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Leben im Minutentakt
Inspiriert durch einem Roman, den ich vor langer Zeit einmal gelesen habe.
Die Temperatur war seit seiner Geburt deutlich gesunken. Auf der kristallinen Kruste konnten die neutronenreichen Nukelei nun Milliarden nukleare chemische Kombinationen ausprobieren und wieder verwerfen. Der Zufall wollte es schließlich, dass sich dabei auch ein Verband bildete, der gleich zwei wichtige Eigenschaften in sich vereinigte: Er war sehr stabil, und er konnte eine Kopie seiner selbst produzieren. Auf der Kruste hatte sich Leben gebildet.
Neutronensterne entstehen bei einer Supernova, welche am Ende der Entwicklung massereicher Sterne stattfindet. Dazu muss die Kernmasse zwischen 1,44 und 3 Sonnenmassen betragen. Liegt die Masse darüber, entsteht ein Schwarzes Loch, liegt sie darunter, entwickelt sich nur ein Weißer Zwerg.
Der Kollaps erfolgt, wenn am Ende seiner Entwicklung die Fusionsprozesse im Inneren des Sterns zum Erliegen kommen. Der Stern kollabiert, wobei der Kern stark komprimiert wird. Dabei treten extrem starke Kräfte auf, die bewirken, dass die Elektronen in die Atomkerne gepresst werden und sich Protonen und Elektronen zu Neutronen verbinden.
Aus den zunächst unförmigen Klumpen waren Pflanzen entstanden, welche die niedrigen Temperaturen der zum Weltall gewandten Seite und die hohen Temperaturen der ständig glühenden Kruste mittels einer tiefen Pfahlwurzel und einem Dach aus Haut zu einem gut funktionierenden Nahrungssynthese-Zyklus ausbauen konnten. Die ganze Konstruktion bestand aus starren Kristallen, in die superstarke Fibern eingebettet waren, um das Schwerkraftfeld von über 60 Milliarden g überwinden zu können.
Das Gravitationsfeld an der Oberfläche eines Neutronensterns ist bis zu 1500 mal stärker als das eines mittleren Planeten. Die Fluchtgeschwindigkeit, auf die ein Objekt beschleunigt werden muss, damit es den Neutronenstern verlassen kann, ist von der Größenordnung 100.000 km/s, was etwa 1/3 der Lichtgeschwindigkeit entspricht. Das starke Gravitationsfeld wirkt als Gravitationslinse und lenkt vom Neutronenstern emittiertes Licht dergestalt ab, dass Teile der normalerweise nicht sichtbaren Rückseite des Sterns ins Blickfeld gelangen.
Die Temperatur im Inneren eines Neutronensterns beträgt anfangs 100 Milliarden Grad Celsius. Sie sinkt innerhalb eines Jahres ab auf 1 Milliarde Celsius.
Bald entstanden die ersten Tiere, als sterbende Samenschoten in einem Wald aus Hautpflanzen im Hitzetod zu vergehen drohten. Ein mutiertes Enzym, verantwortlich für die Bildung von Stützstreben löste die kristalline Struktur auf. Es entstand ein Gebilde voller Fibern und Säfte. Der Organismus floss den bewaldeten Hügel hinab und gelangte an eine freie, kühle Stelle der Kruste. Das Enzym konnte sich nun wieder normal benehmen und bildete eine Wurzel. Alle Nachkömmlinge dieser Pflanze hatten nun die Fähigkeit, ihre Struktur aufzulösen, sich fortzubewegen und woanders eine neue Struktur zu errichten. Das Leben war mobil geworden.
Neutronensterne haben ein extrem starkes Magnetfeld. Diese Magnetfelder sind so stark, dass Atome in ihrem Einflussbereich eine längliche Zigarrenform annehmen würden, da die Wechselwirkung der Elektronen mit dem Magnetfeld über jene mit dem Kern dominiert.
Bei einem typischen Neutronenstern von 20 km Durchmesser herrscht an der Oberfläche ein Druck von Null. Da freie Neutronen in dieser Umgebung instabil sind, gibt es dort nur Eisenatomkerne und Elektronen. Aufgrund der enormen Schwerkraft sind jedoch die höchsten Erhebungen auf der Oberfläche maximal einige Millimeter hoch. Eine mögliche Atmosphäre aus heißem Plasma hätte eine maximale Dicke von einigen Zentimetern. Die Zone aus kristallinen Eisenatomkernen setzt sich bis in eine Tiefe von etwa 10 Metern fort.
Frech floh vor dem herankommenden Stampfer in östlicher Richtung. Das von Westen kommende Tier war nicht sonderlich schnell, aber dafür sehr ausdauernd, und es würde nicht eher ruhen, bis es ihn erwischt hatte. Frech hatte oft beobachtet, wie diese gewaltigen Tiere bei der Jagd vorgingen. Dieses Mal war er als Ziel ihrer Nahrungssuche auserkoren worden.
Nach Norden und Süden konnte Frech nicht fliehen. Dazu reichte seine Zeit nicht aus. Es erforderte außerdem eine enorme Kraftanstrengung, sich quer über die Magnetfeldlinien zu bewegen, sodass die meisten Tiere sich ihr Leben lang nur in die beiden „leichten“ Richtungen bewegten.
Irgendwann wurde Frech müde. Der wesentlich größere Stampfer näherte sich ihm kontinuierlich und es würde nicht mehr lange dauern, bis er ihn eingeholt hatte.
Weit und breit war nichts zu finden, was Frech als Versteck hätte verwenden können. Hätte er sich in der Nähe eines Waldes befunden, vielleicht wäre das eine Chance gewesen, den Räuber abzuhängen. So aber schloss Frech mit seinem Leben ab.
Er legte sich flach auf den Boden. Neben ihm ragten die alten Reste einer Hautpflanze aus der Kruste. Einige verdorrte Lappen und ein paar staubige Kristall-Splitter.
Plötzlich kam Frech eine Idee. Er bildete zwei Manipulatoren aus und ergriff einen besonders langen Kristall-Splitter. Aufgrund der hohen Schwerkraft kostete ihn das seine letzten Reserven.
Der Stampfer kam heran. Frech spürte seine Schwingungen und duckte sich tief in die Kruste, mit voran gestelltem Kristall-Splitter. Dann war der Jäger da und beugte sich über sein Opfer.
Der Splitter bohrte sich durch seinen eigenen Schwung tief in die Seite des Stampfers. Lebenssäfte ergossen sich auf die Kruste, und das große Tier stürzte vor Frech auf den Boden.
Als es sich nur noch schwach bewegte, hob Frech den Kristallsplitter an und stieß zu. Der Stampfer wurde am Kopf getroffen. Sein Gehirnsack platzte und das große Tier erzitterte zuerst und starb dann. Immer wieder stieß Frech zu. Es war ein herrliches Gefühl, stärker als ein Stampfer zu sein. Nie wieder würden er und seine Sippe Opfer eines Jägertieres werden!
Kern stand am Rand der großen Schanze und spähte auf den Horizont. Im Laufe vieler Generationen hatte sich die Schanze kontinuierlich erweitert, während im Innern des Forts die Plantagen und Viehweiden mitwuchsen. Bald schon war die Anlage zu weitläufig geworden, um von nur einer Sippe betrieben werden zu können. Es waren mehrere Ableger entstanden, die alle innerhalb der großen Schanze koexistierten.
Soldaten patrouillierten den Verteidigungswall, der bislang von den Wilden, die in den leichten Richtungen lagerten, nicht überwunden werden konnten. Angriffe, die aus den schweren Richtungen kamen, waren selten und noch schwerer durchzuführen.
Kern überblickte seinen Trupp. Ein Rundgang um die gesamte Anlage dauerte vier Umdrehungen, aber die Soldaten nahmen Nahrungsreserven mit für mindestens die dreifache Zeit.
Solche Trupps gab es mehrere, sodass sichergestellt wurde, dass ein plötzlicher Angriff immer abgewehrt werden konnte. Gleichzeitig reparierten und erweiterten die Soldaten auch die Schanze, falls es mal dringend erforderlich war.
Der Brecher setzte sich langsam in Bewegung, Richtung Norden. Quer über die Magnetfeldlinien zu kriechen erforderte viel Kraft und vor allem viel Technik. Die Schieber drückten sich gegen den Brecher und halfen ihm, Fahrt aufzunehmen. Einmal in Bewegung ging es besser voran. Nach einer Weile ließ sich der Brecher zurückfallen und reihte sich hinten in die Schlange der Soldaten an. Der erste Schieber wurde zum neuen Brecher.
Diese Technik des Vorankommens basierte auf der Gegebenheit, dass nur der Brecher gegen die Magnetfeldlinien ankämpfen musste. Nachfolgende Soldaten kamen leicht voran, im Sog des Vorausgehenden. Sofern sie dicht genug hintereinander krochen. Wurde der Abstand zu groß, schloss sich das Feld um jeden Einzelnen. Darum wurde der Brecher oft ausgetauscht.
Kern stampfte heftig mit seiner Sohle auf die Kruste, als er eine Bewegung im Osten registrierte. Der ganze Trupp registrierte den Befehl und stoppte diszipliniert. Kern streckte vier seiner sechzehn Augen auf einem Manipulator in die Höhe, um die Situation besser überblicken zu können.
Am Horizont tauchte ein großer Haufen Wilder auf, zerlumpte und ausgemergelte Kreaturen. Sie näherten sich jedoch mit großer Geschwindigkeit.
Das Stampfen Kerns ließ die Soldaten einen Kreis bilden. Jeder einzelne zog seinen Kristall-Speer hervor und reckte ihn auf einem langen Manipulator in Richtung der heranstürmenden Wilden. So bildeten sie einen undurchdringlichen Wall aus Bewaffneten, den niemand würde durchbrechen können.
Die Wilden mussten wirklich sehr verzweifelt sein. Mit großer Geschwindigkeit rannten die klapperigen Gestalten in die Speere.
Kern jubelte stampfend, aber zu früh. Kurz vor dem Aufprall sah er die seltsamen Lappen der Gegner. Es mussten vielfach gefaltete alte Hautschirme sein, sodass ein dickes Polster entstanden war, in dem sich die Kristalle der Soldaten verfangen hatten. Kern orderte stampfend Hilfe herbei.
Die Kämpfe dauerten an. Die Wilden entpuppten sich dabei als Soldaten eines fremden Forts, das aus Mangel an Resourcen expandierte – expandieren musste.
Die Schanze wurde nun ständig erweitert und vergrößert. Der Feind konnte in dieser Zeit wiederholt zurückgedrängt werden, gab den Angriff aber nie auf.
Mit der Zeit türmten gewaltige Erdbewegungen die Schanze weiter auf, während dahinter ein Graben in der Kruste entstand.
Soldaten und Arbeiter versuchten ihre Grenze aufrecht zu erhalten, leisteten unglaubliche Arbeit.
Bis am Fuß der hohen Schanze die Kruste aufriss und heiße Nukelei das Fort unter sich begrub.
Das Sternbeben breitete sich schnell über den ganzen Neutronenstern aus und vernichtete jegliches Leben.
Ist die Stärke der Wechselwirkung zwischen den Vortices der Mantel-Supraflüssigkeit und der Kruste so groß, dass es bei Veränderungen der Rotationsgeschwindigkeit zu Brüchen in der Kruste oder zu dissipativen Effekten zwischen Krustenkernen und n-Flüssigkeit aufgrund stark verschiedener Rotationsgeschwindigkeiten kommt, steht genügend Energie zur Erzeugung eines Sternbebens zur Verfügung. Eine unkonventionelle Alternative ist die Spaltung von Kernen in der inneren Kruste, die unterirdisch explosiv ablaufen würde. Ebenfalls unterirdisch gestartet würden nukleare Umwandlungen metastabiler Kerne der akkretierten Materie infolge Kompression. Dazu reicht oft nur ein kleiner Auslöser.
Durch den Neutronenaustausch koppeln sich Nuklei zu nuklear gebundenen Molekülen zusammen. Weil sich Atomkerne statt der Moleküle verbinden, leben Wesen von einem Neutronenstern etwa eine Millionen mal schneller als Wesen von einem Planeten.