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Lautlos

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01.05.2003
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Lautlos

Lautlos

Er musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass sie in dem anderen Bett lag. Hin und wieder übertönte sie mit ihrem aufbäumenden Schnaufen seinen Atem. Er hatte sich daran gewöhnt, an das Ringen nach Luft, an ihr Japsen und nun genoss er ihre Anwesenheit. Manchmal blinzelte er zu dem Mädchen herüber und beobachtete sie, wie sie ein Loch in die Wand starrte. Ihre langen braunen Haare fielen glatt über das Kissen. Ihr Gesicht war bleich, wie das weiße Bettlaken unter ihr. Ihre Hände zitterten und ihr ganzer Körper bebte. Sie kämpfte gegen das Zittern ihres Körpers, gegen ihren stoßweise gehenden Atem. Das kleine Mädchen war mit sich selbst so beschäftigt, dass sie ihn nicht wahrnahm. Sie kam vor lauter Angst nicht dazu herüberzusehen. Dabei hatte sie wunderschöne steingraue Augen. Wie seine Hannelore. An dem Tag, als sie starb, erging es ihm genauso wie das Mädchen. Er lag neben ihr, sah, wie sie sich apathisch auf einen Punkt an der Wand fixierte. Damals merkte sie seine Tränen nicht, die ein salziges Loch in die Decke brannten. Sie merkte nicht sein Zittern, seinen aufgewühlten Körper. Sie war bereits auf ihrem Weg, den jeder alleine zurücklegen muss.
Er konnte das Mädchen verstehen. Sie war genauso machtlos, wie er es bei Hannelore empfand. Aber an diesem Tag, der vielleicht sei letzter sein würde, lag er ruhig in seinem Bett, wie seine Hannelore. Er wartete auf das Licht, am Ende des Ganges.
Seine Hände lagen ruhig auf dem Bettlaken, denn er war bereit, den selben Weg zu gehen. Das Mädchen konnte seine Hände unter der Decke nicht sehen. Vielleicht hätte es ihr etwas gebracht. Vielleicht, würde es ihr helfen, ihre Angst zu verdrängen, ihre Sorgen zu ertränken. Sie sollte ihr Gewissen unter dem Kissen ersticken. Es hatte alles seine Richtigkeit. Er nannte es Schicksal. Menschen kommen, Menschen gehen.

Sie wusste nicht wer er war. Sie hätte ihn auch nicht beschreiben können, weil sie bei der Vorstellung herüberzusehen, Angst verspürte. Selbst wenn sie es gewollt hätte, wäre sie nicht in der Lage gewesen, ihn anzusehen. In jedem Glied saß eine vernichtende Furcht, die sie wie ein Magnet in ihr Bett drückte, als ob Blei durch ihren Körper floss. Sie kam sich so beweglich vor, wie eine Fliege im Spinnennetz, so unbeweglich wie Stahl. Dabei dachte sie, hatte es der alte Mann neben ihr, noch viel schwerer.
Er hatte keine Schmerzen, jedenfalls glaubte sie nicht, dass ein Mensch, der so wie sie, gelähmt in seinem Bett lag, noch irgendetwas spürte. Sie hatte Angst, dass er ihr wegstürbe. Nur sein Atem sagte ihr, dass er noch da war. Manchmal stöhnte sie auf, fragte sich, wann es ein Ende hatte und verdrängte diesen Gedanken dann wieder sofort.

Es war Mittag, als er jemanden zart an der Türe klopfen hörte. Die Krankenschwester mit ihrem weißen Kittel und ihrer unschuldigen Haube auf dem Kopf betrat langsam, fast geisterhaft das Zimmer.
Sie blickte zu dem schlafenden Mädchen. Ihr Körper lag wie ein ruhiges Schiff im stillen Wasser, der gelegentlich durch ihren sanften Atem auf und ab ging.
Sie wendete sich von dem Mädchen ab, ging auf den Mann zu und wischte ihm den Schweiß aus der Stirn. Aus ihrer Tasche holte sie eine Tablettenpackung heraus, öffnete sie und lies es wie Brause in ein Glas Wasser fallen.
Der Mann wollte danach greifen, aber seine Hände hingen wie steif gefroren an dem schneeweißen Laken. Sie setzte es ihm an den Mund und er lies es dankbar in sich einfliesen.
Dann blickte sie noch einmal zu dem Mädchen. Sie hatte die Augen immer noch geschlossen. Ebenso leise, wie die Schwester gekommen war, ging sie wieder aus dem Zimmer. Nebenan klopfte sie an die Türe. Genauso sanft. Genauso schmerzlos.

Es war später Nachmittag, als er aus dem Schlaf erwachte. Er blickte zu ihr herüber. Sie hatte die Augen offen, starrte auf einen Punkt an der Wand. Ihre Hände zitterten. Steingraue Tränen drohten ihr aus den Augen zu steigen. Er hätte sie gerne etwas gefragt, ihr etwas über sich erzählt, ihr die Angst genommen. Es gab so viel, was er loswerden wollte, aber was wäre, wenn sie den Boden mit steingrauen Tränen übersähen würde? Sie sollte nicht hier sein. Sie sollte an einem Ort sein, wo Kinder spielten. Ihr Platz müsste leer sein.

Er überlegte sich, wie er sie ansprechen sollte, was er sie fragen könnte, als er neben sich ein lautes Stöhnen vernahm. Es war nicht derselbe vertraute Laut, den er so schön empfand, der Klang, der eine Harmonie zwischen ihnen geschaffen hatte. Er sah zu ihr herüber, suchte ihren Blick, als in dem Moment ihr Kopf zur Seite fiel. Ein warmer Hauch wehte an sein Bett und küsste ihn auf die Wange. Er schien zu sagen: Danke, dass zu hier warst. Ihre Augen blieben offen. Sie hatte wunderschöne steingraue Augen. Bis zum Abend hörte er die Einsamkeit seines monotonen Atems. Sie fehlte ihm.
Er hätte ihr gerne noch etwas gesagt, ihr die Angst genommen vor dem Fall. Es war ein sonniger Sommertag, den man nicht alleine verbringen sollte. Für die Länge eines Herzschlags dachte er, war es gut gewesen, dass er bei ihr gewesen war.
An Tagen wie diesen, heißt es, stürbe man leichter.

 

Hallo,

sehr bewegende Geschichte. Mehr kann ich dazu im Moment nicht sagen. Hat mich sehr berührt.

Zwei Fragen zum Textverständnis:
1. Konnte er nichts sagen? War das nur ein Wunsch wie nach dem Glas zu greifen oder wars einfach nur zu spät?
2. Was ist mit Tagen wie diesen gemeint? Sommertage od. Tage, an denen man nicht allein ist?

Formelle Anmerkung: "Es war später Nachmittag, als er aus dem Schlaf erwachte..."
"Es war Mittag, als er jemanden zart an der Türe klopfen hörte. "

Gruß, Pan

 

Hallo Pan,
freut mich, dass dir meine Geschichte gefallen hat.
Der alte Mann war in einer Situtation, wo er gerne etwas sagen wollte, aber den Kampf letztendlich nicht aufgenommen hat. Du erfährst, dass das kleine Mädchen so sehr mit sich selbst beschäftigt war, das sie unfähig war, mit ihm zu reden. Betrachtet man die Situation genauer, so war auch der alte Mann so sehr schäftigt ( mit seinen Gedanken/Fragen/Situation), dass er es nicht fertigbrachte, endlich ein Gespräch anzufangen. Er hatte erkannt, dass der Zeitpunkt, an dem man ein Gespräch einfädelt, längst vorbei war. Wer kennt die Situation nicht!

Tage wie diesen, bedeutet einfach, dass es sich an schönen warmen Sommertagen, wenn die Natur sich in aller Frische zeigt, wenn die ganze Welt voller Leben zu sein scheint, schwerer ist, zu sterben.
Von der Welt Abschied nehmen, wenn es kalt und düster ist, könnte einfacher sein. Ist aber denke ich Ansichtsache.

Viele Grüße

 

Hmm ... hat mich auch sehr bewegt, deine Geschichte ...
Manchmal fand ich sie nur schwer zu lesen, vor allem am Anfang war ich etwas verwirrt (hat sich aber beim weiteren Lesen alles wieder entwirrt), weil ich nicht genau verstanden hab, was los war (was aber vll sogar beabsichtig war ;) ) und weil in den einzelnen Sätzen soviel beschrieben wurde.
Ich hab so das Gefühl, dass ein paar Sätze von grammatikalischen nicht so ganz passen ("An dem Tag, als sie starb, erging es ihm genauso wie das Mädchen. " ..müsste doch "wie dem Märchen" heißen).

Ich finde es schade, dass das Mädchen so allein gestorben ist ... und der Mann das jetzt auch muss.

 

hallo herbert,

also sorry, aber ich komme mit deiner geschichte überhaupt nicht zu recht. es fehlt mir ein einigermassen logischer aufbau. viele dinge sind einfach nicht stimmig und lenken dadurch ab von dem, was du eigentlich rüberbringen möchtest. schade.

einige beispiele:

und beobachtete sie, wie sie ein Loch in die Wand starrte.
- in der regel schaut ein kranker mensch gegen die wand direkt am bett. du beschreibst einige zeilen danach ihre steingrauen augen. wie konnte er die denn sehen?

Damals merkte sie seine Tränen nicht, die ein salziges Loch in die Decke brannten.
- reine salzsäure, oder was? hier übertreibst du meiner meinung nach gewaltig -selbst dann, wenn das schmerzliche gefühl wirklich tief ist.

das ganze spielt ja wohl in einem krankenhaus. und hier liegt ein alter mann neben einem jungen mädchen? - unwahrscheinlich.


beste grüße
ernst

 

Hallo,
Vielen Dank für Eure Beiträge. Ich fahre heute in Urlaub, daher kann ich auf Eure Kritik nicht eingehen. In 2 Wochen bin ich zurück, dann werde ich mir ein paar Stunden Zeit nehmen und auf alle Beiträge, die sich in der Zwischenzeit angesammelt haben antworten.

Viele Grüße

 

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