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Lebenshaltestellen

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21.03.2003
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Lebenshaltestellen

Ich führe ein aktives Leben. Dennoch plagt mich seit früher Jugend ein Gefühl, mein Leben und meine Möglichkeiten nicht ausreichend auszuschöpfen. Ich spreche jetzt nicht von Karriere oder Beziehungen. Doch in gewisser Weise auch davon. Aber was ich primär meine, ist ein Gefühl, mehr mit sich und dem Körper anzufangen, nicht so viele unbefriedigende Leerlaufzeiten zu haben. Früher, als ich noch zur Schule ging, hasste ich das Warten an den Bushaltestellen und es wuchs die Angst in mir, dass ich noch als Erwachsener an Bushaltestellen stehe und warte und nur damit beschäftigt bin, keine Anfälle zu bekommen. Denn Erwachsene leben genauso, dachte ich damals und denke ich immer noch, egal wo man hingeht, sie leben immer so als warten sie gerade auf den Bus. Darin liegt kein Genuss, kein Gewinn für die Zukunft, im Gegenteil man akzeptiert und lernt zu warten, man stumpft ab. Auf den Bus warten ist wie sterben, nicht so ganz, das geschieht erst, wenn man tatsächlich begraben wird, aber man eignet sich Verhalten an, das nur dazu dient, sich ruhig zu stellen, sich sterbend zu stellen. Damals begann es auch, dass ich anfing Jungens zu beneiden. Nicht alle, vielmehr die, die ich im Grunde verachtete, ja es klingt komisch, aber ich verachtete die Burschen, die kein Benehmen haben, sich in keiner Weise um ihre Schulleistungen kümmerten. Aber ich beneidete, wie sie sich an der Bushaltestelle amüsierten, sie hatten einen Ball dabei oder prügelten sich oder gingen einfach unverschämt mit den umherstehenden Mädchen um. Ich wollte nicht so werden wie einer von ihnen, aber ich dachte, wenn ich Junge wäre, dann würde ich in der Schule gut sein und würde da alles mitnehmen und Zeit nutzen und gleichzeitig würde ich die Zeit an der Bushaltestelle nutzen, mit Dingen die Jungen nun mal Spass machen, Wasserbomben schmeißen usw.
Und dann irgendwann fragte ich mich, inwiefern sind Jungen denn anders? Was macht sie anders und es dauerte nicht lange und ich kam zu der Kernfrage, die mich bis heute nicht loslässt: Wie bin ich denn eigentlich? Diese Frage und das Gefühl in meinem Leben, dass ich meiste Zeit am Tage im Grunde nichts anderes mache, wie damals, als ich auf den Bus wartete macht mich unzufrieden, es macht mich unglücklich und lähmt mich und ist der Grund dafür, dass ich manchmal gar nichts mehr tun mag, weil ich denke, letztlich ist es nichts anderes als auf den Bus zu warten.
Ich will mehr Leben, zumindest wissen ob da mehr Leben möglich ist. Könnte ich wenigstens ausschließen, dass es da keine Alternativen gibt, dass ein Großteil des Lebens nun mal für alle immer so ist wie das Warten auf den Bus, dann könnte ich es akzeptieren und damit umgehen. Aber das ist es ja nicht, manche leben an den Bushaltestellen des Lebens regelrecht auf; und das will ich auch, überall aufleben!

 
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Hallo Schriftbild,

ich konnte mich beim lesen Deiner Geschichte auf Anhieb mit dem von Dir beschriebenen Gefühl der "ungelebten, verplemperten Momente des Lebens" identifizieren, keine Frage. Ich persönlich finde es schrecklich das ich ein Drittel meines kostbaren Daseins (ver)schlafen muss.

Die grundsätzliche Botschaft Deiner Gedanken kommen gut rüber.

Was mich ein wenig stört: es fehlen Absätze, ich empfinde es ein wenig erdrückend wenn ich geballt Zeile für Zeile aneinandergereiht lese. Auf Schreibfehler möchte ich nicht aufmerksam machen, die passieren mir selber und den meisten anderen auch.

Was ich nicht sofort verstanden habe und evtl. falsch interpretiere:

>>damals begann es auch, dass ich anfing Jungens zu beneiden. Nicht alle, vielmehr die, die ich im Grunde verachtete, ja es klingt komisch, aber ich verachtete die Burschen, die kein Benehmen haben, sich in keiner Weise um ihre Schulleistungen kümmerten. Aber ich beneidete, wie sie sich an der Bushaltestelle amüsierten, sie hatten einen Ball dabei oder prügelten sich oder gingen einfach unverschämt mit den umherstehenden Mädchen um. Ich wollte nicht so werden wie einer von ihnen, aber ich dachte, wenn ich Junge wäre, dann würde ich in der Schule gut sein und würde da alles mitnehmen und Zeit nutzen und gleichzeitig würde ich die Zeit an der Bushaltestelle nutzen, mit Dingen die Jungen nun mal Spass machen, Wasserbomben schmeißen usw.<<

Ich habe es interpretiert als Ungerechtigkeitsempfinden gegenüber dem männlichen Part unserer Gesellschaft. Mädchen werden nicht "bewundert" wenn sie sich an Bushaltestellen prügeln.
Frauen mit auffälligem Lebensstil werden kritischer beobachtet?

Mir kam der Gedanke das Du lieber ein Junge gewesen wärst, erst im letzten Abschnitt der Geschichte wirkte es auf mich dann wieder "allgemein"

Lieben Gruss
Iris

 

Ja, stimmt das mach den Text unlesbar, andererseits ist er au den ersten Blick zu üerblicken und jeder er disen Text anklickt, weiß sofort, jupp, in zwei Minuten durchgelesen, das trau ich mir zu! Zumindest erhoffe ich mi das.

Ja, sie beneidet wohl Jungen, ist ja auch gar nicht so selten bei Mädchen, zumindest dort nicht, wo emanzipiertes Denken sich noch nicht durchgesetzt hat. Das Übel aber ist, dass man erst zu einer Party hinfahren muss, dass wer in der Schule einen guten Ruf haben will, draußen keine Schlammschlachten veranstalten will. Sie will aber beides, nicht eine Hälfte, ach was, Fünfdrittel wegschmeißen.

Schlaf, also wenn man einen guten Rhythmus hat un müde ist, empfine ich nicht als Verschendung, sondern als Geschenk.

Danke für deinen Beitrag.

 

Hallo Schriftbild!

Eine schöne Geschichte! Ich weiß nicht, ob ich mit meiner Interpretation richtig liege, aber ich verstehe es so, dass die Protagonistin das Gefühl hat, einen Teil ihres Lebens zu verschwenden. Sie hält sich an gewisse Normen, um weiterhin ein "geachtetes" Mitglied der Gesellschaft zu sein. Dabei blickt sie fast neidvoll in die Richtung von Menschen, die nicht in dieses Gesellschaftskorsett gezwängt sind und somit das volle Leben genießen können.

 

Wow, super wenn ich dich erreicht habe. Schade, dass ich die Schranken nicht abschaffen kann.

Und über dich MrPotato freue ich mich ganz besonders.

 

Hallo Schriftbild,

ganz schön desillusioniert, Deine Protagonistin.
Sie vergleicht sich mit anderen, stellt dadurch Unterschiede fest, die zu einer Unzufriedenheit führen, weil sie sieht, wie es sein könnte. Die `Schuld´ wird den gesellschaftlichen Umständen gegeben, philosophischer hätte der Text werden können, wenn man hier eine Alternative (z.B. selbst bestimmtes Handeln) den Ansichten der Protagonistin entgegen gesetzt hätte. Ansatzweise geschieht dies ja im letzten Absatz.
Die Gedanken und der Stil des Textes passen gut zusammen, hab´s gerne gelesen.

Tschüß… Woltochinon

 

Hallo Schriftbild,
was bin ich froh, dass die Bus-Zeiten hinter mir liegen. Gut, die Mobilität und Wartefreie Zeit haben ihren Preis, aber was habe ich es gehasst, irgendwo im Regen zu stehen und auf dieses Gefährt zu warten, dass grundsätzlich zu spät kam. Und überhaupt; was hasse ich es zu warten, egal wo. Ich finde es erschreckend wie sich nach einiger Zeit des Wartens das Hirn scheinbar ausschaltet man einfach in die Leere starrt, ohne über etwas nachzudenken, oder ohne etwas zu tun. Und nach Minuten schreckt man dann hoch und bemerkt wie „tot“ man war.
Nun ja. Ich sehe in deiner Geschichte zwei Handlungen, denn die Sehnsucht nach der „Männlichkeit“ und die Abscheu des Wartens gehören für mich nicht zusammen, aber du hast es gekonnt verbunden. Und wenn du den Text nun noch ein wenig leserlicher gestalten würdest, dann könnte man deine Geschichte als gelungen bezeichnen.

Grüße...
morti

 

Hallo Schriftbild,
auch ich kann genau nachvollziehen, was du mit der Geschichte ausdrücken willst...Vielleicht denken mehr Menschen so, als man glaubt....Gruß, Valdkynd :-)

 

hi schriftbild,
deine gedanken über die vertane lebenszeit kann ich sehr gut nachvollziehen ... alles was ich dir dazu sagen kann ist, daß es an jedem einzelnen von uns selbst liegt, unsere lebenszeit mit sinn zu füllen ... und wenn es in den phasen, in denen einem alles einfach sinnlos erscheint, vielleicht nur die freude über einen sonnenstrahl, über vogelgezwitscher oder über das lächeln eines anderen menschen ist ...

 

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