Leben
Lodernder Hass, brennende Wut in ihren Augen. Worte, die nicht die ihren sind. Er. Liegt am Boden, windet sich unter dem Ansturm ihrer Macht, hört die Worte aus ihrem Mund, sie hämmern in sein Bewusstsein. "Komm, fette Nacht, ziehs Leichtuch um aus Schwadendampf der Hölle!" Dunkle Musik lässt den Raum unter ihrem schweren Rhythmus erzittern. Sie steht über ihm, die Hand fest in sein wirres Haar gegraben. Seine Augen schließen sich, er wartet. "Ihr Geister, die ihr Mordgedanken zeugt!"
Er schwingt die Peitsche. Das Blatt hat sich gewendet. Gier, unendliche Gier durchfließt ihn. Er fiebert. Seine Augen glasig, seine Stimme dumpf. Visionen suchen ihn heim, Visionen der eigenen Macht. Sie beobachtet ihn. Blickt auf ihre Hände herab. Blut. "Hände rot wie Blut." Stimmen. Leise, wispernde Stimmen in ihrem Kopf. Sie versteckt die Hände hinter ihrem Rücken, geht mit strahlendem Lächeln auf ihn zu. "Herr!" Ihre Augen flackern.
Gehetzt blickt er sich um. Wo? Ein gellender Schrei ertönt. Tödliche Stille. Suchende Augen. Worte, die nicht die seinen sind. Der Widerhall ihrer Worte bricht sich in seinem Inneren, immer und immer wieder. Schritte. Schritte von schweren, eisenbesetzten Stiefeln. "Ich stieg ins Blut so tief, dass mir, wollt ich nicht mehr drin baden, Rückkehrn so schwer wär wie hindurchzuwaten." Seine bloßen Füße suchen nach Halt. Er fasst das Schwert fester. Ein Kampf, der nicht der seine ist. Er weiß, er wird nicht gewinnen. Trotzdem kämpft er um sein Leben. Er verliert.
Leise, tappende Schritte. Sie irrt durch die finsteren Gänge. Die Fackel spendet wenig Licht. Zu wenig. Ihre Hände. Sauber und doch voll Blut. Fiebernde Augen. Eine leise, wahnsinnige Stimme erzählt eine Geschichte. Eine Geschichte, die nicht die ihre ist. Plötzlich durchdringt irres Lachen die Stille, Sekunden später hysterisches Schluchzen. Sie schlägt die Hände vor ihr Gesicht. Blut. "Wer hätte gedacht, dass der alte Mann so viel Blut in sich hatte."
Tosender Applaus empfängt ihn. Das grelle Licht blendet. Automatisch fasst seine Hand nach der ihren. Standing Ovations. Eine letzte Verbeugung, dann schließt sich der Vorhang endgültig. Sie ziehen sich um, legen das geborgte Leben ab. Türen klappern, er tritt heraus in die dunkle Nacht. Eine Zigarette glüht auf. Er fühlt keinen Abschiedsschmerz. Warum auch? Morgen Abend wartet sie doch schon wieder: Die Geschichte eines Lebens, das nicht das seine ist.