Leben & Tod und Tod & Leben
LEBEN & TOD UND TOD & LEBEN
Ruhig saß er in seinem Sessel und schaute vor sich, ohne sicher zu sein, warum er dies wohl tat. Er hatte Angst das wusste er wohl! Langsam quoll Blut aus einer faustgroßen Wunde an seinem Hinterkopf und tropfte direkt auf den Pullover von Visage, den er sich mit viel Mühe erspart und in einer an Selbstaufopferung grenzender Einkaufsorgie in einer dieser etwas billigeren Designeroutlets vor der Stadt erstanden hatte. War der Pullover nun völlig umsonst gewesen? Wenn das Blut nicht raus zu waschen ginge, könnte er sich umbringen, aber auch zu ärgerlich! Er konnte doch jetzt nicht sterben!
GING DAS SCHON WIEDER LOS???? Dieser Nichtsnutz von einem Nachbarn konnte einen aber auch immer zur Weißglut bringen! Am besten er würde ihn gleich mit Umbringen! Dieser arrogante Lümmel, von einem Vorstadtjupie, schaffte es doch immer wieder, in einem Flashback ähnlichen Anfall seiner chemisch exzessiven Drogen, die ganze Nachbarschaft, besonders ihn, mit seiner nerventötenden Techno- Musik zu nerven! Am liebsten wäre er sofort hinübergegangen um ihn, samt seiner lebensverneinenden Auffassung, auszuradieren! Aber das ging ja nun im Moment wirklich nicht, in seinem Zustand war er nicht einmal in der Lage an das Stück kalte Pizza zu kommen, was vom Vorabend noch vor ihm auf dem Tisch lag! Er hatte einen solchen Hunger... doch es ging nicht... an essen war überhaupt nicht zu denken er hatte solche Schmerzen in seinem Hinterkopf, dass das Denken allein ihn schon wahnsinnig machte! Außerdem hatte er auch jegliche Kontrolle über sich selbst verloren! Die klaffende Wunde musste den Teil des Kleinhirns zerstört haben der zur Verarbeitung seines Bewegungsmusters verantwortlich war! Die schlimmste Anomalie seines Bewegungsapparates zeigte sich in seinem rechten Bein, er konnte es einfach nicht still halten! Ein schmerzend, stechendes Zucken durchfuhr sein Bein alle paar Sekunden. Obwohl dieses Zucken einen unheimlichen, knochenzerknirschenden Schmerz mit sich brachte, sein Schienbein war wohl auch gebrochen, wusste er nicht, ob er die Ruhephase seines Beins dem schrecklichen Zucken vorziehen sollte? Er konnte sich nicht genau erinnern wie es passiert war, auf jeden Fall musste er beim ersten Schmerz, eine Eins Komma Fünf Liter Flasche Cola umgekippt haben, so dass diese direkt auf die elektrische Verteilerdose neben dem Tisch geflossen war! So das sich nun zu seinem rechten Fuß eine elektrisierte Pfütze aus Cola gebildet hatte. In der sein Fuß nun immer landete, wenn er nicht gerade von einem durch die Hirnverletzung erzeugtes Fehlsignal, in die Höhe geschossen wurde. Es war ein unerträgliches Wechselbad der Gefühle!
Es war wie Tod und Leben gleichzeitig, der Schmerz raubte ihm, in einer Tsunami ähnlichen Art und Weise, jegliche Kraft zum Leben. Lies ihn an die Grenzen seiner Selbst stoßen und gab ihm so den Rest. Dann jedoch durchfuhr ihn kurz darauf eine allumfassende Welle eines Krampfes, die ihn mit einer herzzerquetschenden Kraft wieder ins Leben schleuderte. Er fühlte sich wie ein Flummiball des Lebens. Wie ein lebender Toter oder toter Lebender, je nach Phase der momentanen Gefühlseinwirkungen. Sehr schrecklich war auch, dass er ständig an dieses schreckliche Lied „Knock’ing on heavens door“ dachte..., wusste Bob Dylan überhaupt was er ihn damit antat als er das Lied geschrieben hatte? Egal, eigentlich auch ohne Bedeutung, dass ein Mensch in diese Situation geraten könne, hatte wohl auch noch niemand ernstlich angenommen, aber es machte die Situation nur noch unerträglicher nun darüber nachzudenken! Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war! Er war sich auch nicht sicher, ob er wirklich die ganze Zeit bei Bewusstsein gewesen war, konnte sich nun, nur an endlose Schmerzen, Wellen wirrer Gedanken, die wohl auch eine Nebenwirkung seiner zerebralen Schädigung sein mussten, erinnern! Er war sonst nie sehr intellektuell oder autospirituell gewesen!
Verdammt es stank so verdammt nach verbrannter Haut, das er hätte kotzen können, wenn er nur etwas im Magen gehabt hätte, Scheiße,... sein ganzer Fuß hatte sich schon in einen dunkelbraunen, zusammengeschmolzenen, leicht dampfenden Stumpf verwandelt... Scheiße, ihm ging’s wirklich schlecht!
Das war wohl einer seiner letzten geordneten und real bewusst wahrgenommenen Gedankengänge! Kurz darauf viel er in eine nichtkontrollierbare Welt seines Unterbewusstseins... im innersten seiner Selbst.
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Montag morgen Acht Uhr fünfzehn, Hausmeister Kowalski, der früher bei der deutschen Reichsbahn Zugführer einer Lok namens Bobo gewesen war und aus Gründen der Rationalisierung aus dem Dienst des nun schon lange Deutsche Bahn heißenden Unternehmens entfernt wurde! ( Aber das tut hier nicht zur Sache),... war spät dran! Eigentlich hatte eine besorgte Mieterin schon am Freitagabend angerufen und Probleme mit der Elektrizität gemeldet! Sie hatte ein leichtes Flackern in ihrer Nachtischlampe... aber es sei ja nicht so schlimm, wenn er nicht sofort kommen könnte...!?! ? Er hatte es geschafft sie zu beruhigen und ihr versprochen gleich Montag morgen um Acht vorbeizuschauen! Es war eine Rentnerin die sich bei ihm gemeldet hatte, dass wusste er! Sie ruft jede Woche an und hatte bestimmt nur die Heizdecke und den Ölradiator gleichzeitig angeschalten. Müde stand er desinteressiert vor der flackernden Nachttischlampe! Es roch unangenehm nach einem alten Menschen! Er müsse an den Sicherungskasten in den Keller, also ca. 70 Stufen wieder nach unten! Er hatte schon einen Scheiß Job, dessen wurde er sich wiedereinmal bewusst! Man hörte einen der Mieter in seiner Wohnung „ Knock’ing on heavens door “ singen, es war nicht besonders schön, um diese Uhrzeit aber noch unerträglicher, desto mehr es durch das ganze Haus schallte! Als er endlich vor dem Sicherungskasten stand,
stöhnte er! Einige dieser elternlosen Jugendlichen, die sich in jede beliebige Ecke verziehen um, ungestört ihr Grass zu konsumieren, mussten hier wohl das Zubehör ihrer Bong erneuert haben! Es fehlte der Sicherungskopf und natürlich auch die Sicherung, obwohl sie diese gar nicht gebrauchen konnten. Um ihr Versteck nicht sofort zu verraten und noch eine Mische ungestört rauchen zu können, hatten sie das klaffende Loch im Sicherungskasten nach Mac Gyver Manier mit Alufolie überbrückt!
Um die Alufolie zu entfernen und eine neue Sicherung einzusetzen, musste er den Strom für diesen Aufgang abstellen! Er legte den Hauptschalter um..............EINIGE STOCKWERKE DARÜBER WURDE ES RUHIG IM HAUS, KEIN LIED WAR MEHR ZU HÖREN, ES WAR VORBEI!
[ 05.07.2002, 12:24: Beitrag editiert von: Ben Jockisch ]