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Lass es Liebe sein

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18.02.2009
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Lass es Liebe sein

Das Aufstehen ist so mühsam. Vielleicht nicht wirklich mühsamer als das Zubettgehen, im Grunde spiegeln sich beide Vorgänge in umgekehrter Reihenfolge, aber die Nacht lockt zumindest mit einigen Stunden Schlaf. Einige Stunden, die vom Zerren und Reißen der Muskulatur entheben, vom Knacken der Gelenke, den Zipperlein des Alters.
„Zipperlein“, denkt er, und muss schmunzeln, „noch so ein nettes kleines Wort, das vollkommen zu Unrecht dabei ist in Vergessenheit zu geraten.“
Solange einem solche Kleinigkeiten noch auffallen und amüsieren, ist das Leben seine Beschwerlichkeiten und Mühen wert.
Er wuchtet sich vorsichtig in eine sitzende Haltung, lässt die Füße eine Weile über den Matratzenrand baumeln, um auch seinem Blutdruck Gelegenheit zu geben, zu merken, dass es Zeit zum Aufstehen ist.
Das frühe Licht fällt weiß wie Nebel ins Zimmer, es wird mindestens noch eine Stunde dauern, ehe der Tag ihm seine spezifische Färbung verleiht. Wenn sie Glück haben, wird es ein warmes Orangegelb sein, das das verbliebene Laub an den Bäumen zum Leuchten und die Menschen trotz bereits beißender Temperaturen in die Parks und Gärten bringt.
Er wendet sich hinüber zur anderen Seite des breiten Bettes, muss dafür den gesamten Oberkörper drehen, die schlimme Schulter erlaubt keine kleinen ruckartigen Bewegungen mehr.
Die kleine, unter dem Deckenberg vermummelte Gestalt löst in ihm wie stets ein Gefühl warmen Staunens aus und fast erwartet er, im Kissen die rosig-weichen Züge jener Zwanzigjährigen zu finden, die der Zufall vor so vielen Jahren in sein Leben geweht hat.
Seinen eigenen Anblick im Badezimmerspiegel, bei der Rasur oder beim Zähneputzen, hält er mitleidlos aus. Die Furchen und Unebenheiten jedoch, die Jahre und Jahrzehnte in der Haut seines Mädchen festgehalten haben, bringt eine Saite in ihm zum Schwingen, deren Ton, süß und schmerzlich zugleich, ihn tagsüber nie ganz verlässt.
„Liebe“, denkt er. So viel gelebte, gelittene Liebe. Und Dankbarkeit. Und weiter dahinter, nur unzureichend verborgen vor dem eigenen, wachen Ich, eine Angst. Angst vor dem Abschied, der, wie er sehr wohl weiß, unausweichlich ist. Dabei ist dieses Gefühl kein Neues, gewiss nicht.
Nicht für den Mann, der seiner Geliebten im Fronturlaub einen Verlobungsring ansteckte, dessen Gold von der Uhrenkette seines Vaters stammte – anderes war zu diesen Zeiten nicht aufzutreiben.
Nicht für den Mann, der sich anschließend aufmachte in den Großen Vaterländischen Krieg, wie ihn die Menschen, die zu bekämpfen er gezwungen wurde, nannten.
Den Mann, der toten Kameraden die Stiefel von den Füßen zog – zwei Paar sind besser als eines und was du hast, hast du – und erst hinterher über den eigenen Gleichmut dieser Tat erschrak. Aber der Krieg lässt keinen Platz für Menschlichkeit, du musst dich entscheiden - und er hatte sich entschieden zu leben. Für diese Frau, um die er sich im Wachen und im Schlafe ängstigte, denn was wusste man schon, wo im Reich man dieser Tage noch sicher sein konnte? Es gab genug Nationen, denen man auf die Füße und ins Gesicht getreten war.
Der Winter in Russland ließ einen den Glauben an Gott verlieren, nicht jedoch den an die Liebe.
Und diesen Glauben bewahrte er sich auch dann noch, als er im Frühsommer 1945 zu Fuß ein zerstörtes Land durchwanderte. Oder vielleicht hat sein Glaube an die Liebe auch ihn bewahrt, wer weiß das schon zu sagen.
Sie haben beide überlebt, nur das zählte am Ende und es zählt bis heute jeden einzelnen Tag. Er streckt die Hand aus und berührt sanft eine Strähne des feinen weißen Haares, das in den letzten Jahren so dünn und schütter geworden ist, dass es sich wie Kinderflaum anfühlt.
„Aufstehen, mein Herz“, sagt er wie jeden Morgen, und wie jeden Morgen antwortet ihm ein schläfriges Murmeln aus der Tiefe ihres Traumes. Während er sich schließlich erhebt und sich mit steifen Gelenken anzukleiden beginnt, erinnert er ihre erste Begegnung, die so viele Jahre zurückliegt.

Unverhofft war die kleine Gruppe Mädchen durch die Türe hereingeschneit, schnatternd und kichernd. Gerade so, als habe die milde Frühjahrsluft sie draußen auf der Straße aufgewirbelt und direkt in Cafe Volker geweht, dem Zentrum studentischen Lebens in Tübingen, Kriegssommer 1943.
Gewiss war keine der jungen Frauen unansehnlich oder gar hässlich gewesen, doch seine Aufmerksamkeit zog ein zierliches Geschöpf auf sich. Sie mochte ihm kaum bis zur Brust reichen, doch sprach und gestikulierte sie mit einem Eifer, der sie ganz natürlich zum Mittelpunkt der kleinen Gruppe machte. Die schulterlangen blonden Locken bändigte ein dezent gemustertes Band, die feingeschnittenen Züge mit den wachen blauen Augen trugen jene Kühle in sich, die die zugereiste Hanseatin in ihr verriet.
Das Cafe war gut gefüllt gewesen, es war die Zeit des frühen Mittags zwischen Vorlesungen und anderen Pflichtterminen. So war es ihm ein Leichtes gewesen, mit seiner Zeitung mehr oder weniger unauffällig in die Nähe der Mädchen zu rücken, die sich um einen Ecktisch am Fenster gruppiert hatten und Tee bestellten.
Er fischte den einen oder anderen Gesprächsbrocken aus dem vielstimmigen Summen und Zwitschern im Raum heraus, es handelte sich tatsächlich um Studentinnen und als schließlich der Name eines ihm bekannten Professors fiel, ballte er grinsend die Faust unterm Tisch. Der ältliche Mediziner hielt für gewöhnlich die Einführungsvorlesungen für die Frischlinge, die Erstsemester der Humanmedizin. Er selbst hatte sich vor etwa anderthalb Jahren durch die unfassbare Menge an Informationen gewühlt, die in einschläfernder Stimmlage vorgetragen wurden, 90 Minuten lang. Die Erleichterung am Ende des ersten Semesters, die leiernde Altherrenstimme nicht wieder hören oder die verwirrenden Schaubilder von der Tafel abmalen zu müssen, war ihm noch deutlich in Erinnerung.
Medizin also. Er schmunzelte in sich hinein. Auf den ersten Blick schien kaum ein Studienfach unpassender für dieses zarte Wesen. Wie sollte sie mit Knochensäge und Skalpell vor einem nach Formaldehyd stinkenden Leichnam stehen und in dem toten Gewebe nach dem musculus occipitofrontatis und dem musculus pronator teres suchen?
Auf den zweiten Blick jedoch sah er eine beeindruckende Hartnäckigkeit und Entschiedenheit in jeder ihrer Gesten und wenn es nur der Griff war, mit dem sie ihre Teetasse festhielt. Ja, dieses Mädchen steckte voller Überraschungen, da war er sich ziemlich sicher. Und ganz bestimmt war sie die Herausforderung wert, noch einmal 90 Minuten bei besagtem Professor auszuhalten.
Als er sich schließlich auf den Nachhauseweg machte, unternahm er einen Abstecher zum Schwarzen Brett der Fakultät. Die nächste Erstsemestervorleseung fand in zwei Tagen statt. Schrecklich viel Zeit, wie er bei sich dachte.
Am Donnerstag traf er früh genug im Koloquiengebäude ein, um das akademische Viertel im Gang vor dem Hörsaal verschlendern zu können. Erst kurz vor Beginn der Veranstaltung schlüpfte er in den großen Raum und obwohl die Bänke recht gut gefüllt waren, fand sein Blick die blonden Locken sofort. Er drängte sich mit einiger Entschiedenheit in die Bank direkt hinter ihr, kam schließlich dicht genug bei ihr zu sitzen, dass er das Muster auf dem Band in ihren Haaren erkennen konnte.
Sie hatte einige Schreibzettel vor sich auf den Tisch gelegt und auch einen halben Bleistift, wie er bemerkte. Was fehlte, waren Buntstifte, genau wie er gehofft hatte. Der Professor war bekannt für seine ausführlichen Schaubilder, die mit verschiedenen Farben ausgemalt und beschriftet werden mussten, wenn auch nur der Hauch einer Chance bestehen sollte, sie später noch zu verstehen. Er zog seine Blechschachtel hervor, in der er die bunten Stummel verwahrte, kleine Kostbarkeiten, die in den weiter fortschreitenden Kriegsjahren immer schwerer erhältlich geworden waren.
Nach etwa zwanzig Minuten begann der Redner vorne an die Tafel ein kompliziertes Gemälde mit wilden Kreideschwüngen zu skizzieren, und er hörte gedämpftes Seufzen und Stöhnen um sich herum, wenn die Studenten und Studentinnen sich bemühten, gleichzeitig zuzuhören und abzuzeichnen. Jetzt! Zaghaft tippte er auf die schlanke Schulter in der Bank vor ihm.
Sie fuhr herum und musterte ihn mit einem so stechenden Blick, dass ihr freundliches „Ja?“ glatt gelogen wirkte. Es schien klar, dass sie diese Unterbrechung für so unwillkommen wie unhöflich hielt.
„Ich habe mich nur gefragt, ob du die hier vielleicht ausleihen möchtest.“ Er schob ihr die Blechschachtel hin. „Dann wird das Gekritzel etwas verständlicher.“
Einen Augenblick zeichnete sich Verwirrung in ihre klaren Zügen, dann lächelte sie so hinreißend, dass die unausgesprochene Rüge von gerade eben vergessen war.
„Wie aufmerksam, danke schön!“ Sie griff nach den Stiften und begann eifrig, ihre Aufzeichnungen damit zu vervollständigen.
Mehr hatten sie nicht miteinander gesprochen während jener Vorlesung, aber er war sich ziemlich sicher gewesen, den ersten kleinen Schritt hin zu seiner absoluten Unentbehrlichkeit in ihrem Leben getan zu haben.

Tübingen war keine große Stadt, schon damals nicht, und die Schar der Studierenden, die nicht zum Dienst an Vaterland und Waffe andernorts zwangseingesetzt wurden, überschaubar. Man lief sich zwangsläufig immer wieder über den Weg und mit etwas Kalkül, Gewitztheit und gesundem Menschenverstand noch etwas häufiger als der Zufall es bestimmte. An vielen Dingen hatte Mangel geherrscht in jenen grauen Zeiten, die seiner Jugend die Kulisse gaben. Kleinigkeiten, deren Wert man erst dann bedauernd schätzte, wenn sie nicht mehr so leicht verfügbar waren. Ein Nagel, ein Bindfaden, eine Schachtel Zündhölzer, ein Radiergummi. Schon zuvor war er recht geschickt darin gewesen, diese Dinge zu „organisieren“, seit er als Belohnung jedoch dieses unnachahmliche Lächeln im Gesicht eines bestimmten Mädchens wusste, trieb ihn ein ganz anderer Eifer an. Häufig genug verzichtete er selbst auf die eine oder andere Annehmlichkeit, nur um ihr Staunen zu sehen, die kindlich mitreißende Begeisterung, wenn er wieder einmal etwas scheinbar Unmögliches aufgetrieben hatte.
„Wie machst du das nur immer, Bernd!“ strahlte sie ihn an und er, wohl wissend, dass sie keine ehrliche Antwort erwartete, zuckte verschmitzt die Schultern und wagte nur bisweilen eine etwas kessere Entgegnung, in der etwa die Worte „schönes Mädchen“ und „es ist mir ein Vergnügen“ verpackt waren. Oft genug begnügte er sich mit einem, wie er hoffte, vielsagendem Lächeln und gab den geheimnisvollen Charmeur.
Aus Hamburg stammte sie, so viel hatte er mittlerweile in Erfahrung gebracht. Eine enge Freundin von ihr war einem Verehrer bis nach Tübingen zum Studium gefolgt und Ingrid hatte sich ihr angeschlossen. Lag doch auch das verträumte Tübingen einigermaßen mehr behütet im Landesinneren als die alte Hansestadt, über die bereits seit geraumer Zeit schon Tiefflieger zogen. Nach durchwachten Nächten in Schutzkellern, voller Angst, Kinderweinen und schlechter Luft, musste ihr der scheinbare Frieden hier unten wie Urlaub sein. Indes, darüber sprachen sie noch kaum. Nicht über seine Einsätze an der Front in Polen, die er nur deshalb hatte unterbrechen dürfen, um das Medizinstudium fortzuführen – Deutschland, auch ein Deutschlands, das noch an den Endsieg glaubte, blutete aus und Ärzte wurden dringend benötigt . Nicht über ihre Familie, Eltern und die Schwester mit Säugling, die noch in Hamburg verblieben waren. Stattdessen bemühten sie sich um so viel Normalität wie möglich, und während sich die Blätter auf den Bäumen entlang des Neckarufers allmählich verfärbten und die Luft nach Winter zu schmecken begann, wurden ihre Spaziergänge dort zu einer lieben Routine.
Nach und nach entstand zwischen ihnen eine Form von Nähe, die auch längere Schweigepausen ermöglichte, ohne dass das Gefühl des Miteinander darunter litt, im Gegenteil.
Er erzählte ihr von seinen beiden Schwestern, eine älter, eine jünger, mit denen ihn eine liebevolle, wenngleich nicht sehr intime Beziehung verband. Ingrid hatte eine vier Jahre ältere Schwester, deren Mann und Vater ihres erst wenige Monate alten Sohnes an der Front war und sein Kind kaum schon gesehen hatte.
„So ein kleines Würmchen, der Hajo“, meinte sie bisweilen bekümmert und dann legte er ihr schweigend seine Hand auf die ihre. Er hatte genug Kleinkinder und Säuglinge in diesen Zeiten gesehen, um zu wissen, dass bei aller Fürsorge und trotz mancher Extraration, sie die Schwächsten und ersten Verlierer dieses Kriegs waren. Mangel an gehaltvoller, ausgewogener Nahrung, von Fliegeralarm unterbrochene Nächte und die Abwesenheit der Väter ließen eine Generation heranwachsen, der Not und Entbehrung buchstäblich in die Wiege gelegt worden war.
Aber es gab auch Momente, die sie diese Wirklichkeit beinahe vergessen, oder doch wenigstens in Hintergrund rücken ließen.
Die Stunden, während derer er ihr geduldig den Unterschied zwischen Transferase und Oxidoreduktase erklärte oder sie chemische Formeln und das komplette menschliche Skelettsystem abfragte.
Die erste längere, immer noch scheue Umarmung.
Ein Spaziergang, Hand in Hand, die Sonne auf ihrer Haut.
Ein mit einer Tasse Tee geteilter Nachmittag.
Der erste Kuss.
Gemeinsames Lachen und Amüsieren über die Eigenheiten manch eines Professors.
Hoffnung inmitten von fortschreitender Zerstörung.
Liebe.
Immer wieder führte alles darauf zurück. Ein gemeinsam verbrachtes Leben, durch Zuneigung aneinandergehäkelte Jahre, Monate, Stunden.
Konflikte, gewiss, Streitereien, ein zum Schmollen verkniffener Mund, unterkühlte Blicke, Trotz, Sturheit, Zorn, Verletzung. Wo konnte es ganz ohne gehen?
„Wertes Fräulein, darf ich’s wagen, Ihnen meine Verzeihung anzutragen?“ hatte er anschließen bisweilen Goethe uminterpretieret. Und sie hatte gelächelt, verhalten zuerst, und ihn einen Schafskopf genannt.

„Du, Ingrid“ sagt er jetzt spontan. „Wie heißen doch gleich nochmal die Gehörknöchelchen?“
Nie hatte sie sich diese Antwort merken können – der Fuß mit seinen vielen winzigen Knochen, kein Problem. Aber das Ohr, daran hakte es jedes Mal, dabei waren gab es solch eine gute Eselsbrücke. Wie oft hatte er sie damals wohl abgefragt?
„Hm?“ murmelte sein Mädchen verschlafen. „Was?“
„Das menschliche Ohr. Du weißt schon. Du musst an einen Hufschmied …“
„Bernd! Stefan! Oskar!“
Jetzt ist sie wach. „Ich empfehle dir, dich jetzt ganz zügig auf den Weg nach unten zu machen, um mir das Frühstück vorzubereiten und vor allem einen guten Kaffee zu kochen! Dann lasse ich mich vielleicht noch mal überzeugen, dir gegen später das Mittagessen zu kochen und beim Sudoku zu helfen. Verscherze es dir nicht mir mir!“
Er grinst, geht ums Bett herum und küsst ihre müde, weiche Wange.
„Hammer, Amboss und Steigbügel“., sagt er sanft. „In jedem Ohr.“
Dann tritt er hinaus auf den Korridor, macht sich auf den Weg ins Bad.
Liebe. Immer wieder läuft es darauf hinaus.
Und, na gut, Humor kann auch nicht grade schaden.

 

Hallo NikitaF,

eine hübsche Sepia-Erinnerung zeichnest du da. Leider bietet die Geschichte aber wenig Anreiz zum Weiterlesen. Denn auch, wenn ich kein Verfechter der These bin, jede Geschichte braucht ihren Konflikt, so fehlt mir dieser bei deiner doch zu sehr (bzw. du schaffst mir keinen Ausgleich.)

Es 'scheitert' meiner Meinung vorallem daran, dass du mögliche Konfliktfelder zwar anschneidest (Kriegserinngerungen, Alterbeschwerden), diese aber dann doch ignorierst bzw. zur Seite schiebst. Aber Liebe braucht, meiner Meinung nach, Hindernisse, um eine Geschichte tragen zu können. (Simples Beispiel stellen die Simpsons. Homer macht Fehler, die Konflikt schaffen, aber letztlich kann Marge ihm verzeihen. Da bewärt sich Liebe gegen Widrigkeiten.)
Meiner Meinung nach würde deine Geschichte viel Gewinnen, würdest du den Erinnerungsteil kürzen und dafür in die Gegenwart Konflikt einbringen - diesen gibt es nach 40-50 Jahren Ehe fast immer (wenn auch häufig verborgen und nicht aufgearbeitet), zumal Altererscheinungen wie einsetztende Demenz diese noch verstärken können. Wenn dann am Ende, trotz der Zwistigkeiten der beiden, die Liebe überwiegt, so hättest du eine bessere Hymne an die Liebe geschrieben, als in der jetzigen Fassung.

Zweites Problem: Du erzählst sehr viel - was ansich nicht so sehr das Problem ist, sondern, dass du Dinge erzählst, die man sehr häufig ließt. Deine Weltkriegsbeschreibung ist nicht sehr individuell (kann es fast nicht sein, da soviel schon geschrieben wurde bzw. von Großeltern erzählt, dass nur szenische Schilderungen wirklich Neues, Individuelles bringen können). Gut dagegen fand ich die Sache mit dem Medizinstudium. Schöne Umsetzung.

Kleinigkeiten:

Das Aufstehen ist so mühsam. Vielleicht nicht wirklich mühsamer als das Zubettgehen, im Grunde spiegeln sich beide Vorgänge in umgekehrter Reihenfolge, aber die Nacht lockt zumindest mit einigen Stunden Schlaf. Einige Stunden, die vom Zerren und Reißen der Muskulatur entheben, vom Knacken der Gelenke, den Zipperlein des Alters.
Den ersten Satz finde ich stark. Den Rest leider nicht. Diese Relativierung und Aufrührung nimmt dem Anfang viel Kraft.

Er wuchtet sich vorsichtig in eine sitzende Haltung, lässt die Füße eine Weile über den Matratzenrand baumeln, um auch seinem Blutdruck Gelegenheit zu geben, zu merken, dass es Zeit zum Aufstehen ist.
Kürzer wäre hier denke ich besser: "um seinem Blutdruck Zeit zu geben". Etwas in die Art. So klingt es umständlich, da nach Blutdruck klar ist, was gemeint ist, aber bevor der Satz dann tatsächlich zu Ende ist, braucht es zu viele Wörter.

Nie hatte sie sich diese Antwort merken können – der Fuß mit seinen vielen winzigen Knochen, kein Problem. Aber das Ohr, daran hakte es jedes Mal
Kaufe ich dir schlichtweg nicht ab. Das klingt viel zu sehr danach, als wolltest du den Leser mit ins Boot holen, da die meisten die Gehörknöchel noch von der Schule kennen.

Gruß,
Kew

 

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