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Lauf.
Lauf, wenn du willst. Du kannst auch gerne rennen, ich habe nichts dagegen. Ich glaube sogar, es wird meine Laune erheblich verbessern, wenn ich dich wie ein verängstigtes, hilfloses Reh davonspringen sehe. Du wirst mir sowieso nicht entkommen. Das weiß ich, und ich weiß auch, dass du es weißt. Egal, wohin dich dein Fluchtweg führen wird, nur ein wenig fort, um mich zu täuschen, oder bis ans andere Ende der Welt, ich werde dich finden. Und wenn ich dich gefunden habe, wirst du dir wünschen, nie geboren zu sein. Ich weiß, dieser Satz ist alt und verbraucht, doch nichts beschreibt die Lage besser, in der du dich dann wiederfinden wirst. Lauf wenn du willst, du wirst dich in ihr wiederfinden, ganz plötzlich wirst du merken, wie sich das Seil, das die ganze Zeit um deine Hals lag, zusammenzieht. Denn ich beobachte dich die ganze Zeit, ich observiere dich, ganz so wie wir es mit den kleinen Lebewesen tun, die in einem Wassertropfen leben. Das weißt du nur nicht, doch du wirst es merken, wie ein kleiner Fisch der plötzlich gegen die Glaswand stößt und sich erst da bewusst wird, dass er schon lange Zeit im Aquarium war. Ich freue mich schon jetzt darauf, weißt du? Auf dein hübsches, wunderschönes, grausames, hässliches, zerstörenswertes Gesicht, wie es zuerst den Ausdruck von Überraschung, dann ganz schnell von blinder Panik und schließlich von reiner Todesangst annimmt. Lauf wenn du willst. Ich werde dich finden, und ich werde dir das antun, was du mir angetan hast. Ich tu es aus Liebe zu dir, weißt du? Ich werde dich durch Pein reinwaschen von deinen Sünden und dir ein ewiges Leben in der Hölle ersparen, verstehst du? Ist das nicht unbeschreiblich großzügig von mir? Ist es das nicht? Ich werde dir zeigen, was du mir angetan hast, wie du mich zerrissen hast, als du ohne ein Wort zu sagen fortgegangen bist, und genauso werde ich dich zerreißen. Das verspreche ich. Lauf wenn du willst, aber ich werde dich einholen, das schwöre ich. Ich werde meine Finger in deine riesigen, blauen Augen graben, ich werde sie darin versenken! Habe ich nicht immer gesagt, ich könne in deinen Augen versinken? Jetzt wirst du sehen, dass ich das wirklich kann. Wirklich wirklich! Ich werde dich küssen, wie ich es schon hunderte Male getan habe, und dir dabei deine kleine verlogene Zunge herausreißen. Ich werde dir in dein Ohr flüstern, wie ich dich liebe und wie ich dich hasse und es dir dann abscheinden, damit du danach nichts anderes mehr hören wirst, nie mehr, damit unverfälscht auf ewig meine Stimme in deinen Ohren klingt. Wäre das nicht wunderbar? Wäre das alles nicht ganz wunderbar? Und wenn ich dir den Schmerz bereitet habe, den du mir bereitet hast, werde ich dich töten. Aber keine Angst, es wird nicht mehr schwer für dich sein, denn sterben wird dann nämlich alles sein, was du willst. Du wirst mich förmlich darum anflehen. Nach dem Tod lechzen! Und ich werde dir deinen größten Wunsch erfüllen, natürlich werde ich das, ich habe dir immer deine Wünsche erfüllt. Wieso willst du also fliehen? Hört sich das alles nicht unglaublich schön an? Für mich schon. Und das reicht völlig, denn ich werde dich finden. Glaub mir. Lauf, wenn du willst. Ich bin schon bald da.