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Lauf.

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21.12.2012
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Lauf.

Lauf, wenn du willst. Du kannst auch gerne rennen, ich habe nichts dagegen. Ich glaube sogar, es wird meine Laune erheblich verbessern, wenn ich dich wie ein verängstigtes, hilfloses Reh davonspringen sehe. Du wirst mir sowieso nicht entkommen. Das weiß ich, und ich weiß auch, dass du es weißt. Egal, wohin dich dein Fluchtweg führen wird, nur ein wenig fort, um mich zu täuschen, oder bis ans andere Ende der Welt, ich werde dich finden. Und wenn ich dich gefunden habe, wirst du dir wünschen, nie geboren zu sein. Ich weiß, dieser Satz ist alt und verbraucht, doch nichts beschreibt die Lage besser, in der du dich dann wiederfinden wirst. Lauf wenn du willst, du wirst dich in ihr wiederfinden, ganz plötzlich wirst du merken, wie sich das Seil, das die ganze Zeit um deine Hals lag, zusammenzieht. Denn ich beobachte dich die ganze Zeit, ich observiere dich, ganz so wie wir es mit den kleinen Lebewesen tun, die in einem Wassertropfen leben. Das weißt du nur nicht, doch du wirst es merken, wie ein kleiner Fisch der plötzlich gegen die Glaswand stößt und sich erst da bewusst wird, dass er schon lange Zeit im Aquarium war. Ich freue mich schon jetzt darauf, weißt du? Auf dein hübsches, wunderschönes, grausames, hässliches, zerstörenswertes Gesicht, wie es zuerst den Ausdruck von Überraschung, dann ganz schnell von blinder Panik und schließlich von reiner Todesangst annimmt. Lauf wenn du willst. Ich werde dich finden, und ich werde dir das antun, was du mir angetan hast. Ich tu es aus Liebe zu dir, weißt du? Ich werde dich durch Pein reinwaschen von deinen Sünden und dir ein ewiges Leben in der Hölle ersparen, verstehst du? Ist das nicht unbeschreiblich großzügig von mir? Ist es das nicht? Ich werde dir zeigen, was du mir angetan hast, wie du mich zerrissen hast, als du ohne ein Wort zu sagen fortgegangen bist, und genauso werde ich dich zerreißen. Das verspreche ich. Lauf wenn du willst, aber ich werde dich einholen, das schwöre ich. Ich werde meine Finger in deine riesigen, blauen Augen graben, ich werde sie darin versenken! Habe ich nicht immer gesagt, ich könne in deinen Augen versinken? Jetzt wirst du sehen, dass ich das wirklich kann. Wirklich wirklich! Ich werde dich küssen, wie ich es schon hunderte Male getan habe, und dir dabei deine kleine verlogene Zunge herausreißen. Ich werde dir in dein Ohr flüstern, wie ich dich liebe und wie ich dich hasse und es dir dann abscheinden, damit du danach nichts anderes mehr hören wirst, nie mehr, damit unverfälscht auf ewig meine Stimme in deinen Ohren klingt. Wäre das nicht wunderbar? Wäre das alles nicht ganz wunderbar? Und wenn ich dir den Schmerz bereitet habe, den du mir bereitet hast, werde ich dich töten. Aber keine Angst, es wird nicht mehr schwer für dich sein, denn sterben wird dann nämlich alles sein, was du willst. Du wirst mich förmlich darum anflehen. Nach dem Tod lechzen! Und ich werde dir deinen größten Wunsch erfüllen, natürlich werde ich das, ich habe dir immer deine Wünsche erfüllt. Wieso willst du also fliehen? Hört sich das alles nicht unglaublich schön an? Für mich schon. Und das reicht völlig, denn ich werde dich finden. Glaub mir. Lauf, wenn du willst. Ich bin schon bald da.

 

Yushiko schrieb unter den Text:

Inspiration war ein Film, ich möchte Schauspielerei studieren und mir wurde geraten, mich mit Hilfe von Geschichten ins Personen hineinzuversetzen.Kritik ist erwünscht:)

Hallo Yushiko und herzlich willkommen hier.

Ob der Ratschlag, den du bekommen hast, sich nun mit dem Kurzgeschichtenformat gut verträgt, kann ich nicht beurteilen. Aber ich kann etwas zu deinem Text sagen.

Was du hier vorgelegt hast, ist im Grunde ein längerer Monolog. Dein Ich-Erzähler spricht imaginär zu einer weiteren Figur. Imaginär, denn sie ist nicht da und kann ihn nicht hören. Er ist ja noch auf der Suche nach ihr und hat sie noch nicht gefunden. Letzteres ist sein Ziel. Und der gesamte Monolog handelt von diesem Ziel.

Ich habe mehrere Probleme mit dem Text.

Zum einen ist ein langer Monolog immer ermüdend. Sei es für Zuhörer bei einer Rede oder für Leser eines Textes wie dem hier vorliegenden. Es ist einfach unglaublich schwierig, in einen Monolog so etwas wie Spannung hineinzubekommen. Und das gelingt dir hier auch nicht. Es gibt eine Situation, die verändert sich aber nicht im Laufe des Textes. Dein Ich-Erzähler hat ein Ziel, aber auch das bleibt die gesamte Textdauer über gleich. Als Leser weiß ich nach 5 Zeilen schon so viel wie am Ende und frage mich, warum ich den Rest auch noch gelesen habe. Das ist mein Hauptkritikpunkt.

Die Figuren sind ein anderes Thema. Ich habe oben einfach wild Pronomen für deine zwei Figuren verteilt, von der eine ja nicht einmal selbst in Erscheinung tritt, sondern nur angesprochen wird. Ob ich diese Pronomen ("er" für den Ich-Erzähler, "sie" für die angesprochene Figur) richtig verteilt habe oder nicht - keine Ahnung. Die Rollen könnten auch vertauscht sein oder es handelt sich um zwei Männer oder um zwei Frauen. Ich als Leser bekomme keinen einzigen Anhaltspunkt dazu. Ich muss (vor allem bei einer Kurzgeschichte) nicht von jeder Figur die Augenfarbe und den Berufsstatus kennen. Aber ich muss als Leser so viel erfahren, dass ich der Geschichte folgen kann. Das ist hier nicht der Fall.

Sprachliche Aspekte lasse ich mal beiseite. Ich sehe hier grundsätzlichen Änderungsbedarf.

Wenn du wirklich Geschichten schreiben möchtest, solltest du die Figuren nachvollziehbar machen, ihnen eine Motivation geben, sie sollten sich auch über den Lauf der Geschichte hinweg verändern (character arc). Etwas Handlung wäre auch nicht verkehrt. Als Charakterstudie, falls man eine solche Figur auf der Bühne oder vor der Kamera spielen will, mag ein solcher Monolog hilfreich sein, um sich in die Gedankenwelt der Figur hineinzufinden. Keine Ahnung, ich bin keine Schauspielerin, aber ich könnte es nachvollziehen. Als Geschichte funktioniert so etwas aber nicht. Oder es funktioniert nur bedingt, nämlich dann, wenn es sehr, sehr gut gemacht ist.

Viel Spaß noch hier und beste Grüße!
Kerstin

 

Hallo Yushiko, willkommen im Forum! Mir gefällt Dein Text ganz gut. Ich finde, Du hast einige gute Ansätze in der Art, wie Du Sprache benutzt. Und auch das Bild des Hetzens und Jagens kommt klar rüber.

Ich denke aber auch, daß Du Dir über einige Punkte verstärkt Gedanken machen solltest, wenn Du weiterhin KG´s schreiben willst.

1) Deine Story besitzt streng genommen keine Handlung. Du schilderst statt dessen die haßerfüllte Vision einer/ eines enttäuschten Liebenden.

2) Du benutzt einige Bilder, die aus dem "Seek and destroy"-Genre sattsam bekannt sind: "wie ein verängstigtes Reh davonspringen", "Flucht bis ans Ende der Welt", "wünschen, nie geboren zu sein", "sterben wird dann nämlich alles sein, was du willst"...

Das Problem mit solchen Formulierungen ist, daß sie auf viele Leser abgenutzt wirken, so wie Witze, die man mehrfach gehört hat oder Phrasen der Politiker. Natürlich kann man nicht alles neu erfinden, aber um bestimmte Wendungen sollte man einen Bogen machen (Wortwitz bemerkt?:)).

3) Ich möchte Dich außerdem auf eine Problematik aufmerksam machen, die etwas mit dem direkten Übertragen eines Bildes zu tun hat.

Du schreibst zu: "Und wenn ich dich gefunden habe, wirst du dir wünschen, nie geboren zu sein."

den Zusatz:

"Ich weiß, dieser Satz ist alt und verbraucht, doch nichts beschreibt die Lage besser, in der du dich dann wiederfinden wirst."

Ich denke, es ging Dir durch den Sinn, daß Du etwas sagen wolltest, um die Verwendung der verbrauchten Phrase zu rechtfertigen. Aber wenn Du so sehr darauf rumreitest, wird man als Leser auf den fragwürdigen Aussagegehalt einer solchen Behauptung gestoßen: Ich bezweifle, daß ein Mensch unter großen Qualen jemals auf einen so abstrakten Wunsch kommen würde wie den, niemals geboren worden zu sein.

4) Ein Tip zum Formatieren: Da die meisten User online lesen, sind Leerzeilen oder zumindest Absätze wichtig. Fließtext tut den Augen weh.

Beste Grüße
Achillus

 

Was schaust denn Du für Filme und welche sadistische Ader gewinnt denn da die Oberhand? Aber erst einmal

hallo & herzlich willkommen hierselbst,
Yushiko!,
und schon hätt’ ich die nächste Frage: Warum beginnt der Titel

lauf./Lauf.
entgegen aller Sehgewohnheit zunächst mit Kleinbuchstaben (inzw. korrigiert) und endet mit einem Punkt, wenn doch der Imperativ, der zweifellos als Titel verwendet wird, üblicherweise mit einem Ausrufezeichen versehen wird? Eineinhalb Fragen schon zu Anfang – kein gutes Zeichen, selbst wenn die Sprache sich flüssig gibt. Auf nicht mal einer Seite inneren Monologs (oder doch die Rede an eine weniger gefragte als gejagte Person, die der Redner wohl, nicht aber wir kennen und uns somit das Opfer selber formen müssen oder sollen, aber nach wessen Bilde?) einiges an Flüchtigkeit und vor allem fehlerbehaftete Zeichensetzung, aber auch Verständnisprobleme, wie etwa hier
…, wirst du dir wünschen, nie geboren zu sein.
Gebären, aktiv, geboren, passiv, also besser
…, nie geboren [worden] zu sein.

Hier nun ein entweder oder, Flüchtigkeit (Endung vergessen in der Eile, die man ja heutzutage auch beim Schreiben hat) oder inkorrekte Endung (von mir liebevoll dann unter der Fälle-Falle subsumiert):
…, wie sich das Seil, das die ganze Zeit um deine[n] Hals lag, zusammenzieht.
Oder die simple Frage: Warum die Verdoppelung, erst privat (beobachten) und dann amtlich (observieren = beobachten)?
Denn ich beobachte dich die ganze Zeit, ich observiere dich …

Und Zeichensetzung mit der Allerweltsregel, dass ein Nebensatz Anfang und Ende habe …
…, ganz so[,] wie wir es mit …

… wie ein kleiner Fisch, der plötzlich gegen die Glaswand stößt[,] und sich erst da bewusst wird, …

Lauf[,] wenn du willst.
(Ist tatsächlich wenigstens einmal kommafrei hierorts und: Das ist mehr als ein schlichter Aussagesatz, darum auch – wie oben beim Titel – besser ein „!“!)

… hast, als du ohne ein Wort zu sagen[,] fortgegangen bist, und …

Sicherlich kein Beinbruch, wenngleich ich mich frage, ob Du Deine Zielgröße „Schauspieler werden“ mit einer einzigen Rolle hinbekommen wirst.

Zwei gegensätzliche Charaktere wären da sicherlich hilfreicher …

meint der

Friedel,
der schöne Tage diese Tage wünscht!

 

Dankedanke, das hat mir schon total geholfen:) klar gibt es noch sehr, sehr viel Verbesserungsbedarf, aber lieber rechtzeitig anfangen als zu früh.

 

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