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Leere Augen
„Man, diese dreckigen Tiere! Sind überall, klauen unser Geld, klauen unsere Arbeit! Verdammt, diese Tiere, sollen raus, sollen gehen.“ Sein Reden könnte schon fast einem Brüllen gleich sein, er räuspert seine verrauchte Lunge, der Dreitagebart war zottelig, die Augen standen tief.
„Aber Vater, wir sind alle Menschen, gehören alle auf diesen Planeten, sind alle eins, du hast mit diesen Menschen ja noch nie gesprochen, du hast ja noch nie versucht, dir ihre Geschichte anzuhören.“ Die Tochter kam zum Punkt, suchte noch einmal einen Funken Verständnis in seinem Blick, hatte aber gemerkt, dass er ihr nicht einmal zugehört hatte. Seine Augen schauten grimmig in die Zeitung, die er sich schnappte, als sie anfing zu reden. Der Blick war von Wut, die eigentlich Trauer war, gefangen. Die Tochter saß schweigend da, merkte, dass hier nichts zu machen sei. Wurde schlagartig traurig, gab auf. Sie seufzte, merkte, dass es einer der letzten Male sein wird, bis sie versteht, warum sie gegangen ist. Und vielleicht bald auch nicht mehr zurückkommen will und wird.
Der Vater weiter verkrampft, die Zeitung so am spannen, dass sie schon knistert, schreit und fast zerreißt. Und er fängt vom neuem an, und er brüllt zum zweiten Mal seine Wut auf Dinge, die er nicht kontrollieren kann, weil er damit einfach nicht umgehen kann. Keine Reflexion, kein Gedanke an die Worte der Tochter verschwendet „Diese elendigen Hunde, Frauen vergewaltigen sie, ihre Religion schleppen sie wie eine Pest ein.“ Seine Wut steigerte und steigerte sich, sein Gesicht schon kurz vorm Platzen, die Adern quellen hervor. Die Tochter fragt sich, was ihn im Leben so wütend gemacht hat, was er hatte erfahren müssen, dass er so war, wie er heute ist. Die Pause seines qualmenden, denkenden Kopfes hatte ein Ende „Attentate verüben sie, machen alles kaputt, töten unsere Kinder und spucken auf ihre Zukunft.“ Kein Blick zu der Tochter, kein Gedanke auf seine Worte. Die Tochter nun nicht mehr still, die Tochter zerrissen. Ein Mix aus jedem Gefühl, was diesen Hass beschreiben könnte.
Sie nimmt, reißt die Zeitung schon förmlich aus seiner Hand. „Dass du dich nicht schämst, was aus dir geworden ist.“ Leere Augen blicken in die wütende Seele seines eigenen Fleisches. Hinter all dem Hass war es leer. Und so wird es auch der Tochter klar.