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Lauf
Lauf, so schnell dich deine Beine, tragen können, Yuna! Leichter gesagt als getan mit deinem Bruder auf den Rücken, er ist so schwer, man könnte bei seiner Körpergröße denken er wäre leicht wie eine Feder, schließlich ist er erst 3! Er weint, er versucht mit seiner Kindersprache die ganze Zeit „Mama“ zu winseln, armer kleiner Kerl, begreift er doch nicht, dass seine Mama und sein Papa tot sind! Eine einzige Bombe der Amis auf euer kleines Häuschen in Pjöngjang hat gereicht um sie beide umzubringen! Du warst draußen spielen mit deinem Bruder, in der Straße, wo du mit deinen Freundinnen immer Seilspringen gespielt hast, dein Bruder saß immer dabei, brabbelte wirres Zeug vor sich hin, deine Freundinnen fanden ihn richtig süß! Wirklich schade, dass du die einzige von ihnen bist, die dieses Bombardement überlebt hat! Du sahst die Bomber, diese riesigen metallenen Vögel, die über dich hinwegflogen und die Bibliothek, die Schule, die Häuser der Nachbarn und deiner Freunde, der Park, wo Mama und Papa sich kennengelernt hatten, durch diese Dinger binnen Sekunden zerstört wurden. Du hast deinen Bruder gepackt und bist zu eurem Haus gerannt, so schnell bist du noch nie im Leben gerannt, trotz dem Gewicht auf deiner Schultern! Du wusstest, dass sie tot waren, so etwas spürt man in seinem Herzen und dein Bruder, er fühlt es tausendmal schlimmer, schließlich ist er doch noch so klein! Du standst vor dem brennenden Haus und spürtest, dass Mama und Papa nie wieder da sein werden! Nie wieder wird Mama mit dir kuscheln und mit dir über deinen Liebeskummer reden, nie wieder wird Papa dir Moralpredigten halten über gute Manieren, das man seiner Oma einen Kuss gibt und einen Kuss von ihr nicht abwischt mit der Hand!
Du läufst mit ihm auf den Rücken zum Stadttor, weg von all dem Elend, weg von all dem Verderben! Wenn du amerikanische Soldaten findest, werden sie dich und den Kleinen versorgen, sicherlich! Doch dafür musst du erstmal welche finden, hier in dieser Apokalypse! Ist es gerecht was hier passiert? Mag sein, dass dein Land diesen Krieg ausgelöst hat, aber was kannst du, was kann dein kleiner Bruder dafür? Das macht doch keinen Sinn!
Doch darüber sich zu ärgern bringt nichts! Du musst weiterlaufen, auch wenn dir die Füße schmerzen! Da ist ein ausgebrannter Panzer von den Amis, du bist auf einer heißen Spur! Jetzt nicht aufgeben! Moment, da ist jemand. Er hält eine Kamera in der Hand, du erinnerst dich daran wie ihr Familienfotos gemacht habt, du konntest nicht aufhören zu grinsen, schließlich hast du es doch hingekriegt und ihr hattet ein schönes Foto von euch! Der Mann sieht dich an, er sieht wohlgenährt aus, blaue Augen, sanfter Blick. Sicher ein Ami. Er mustert dich und deinen Bruder, dann nimmt er die Kamera und fotografiert euch. Dann geht er weg, als wärst du Luft, Yuna! Und das bist du nicht, 15 Jahre bist du erst, eine junge Frau ist schon aus dir geworden, du bist kein kleines Mädchen mehr, doch dein Leben ist jetzt schon vorüber! Nie wieder wirst du ein normales Leben führen können, dein Bruder genauso wenig, falls ihr das alles hier überhaupt überlebt!
Doch jetzt musst du erstmal laufen, Yuna! So schnell dich deine Beine tragen können!