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Laura Witt
Montag
Im Leben eines jeden jungen Menschen gibt es verschiedene Entwicklungen und Momente, die motivierend oder viel eher deprimierend sein können. Und Laura Witt zählt zu einer ganz besonderen Gattung, wobei Gattung vermutlich nicht die richtige Beschreibung, geschweige denn, das richtige Wort hierfür sein wird, da die Autorin (also ich) gerade vor kurzem eine ewig lange und komplizierte Definition durchlesen musste und jetzt keinen Schimmer mehr von der eigentlichen Bedeutung hat. Auf jeden Fall, um beim Thema zu bleiben, ist Laura nicht unglücklich, nicht ungeschminkt, nicht unbeliebt und auch nicht unrasiert, aber dennoch ist sie kein zufriedenes Mädchen. Vor drei Tagen ist ihr Hamster Eduard II gestorben und ihre Eltern versuchten seinen plötzlichen Tod durch Altersschwäche, das eine durchaus mögliche Erklärung sein könnte, recht zu fertigen, aber das, von ihrer Schwester Cynthia’s Katze Mary, ausgespuckte braungepunktete Beinchen trug nicht zu der Glaubwürdigkeit der Eltern bei.
Also sitzt unsere Laura Witt jetzt weinend und rachepläneschmiedend in ihrem Zimmer und nur um kurz etwaige Streitereien von Lesern zu vermeiden, die sich jetzt fragen: „Wie alt wird Laura wohl sein und ihre Eltern und überhaupt und sowieso, wie geht’s ihr?“ möchte ich anmerken, dass unsere Protagonistin 17 Jahre alt ist. Ihre Schwester ist jünger, das genaue Alter spielt nicht wirklich eine Rolle und ihre Eltern, die sind ein wenig älter. Das logischerweise, ist ja klar, dass die älter sind, muss hier ausgespart bleiben, da sehr wohl die Möglichkeit bestünde, dass Laura Mutter gestorben, entführt, getötet, oder verschwunden oder was weiß ich ist und sich der Vater eine jüngere Frau gesucht hat. Jünger als Laura ist zwar nicht offiziell erlaubt, aber mag schon vorgekommen sein.
Übrigens wird Cynthia’s Katze Mary bald sterben. Wahrscheinlich Selbstmord.
Die Autorin beschließt, dass dieser Satz ein gutes Ende für den ersten Tag im Leben unserer Laura Witt ist und geht schlafen.
Mittwoch
Regen, Regen und noch mal Regen. Seit zwei Tagen sitzen die arbeitslosen Einwohner des Ortes Rupersberg schmollend und gelangweilt hinter geschlossenen Fenstern und fragen sich immer und immer wieder: „Wann hört denn endlich dieser scheiß Regen auf?“ Gerechtfertigt finde ich den Gedanken aufmerksamer Leser, dass es schon etwas ungewöhnlich ist nach nur zwei Tagen so deprimiert zu sein, wegen Nässe, aber wenn man einfach gar nichts zu tun hat, bedrückt diese Art von Wetter schon ziemlich.
Nicht unsere Laura Witt, die es liebt draußen zu sein und nass zu werden. Im Regen stundenlang spazieren zu gehen und von Pfütze zu Pfütze zu springen. In der Hand einen getupften, viel zu großen bunten Regenschirm, der das Geräusch tausender, unterschiedlicher Wassertropfen unterstützt. Die Arme auszustrecken und sich windschnell um die eigene Achse zu drehen. Blablabla.
Jetzt wurde genug Blödsinn geschrieben, denn unsere Laura verabscheut diesen Wetterzustand natürlich, so wie beinahe jeder normale, realitätsbezogene, nicht vom Wahnsinn befallene Mensch und verbringt fast den ganzen Tag vor dem Fernseher. (kurze Aufklärung: es sind Ferien!)
Chipsfressend, das fettige, strähnige Haar aus dem Gesicht pfeifend, im miefigen Pyjama dasitzend und gänzlich zu Tode gelangweilt schaut unser Mädchen sinnlose Gerichtsshows. Nach drei Sendungen verzieht sich ihr Gesicht langsam zu einer Grimasse, ihre Mundwinkeln wandern nach oben, die Augen werden gläsern und sie beginnt sich nach Soaps zu sehnen, die immerhin noch ein bisschen mehr an Spannung bieten, als irgendein dummer Streit um verschleppte, zerstörte Gartenzwerge. In genau dem Zustand, in dem sie sich jetzt, jetzt genau in diesem Augenblick befindet, erkennt sich wohl so mancher Leser selbst. Im Nichtstun versinken und abstumpfen.
Und wenn ich das so vor mich hinschreibe, steigt mein persönliches Bedürfnis genau in dieses Stadium heute noch zu kommen. Also Aufwiedersehen.
Samstag:
Tick- tack. Die Uhr tickt. Laura Witt hofft und bangt und wartet. Und wartet schon lange auf den Moment, auf den richtigen um es ihm zu sagen. Um es endlich auszusprechen und nicht mehr sinnlos Zeit für Gedanken zu verschwenden, die sowieso in keine Richtung führen, die sinnvoll sein könnte. Vor vier Monaten hat sie ihn gesehen und sie wusste sofort, dass dieser jemand etwas besonderes ist. Dass er heraussticht von der Menge, von der Norm. Vor dem Einschlafen musste sie fast täglich an ihn denken und er war der einzige Grund für ein kurzes Laura Witt- Lächeln. Ein Gesichtsaudruck, der angsteinflössend für andere Menschen war, da ungewohnte, unbekannte Sachen schon mal eine Gänsehaut hervorrufen können. Ja, es war soweit. Unser Mädchen steht vom Bett auf, öffnet kurz das Fenster, atmet ein paar Mal tief durch und lächelt. Ohne zu frühstücken verlässt sie mit leeren Magen das Haus und geht Richtung Zentrum. Einige Passanten drehen sich nach ihr um, da es nicht oft vorkommt um 11 Uhr morgens, am Wochenende, einen munteren, pfeifenden Teenager zu sehen und sogar zu hören.
Es ist soweit. Sie steht davor und eine angenehme Nervosität beginnt sich in ihr auszubreiten. Vor dem Betreten beschließt sie noch eine halbe Zigarette zu rauchen und danach einen Kaugummi für guten Mundgeruch zu nehmen.
Sie öffnet schwungvoll die Tür, betritt den Raum, geht auf einen jungen, gut aussehenden Mann zu und fragt: „Hast du noch den einen Leguan, der mir so gefallen hat? Ich hab das Geld zusammen und würde ihn mir heute gerne endlich kaufen!“
Leider ist gleich darauf ein wütender Aufschrei, ein gefährliches Fußstampfen und ein zerbrochenes Glas zu hören, da ihn vor nur einem Tag ein anderes Mädchen gekauft hat. Der Verkäufer weigert sich zu des Käufermädchens Glück deren Adresse preiszugeben, riskiert dafür ein paar bitterböse Blicke und erteilt einer zornigen Laura Witt Hausverbot. Unsere Protagonistin ist nun zu aufgewühlt um noch weiteres von ihr zu schreiben.
Schöne Lesetage noch.