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Lebenswechsel
Er rannte durch die Nacht, immer weiter. Die Nacht war dunkel und es regnete in Strömen. Ein heftiges Gewitter war über ihm, und es war kein Mensch auf der Strasse zu sehen. Er rannte und rannte. Seine Klamotten waren schon klitschnass und rannte durch die dunkle Nacht mit seiner Tasche und seinem Regenschirm, den er nicht aufgemacht hatte. Er hatte es einfach vergessen. Sein Kopf drehte sich um. Er wollte nicht nach hinten schauen, aber die Bewegung kam automatisch. Er konnte nichts dagegen tun, die Angst steuerte seine Bewegungen. Er rannte dabei weiter und als sein Kopf den Wendevorgang abgeschlossen hatte, beschleunigten sich seine Schritte noch ein wenig, obwohl er das kaum für möglich gehalten hätte.
Er wurde verfolgt, so viel war klar. Der Rest war noch im verregneten Dunkel der Nacht versteckt und er wollte es auch gar nicht wissen. Er wollte einfach nur in Ruhe gelassen werden und deshalb rannte er immer weiter durch die Nacht, obwohl seine von Zigaretten teerschwarzen Lungen nicht mehr viel hergaben. Er war erschöpft und kämpfte für seinen Vogel, den er immer dabei hatte. Sein Vogel, ein Adler, saß auf seiner Schulter und gab ihm Anweisungen darüber, in welche Richtung er laufen sollte. „Rechts“, krächzte er, und Simon bog nach rechts ab. Er hörte wieder diese Geräusche und seine Angst wurde immer größer. „Lauf´ schneller“, sagte der Adler und er bemühte sich, schaffte es aber nicht. Er war verloren, das wusste er. „Schneller“, hörte er wieder und holte noch einmal die letzten Kraftreserven aus seinen Muskeln, bevor sein Kopf anfing, zu dröhnen. Er packte sich mit den Händen an den Kopf, warf ihn nach hinten, aber er konnte nichts mehr machen. Er sah, wie sein Adler in den regnerischen Nachthimmel flog und ihn alleine ließ. Er selber blieb jetzt stehen. Sie hatten ihn und er würde ihnen nicht mehr entkommen können. Sein Kopf tat ihm weh, dröhnte unaufhörlich und er schlug ihn hin und her, damit dieses Dröhnen aufhörte, aber es gelang ihm nicht. Sein schmerzverzerrtes Gesicht zeigte den Kampf, den er gerade verlor. Es hörte auf zu regnen und seine Augen schickten Bilder an sein Gehirn, die sein inneres Auge noch nie gesehen hatte. Er wusste gar nicht mehr, wie das Leben vorher war und seine Angst war verflogen. Die brauchte er jetzt nicht mehr, da andere auf ihn aufpassten. Er zeigte Freude an den neuen Dingen und begann zu lächeln. Einen Tag später bekam er den Adler wieder. Er wurde ihm in einem Käfig überreicht, was er als völlig normal ansah. Der Adler sprach aber nicht mehr. Das hatte man ihm abgewöhnt. Er bekam einen Schlüssel, man sagte ihm, wohin er wann gehen sollte und wohin er nie mehr gehen sollte, was er wann machen sollte und was nie mehr und er lebte bis zu seinem Tode mit dem Bewusstsein, das Glück gefunden zu haben.