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Leicht verdientes Geld mit Lilly
LEICHT VERDIENTES GELD MIT LILLY
„Bei Gott, welcher Arsch klopft am frühen Morgen an meine Tür!“, fluchte Billy DeWitt und stieg ächzend die Holztreppe nach unten. Jemand hämmerte unablässig gegen die alte, marode Eichentür. „Ja, verdammt! Ist ja gut! Bei Gott, wenn du Arsch nicht gleich aufhörst, brech ich dir jeden einzelnen, verdammten Knochen!“ Er langte nach dem gußeisernen Baseballschläger, der neben einer kleinen, hübschen Kommode stand, beschimpfte die letzten Schritte den penetranten Klopfer und öffnete dann die Tür. „So, du Pisser! Jetzt zeig ich dir, wo der Hammer hängt!“ Mit einem wilden Keuchen schwang er den Schläger durch die Luft. Aber anstatt das Geräusch eines berstenden Schädels zu hören, wurde DeWitt von der Wucht seines eigenen Schlages herumgewirbelt und stieß unsanft mit dem Kopf gegen den Türrahmen. Stöhnend rutschte er zu Boden. Langsam sah er nach oben. „Scheiße... Du?“
Ein kleiner Junge beugte sich über den alten Mann und sah ihn mit großen Augen an. „Das hat bestimmt weh getan, Mister DeWitt, Sir.“ Es war Jonathan Franklin aus dem Kinderheim, das eine Meile außerhalb der kleinen Stadt lag. „Warten Sie, ich helfe Ihnen!“ Mühsam half er DeWitt, wieder aufzustehen.
Billy fasste sich an den Kopf. „Ohhh... Ohhh nein...“ Dann betrachtete er ungläubig Zeige- und Mittelfinger seiner linken Hand, die mit Blut beschmiert waren. Er fühlte sich noch etwas unsicher auf den Beinen, aber er war stark genug, um den Jungen eine leichte Kopfnuss zu verpassen. „Elender Bengel, was hab ich dir und den anderen gesagt? Hm?“ Schuldbewußt senkte Jonathan den Kopf. „Ja, genau. Morgens bin ich unausstehlich, verdammt!“ Er schob den Baseballschläger mit dem Fuß weg und spuckte aus. „Na fein. Und was gibt’s so dringendes, Jonathan? Hm?“
„Da sind zwei fremde Männer in der Stadt, Mister DeWitt, Sir. Sie sind bestimmt wegen der Belohnung hier.“ Der Junge sprach schnell und hastig, dabei wippte er von einem Bein zum anderen, als ob er dringend zur Toilette mußte. „Wegen der Belohnung, Sir. Wegen unserer Lilly, Sir. Bestimmt sind sie deswegen hier, Sir, Mister DeWitt.“
Billy tätschelte Jonathan die schmutzige, eingefallene Wange. „Nun beruhig dich mal, mein Kleiner. Hast du schon was gegessen?“ Der Junge schüttelte den Kopf. „Da, schau!“ Er zeigte zu einem Hundenapf, in dem verschimmeltes Fleisch lag und von unzähligen Maden bedeckt war. „Greif nur zu!“, ermunterte Billy den unsicher dreinschauenden Knaben. Als dieser langsam auf den Napf zuging, lachte er laut auf und rief: „He, Moment mal! Komm ins Haus! Ich hab frisches Brot gebacken. Wir sind doch keine Nigger, nicht wahr?“ Immer noch lachend ging er mit Jonathan ins Haus. Beide frühstückten ausgiebig und machten sich anschließend auf den Weg ins ‚Tongue‘.
Gelangweilt warf Ruby getrocknete Sonnenblumenkerne in ein leeres Glas, das ein paar Schritte entfernt auf einem Tisch stand. Sein Kumpel Jerry befingerte eine schlecht geschminkte Frau, gab ihr gefälschte Geldscheine, die sie in der Nähe Mexikos erbeutet hatten, und durfte dafür seine Zunge tief in ihren Rachen stecken. Ruby schätze die Frau auf über vierzig. Ihm war es egal. Frauen waren ihm egal. Jerry war jede Möse recht, solange sie über einundzwanzig und unter fünfundfünfzig war. „Da gibt es einen Job...“, murmelte Ruby und schnappte sich eine neue Ladung Sonnenblumenkerne. „Da gibt es eine fette Belohnung...“ Seufzend trank er das verschmierte Glas Whiskey leer. „Ein bißchen Monsterhatz...“ Er nickte dem dicken Typen hinter dem Tresen zu und zeigte auf das Glas. Dann sah er zu Jerry. Geradezu ekelhaft, wie der Kerl seine Finger zwischen den fetten Schenkeln der Schlampe verschwinden ließ. „He, Mann!“ Der Wirt stellte ihm ein neues, bis an den Rand gefülltes Glas hin. Wortlos langte Ruby in die Hosentasche und fingerte einen zerknüllten Geldschein hervor, den er achtlos auf den Tresen warf. „He, Jerry! Verdammt!“
Endlich sah Jerry zu ihm. „Was?“ Die Frau flüsterte ihm etwas ins Ohr und entfernte sich. Grinsend sah Jerry ihr nach, wie sie ihren massigen Körper die Treppe nach oben wuchtete und in einem der Zimmer verschwand. Pfeifend setzte er sich zu Ruby an den Tresen. „Was?“, fragte er eneut.
„Ich hab nachgedacht...“
„So? Hast du also?“
„Ja, und weißt du was?“ Ruby trank das Glas leer. „Monsterhatz... Ich meine... Verstehst du?“
„Schon klar was du meinst, Kumpel.“ Jerry lächelte und bestellte sich ein großes Bier. „Und gib mir ein sauberes Glas, Dicker!“ Er wandte sich Ruby zu und sagte leise: „Aber so stand es in der Anzeige. Weißt du noch? ‚Zwanzigtausend Dollar für eine Stunde Monsterhatz. Nur ernsthafte Zuschriften erwünscht.‘ So stand es auf diesem kleinen Zettel, den wir den beiden Wichsern abgenommen haben. Weißt du das noch? Ruby?“
„Ja...“, antwortete Ruby gequält. Das war vor zwei Tagen gewesen. Da hatten sie den komisch aussehenden Wagen (Bei Gott, wie in einem billigen Science Fiction Film!) mitten in der Wüste angehalten, die beiden dicken Männer durch gezielte Kopfschüsse getötet und den Wagen sowie die Klamotten durchsucht. Und Jerry war auf diesen Zeitungsschnipsel gestoßen: ‚Zwanzigtausend Dollar für eine Stunde Monsterhatz. Nur ernsthafte Zuschriften erwünscht.‘ Ehe es sich Ruby versah, saß er mit Jerry in diesem komischen Wagen und fuhr Richtung Süden. „Improvisation!“ hatte Jerry gesagt, als er ihn gefragt hatte, wie er sich das vorstellte. „Hm.“ war alles, was Ruby darauf zu sagen vermochte. Und jetzt saß er in einer heruntergekommen Spelunke names ‚Tongue‘, trank billigen Fusel und schnippte getrocknete Sonnenblumenkerne durch die Gegend. Ach verdammt, dachte er. Bei dem einen hatte er viermal abdrücken müssen, bis das Arschloch sich nicht mehr rührte... „Ich nehm noch einen!“, brummte er dem Wirt zu. „Bring mir am besten gleich die ganze Flasche.“ Er sah, wie Jerry das Bier betrachtete und mit den Lippen schnalzte. „Und ein sauberes Glas, wenn ich bitten darf!“
„Jedenfalls werde ich die Zeit noch nutzen, Kumpel.“ Jerry grinste ihn an.
„Oh, du meinst das fette Weib? Hast du es so nötig, dass du so tief sinkst?“
„Du bist doch bloß sauer, weil weit und breit kein behaarter Arsch für dich zur Verfügung steht!“, entgegnete Jerry trocken und wischte sich Schaum vom Mund.
Ruby wollte etwas sagen, als die Tür aufging und ein alter Mann herein kam.
„Sie müssen Harold Bauer und Norman Switzerman sein, meine Herren.“ Billy DeWitt strahlte bis über beide Ohren und ging zum Tresen. „Oh, haben Sie abgenommen? Auf den Fotos sahen Sie etwas, nun... Ich möchte nicht unhöflich sein, aber... Bei Gott, wie haben Sie soviel Gewicht verloren? Sie sind doch nicht krank, oder? Das würde der Sache nicht dienlich sein, bei Gott nicht, verflucht!“ Besorgt berührte er die beiden Männer, die ihn etwas verwundert ansahen. „Und... He?“ Billy runzelte die Stirn, als er den alkoholisierten Atem der beiden roch. „Sie haben getrunken?“
Jerry rettete die Situation. „Oh, vergaßen wir das zu erwähnen, Mister... Ähm?“
„Billy DeWitt“, sagte der Mann und trat einen Schritt zurück. Dabei sah er zu dem dicken Typen hinter dem Tresen, der nur mit den Schultern zuckte und dann weiter Gläser spülte.
„Richtig.“ Jerry lächelte freundlich. „Die lange Fahrt, Sir. Die trockene Luft, die unerträgliche Hitze... Und DeWitt ist ja auch kein geläufiger Name, wissen Sie?“
„Hier in der Gegend schon“, sagte Billy.
Ruby stand auf und fuhr sich durch sein Haar. „Also, was ist jetzt mit den zwanzigtausend Dollar?“ Er bemerkte den wütenden Seitenblick seines Kumpels nicht und fuhr fort. „Was meinen Sie mit Monsterhatz? Sollen wir ein wildes Tier erlegen? Einen Bären vielleicht?“
„Oh nein, nicht doch!“, wimmelte Billy ab und hob die Hände etwas nach oben. „Sagen Sie, Sie sind doch keine Betrüger?“
Jerry stellte sich vor Ruby. „Nein, Sir. Wir sind Harold Bauer und Norman Switzerman. Zu Ihren Diensten, Sir.“
Grübelnd kraulte sich DeWitt seinen dichten, verlotterten Bart. „Die ganze Stadt hat zusammengelegt. Es wäre schade, wenn alles umsonst wäre.“ Er bestellte sich einen Kaffee. „Und gib mir eine saubere Tasse, Russel, okay?“ Der Wirt nickte und drückte einen Knopf an der Espressomaschine.
Seltsam, dachte Jerry. Eine Espressomaschine? Warum, zum Teufel... Er wischte den Gedanken zur Seite und trank das Glas Bier leer. Er hob den Daumen und sagte zu Russel: „Das war hervorragend, Russel.“ Bei Gott, das führt zu nichts! Scheiße! Er sah zu Ruby, der nervös mit einem Sonnenblumenkern hantierte. „Also, Mister DeWitt, Sir. Vielleicht lassen wir die ganzen Mißverständnisse einfach links liegen und machen uns an die Arbeit, hm?“
Der alte Mann rührte in seinem Kaffee. „Ohhhh... Gut, gut.“ Er kniff die Augen zusammen. „Dann zeige ich Ihnen das Feld, einverstanden?“
„Ich bitte darum.“ Freundlich lächelte Jerry DeWitt an. Gleichzeitig trat er Ruby sanft auf die Füße. „Nicht wahr, Harold?“
Es dauerte zwei Sekunden, aber dann hatte Ruby begriffen. „Oh, selbstverständlich, Norman!“
„Folgen Sie mir mit Ihrem Wagen, Gentlemen.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, ging Billy nach draußen.
„Wahrscheinlich wirklich nur ein wildes Tier, Ruby“, murmelte Jerry. Die dicke Frau kam aus dem Zimmer und lehnte sich über das Geländer. Ihre Brüste platzten fast, so eng hatte sie das Kleid geschnürt. „Später, Süße! Später!“ Jerry winkte ihr zu. Dann boxte er seinem Kumpel gegen den Arm. „Komm schon! Holen wir uns das verdammte Geld!“
Als die beiden das ‚Tongue‘ verlassen hatten, sah Russel nach oben und schüttelte den Kopf. Die Frau nickte enttäuscht und ging zurück in das Zimmer. „Tja, Lilly. Da wirst du viel Spaß haben...“ Schulterzuckend schenkte Russel sich einen Kaffee ein. „Hmmm...“ Er zog begierig das Aroma durch seine fleischige Nase ein. Es geht doch nichts über französische Mischung, dachte er zufrieden.
Der uralte Truck vor ihnen fuhr gemächliche zehn Meilen pro Stunde. Jerry trommelte nervös mit den Fingern auf dem Lenkrad. „Gott, was fährt der Typ so lahmarschig?“ Er brauchte dringend eine Zigarette, aber dummerweise hatte er seine Schachtel bei dem Überfall auf die beiden ehemaligen Besitzer des Wagens, in dem sie fuhren, verloren. Im ‚Tongue‘ hatte er ein Schild gesehen: ‚Rauchen unerwünscht!‘ Blöde Hinterwäldler, dachte er grimmig. „Ruby, was machst du da?“
Ruby saß auf der Rückbank und öffnete verschiedene Kisten und Schachteln, die er aus dem hinteren Teil des Wagens hervorholte. „Mann, in was für eine Scheiße hast du uns da reingeritten?“ Fast ängstlich betrachtete er eine merkwürdig geformte Waffe, die er in seinen Händen hielt. Wenn man sich viel Mühe gab, konnte man erkennen, dass es eine Art Schrotgewehr war, nur mit allerhand... „Mann, was da alles blinkt und glitzert...“ Vorsichtig legte er das Ding zurück in die Schachtel. „Hoffentlich fliegt uns das Zeug nicht um die Ohren. Wen haben wir denn da kalt gemacht, verdammt? Etwa Typen von der Regierung? Jerry?“
„Sei still!“, herrschte Jerry Ruby an und bremste den Wagen ab. „Wie sind da, glaube ich.“
Ruby kroch ächzend auf den Vordersitz zurück und sah nach vorn. „Aha... Und wo sind wir?“
„Keine Ahnung. Das wird wohl das Feld sein, von das der Typ gesprochen hat. Los, steigen wir aus.“
„Ich weiß nicht so recht. Langsam wird mir die Sache unheimlich.“ Unwillkürlich begann Ruby an seinen Fingernägeln zu kauen.
„Los! Aussteigen! Oder ich behalte das Geld für mich!“ Jerry zog Rotz durch die Nase hoch und schluckte ihn runter. „Wird schon schiefgehen!“
Der Gedanke, dass Jerry das Geld für sich allein abgreifen könnte, bereitete Ruby Kopfschmerzen. Zögernd öffnete er die Wagentür und stieg aus. Billy DeWitt kam mit großen Schritten auf sie zu. „Oh Gott“, murmelte Ruby. „Lass mich bitte hier wieder heil rauskommen, ja?“
Das Feld entpuppte sich als eine weitläufige Koppel, wie man sie aus dem Fernsehen kannte. Es fehlten nur noch die Cowboys, die die wildesten Pferde durch gutes Zureden und scharfe Sporen besänftigten. Die Koppel, so konnte Jerry es überblicken, war quadratisch und maß gut vierhundert Meter auf allen Seiten. Innerhalb der Koppel befand sich nur Staub, während draußen saftiges Grün die ganze Szenerie klischeehaft verfeinerte. Mein Gott, dachte er. Was für ein Anblick. „Hier möchte man alt werden, Mister DeWitt, Sir“, sagte er laut.
Billy wischte sich Schweiß von der Stirn und nickte. „Es ist auch ein guter Ort. Nur Lilly bereitet uns Kopfzerbrechen.“
„Lilly?“, fragte Ruby und sah sich unsicher um. „Wer ist Lilly?“
Verwundert kraulte der alte Mann wieder seinen Bart. „Aber das haben wir doch am Telefon ausgiebig besprochen, Gentlemen. Lilly ist...“
Jerry winkte ab. „Na klar wissen wir, um was es sich bei Lilly handelt. Also, dann gehen wir es mal an, oder?“ Er bemerkte, wie mehr und mehr Menschen sich um die Koppel versammelten. „Oh, wir haben sogar Publikum?“
„Ja“, sagte DeWitt. „Die Wetten stehen gut, dass Sie es schaffen.“
„Wetten?“, frage Ruby.
„Wetten?“ Jerrys Augen bekamen einen merkwürdigen Glanz. „Hier wird gewettet?“
„Ohhhhh... Natürlich. Jedes Mal, Mister Switzerman. Der Pott ist mittlerweile ganz schön angewachsen, Sir.“ Billy grinste zufrieden.
„Wieviel?“ fragten Jerry und Ruby gleichzeitig.
„Ach, vielleicht achttausend Dollar...“
Ohne zu Zögern packte Jerry den Mann am Arm. „Wir wetten mit.“
„Wie bitte?“ fragten Ruby und DeWitt gleichzeitig.
„Wenn mein Partner und ich es schaffen, dann bekommen wir den Jackpot noch dazu. Wenn nicht, behalten Sie den tollen Wagen. Glauben Sie mir, mit dem ganzen Zeug da drinnen...“ Jerry machte eine wichtige Geste. „Das ist fast doppelt soviel wert, wie Ihr Pott, Sir.“
Billy zuckte mit den Schultern. „Von mir aus. Mir ist es gleich, Hauptsache, das Problem wird endlich gelöst.“
Er ist verrückt geworden, dachte Ruby entsetzt, als er zu Jerry sah. „Ähm... Wieviele haben es denn schon versucht?“, fragte er DeWitt.
„Ach... So an die fünfzehn. Vielleicht sogar zwanzig. Der kleine Jonathan da drüben weiß es genauer.“ Er zeigte zu einem Jungen, der ihnen zuwinkte. „Winken Sie zurück, der arme Kerl stammt aus dem Kinderheim hier.“ Jerry und Ruby machten einen Gruß. „Schön, das freut den Bengel bestimmt. Aber nun zum Geschäft, meine Herren.“ Billy ging zur Koppel und öffnete ein kleines Tor. „Wollen Sie keine Waffen mitnehmen?“
Jerry wies Ruby an, aus den Kisten und Schachteln ein paar von den seltsamen, wie Waffen aussehende Dinger zu holen. Er ballte die Faust und hob sie in die Höhe. „Wir machen das schon!“, rief er laut und erntete spärliches Klatschen.
Ruby kam zurück. „Hier.“ Er gab Jerry eine... „Ich weiß nicht, was es ist.“, sagte er leise.
„Nun, es hat einen Abzug.“ Jerry grinste seinen Kumpel an. „Holen wir uns das Geld!“
„Viel Glück, Gentlemen!“, wünschte Billy DeWitt und schloss das Tor, nachdem Jerry und Ruby in die Koppel gingen. „Viel Glück...“
„Was nun?“ Er und Jerry hatten die Mitte der Koppel erreicht. Nichts passierte. Ein lauer Wind verschaffte Abkühlung. Ruby suchte eine Art Sicherungshebel an seinem... „Verdammt, wie funktioniert das Teil?“
Jerry zeigte auf einen kleinen Hebel. „Da! Da steht ‚S‘. Das kenne ich noch, als ich bei den Marines war.“
„Du warst wo?“
„Bei den... Ruhe! Spürst du das?“
„Ich...“ Dann nahm auch Ruby es war. Die Erde begann leicht zu beben. Sie hatten Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Plötzlich wurde wie von Geisterhand eine Plane weggezogen, die weder er, noch sein Kumpel vorher bemerkt hatten. Etwa zwanzig Meter neben ihnen klaffte ein dunkles Loch, aus dem ein komisches Geräusch kam. „Jerry? Was ist das?“ Ängstlich zielte Ruby mit dem... (Scheiße Mann! Es ist eine Waffe!) Er zielte mit seiner Waffe auf das Loch. „Jerry?“
Ruhig überprüfte Jerry seine Waffe. „Da kommt unser Geld, Ruby. Sei auf alles gefaßt!“ Seit sie die Koppel betreten hatten, wünschte er sich, alles irgendwie nochmal von vorn beginnen zu können. Highschool. Ausbildung. Zeug eben... Doch nun... „Sei auf alles gefaßt, Ruby!“ Das Geräusch wurde lauter. Er glaubte, ein Brüllen zu hören. Wie von einem... Bei Gott, ich schwöre, nie wieder einfach so zwei dicke Typen in einem komischen Wagen aus Hollywood umzubringen. Bei Gott, das schwöre ich, so wahr ich hier stehe und Jerry Palmer heiße. Er wußte, das jeden Moment ein Etwas... Lilly... aus diesem schwarzen Loch hervorkommen würde. Und er wußte, dass dieses Etwas... Lilly... drauf und dran war, sie beide zu töten. „Ruhig, Ruby! Ruhig! Ruhig!“ Und dann sprang plötzlich Lilly aus dem dunklen Loch.
Verblüfft ließen Jerry und Ruby ihre Waffen sinken.
„Was...“, stammelte Ruby und ging schwer atmend in die Hocke. Er übergab sich.
Jerry starrte auf Lilly. „Was zum Teufel geht hier vor?“ Vor ihnen stand ein kleines Kalb. Es war schwarzweiß gefleckt. Und es war eindeutig ein kleines Kalb. Das sollte Lilly sein? Die große, zwanzigtausend Dollar Gefahr sein? Er begann zu lachen. Erst tief in seinem Inneren. Dann brach es aus ihm heraus.
Ruby lag im Staub, neben sich Erbrochenes. Er sah Jerry, wie dieser sich den Bauch hielt vor Lachen. Und er sah noch was anderes. Ein großes Tier. Eine überdimensionale Ausgabe von Lilly, die sich ihnen von hinten näherte. Bei Gott, dachte er. Bei Gott! „Jerry...“
„Was?“ Jerry holte tief Luft und zielte auf Lilly. „Leicht verdientes Geld!“, flüsterte er lächelnd. Sein Finger krümmte sich um den Abzug. Eine Sekunde noch, dann...
Ruby schloss die Augen. „Jerry! Großer Gott!“
Bevor Jerry abdrücken konnte, bemerkte er den Schatten, der größer und größer wurde. Es dauerte nur einen winzigen Moment, dann verstand er. Panisch drehte er sich um. Entgeistert starrte er in die Luft. „Oh Nein!“ Er roch Abfall und Verwesung. Dunkelheit umgab ihn. Es gab ein kurzes Knacken und er verlor das Bewußtsein.
„Was...“ Ruby war nicht imstande, aufzustehen. Er wendete sein Gesicht ab und Sekunden später fühlte er nichts mehr. Es war vorbei.
Billy DeWitt und Jonathan Franklin standen vor Lilly. „Brav!“, sagte Billy energisch und streichelte sanft die riesigen Nüstern des Tieres. „Brav, Lilly!“ Das Tier schnaubte, und er und der kleine Junge mußten sich festhalten, um nicht umzukippen. „Ruhig, Lilly! Ruhig!“
Jonathan starrte das Tier fasziniert an. „Wie konnte es nur so groß werden? So groß?“
„Weißt du?“, sagte Billy fast familiär. „In der Natur ist alles möglich.“ Er gab Lilly einen Kuss. „Ja, troll dich, altes Mädchen! Nur zu!“ Lilly stapfte davon, jeder Schritt von ihr ließ die Erde erbeben. „Jetzt müssen wir nur noch irgendwie die komischen Waffen an den Mann bringen. Geld für euer Kinderheim! Vielleicht mögen die siffigen Südamerikaner was davon haben...“
Jonathan machte ein erwartungsvolles Gesicht. „Uns wird es gut gehen?“
„Na klar!“, brummte Billy. „Weißt du. Wir hatten vielleicht sogar Glück, dass diese zwei Hochstapler die echten Switzerman und Bauer erwischten. Ach, ich weiß auch nicht, Kleiner.“ Sie sahen Lilly wehmütig nach, die in weiter Ferne immer noch riesig wirkte. „Irgendwann ist es vorbei.“ Billy lächelte. „Ich hoffe nur, dass ich bis dahin den Pott kassiere...“
ENDE
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13.04.2003