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Leben verschwendet

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12.01.2003
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Leben verschwendet

Leben verschwendet

Ein Vater schreibt seiner Tochter


27. April 1996

Werte Tochter,

ich schreibe Dir heute, weil ich mich nach Dir erkundigen möchte. Es ist jetzt schon eine Weile her, dass Du von uns gegangen bist. Wir haben lange nichts von Dir gehört. Wie geht es Dir? Arbeitest Du wieder? Melde Dich wieder einmal. Deine Mutter möchte auch wissen, was Du machst.

Dein Vater

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13. August 1996

Werte Tochter,

ich schreibe Dir, weil Deine Mutter und ich wissen möchten, wie es Dir geht. Hast Du meinen letzten Brief nicht bekommen? Wir hoffen, dass alles in Ordnung ist. Vielleicht findest Du ja einmal die Zeit und setzt Dich auch für ein paar Zeilen hin. Wir würden uns darüber freuen.

Dein Vater

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9. Jänner 1997

Werte Tochter,

ich habe Dir letztes Jahr zwei Briefe geschrieben, die entweder nicht bei Dir angekommen sind oder Du hast uns einfach nicht geantwortet. Ich habe mich aber vor Weihnachten bei Deinem Bruder erkundigt und wie er mir bestätigt, stimmt die Adresse noch. Warum antwortest Du uns nicht? Wir wollen doch nur wissen wie es Dir geht und ob alles in Ordnung ist? Sei doch so gut und schreib ein paar Zeilen zurück.

Dein Vater

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15. März 1997

Werte Tochter,

ich habe letztens von Herrn Messner erfahren, dass Du wieder arbeitest. Ein Drogen-Therapie-Zentrum, wenn ich ihn richtig verstanden habe. Deine Mutter hat sich gefreut, als sie erfahren hat, dass Du anderen Menschen helfen willst. Wie geht es Dir sonst? Hast Du gute Freunde? Melde Dich doch einmal.

Dein Vater

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24. März 1997

Werter Vater,

du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich über deine warmherzigen Briefe freue. Sie passen wunderbar in den Vogelkäfig meiner Wellensittiche. Ja, ich arbeite wieder und wie du dich richtig erkundigt hast, helfe ich abgefuckten Junkies, Strichern und Nutten. Böse Worte, aber so ist das in einer bösen Welt. Du siehst, mir geht es wunderbar. Richte Mutter einen schönen Gruß von mir aus.

Deine Tochter

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8. Mai 1997

Werte Tochter,

wir freuen uns, dass Du uns geantwortet hast und auch, dass es Dir gut geht. Ich verstehe auch deinen Missmut, die letzte Zeit war sicher nicht einfach für Dich. Aber es ist wichtig, dass Du wieder eine Aufgabe gefunden hast an der Du Dich aufrichten kannst. Ich denke mir auch manchmal, dass nichts mehr weiter geht, aber dann tut sich wieder ein Licht auf und man kann wieder Hoffnung schöpfen. Wenn ich zwischen Deinen Zeilen lese, sehe ich doch, dass Du wieder Mut gefasst hast und das ist doch gut. Deine Mutter freut sich sehr über Deinen Gruß und möchte ihn erwidern. Es ist schön, wieder in Kontakt zu Dir zu stehen, nachdem wir solange nichts von einander gehört haben. Melde Dich wieder einmal.

Dein Vater

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27. Mai 1997

Werter Vater,

ich weiß nicht genau welcher Teufel dich geritten hat, auf einmal wieder den Kontakt zu mir aufzunehmen. Warum gönnst du uns nicht beiden ein schönes Leben und lässt mich einfach in Frieden? Hat Mutter dich dazu angestiftet? Ich wüsste nicht was wir miteinander zu bereden hätten.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass dein Gedächtnis mittlerweile so lückenhaft ist, dass du nicht mehr weißt, was damals vorgefallen ist. Wenn du also nicht bereit bist Klartext zu reden und dich deiner Vergangenheit endlich zu stellen, wobei ich auch daran kein Interesse hätte, kannst du dir den ganzen Schmus von wegen "wir haben uns sehr gefreut" getrost sparen.

In der Hoffnung, nie wieder von dir und deiner Frau zu hören
Deine Tochter

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7. Juli 1997

Liebe Tochter,

Du machst es mir nicht gerade einfach. Ich möchte Dich mit meinen Briefen in keinem Fall belästigen und ich finde es traurig, dass Du das offenbar so empfindest. Ich verstehe, dass Dir die Vergangenheit zu schaffen gemacht hat, auch für uns war es kein leichter Weg, das kannst Du mir glauben. Aber wir sahen damals keine andere Möglichkeit, weil wir es einfach für richtig hielten.
Jeder lädt in seinem Leben Schuld auf sich, so ist der Mensch. Vielleicht hätten wir Dich damals nicht gehen lassen sollen, das mag rückblickend schwer zu beurteilen sein. Wir haben lange darüber diskutiert und auch bei Pfarrer Lehninger um Rat und Hilfe gebeten. Erst in unseren Gesprächen und Gebeten zu Gott, fanden wir die Kraft, Dir zu verzeihen.
Es tut mir leid, dass diese Einsicht so spät kommt, aber wir haben es uns nicht leicht gemacht, das musst Du mir glauben.
Den Trost, den wir in unserem Glauben und bei unseren lieben Freunden fanden, wünsche ich auch Dir. Vielleicht hast Du ja selbst einmal Kinder und verstehst dann, was wir mit Dir durchgemacht haben.

Ich hoffe und bete für Dich
Dein Vater

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30. Juli 1997

Vater,

ich weiß nicht wo ich anfangen soll. Du hast es geschafft, mich in einen Nervenzusammenbruch zu treiben, sodass ich momentan unfähig bin, meiner Arbeit nachzugehen. Zu meinem Glück hab ich einen wirklich lieben Freund, der für mich da ist, sonst wüsste ich nicht, was ich jetzt täte. Ich hab mir die letzten Wochen wirklich lange und ausführlich überlegt, ob ich dir antworten soll. Nicht wie und was ich dir antworten würde, sondern wirklich OB ich es tun soll, ob du mir das wirklich wert bist. Da ich jetzt hier sitze und diese Zeilen schreibe, scheint es wohl so zu sein. Also lies bitte weiter und hör dir an, was ich dir zu sagen habe, vielleicht ein allerletztes mal, dass du von mir zu hören bekommst.

Es fällt mir unendlich schwer, einen Anfang zu finden, weil du offenbar wirklich nicht verstehen kannst, wie falsch alles ist. Du, Mutter, euer ganzes Leben. Eine einzige große, grausame Lüge. Dein letzter Brief zeigt nur einmal mehr, wie sehr ihr in eurem eigenen Dreck bis zum Hals feststeckt. Du meinst du verstehst, dass mir die Vergangenheit zu schaffen gemacht hat? Zu schaffen gemacht? Ein Test in der Schule macht einem zu schaffen. Du mein lieber Vater und du meine liebe Mutter, ihr habt mich in die Hölle geschickt. Wie kannst du es nur wagen, zu behaupten, ihr hättet mich gehen lassen? Wie kalt und blind und unverfroren bist du eigentlich? Ihr habt mich vor die Tür gesetzt! Verstehst du das? Verstehst du den Unterschied? Ihr habt mich hinausgeworfen, ihr wolltet mich nicht mehr sehen, nichts mehr von mir hören! Ihr habt euer Kind verstossen!
Weißt du, ich muss jetzt fast lachen. Dein ganzes Gehabe von wegen Gott und Glaube und deine ach so langen Gespräche mit dem Pfarrer und deiner Frau. Glaubst du eigentlich noch selbst was du sagst? Was siehst du, wenn du morgens in den Spiegel schaust? Was abends? Ist das noch ein Mensch? Oder nur noch ein schlechter Scherz? Mich würde interessieren, was dir jetzt beim Lesen durch den Kopf geht. Nein, nein, behalt's für dich, ich will es nicht wissen. Oder erzähl es deinem Gott, der scheint ja alles gutzuheißen.

Du hast dich nie einen Dreck um mich geschert. Was ich dachte oder fühlte war dir nicht wichtig. Ganz im Gegensatz zu dem was die Leute sagten. Die Leute. Die ach so wichtigen beschissenen Leute. Und Oma. Und Tante Theresa und Onkel Michael. Und all die anderen ganz ganz wichtigen Leute. Gute Manieren musste ich haben, ja das war wichtig. Und gute Noten. Gott, was war das für eine Schmach, eine Demütigung für euch, als ich mit viehrzehn fast eine Klasse wiederholen hätte müssen. Ich will gar nicht wissen, wie sehr du dem Reinprecht damals in den Arsch gekrochen bist, dass er mich doch durchkommen hat lassen. Von Mutter ganz zu schweigen. Niemand durfte es wissen von den ganz ganz wichtigen Leuten. Euer Kind ist schließlich ein gutes Kind. Da wird nicht sitzen geblieben. Und darüber geredet schon gar nicht.
Meine Freunde waren nicht wichtig. Da habt ihr mir schon darauf aufgepasst, dass sie nicht wichtig wurden. Wer ist denn das? Was macht denn die? Wer sind denn seine Eltern? Blablabla. Bis ich fünfzehn war, durfte ich nicht einen Fuß ohne euch vor die Tür setzen. Ich war euer kleiner lieber Sklave, den man zu Familienfeiern herzeigte und sich gut in Fotoalben machte. Mein Bruder war da ja schon lange Zeit nicht mehr vertreten. Wer weiß schon wirklich, was ihn damals vor fast fünfzehn Jahren nach Amerika getrieben hat, hab ihn ja nie richtig kennengelernt. Einmal hat er mir geschrieben und alle heiligen Zeiten kommt eine Postkarte von ihm. Er dürfte den richtigen Weg eingeschlagen haben. Einfach weg von euch. Das kann immer nur der richtige Weg sein.

Ich will deinem Gedächtnis noch etwas weiter auf die Sprünge helfen.
Es war der 29. Juli 1989, ein Samstag. Ich weiß das noch, als wär es gestern gewesen. Ich bin damals auf ein Fest gegangen, Sandra, eine Schulfreundin, hat ihren Geburtstag gefeiert. Es war so ziemlich das erste mal, dass ihr mir erlaubt habt, wegzugehen. Um Mitternacht sollte ich wieder daheim sein. Was habt ihr eigentlich getan, als ich nicht aufgetaucht bin? Habt ihr eure Hände gefaltet und stundenlang gebetet? Oder habt ihr die Gunst der Stunde genutzt und endlich wieder einmal miteinander gefickt? Ja, gefickt. Gefickt hab ich auch. Willst du wissen wie es war? Hör jetzt bloß nicht auf zu lesen. Es war wunderschön, richtig toll, von einem betrunkenen, zugekifften Arschloch angemacht zu werden. Wie er meine Brüste berührt hat, in meinen Arsch gekniffen hat. Den niedlichen kleinen Körper deines Kindes begrapscht und besudelt. Wusste ich, was er tat, was er wollte? Nein, Papi hat schon dafür gesorgt, dass ich blind und dumm durch die Welt tapste. Nur nichts von all dem Bösen auf der Welt auf meinen armen kleinen Sonnenschein lassen. Im Notfall hilft eh immer Gott. Wirklich toll hat er mir geholfen. Vielleicht hat er sich ja nur kurz eine Auszeit gegönnt und sich mal eben schnell einen runtergeholt, während mir dieses Arschloch seinen Schwanz hinten reingesteckt hat. Gottes Wege sind unergründlich, gell? Richtig gut hat es getan und ich hab ja auch fast nicht geweint oder mir gar gewünscht zu sterben in dem Moment. Aber nein, wo denkst du hin? Das kam erst später so richtig auf, als ich erfahren durfte, was ihr unter Elternliebe versteht. WAS hast du getan? Auf der Feier? Wo alle zusehen konnten? Wo es jetzt die halbe Stadt weiß?
Ja, stimmt. In dem Moment hab ich auch an die wichtigen Leute gedacht. Wie konnte ich mich nur vergewaltigen lassen, ich blödes Schwein. Mit fünfzehn!

Weißt du eigentlich wie unendlich grausam ihr damals wart? Ich hab das im ersten Moment gar nicht richtig realisiert. Ihr habt mir einfach weis gemacht, dass es für uns alle besser wäre, wenn ich jetzt meinen eigenen Weg gehen würde. Am nächsten Tag war mein Koffer gepackt. Ihr habt mich von der Schule abgemeldet und mir geraten, mir eine Bleibe und eine Arbeit zu suchen. Was bitte schön, ist in euren kranken Köpfen damals vorgegangen? Was habt ihr denn gedacht wo ich hingehe? Hat euch das wirklich ganz einfach nicht interessiert? Willst du wissen, was dann passiert ist? Ich sag's dir. Am nächsten Tag hab ich bei Sandra geschlafen. Den Koffer hab ich vorsorglich irgendwo "verloren", weil ich ja nicht wollte, dass irgendjemand mitkriegt, was wirklich los war. Ab dann wusste ich nicht mehr wohin und hab irgendwo im Park oder weiß der Teufel wo geschlafen. Drei beschissene Wochen lang, bin ich jeden Tag vor Euer Haus gelaufen und hab euch beobachtet, hab mich aber nie getraut zu euch zu gehen. In der ganzen Zeit hab ich mich auf der Straße durchgebettelt. Weißt du noch, meine Jeans mit den weißen Streifen und das rote T-Shirt? Das, was ich an dem Tag, an dem ihr mich rausgeschmissen habt, angehabt hab? Ich hab das sechs Wochen lang getragen! Oh ja klar, hab vergessen, war ja meine Schuld. Ihr habt mir ja schließlich den Koffer gepackt.
Irgendwann hat mich dann so ein Typ angesprochen, Manuel. Im Nachhinein wundert's mich eigentlich, dass es dazu nicht schon früher gekommen ist, immerhin hab ich in dem Park fast schon gewohnt. Dann bin ich bei ihm eingezogen. Wie's mir zu dem Zeitpunkt gegangen ist, brauch ich dir wohl nicht weiter zu schildern, wir haben gespritzt und gefickt. Das war's. Das war mein Leben. Drei Jahre lang. Details erspar ich dir, vor allem weil ich sie mir selbst ersparen will.

Ihr habt mir verziehen? Wie schön. Aber ich sag dir jetzt etwas, was du wahrscheinlich nicht verstehen kannst: ICH habe EUCH nie verziehen. Ich verzeihe es euch jetzt nicht und ich werde es euch auch nie verzeihen, denn ja - ich HASSE euch. Und das ist gut und richtig so. Dafür brauch ich keinen Gott, um das zu wissen.

Marlene

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24. Jänner 2003

Vater,

dein Leben war verschwendet. Ich kann mich an nichts Wertvolles erinnern, das du jemals getan hättest. All dein Bemühen, ein gutes Leben nach deinen hehren Richtlinien zu führen, war vergebens und hat nichts Gutes hervorgebracht. Du hast dein eigenes und das Leben an sich, nie verstanden. Das tut mir leid für dich. Es ist gut, dass du endlich tot bist. Möge dir jemand anderer verzeihen.

Marlene

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Marlene legte ihren letzten Brief auf das Grab ihres Vaters. Sie ist heute 31 Jahre alt, lebt mit ihrem Mann und ihrer einjährigen Tochter zusammen und arbeitet nach wie vor in einem Drogen-Therapie-Zentrum, das sie zuvor selbst vier Jahre lang als Patientin aufgesucht hatte.
Weder von ihrer Mutter, noch von ihrem Vater, hat sie bis zu seinem Tod je wieder etwas gehört.

 

Hallo Visualizer,

ich bin von Deinem Text sehr beeindruckt. Mit diesem Briefwechsel ist es Dir, meine ich, gelungen, eine realitätsnahe Situation bzw. Rüchblende zu schaffen. Zu Beginn weiß man nicht, was da zwischen den beiden läuft. Doch kommt man beim zweiten Brief des Vaters an, so ahnt man, dass zwischen Vater und Tochter etwas nicht stimmt. Allein die Anreden: zunächst `werte/r´, dann beim Vater `liebe ...´, bei der Tochter dann schließlich nur noch `Vater´.
Die drastische Wortwahl muss ein solcher Text enthalten, sie tragen dazu bei, eine ... kranke Welt zu beschreiben. Gut fand ich die letzten Zeilen; der Hass auf Seiten der Tochter bleibt, was die Leserin / der Leser sehr gut nachvollziehen kann.

Also nochmal: Kompliment für diesen Text!

tristhor

 

Hi ihr beiden,

Danke erstmal für's Lesen und Kommentieren.
Die von dir angesprochenen Dinge, Kristin, haben mich auch etwas beschäftigt. Ich hatte auch die ganze Zeit das Jugendschutzamt im Hinterkopf und wußte nicht ganz, wie ich mich ihm "entledigen" sollte. In der Aussage, dass die Eltern ihr Kind in den Ferien zwischen zwei Schuljahren von der Schule abmelden, hab ich meine "Rettung" aus dieser Problematik gesehen. Dass das dennoch nicht ganz so einfach ist, muss ich natürlich zugeben.
Überhaupt hatte ich Probleme mit der realitätsnahen Umsetzung dieses Themas, dafür hätte ich wohl besser (oder überhaupt) recherchieren müssen. Böser Fehler, Asche auf mein Haupt.
Tatsache ist, dass es solche Fälle gibt (bestreitet wohl eh keiner) und ich hab mir natürlich schon überlegt, wie so etwas ablaufen könnte. Der (dramatische) Punkt meiner Geschichte sollte es sein, dass es sich nicht um eine "typische Milieufamilie" aus verarmten Verhältnissen, sondern um halbwegs gut situierte Spießbürger handelt, die es nicht ertragen, dass ihnen ihre Tochter solch eine "Schande" bereitet.

Im Moment fiele mir nur die Möglichkeit ein, sie 18 oder 19 sein zu lassen, anstatt 15. Mal schauen.

Das mit der "fehlenden Entwicklung beim Abstieg" ist so eine Sache. Ursprünglich war dieser Teil gar nicht enthalten, da hat mir dann auch etwas gefehlt. Mehr als das was jetzt enthalten ist, wollte ich aber auch nicht schreiben, eben weil ich mir dachte, dass sie - Marlene - das bis ins letzte Detail auch nicht würde schreiben wollen.

Die Form des Briefwechsels stand dabei von Anfang an fest. Genau aus dem von tristhor angesprochenen Grund ("Zu Beginn weiß man nicht, was da zwischen den beiden läuft. Doch kommt man beim zweiten Brief des Vaters an, so ahnt man, dass zwischen Vater und Tochter etwas nicht stimmt."), wollte ich damit eine allmähliche, langsame Annäherung an die Situation schaffen. Mir gefiel die Idee, den Vater anfangs fürsorglich erscheinen zu lassen und erst nach und nach, durch die Antwortbriefe seiner Tochter, ins "rechte" Licht zu rücken.

Es hätte auch noch die Idee gegeben, den Briefwechsel fortzuführen, indem die Tochter nach und nach bereit ist, ihren Eltern zu verzeihen, doch als diese sie erneut zurückweisen, bricht sie vollkommen zusammen.
War mir dann aber zuviel. (Nicht zu viel zu schreiben, einfach zu viel an (Pseudo-?)Dramatik.)

Grüße
Visualizer

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi,

mir hat der Text gut gefallen. Kristins Kritikpunkte sind nachvollziehbar, doch könnte man vielleicht folgendes dagegen sagen:

1. Sie ist von der Situation natürlich überfordert. Wenn die Eltern einen rausschmeißen (was es gibt), so mag es auch möglich sein, dass die Tochter nach den ersten drei Wochen, in denen sie wie ein verwundetes Tier um den Bau ihrer Eltern schleicht, den Wunsch nach Rückkehr verliert. Sie traut sich nicht in den Bau, weil sie Angst vor weiterer Abweisung hat, weil sich ihre Eltern durch dieses Verhalten für sie so entfremdet haben, dass sie vielleicht gar nicht mehr an erster Stelle der Liste von Bezugspersonen stehen. Da sie mit dieser Verletzung neue Bindungen suchen wird, ist es natürlich auch möglich, dass sie an den Falschen gerät. Schwachpunkt bleibt, dass sie - obwohl sie sich nicht selber meldet - von der Polizei wahrscheinlich irgendwann hätte aufgegriffen werden können (bevor sie zu dem Fixer zog).
Der Absturz zum Heroin muss nicht so schnell vonstatten gegangen sein, wie es aus den Zeilen herausklingt; sie zieht zu ihm und kommt langsam drauf, vielleicht erst andere Drogen (wobei ich jetzt nicht das Thema Einstiegsdrogen antasten will) - irgendwann wars dann halt soweit. Und hat drei Jahre gedauert. Vielleicht da noch mal etwas überarbeiten.
Ist natürlich keine hieb- und stichfeste Erklärung, aber hoffentlich zumindest ne Möglichkeit, die Geschichte nicht realitätsfern nennen zu müssen.

Nun aber erst einmal zur Geschichte:
Mir gefällt die Wahl der Briefform ziemlich gut. Mir ging es wie tristhor - ich sah die Schuld zuerst bei der Tochter (meldet sich nicht, nach allem, was die Eltern für sie getan haben). Ich finde, Deine Idee geht hierbei auf.
Auch kommen die Briefe echt rüber, sie wirken und tragen eine Menge an Emotionen zwischen den Zeilen (anfangs) und am Ende ja deutlich in jedem Wort.
Der Spannungsaufbau funktioniert ebenfalls...die Neugier wächst, auch das langsame Umverteilen der Schuld, die ich als Leser Zeile für Zeile den Eltern den Eltern aufdrücke.

Der Tod des Vaters bestätigt die Unmöglichkeit der Übereinkunft und macht den Sack dicht. Passt mE ebenfalls.


Ich finde, Du hast da was Gutes draus gemacht, auch wenn der Text durch die Kritikpunkte, die Kristin angebracht hat, immer etwas angreifbar sein wird.

Gruß, baddax

Ach ja: vielleicht ist es nur Rumreiterei, aber ich finde, in Briefen gehört die Anrede groß. :shy:

 

Hi baddax,

Danke für deinen (meiner Meinung nach äußerst glücklichen) Versuch, meiner Geschichte doch eine gewisse Realitätsnhähe zuzusprechen. ;)

Genau diese Gedanken, die du hier niederschreibst, waren es eigentlich, die ich mir gewünscht habe, beim Leser in einer gewissen Art "voraussetzen" zu dürfen. Ich denke mir halt, da schreibt eine zu tiefst verletzte Tochter einen hasserfüllten Brief an ihren Vater. Dass sich der nicht wie eine Erzählung mit allen logischen Details liest, halte ich eigentlich für legitim. Schön, dass du es offenbar auch so empfindest. Dass die Geschichte nicht 100%ig lupenrein ist, hab ich ja ohnehin schon zugegeben.

Achja: ;)
Das mit den Anreden. Das war eigentlich Absicht so. Wie dir vielleicht aufgefallen ist, lasse ich den Vater sehr wohl alle Anreden groß schreiben. Dass das die Tochter nicht tut, hat für mich einerseits vielleicht mit ihrer persönlichen Art zu Schreiben zu tun, andererseits - und dieser Punkt ist mein eigentliches Argument - haben großgeschriebene Anreden für mein Empfinden auch etwas mit Wertschätzung zu tun. Der Vater macht es wahrscheinlich einfach nur aus gewohnter Höflichkeit, für die Tochter gibt es aber keinen Grund höflich zu sein.

Übrigens hat das in meinem Fall bei postings nichts mit geringer Wertschätzung zu tun, wenn ich Anreden klein schreibe ... ;)

Grüße
Visualizer

 

Hi,

das mit dem Anreden ist eine gute Idee, hab ich übersehen. :shy:

Gruß, baddax

 

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