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Leonie und der Traumdieb

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03.06.2005
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Leonie und der Traumdieb

Leonie träumte nicht mehr. Schon seit Wochen zogen die Nächte an ihr vorüber, ohne auch nur einen einzigen Traum. Sie sah keine grünen Wiesen, keine Spiele mit ihren Freunden, keine Wochenenden bei ihrer Großmutter auf dem Bauernhof. Leonie hatte einfach keine Träume mehr. Und so waren die Nächte endlos lang. Sie wälzte sich unter der Bettdecke und wartete auf den nächsten Morgen. Wo waren ihre Träume?
Leonie starrte an die Zimmerdecke. In jenem Moment schoss ein gleißend heller Strahl zu ihrem Fenster herein, und Leonie saß kerzengerade im Bett. Was konnte das bedeuten?
Im Zimmer leuchtete es matt gelb und neben ihrem Bett standen drei Gestalten. Leonie rieb sich die Augen, denn sie dachte, dass diese ihr einen Streich spielten. Doch die drei Gestalten verschwanden nicht. Eine kleine Sonne, ein Mond und ein Stern standen vor dem Bett. Sie waren quicklebendig und hatten jeder zwei Arme und zwei Beine. Ihre Gesichter strahlten Leonie freundlich an.
„Hallo, Leonie“, sagten sie wie aus einem Mund.
Leonie kroch aus dem Bett und stellte sich erstaunt vor die drei.
„Wir benötigen deine Hilfe“, sagte die Sonne, deren Strahlen Leonie wärmten und das Zimmer erleuchteten.
„Habe keine Furcht“, beruhigte der Stern die verwirrte Leonie und nahm ihre Hand.
„Wir nehmen dich mit“, flüsterte der Mond und ergriff Leonies zweite Hand.
Dann hoben sie vom Fußboden ab. Leonie verlor den Grund unter den Füßen, und im nächsten Augenblick flogen die vier zum Fenster hinaus in die Dunkelheit. Leonie erkannte unter sich ihr Heimatdorf, welches wie eine Eisenbahnplatte immer winziger wurde. Sonne, Mond und Stern trugen Leonie sicher durch den Nachthimmel. Leonie hatte keine Furcht, denn ihre drei gelben Freunde kicherten und lachten.
Nach einer halben Stunde, sie hatten die Erde weit hinter sich gelassen, landeten sie auf einem fremden, kleinen Planeten. Es war dunkel, und überall ragten spitze, hohe Felsen aus dem Erdboden. Leonie schaute zurück. Die Erde schimmerte wie ein blauer Fußball im Weltall.
Sonne, Mond und Stern stellten sich vor Leonie. Der Mond begann, mit sorgenvollem Blick zu erzählen.
„Dieses ist die Heimat des Traumdiebes.“
„Traumdieb?“, fragte Leonie. Sie sah in einiger Entfernung einen hohen, schwarzen Berg. Der Mond nickte traurig.
„Jawohl. Dort hinten in dem Berg wohnt er. Er hat vielen Kindern, wie auch dir, die schönen Träume gestohlen.“
„Aber wieso?“, fragte Leonie bedrückt, als sie an ihre Nächte ohne Träume dachte.
Der Stern trat vor.
„Der Traumdieb sammelt die Träume, um von ihrer Schönheit zu leben. Bald hat kein Kind mehr Träume, und eure Nächte werden langweilig.“
Leonie fragte die drei nun, was sie dagegen unternehmen sollte, und der Mond antwortete lächelnd: „Mit unserer Hilfe kannst du die Träume befreien und den Traumdieb besiegen.“
Leonie musste nicht lange überlegen. Sie wollte endlich wieder träumen.
So entschloss sie sich, Sonne, Mond und Stern zu helfen.
Sie gingen nebeneinander durch die dunkle, trostlose Landschaft auf den Berg zu. Nach einiger Zeit gelangten sie an eine Tür, durch die sie in das Innere des Berges gingen.
Dann schlichen sie durch einen langen, durch Fackeln beleuchteten Gang, dessen Wände aus schwarzem, hässlichem Fels bestanden.
„Sieh nur“, sagte die Sonne und zeigte auf einen Raum rechts des Ganges. In jenem Raum schwebten kleine, durchsichtige Seifenblasen. Leonie betrat den Raum, gefolgt von ihren drei gelben Gefährten. In den Blasen erblickte Leonie Bilder von lauter tollen Dingen. In einer Blase sah sie viel Eiscreme und einen Jungen, der darin versank und glücklich naschte. In einer weiteren Blase lief ein blondes Mädchen über eine Wiese und zog einen Papierdrachen hinter sich her. Und dann – Leonie traute ihren Augen nicht – sah sie einen ihrer eigenen Träume. Leonie war zu Besuch bei ihrer Großmutter und fütterte die Hühner im Stall.
„Hier hält der Traumdieb die Träume gefangen“, sagte die Sonne.
Tausende von Seifenblasen schwebten durch den Raum, und in diesem Moment trat aus der gegenüberliegenden Wand eine dunkle Gestalt hervor. Sie trug einen schwarzen Zylinder und einen langen Mantel, welcher auf der Erde schleifte. Das Gesicht der Gestalt war grau und starr.
„Guten Abend“, sagte die Gestalt grinsend und ging langsam durch die Traumblasen.
„Das ist der Traumdieb“, flüsterte der Stern mit sorgenvollem Blick.
„Habe ich deine Träume auch schon?“, fragte der Traumdieb hämisch und zeigte auf Leonie. Leonie nickte. „Ich benötige noch weitere Träume, damit ich davon leben kann“, sagte der Traumdieb und stieß zwei Seifenblasen auseinander. Mit seinen dunklen Augen starrte er Leonie an.
„Nein!“, rief Leonie laut und entschlossen. Sie ging einen Schritt auf den Traumdieb zu. „Sie werden keinem Kind mehr auch nur einen Traum stehlen. Dafür werde ich sorgen.“
Der Traumdieb lachte laut und hob die Hände jubelnd in die Höhe. Dann sagte er: „Mich kann niemand aufhalten. Kinder haben Angst vor mir.“
„Ich nicht“, sagte Leonie mutig und ging einen weiteren Schritt auf den Traumdieb zu.
Die Sonne trat an Leonies Seite und flüsterte ihr zu: „Drücke mich.“
Leonie schaute die süße Sonne verwundert an, nahm sie und drückte sie mit beiden Armen. Je fester Leonie drückte, desto wärmer strahlte die Sonne. Der Traumdieb schirmte sich die Augen mit dem Arm ab.
„Aaaarggghhhh! Die Sonne ist zu heiß!“, rief er und taumelte zurück.
Nun trat der Mond an die Stelle der Sonne, und Leonie musste ihn drücken. Er strahlte heller und heller, und wieder wich der Traumdieb einen Schritt zurück. Zu guter Letzt drückte Leonie den Stern, welcher wie verrückt zu funkeln begann.
Der Traumdieb stolperte, während die Wärme der Sonne, der Schein des Mondes und das Funkeln des Sternes ihn ergriffen und aus dem Raum trugen. Dann brachten sie ihn aus dem Berg hinaus und schleuderten ihn weit ins Weltall.
Die Seifenblasen zerplatzten und die befreiten Träume schwebten vom Planeten des Traumdiebes hinfort zurück zur Erde.
Leonie und ihre drei neuen Freunde liefen hinterher und schauten lächelnd zu, wie die Träume ihren Weg zu den Kindern fanden, von denen sie gestohlen wurden. Schon bald würden die Kinder wieder schöne Träume haben.
Sonne, Mond und Stern jubelten und umarmten Leonie. Sie hatten es tatsächlich geschafft, den Traumdieb zu vertreiben und die Träume befreit.
Und von diesem Tag an hatte auch Leonie wieder ihre Träume, und keine Nacht wurde mehr langweilig.
Der Traumdieb kehrte niemals zurück.

 

Moin Sascha!
Ich finde, dir ist eine wirklich schöne Geschichte gelungen! Die Idee finde ich sehr süß und auch gut umgesetzt. Die Sprache ist weder zu einfach noch zu kompliziert. Ich denke, da hats du einen schönen Mittelweg gefunden.
Meine Meckereien sind in den folgenden Zitaten deutlich gemacht ;)
Alles in allem ein gelungener Einstand hier bei den Kindern :)

Bemerkungen
(Sie sind alle meine persönliche Meinung, die kein Recht auf Allgemeingültigkeit haben)

Leonie träumte nicht mehr. Schon seit Wochen zogen die Nächte an ihr vorüber, ohne auch nur einen einzigen Traum. Sie sah keine grünen Wiesen, keine Spiele mit ihren Freunden, keine Wochenenden bei ihrer Großmutter auf dem Bauernhof. Leonie hatte einfach keine Träume mehr. Und so waren die Nächte endlos lang. Sie wälzte sich unter der Bettdecke und wartete auf den nächsten Morgen. Wo waren ihre Träume?
Für meinen Geschmack etwas zu oft "Traum".

Nach einer halben Stunde, sie hatten die Erde weit hinter sich gelassen, landeten sie auf einem fremden, kleinen Planeten.
Ich finde die Zeitangabe unpassend. Wieso muss klar sein, dass es eine halbe Stunde ist? Ich fände es schöner, wenn die vergangene Zeit unbestimmt bliebe. Das würde die Geschichte nicht in so "feste Bahnen" zwingen, wenn du verstehst, was ich meine ;)

Die Erde schimmerte wie ein blauer Fußball im Weltall.
Wieso Fußball? Es fällt mir schwer, mir die Erde als Fußball vorzustellen ...

Dann schlichen sie durch einen langen, durch Fackeln beleuchteten Gang, dessen Wände aus schwarzem, hässlichem Fels bestanden.
Wie soll ich mir denn hässlichen Fels vorstellen? :confused:

In den Blasen erblickte Leonie Bilder von lauter tollen Dingen.
Ich finde, das passt nicht recht zur restlichen Sprache. Das klingt zu sehr nach Kind, aber die restliche Geschichte ist in einer andren Sprache geschrieben. Würde ich also umschreiben.

?Sie werden keinem Kind mehr auch nur einen Traum stehlen. Dafür werde ich sorgen.?
Das klingt ganz schön schlapp, wenn du nur einen Punkt machst .... ;)

?Mich kann niemand aufhalten. Kinder haben Angst vor mir.?
Gleiche Anmerkung wie eben gerade ;)

 

Moin!

Danke für das Lob. Deine Kritiken sind in den meisten Punkten für mich auch nachvollziehbar. Werde ich überarbeiten. Ist schön, wenn man kritische Rückmeldungen erhält, weil man ja selber doch manchmal "betriebsblind" ist.

Sascha F.

 

Hallo Sascha,

mir gefällt Deine Geschichte auch gut. Besonders schön finde ich die Idee mit den Seifenblasen, in denen die Träume eingesperrt sind.

Ein wenig erstaunt bin ich allerdings, wie absolut furchtlos Leonie ihrem Widersacher gegenübtertritt. Durch ihren überragenden Mut ist der 'Kampf' auch sehr schnell vorbei. Meiner Meinung nach könnte die Szene zwischen Kind und Traumdieb etwas detaillierter und länger ausfallen, sie ist ja der Höhepunkt der Geschichte.

Durch gestohlene Träume wären Nächte auch nicht nur 'langweilig'. Ohne Träume wird das gesamte Leben trostlos, funktionell, grau. Das kann man noch deutlicher ausdrücken.

Und für meinen Geschmack fangen zu viele Sätze mit 'Leonie' an.

Ansonsten: sehr schön!

LG, nik

 

Hi Sascha!

Deine Geschichte hat mir auch ganz gut gefallen. Ein bisschen hat mich der Inhalt an die Geschichte vom Traumfresserchen erinnert. Kinder lesen deine Geschichte sicher sehr gern. Auch deine Ausdrucksweise ist kindgemäß.
Allerdings war mir die Szene mit dem Traumdieb ein bisschen zu "üblich", d.h. solche Figuren gibt es immer wieder in Kindergeschichten und Filmen. Der Traumdieb müsste noch irgendwie origineller sein, eben anders als man es sonst so kennt.
Ansonsten habe ich deine Geschichte gerne gelesen. :)

Gruß,
Theo

 

Hallo Sascha,
dir ist eine sehr schöne Atmosphäre gelungen. Auch eine schöne Sprache. All das erinnert mich an mehrere Bücher: Peterchens Mondfahrt, Timm Thaler oder das verkaufte Lachen, Peter Pan.
Allerdings fehlt zwischen Aufbruch aus dem Kinderzimmer und dem Endkampf, ein Hauptteil der das ganze unvergessliche macht. Es gibt keine Probleme. Leonie fliegt mal eben schnell ins Weltall und macht den Bösewicht fertig. Klar, es hat seinen Reiz, die Sache so einfach erscheinen zu lassen. Aber nicht durch das Fehlen von Konflikt. Sonst könnte jede x-beliebige Figur Leonie ersetzen. Sonst fehlt das Abenteuer.
Auch erinnert der Bösewicht am Ende stark an den typischen Miesling, der in der Überzeugung, den Sieg bereits in der Tasche zu haben, anfängt aus dem Nähkästchen zu plaudern. Um das zu rechtfertigen gab es entschieden zu wenig Reiberei vorher. Sonne, Mond und Stern haben keinen Hintergrund. Was ist ihr Beweggrund zu helfen? Wenns auch nur Herzensgüte ist, sollte es wenigstens drinstehen. Warum holen sie gerade Leonie? Wer ist Leonie? Was zeichnet sie aus? Warum machen Sonne, Mond und Sterne den Dieb nicht alleine fertig, sie können doch gegenseitig auf sich draufdrücken, wenn das alles ist, was zum Sieg nötig ist?

Ich hoffe, dass ich dir mit meiner Kritik helfen konnte. Nehms mir bitte nicht übel, dass ich dabei so direkt bin. Ich halte einfach nichts von Schmeicheleien. Ich kritisiere ja grundsätzlich nur Geschichten, die mir gefallen. Deine gefällt mir auch.

Gruß, Karlsson

 

Hallo!

Ganz im Gegenteil. Mir persönlich hilft Kritik weiter, da sie mir zeigt, wo die Schwächen einer Geschichte liegen. Dann kann ich daran gezielt arbeiten.

Die Geschichte um Leonie und ihre drei Freunde aus dem All sollte eigentlich für jüngere Kinder gedacht sein. Deshlb habe ich größere Konflikte und Abenteuer außer acht gelassen. Doch ich glaube, dass für jüngere Kinder die Geschichte eine Spur zu düster geworden ist.

Ich danke für die konstruktive Kritik und wünsche mir, dass mehr davon kommt. Feedback ist mir sehr wichtig.

Sascha F.

 

Klar kriegst du noch mehr Kritik, wenn du verrätst, wo deine anderen Geschichten stehn.

Karlsson

 

Hallo, Karlsson!

"Der Drache aus der Schultüte" in "Kinder", zwei weitere Geschichten in "Alltag", eine in "Humor" und eine in "Liebe".

Bitte halte dich nicht mit Kritik zurück. Doch ich muss dich warnen. Einige davon sind ziemlich abgedreht.

Sascha F.

 

Hi, Sascha!

Doch ich glaube, dass für jüngere Kinder die Geschichte eine Spur zu düster geworden ist.

Das glaube ich gerade nicht. Man soll die Kleinen nicht unterschätzen. Schließlich lieben selbst Fünfjährige die Märchen von Rotkäppchen und Hänsel und Gretel, oder? Und da geht es viel robuster zu.
Geschichten ohne Konflikt finden selbst Kleinkinder langweilig. Gerade deshalb finde ich, du solltest ruhig Karlssons Kritik aufgreifen und die Geschichte verlängern. Kinder sind nicht nur robuster, als viele von uns glauben, sie sind auch geistig anspruchsvoller. ;)

Ciao, Megabjörnie

 

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