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Leiter zur Aphrodite
Leiter zur Aphrodite
Es fand sich zwar eine antike Brücke, die man einst „Leiter zur Aphrodite“ nannte.
„Tragen Sie mich über den Fluss?“
„Bitte?“
„Würden Sie mich bitte über diesen Fluss tragen?“
„Ähm ... ich ...“
Sie packte ihn am Kragen und sagte mit fester, bedrohlich ruhiger Stimme: „Trag mich über den Fluss ... sofort!“
Sie ließ sich von ihm hochheben, machte es sich in seinen Armen gemütlich und schaute vom Ross aus herunter auf die erdbraunen Frösche, die geduldig darauf warteten, dass die Luft rein war. Das klare Wasser klatschte hierbei im natürlichen Rhythmus das Morgengebet und kündigte ihr einen idyllischen Tag an. Die Vorfreude flutete ihren Körper und sie verlor sich in den Blattmengen weit entfernter Bäume. Und merkte gar nicht, dass sie bereits den Fluss überquert hatte.
Er wartete mehr oder weniger geduldig und versuchte nicht daran zu denken, dass ihm die Arme schwer wurden.
„Lass mich runter ... danke!“
Sie lächelte unschuldig, verwandelte sich in eine Schlange, schlängelte sich an seinem Körper hoch und entjungferte seinen Hals mit einem Biss.
Die Brücke seufzte.
„Darf ich Sie über den Fluss tragen?“
„Bitte?“
„Nun, ich muss sowieso rüber, soll ich Sie tragen?“
„Ähm ... ich ...“
„Komm schon! Ich trag dich rüber!“
Er schwang sie auf seine rechte Schulter und marschierte festen Schrittes auf den Fluss zu. Er merkte nicht, dass er einen erdbraunen Frosch zertrampelte. Das Plätschern des Wassers nervte ihn. So überlegte er, wie er sich die Durststrecke erträglicher machen konnte. Sich plötzlich seiner Kontrolle über sie gewahr begann er im Wasser zu hüpfen, sich zu drehen und kakophonisch zu pfeifen.
Sie wartete mehr oder weniger geduldig. Ihr wurde schlecht. Nicht sehr sanft landete sie auf einem grünen Fleck. Sie versuchte schnell zu sich zu kommen.
Er beäugte sie gierend, verwandelte sich in einen schwarzen Panther, dessen Schönheit und Anmut sie hypnotisierten, setzte sodann zum Sprung an und fiel über sie her.
Die Brücke sichtete ein Paar, das sich langsam näherte. Sie leckte sich sauber und breitete sich wie ein roter Teppich aus, um es zu empfangen. Das Paar nahm die Brücke kaum wahr, schritt langsam über den steinigen Grund und war sich nur seiner selbst bewusst. Fast schwebte es in gegenseitiger Zuwendung.
Hinter der Brücke lauerten sie. Sie kroch und er schlich in erwartungsreicher Konzentration. Der Angriff machte kein Mühe. Sie schnellte zischend hervor und biss es in seine Wade. Er nutzte die Überraschung , riss es zu Boden nieder und grub seine Krallen tief in sein Fleisch. Es war vergiftet und es verblutete. Es hauchte sein Leben aus.
Die Schlange und der Panther drehten sich vorsichtig, ohne den anderen aus dem Auge zu lassen, im Kreis. Leise entfernten sich beide.
Die Brücke schluckte und sehnte sich nach einem warnenden Schild.