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Leere Gedanken
Leere Gedanken
Schweigend sitzt er in seiner Dachkammer am alten Sekretär und stützt sich müde auf das alte, trockene Holz. Es ist bereits nach Mitternacht und die eigentlich Licht spendende Kerze nichts weiter als ein verglimmender Stumpen. Die Feder, mit der er bereits dutzende meisterhafte Arbeiten verrichtete, bleibt seit einer Weile unbenutzt im Tintenfass stecken. Tag für Tag, Woche für Woche geht das nun schon so. Ist er einfach nur überfordert von der vielen Arbeit? Nun ja, das hat ihm früher auch nicht viel ausgemacht, als es anfing und die Leute sich für seine Arbeiten interessierten. Ganz im Gegenteil, er konnte so sogar bedeutend bessere Arbeiten vollbringen. Hat er einfach schon zu viel bedeutende Arbeiten niedergeschrieben? Das kann es auch nicht sein, denn sein Notizbuch ist voll von Ideen und Einfällen, welche er nur noch zu Papier bringen muss. Er nickt kurz ein, war jedoch sofort wieder wach, da sein Kopf aus seinen Händen fiel. Er greift zum Glas und nimmt den letzten Schluck daraus. Es ist nur Wasser. Könnte es daran liegen? Fehlt im der Alkohol um seine Ideen und Einfälle kreativ zu Papier zu bringen? Eine Möglichkeit, doch nicht die Wahrscheinlichste. Er hat zuvor schon meisterhaftes geleistet und während der Schreibphase keinen Tropfen Alkohol angerührt. Nein es muss etwas anderes sein. Es muss da etwas in ihm selbst geben, das ihn blockiert. Auf eine andere Art und Weise. Er merkt es selbst schon seit langer Zeit, kommt jedoch nicht darauf, wie er es beschreiben, ja geschweige denn erklären soll. Es ist keine Fremdeinwirkung, die ihn beeinflusst. Weder die Trennung seiner Frau noch den damit einhergehenden Verlust seiner Besitztümer. Ja noch nicht einmal der Tod seines Kindes hat etwas damit zu tun. Seltsam, dass er sich in dieser schweren Zeit nicht nach dem Alkohol sehnt. Kurze Gedankenblitze schießen ihm in den Kopf, welche er jedoch gleich wieder vertreibt wie einen bösen Geist. Er lehnt sich abermals zurück und reibt sich seine müden Augen. Dann blickt er durch das kleine Dachfenster und erblickt nichts. Es ist einfach nur schwarz draußen. Es sind weder Mond, noch Sterne in irgendeiner Weise zu erkennen und es sind auch keine Laternen oder eine andere Art von Beleuchtung draußen an. Es kommt ihm so vor, als sei er ganz alleine auf der Welt und nichts sei mehr hier, außer er und seine Kammer mit den wenigen Sachen. Ungläubig steht er auf, tritt an das Fenster heran und wagt einen Blick nach draußen. Tatsächlich verändert sich sein Eindruck von der Lage nicht. Keine Laternen, keine Sterne, ja noch nicht einmal Häuser sind zu sehen. Er ist alleine auf dieser Welt und es existiert nichts als Dunkelheit um ihn herum. Dunkelheit, die sich jedoch angenehm anfühlt. Lange Zeit bleibt er am Fenster stehen und schaut ins Leere, ohne dabei eine Regung zu zeigen. Sie verzaubert ihn,ja zieht ihn sogar völlig in ihren Bann. Geborgenheit kommt seit langer Zeit wieder in ihm auf. Mut und Einsicht, dass alles besser wird durch diese umhüllende Dunkelheit. Nun erkennt er, was sie wirklich bedeutet und versteht nun auch sein Innerstes. Sein Problem, weshalb er seit Wochen nicht mehr seine Schreibfeder anrührt. Er ist leer. Und wie ist die Welt um ihn herum? Voller Dinge, Eindrücke, Menschen und Geschichten. Dabei will er das alles gar nicht mehr. Nun hat er aber etwas, mit dem er sich identifizieren kann. Dunkelheit, Leere. Denn nichts ist mehr auf dieser Welt, außer er und seine Kammer. Sein Refugium der letzten Monate. Sein Innerstes spiegelt sich in der Szenerie, welche draußen herrscht, wider. Dieses Gefühl der Geborgenheit allein durch diese Existenz von Nichts. Er lässt sich auf seinen Holzstuhl fallen, hält einen Moment inne und merkt, wie er Eins mit der Dunkelheit wird. Er schließt seine Augen und die Kerze erlischt. Nun ist nichts mehr hier. Nur Dunkelheit und Leere.