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Lauschangriff

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27.08.2001
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Lauschangriff

Lauschangriff

Es Klingelt. Ich öffne. Frühmorgens. 8 Uhr.
Zwei Herren stehen vor meiner Tür:
„Sind Sie Herr Müller?“, fragt der eine.
„Guten morgen!“, murmelt der andere dazwischen.
„Ja!“, antworte ich.
Und denke:“Ich weiß wer ihr seid, was ihr wollt, WARUM ihr hier steht.“ Aber die wissen nicht, das ich weiß. Ihr Erscheinen ist Teil meines Plans, meines Spieles.
„Herr Franz Müller?“
„Aber ja!“
Der mit der Nickelbrille zeigt einen Ausweis. Da war er noch viel jünger.
„Bundesnachrichtendienst. Dürfen wir kurz hereinkommen?“
„Natürlich! Treten Sie ein.“

Ich trete im Türrahmen zur Seite und weise mit einer Geste meiner Hand geradeaus in Richtung Wohnzimmer. Beide gehen an mir vorbei. Der eine stinkt nach Tabak. Kaltem Tabak; übertüncht mit Rasierwasser. Eine Mischung, die gerade morgens äußerst ekelhaft ist.

Nachdem ich die Eingangstür geschlossen habe, gehe ich mit den Beiden ins Wohnzimmer.
„Nehmen Sie doch bitte Platz!“
Ich wende Ihnen den Rücken zu, klappe das Fenster, nehme mit der anderen Hand die Fernbedienung und drücke den roten Aufnahmeknopf meiner seit langem schon zurechtgestellten Videokamera auf dem Fernseher. Die Linse schaut direkt auf meine beiden Besucher. Die Fernbedienung verschwindet in der Hosentasche.

„Herr Müller, sie bewohnen dieses appartement allein?“
„Oh ja!“
„Sie hatten in den letzten 2 Wochen Besuch?“
„Ja. Mein Freund kam gerade gestern. Wir hatten...“, ich vollende diesen Satz nicht. Der bieder Wirkende unterbricht mich. Sein erster Satz nach dem „Guten morgen!“
„Am 05. Hatten Sie am 5. Dieses Monats Besuch?“
„Das weiß ich doch jetzt nicht mehr! Was wollen Sie von mir?“

„Das sollten Sie aber wissen. Es wäre besser für Sie, das zu wissen! Waren Sie also am 5. Allein?“

Der 5. Ist nun schon 3 Wochen her. Die wenigsten Menschen wüßten, was Sie an einem abend vor 3 Wochen getan hätten. Aber ich weiß, was Sie hören wollen. Deshalb antworte ich:

„Am 5. War ich definitv allein. Ich weiß das sehr genau, denn am 4. hatte mein Bruder Geburtstag!“

Die beiden tauschen kurz einen bedeutungsschweren Blick.

„Wenn Sie sich noch so genau erinnern, das Sie allein waren, wissen Sie sicher auch sehr genau, was Sie an diesem abend taten?“

„Aber ja. Ich schaute fern, telefonierte mit meiner Freundin und...“ Ich zögere. Ich zögere absichtlich. So, als hielte ich ein Wort zu spät inne.
„Und?“

Stille. Wir blicken uns in die Augen.
„Und? Was taten Sie sonst an diesem abend?“

Ich bleibe stumm. Sie sollen es sagen. Sie müssen es sagen. Sie sollen selbst auffliegen.

„Nichts.“
„Sie wollten doch gerade noch etwas sagen!“
„Nein!“
„Doch, sie sagten, das sie mit ihrer Freundin telefoniert hätten, danach sagten Sie „und“. Und was?“

„Und nichts!“

Der eine zieht die Nickelbrille herunter; spielt mit ihr zwischen Zeigefinger und Daumen und fragt:
„Haben Sie etwas zu verbergen, Herr Müller?“

„Meine Herren, sie klingeln frühmorgens an meiner Tür, bitten um Einlass, stellen seltsame Fragen über meine nähere Vergangenheit. Dürfte ich mittlerweile wissen, um was es sich handelt?“

„Sie Herr Müller, brauchen nichts zu wissen. Sie nicht. Wir sollten etwas wissen. Eine ganze Menge. Sie stehen unter dem Tatverdacht des Landesverrats, der Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung und der Planung von Terrorakten. Haben Sie dazu etwas zu sagen?“

„Meine Herren, ich weiß wirklich nicht, was ich Ihnen darauf antworten soll.“

"Wir bieten Ihnen in diesem Gespräch eine letzte Gelegenheit zur Aufklärung des Sachverhaltes beizutragen oder aber uns noch heute morgen zu begleiten. Daran wird sich eine Wohnungsdurchsuchung anschließen. Ihren PC werden wir in jedem Fall einziehen."

Der mit der Nickelbrille fingert schon an seinem Gürtel herum und zieht ein Funkgerät. Sie sind also nicht allein. Er blickt zu seinem Kollegen. „Ich würde sagen, wir sind fertig. Nehmen wir ihn mit. Den Rest können wir in Pullach machen!“
„Nein.“
„Du hörst es doch. Er streitet alles ab!“
„Warum wollen Sie meinen PC mitnehmen?“
„Wir werden die darauf befindlichen Daten analysieren. Warum sprechen Sie gerade den PC an?“
„Ich finde es merkwürdig meinen PC zu beschlagnahmen!“
„Vielleicht finden wir die darauf befindlichen Daten merkwürdig?!“
„Oh ja ganz bestimmt!“ Ich muß lachen.
„Was gibt es da zu lachen?“
„Ich stelle mir nur vor, was sie sagen werden, wenn Sie das alles lesen!“
„Sie meinen nicht etwa den Kontakt mit Kalif06!“

„Wie bitte?“ Jetzt ist es an mir, überrascht zu erscheinen.“Woher wissen Sie von meinem Kontakt mit Kalif 06?“

„Na bitte. Wir kommen der Sache schon näher. Das wars. Gehen wir doch. Er hat Kontakt. Bitte. Er sagt es doch selbst.“
Der Andere aber zögert, übergeht den Einwand seines Kollegen. Er bemerkt, das irgendetwas ungerade hier ist. Er hat einen gewissen Spürsinn. Kann sich aber nicht erklären, was es ist. Er fragt stattdessen:
„Sie haben die mails an ihn also alle selbst geschrieben!“
„Aber ja!“
„Herr Müller, zu welcher Organisation gehören Sie, wer sind ihre Auftraggeber, Hintermänner?“
„Sie haben mich überwacht? Mich????? Sie haben meine mails gelesen?“
„Wir wissen alles. Wir kennen jedes ihrer mails. Alle ihre Telefonate!“
„Das ist unfassbar! Dazu haben Sie kein Recht!“
„Es geht hier nicht darum zu diskutieren, was Sie glauben, welches Recht wir haben oder nicht. Wenn sicherheitsrelevante Interessen dieses Staates tangiert werden, haben wir beinahe jedes Recht!“
„Nach dem Grundgesetz habe ich ein Recht auf Schutz der Intimsphäre!“

„Aufs Grundgesetz können Sie scheissen!“
Der mit der Brille schaut den anderen strafend an und ergänzt:
„Wenn Sie ein Sicherheitsrisiko sind, können wir Sie überwachen. Und Sie sind eines!“
Er legt einige ausgedruckte Blätter auf den Tisch. Meine mails.
„Hier. Im Kontakt vom 5. sprechen Sie von der Durchführung eines Bombenanschlages, fragen Kalif 06 nach logistischen Möglichkeiten, um ins Kanzlerviertel zu kommen, nennen Details von Bomben, verschlüsselt, mit gängigen Kennwörtern aus der Branche. Wir kennen Sie alle. Sie, Herr Müller, sind ein Sicherheitsrisiko.“

„Ich bin keins! Meine „Kontakte“ mit Kalif 06 sind ein Rollenspiel mit mir selbst, um meinen neuen Roman zu strukturieren. Um mich in beide Rollen vollkommen hereindenken zu können. Haben Sie denn nicht einmal überprüft, welche Person hinter dem Synonym steht?“

Die Nickelbrille schaut auf den Kollegen. Der antwortet ihm:
„Der GMX Eintrag weist auf eine anonymisierende Mailadresse. Der angegebene Name war nicht real. Wir konnten nur ihn hier ermitteln.“

„Warten Sie bitte. Ich werde es Ihnen beweisen. Ich gehe zum Bücherregal und zeige ihnen meine Werke. 5 Bücher.
„Ich bin doch etwas enttäuscht, das Sie als Nachrichtendienstler mich nicht kennen. Alles meine Werke. Da „Gegenschlag“. Ein auf Tatsachen beruhender Roman über die Gefahr eines Atomwaffenkrieges oder...“
„Du hattest nicht BEIDE Kontakte?“
„Nicht als reale Personen!“
„Du hattest nur DIESEN Kontakt hier?“
„Ja!“
„Dieser Kontakt hier, sagt uns aber gerade, das er Romane schreibt. Er spricht von Rollenspielen. Er macht das ziemlich glaubwürdig. Doch ja. Ziemlich glaubwürdig. Ich würde sogar sagen, wir verschwenden unsere Zeit hier.
Ziemlich geknickt nimmt der Andere sein Funkgerät. Er drückt auf den Knopf und sagt „Einsatz beendet!“.

„Herr Müller. Bitte entschuldigen Sie diese Störung.“
„Eine Frage noch, bitte!“
„Ja bitte?!“
„Wie kamen Sie dazu meine mails zu lesen?“
„Das haben wir Ihnen doch schon erklärt!“
„Nein. Sie sagten, sie könnten in die Privatsphäre eindringen, sobald die Sicherheitsinteressen des Staates verletzt werden.“
„Ja.“
„Nun. Diesen Verdacht könnten Sie NACH dem Lesen des ersten mailes gehabt haben. Dazu aber müssen Sie das erste Mail gelesen haben. Wie kommt es dazu?“
„Ich bin nun wirklich nicht befugt Ihnen darüber Auskunft zu geben!“
„Ist es nicht vielmehr so, das der BND jeden Kontakt, egal ob Handy, Internetverbindung, normales Telefon nach Stichworten abhört und auf Band speichert, sobald in einem Telefonat ein Schlagwort fällt? Ist es nicht so?“
„Totaler Unsinn!“
„Wie kamen Sie dann hierher? WIE kamen Sie hierher? Ich habe keinerlei verfassungsfeindliche Kontakte. Niemand kann gegen mich einen Tatverdacht äußern, der begründet erscheint und eine Abhöraktion im Einzelfall rechtfertigen würde. Das gibt keinen Sinn.“

Nun sind beide etwas verlegen. Aber der Eine hat eine Idee. Man sieht es richtig durch seinen Kopf blitzen. Jetzt kann er die Schlappe wieder gutmachen.

„Herr Müller. Wer solche Romane wie Sie schreibt, darf sich nicht wundern, wenn er...“
Aber die Nickelbrille unterbricht ihn barsch:
„Herr Müller. Es ist unglaublicher Unsinn, das wir den gesamten Kommunikationsverkehr überwachen. Unglaublicher Unsinn. Das dürften wir gar nicht Und jetzt entschuldigen Sie uns bitte.“
„Sie dürfen doch alles, sagen Sie! Sie sind doch die großen Macker hier. Sie und ihr kleinkarierter Kollege da. Der einen Fehler nach dem anderen macht.“

Die Nickelbrille mußte viel wegstecken heute morgen. Erst die Schlappe, das es nur einen Kontakt gab, dann verflüchtigt sich der Tatverdacht gegen einen potentiellen Staatsverschwörer und jetzt noch das. Er kommt auf mich zu, bleibt dicht vor mir stehen und seine Worte fließen wie eine Befriedigung aus ihm raus.

„Wissen Sie was. Ich hatte gleich so ein Gefühl, das die ganze Aktion hier einen Haken hat. Ich hatte es gleich. Aber gut. Ich will es ihnen sagen, sie sollen es wissen. Gerade Sie. Ja. Wir hören alles ab. Alles. Und? Wir brauchen Informationen. Funktionsträger brauchen Informationen. Täglich und immer. Und Sie klopfen täglich bei uns an. Nach dem ersten September fast stündlich. Wir müssen liefern und keinen interessiert, WIE wir das tun, solange es keine Pannen gibt. Solange alles reibungslos läuft. Solange zählt was wir liefern, nicht wie wir es bekamen. Was machen Sie jetzt mit ihrem Wissen? Sie können es nicht verkaufen, sie haben es nie gehört. Keiner glaubt es Ihnen.Guten Tag, Herr Müller.“

Nachdem ich die Tür hinter ihnen geschlossen habe, gehe ich ins Wohnzimmer und beschließe, mir die morgendliche Konferenz befriedigt bei einem guten, starken Kaffee anzuschauen.

Ich mag es, wenn Pläne Stück für Stück aufgehen.

Wer mag wohl ein Interesse an diesem Band haben? Wie werde ich Sie veröffentlichen? Dieses kleine Band dort in der Videokamera, das noch immer aufnimmt, das ist Watergate in Deutschland. Das ist die reale Politik. Das ist die Wahrheit.

Da klingelt es noch einmal. Ich gehe an die Tür, drücke die Sprechtaste der Rufanlage. „Ja bitte!“

„Ich habe mir erlaubt, ihr Videoband aus der Kamera zu entfernen. Ich hoffe Sie haben hierfür Verständnis. Es grüßt Sie der kleinkarierte Kollege mit den vielen Fehlern.“

Ich haste ins Wohnzimmer zurück, schaue in das Cassttenfach des Camcorders. Es ist leer.

[Beitrag editiert von: Frank am 17.01.2002 um 15:30]

 

Poncher: von Dir kamen aber auch schon bessere Kritiken... Postingsschinden saugt!
Die Geschichte ist zwar etwas überzogen, aber in Ansätzen schon glaubwürdig. Glaubst Du etwa daran, daß sich die staatlichen Institutionen an alle Gesetze halten? Daß eine totale Überwachung nicht möglich wäre?

 

Lesevorschlag für unfassbare Stunden und geweitete "total unglaubwürdig"e Augen:
Verschlußsache BND
von Udo Ulfkotte
(nein, ich bin nicht Udo Ulfkotte)

 

WANN hat der "kleinkarierte" Typ die Kassette aus dem Camcorder entfernt? Die beiden und der Protagonist waren die ganze Zeit zusammen im Wohnzimmmer.

WARUM sprechen die beiden Bediensteten des BND so offenherzig über die Aktivitäten ihres Arbeitgebers? Wurden die nicht geschult, sich nicht durch naive und anmaßende Äußerungen provozieren zu lassen?

Das paßt einfach nicht. Die kommen rein, legen sofort los und am Ende verlassen sie wie geprügelte Hünde die Wohnung und lassen den Schriftsteller mit dem Wissen zurück, was sie gesagt haben, aber nicht hätten dürfen. Sie haben wohl gedacht, durch die magische Entwendung der Kassette würde der Typ den Mut verlieren, was? Oder durch ihre Drohungen.

Das paßt für mich nicht und wirkt daher unglaubwürdig.

Außerdem sind an einigen Stellen Rechtschreibfehler. Ein paar...

Ich finde, aus der Idee hätte man mehr machen können, meine Meinung jedenfalls!

Poncher

@Webmaster: :xxlmad:

 

Poncher: na also, geht doch. Daß Du sauer auf mich bist, macht mir gar nix :p , Hauptsache ist doch, daß Du doch noch eine Dir würdige Kritik geschrieben hast.

 

Die Geschichte widerspricht sich wirklich nur in dem Punkt mit der Videocassette, aber ansonsten ist sie 1a. Aussagen, die nicht bewiesen werden können, zählen nun mal einen Dreck. Deshalb ist es eben vollkommen egal, was der Beamte zugibt und was nicht.
Das Thema ist wirklich super behandelt worden, wenn wir alle solche Geschichten schreiben würden, wäre der Staat bald gestürzt :-)))

 

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