei der Stange zu halten bzw ihn wirklich zum Denken anzuregen.

Gute Idee ist vorhanden, Umsetung meiner Meinung nach noch nicht ganz gelungen. Mir sind aber auch ein paar positive Sachen aufgefallen, ab und zu hast Du (bewusst?) schöne stilistische Mittel verwendet.

San

 

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