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Lauf zurück

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29.08.2003
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Lauf zurück

Lauf weg…
Lauf, wohin dich die Sterne tragen…
Lauf weit…
Lauf, wenn dich die Liebe zieht…
Lauf schnell…
Lauf, bevor du Liebe fühlst…
Lauf zu ihr zurück


Seine Blicke verlieren sich an Orten, die für andere Menschen nicht sichtbar sind. Manchmal scheint es, als kämen sie nie mehr zurück.

Ich beobachtete ihn für eine Weile. Er bewegte sich nicht. Sein Mund war leicht geöffnet, seine vollen Lippen zuckten. Woran denkt er jetzt bloß, dachte ich. Niemals wusste ich, was in ihm vorging. Wie so oft hatte ich das Gefühl, dass er mich nicht wirklich an seinem Leben teilnehmen ließ und wie so oft schien er in diesem Moment für mich verloren. Er war nicht gleichgültig. Vielleicht liebte er mich. Aber er war traurig.

In mir kam das Bedürfnis hoch, ihn wieder in die Realität zu holen, ihn herauszureißen aus seinen Gedanken, ihn zu mir zurückzubringen. Es war schön, ihn anzusehen. Und der Gedanke daran, dass ich das nachher nicht mehr tun konnte, ängstigte mich. Vielleicht wollte er ja auch nicht zu mir zurück.

Er zündete sich eine Zigarette an. Ich liebte den Duft der aufsteigenden Nebelfetzen. Langsam drehte er sich zu mir um und flüsterte: „Es gibt keinen Ort, an dem ich zu Hause sein kann.“ Die Hand mit der Zigarette suchte den Weg zu seinem Mund. Sie zitterte. „Darf ich heute Nacht bei dir bleiben? Wenn du neben mir liegst, kann ich einschlafen. Und das Aufwachen ist erträglich, wenn ich dein Gesicht auf meiner Brust sehe.“ Ich nickte. Ich hatte gehofft, dass er bei mir bleiben würde. Wenn ich auch nicht neben ihm einschlafen konnte. Er war für mich ein Phantom, ein Geist, eine Vorstellung, nach der ich mich verzehrte. Es tat mir um jede Sekunde leid, die ich nicht neben ihm wach war, zu schlafen war verlorene Zeit. Ich wollte bewusst erleben, wie er neben mir lag, wie er sich umdrehte, wie er schlief. Ich wollte seinen Atem hören und es einfach spüren, wenn er meine Hand hielt.

„Ich gehe ins Bad“, sagte ich. Ich spürte, wie er mir hinterher blickte. „Zieh das schwarze Negligee an“, rief er mir nach. Er mochte dieses Nachthemd. „Es fühlt sich beinahe an, wie deine Haut“, hatte er einmal gesagt. Während ich mir die Zähne putzte, kam er herein. Er hielt mir die Haare zurück, als ich mich über das Waschbecken beugte. Dann blieb er in der Tür stehen und sah mir zu wie ich mir meine Haare kämmte. Ich wandte mich ihm zu und er ging ins Schlafzimmer. Meine Kleider legte ich auf einen Stuhl und ich holte mein schwarzes Negligee hervor. Es fühlte sich beinahe an wie Haut. Ich betrachtete mich im Spiegel, ich war noch nackt und bemerkte, wie ein Kribbeln in meinem Körper aufstieg, ich bekam Gänsehaut. Ich hatte Angst. Ich liebte diesen Mann, der wohl schon im Bett lag und auf mich wartete. Diesen Mann, dessen Herz schon vor langer Zeit zu fühlen aufgehört hatte. Ich liebte diesen Mann, der keine Liebe fühlen konnte.

Sacht ließ ich mein Negligee über meinen Körper fallen, Haut auf Haut. Ich drehte das Licht ab und ging barfuß den Flur zum Schlafzimmer entlang, ließ meine linke Hand die weiße Wand entlang gleiten. Dumpfes Schlafzimmerlicht erleuchtete den Gang, die Tür war einen Spalt offen. Nervös betrat ich den Raum, er lag mit dem Rücken zu mir auf dem großen Bett. Kerzen brannten. Als er mich hörte, drehte er sich zu mir um und lächelte. Dann verfiel er seinem starren Blick, der ihn unerreichbar erscheinen ließ. Ich legte mich zu ihm. Langsam legte er seine Hand auf meinen Bauch. „Ich bin froh, bei dir sein zu dürfen. Einsamkeit würde mich umbringen. Ich sterbe lieber bei dir.“

Ich fühlte seinen Atem an meinem Hals und strich ihm die langen schwarzen Haare aus seinem Gesicht. Dabei sah ich, wie er die Augen schloss. Sein Mund öffnete sich ein wenig. Er begann, meinen Bauch zu streicheln, mein Negligee faltete sich zu Wellen zusammen. Es fühlte sich beinahe an wie Haut… Ich spürte, wie seine Tränen über meinen Hals zwischen meine Brüste liefen.
Seine Hand wurde ruhiger, zuckte gelegentlich noch ein wenig. Er schlief.

Ob er ahnt, dass ich ihn liebe? Vielleicht denkt er, ich empfinde dasselbe für ihn, wie er für mich. Würde er noch bei mir übernachten, wenn er wüsste, was er für mich ist? Er weiß es nicht. Er weiß es nicht, weil er keine Ahnung davon hat, was ein Mensch für einen anderen empfinden kann.
Ich kann es ihm auch nicht sagen. Er lebt in einer Welt, die für mich nicht sichtbar ist, eine Welt, aus der er nicht zurückkann und in die ich nicht hinein kann.
Ich kann ihn nicht zurückholen, herausreißen, ich kann ihn nicht zu mir holen.
Es war schön, ihn anzusehen, und der Gedanke daran, dass ich das nachher nicht mehr tun konnte, war unerträglich. Er wollte ja auch nicht zu mir. Er liebte mich nicht.

Sein Herz verliert sich an Orten, die für andere Menschen nicht sichtbar sind. An diesen Orten ist es sehr kalt. Nichts lebt dort mehr. Und manchmal scheint es, als wolle es nie mehr zurück.

 

Der einleitende Siebenzeiler irritierte mich, konnte ihn nicht zuordnen. Geschriebenes, so mein erster Verdacht, worin auch der Verfsser keinen Sinn sieht und damit spielt, dass der Leser schon was darin erkennen werde. Allerdings wisen wir, dass das ja deine Stärke ist, Dinge noch nicht gleich vollends ausszusprechen, sondern sie wieder aufzunehmen, dich darauf zu beziehen und sie nach und nach aufzulösen. So schreibt man wohl auch Geschichten. Diesmal ist es leider nicht der Fall. Mir persönlich sind auch "Fleischsätze" lieber. Sätze, bei denen man einfach weiterlesen muss, ist man nicht bescheuert.

Mit dem vierten Absatz beginnt dann die Geschichte und der Einstieg begeistert. Ja, der Absatz ist gut. Heuchelt uns Männern vor, wir bekämen gerade erklärt, wie Frauen lieben und diesbezüglich funktionieren. Ferner ist es eine so klare saubere Sprache, dass man sich hineinlegen möchte. Im darauffolgenden Absatz erfährt der Leser dann, dass die Vermutung, es handle sich um eine flüchtige Feundschaft, gar Abendbekanntschaft, trügt. Wir erfahren, dass es sich um eine längerwierige Beziehung handelt. Erotik beginnt. Leider noch passiv, wir erfahren dass sie "noch nackt" sei, und sich etwas anziehe, was sich wie Haut anfühle. Hier wäre allein die Männerperspektive interessant und angebracht, um auch dem Leser ein Kribbeln zu vermitteln. Sie - mit sich selbst - nackt; gut, hat sie wohl öfter. Wie er es aufnimmt, interessiert uns. Dann der Hammer: Er fühlt nicht. liebt nicht. Jetzt ergreift auch uns der Schauder, als wir lesen und somit vor unserem geistigen Auge sehen - wiklich sehr schön und plastisch beschrieben - dass da in ihrem Bett ein Mann liegt der nicht fühlt. Beruhigen tun wir uns, wenn wir uns erinnern, dass er nicht völlig gefühlstaub ist, sondern Traurigkeit möglicherweie der Grund ist, der es ihm unmöglich macht zu lieben. Bestimmt, kein Gewalttäter, denken wir und erleichtert sensibilisieren wir uns für das Erotische dieser Situation. Leider hatte sie nun das schwarze Etwas bereits übergeworfen: Würde er es ihr noch ausziehen? Sie musste derartiges erwarten, würde sie sonst nervös sein? Immerhin hatte sie im vorhinein bereits für romantische Beleuchtung gesorgt. Doch warum muss er sterben? Was wird uns verheimlicht? Hat er Aids? Komme mir mittlerweile eher als Detektiv denn als Voyeur vor. Er begann sie zu streicheln und schlief darüber ein. Wovon war er so erschöpft? Hatten sie es bereits hinter sich. Handelt es sich hier um die Situaton danach. Ja klar, das ist es, darum gings also, deswegen fragt er eingangs, ob er noch bleiben dürfe. Mist, alles schon gewesen, wir Leser kommen zu spät. Bloß warum weint er denn, was macht ihn traurig. Oder hat er nicht gekonnt, ist er impotent. Hm, impotent, das wirds sein. Das ist gemeint mit Nicht-lieben-Können, man Schriftbild, da standest du aber auf der Leitung.

Doch dann wieder alles anders, höher, für den Leser unerreichbar und unverständlich. Eine andere Welt, in der er lebt, in die sie nicht kann. Und er, müssen wir erfahren, will nicht in ihre Welt, so glaubt sie, da er sie nicht liebt. Doch nicht Impotenz, mist. Sein Herz ist kalt und es scheint manchmal, als wolle es nicht zurück. Wie lyrisch denken wir und erfeuen uns, der schönen Sprache, die wir genossen haben.

Fazit: Alles beim Alten. Frauen stehen auf gefühlskalte Typen, die den starren Blick haben. Frauen lieben solange, wie sie spüren, dass sie mehr lieben als der Mann. Hm, denke ich mir, eigentlich doch ganz einfach mit den Mädels. Oder waren es doch die langen Haare, die sie liebte?

Mal sehen, vielleicht verrät man es mir. Auf jeden Fall muss die Autorin ein intensivs Sexualleben haben, wenn alles diesbezügliche für sie keine Rolle spielt, sie hier keine Stimulanz beim Schreiben sucht.

Dennoch, deine Geschichte hat mir gefallen, weil sie sich schön lesen lässt. Und Sprache ist eben doch das Entscheidende. An dir geht eine Lyrikerin verloren.

LG - S -

 

hi schriftbild!

wie schon gesagt: deine kritik ist sprachlich sehr gut geschrieben, ich mag diesen zynischen unterton, dieses frage-antwort-spiel...
ich mag es, wenn meine geschichten so zerstückelt werden... ;)

und jetzt, wie versprochen, die retourkutsche:

der einleitende siebenzeiler soll die leser natürlich neugierig machen, ich habe auch nichts dagegen, wenn sie dadurch irritiert werden. das schadet keinem. aber: für mich machen die verse sinn, kein wort wurde willkürlich ausgewählt. die zeilen beziehen sich auf den protagonisten, der vor gefühlen wegläuft, gefühle, die in ziehen, bevor er sie überhaupt fühlt. die letzte zeile, sowie auch die überschrift, soll eine VERGEBLICHE aufforderung an den prot. sein, wieder zu den gefühlen zurückzukehren - kann er aber nicht => TRAGIK (hoffe ich zumindest).


"Wir erfahren, dass es sich um eine längerwierige Beziehung handelt."
Das hast du richtig erkannt, nur noch nicht ganz. du wirst auch gleich wissen, warum.

Den "erotischen Teil" habe ich ganz dezent angelegt. im leser soll der verdacht aufkommen, da geht's bald zur sache.

was das nicht lieben können des prot. angeht: extreme, dauerhafte traurigkeit macht menschen beziehungsunfähig. das ist ein faktum - dazu muss man kein psychologe sein.

Sie ist nervös, bevor sie zu ihm ins bett geht. ja, aber nicht wegen sex: sie ist nervös, einfach, weil er in ihrem bett liegt, er, der mann den sie liebt. das reicht doch für nervösität, oder?

"Doch warum muss er sterben?"
da hast du mich erwischt, das kann ich auch nicht erklären. aber es hört sich doch gut an! :cool:
nein, innerlich sterben.

"Er begann sie zu streicheln und schlief darüber ein. Wovon war er so erschöpft? Hatten sie es bereits hinter sich. Handelt es sich hier um die Situaton danach. Ja klar, das ist es, darum gings also, deswegen fragt er eingangs, ob er noch bleiben dürfe. Mist, alles schon gewesen, wir Leser kommen zu spät."

ihr leser kommt überhaupt nicht zu spät, weil nämlich gar nichts zwischen den beiden läuft. da war noch nie etwas. nicht einmal ein kuss -> freunde. aber sie ist in ihn verliebt, er nicht in sie. aber er liegt gerne neben ihr, neben ihr kann er einschlafen. steht doch eh alles in der geschichte... :read:

"Auf jeden Fall muss die Autorin ein intensivs Sexualleben haben, wenn alles diesbezügliche für sie keine Rolle spielt, sie hier keine Stimulanz beim Schreiben sucht."

es kommen in dieser geschichte keine sexszenen, kaum eindeutige körperlichkeiten vor, weil zwischen ihnen einfach nichts läuft. und das hat nix mit meinem sexualleben zu tun!!! du scherzkeks :lol:
und weinen tut er, weil er traurig ist und bei ihr kann er traurig sein. es liegt nicht an impotenz.

ja und es stimmt: frauen lieben unerreichbare männer, das liegt an der evolution. genauso wie die langen haare :D
und warum sollte ich nicht darüber schreiben?

"Dennoch, deine Geschichte hat mir gefallen, weil sie sich schön lesen lässt. Und Sprache ist eben doch das Entscheidende. An dir geht eine Lyrikerin verloren."

Wie immer freut es mich, das von dir zu hören. lässt die schmerzen erträglicher sein. :D
sprache ist viel, aber nicht alles.
was nützt es, eine lyrikerin zu sein, wenn sie nicht fähig ist, das, was sie sagen will, auch auszudrücken. aber vielleicht macht es genau das aus. robert schumann sagte einmal:

"es ist sonderbar, dass ich dort, wo meine gefühle am stärksten sind, aufhören muss, dichter zu sein."

gesteh mir das bitte auch zu :deal:

kuss, kardia

 

Joa, gute R-kutsche. Nur eine Frage noch: Was meinte Robert Schumann mit seiner Aussage?


kuss Schriftbild

 

hi schriftbild!

naja, das zitat war bezogen auf meine "unfähigkeit", konkrete geschichten zu schreiben.

und ich stimme schumann zu: dort, wo die gefühle am stärksten sind, findet man klare worte eben nur mehr schwer...

bis bald,
kardia

 

Wovon man viel versteht, weil selbst erlebt, darüber muss man schweigen, da man keine Worte findet?

 

nur weil man eine intensive erfahrung erlebt hat, bedeutet das nicht gleich, dass man es auch versteht (meist entsteht genau dann verwirrung). und man muss auch nicht darüber schweigen.

ein kleines experiment: stell dir einen menschen vor, der dir besonders viel bedeutet und du müsstest denjenigen beschreiben, egal ob für dich oder für einen anderen. und dann stell dir einen menschen vor, der dir gleichgültig ist, den du beschreiben müsstest. ich bin mir sicher, dass auch du für den, der dir egal ist, mehr worte, passendere worte finden würdest, WEIL DIR AUCH NICHT SO WICHTIG IST, WAS DU ÜBER DEN SAGST ALS ÜBER DEN ANDEREN, DER DIR VIEL BEDEUTET.

oder: du musst für diese zwei personen ein geschenk finden. wahrscheinlich wird dir das bei der geliebten person schwerer fallen, das passende zu machen oder zu finden, da es einfach persönlicher ist und perfekt sein muss.

 

Hallöchen.

Es macht Spaß euch beim gegenseitigen kritisieren und erklären zuzusehen. :)
Jedenfalls hatte ich erst durch die Erläuterungen von Schriftbild eine Ahnung davon, was gemeint war und die Erklärungen von kardia tun ihr Übriges.
Vielleicht liegt es auch daran, dass ich ziemlich müde bin und schon zu faul zum Nachdenken.
Der Schreibstil gefällt mir übrigens, da er schön flüssig und ansprechend zu lesen ist.

Liebe Grüße, die Oh

 

Hi dieOH!

Bedank dich bei Schriftbild, dass unsere Diskussionen so unterhaltsam sind. Er hat damit angefangen, bzw. den Vorschlag gemacht, böse zum anderen zu sein. Ich mach' nur gerne mit :D

Hat mich echt gefreut von dir zu hören, dass mein Schreibstil "ansprechend" ist.

Schriftbild hat dieses Wort noch nie für mich verwendet :( (Hoffentlich liest er das!)

Liebe Grüße,
kardia

 

Oh ja! Das habe ich heute eh gebraucht, nachdem ich mich für meine stories heute schon sooooo viel rechtfertigen hab' müssen...

Du möchtest dich nicht zufällig mit mir gegen Schriftbild verschwören, oder??? :D
Das wär lustig!

 

Ach die Mädels träumen wieder, an sich ganz niedlich, aber wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe.


Gruß Schriftbild

 

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